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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 07.01.2004
Aktenzeichen: 2 Wx 2/04
Rechtsgebiete: WEG, BRAGO, KostO, ZPO


Vorschriften:

WEG § 48 Abs. 3
WEG § 48 Abs. 3 S. 1
WEG § 48 Abs. 3 S. 2
BRAGO § 9 Abs. 2 S. 1
KostO § 31 Abs. 3
KostO § 14 Abs. 3 S. 2
KostO § 14 Abs. 3 S. 3
ZPO § 546
ZPO § 547
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 2/04

In der Wohnungseigentumssache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 7. Januar 2004 durch die Richter

Dr. Lassen, Puls, Albrecht

beschlossen:

Tenor: Die weitere Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 18.Oktober 2002 wird zurückgewiesen. Gründe: Die von dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers im eigenen Namen eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. I.

Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer der Wohnanlage in Hamburg. Im Jahr 2001 hat die Eigentümerversammlung beschlossen, fünf Bäume in der Anlage fällen zu lassen .Diesen Beschluss hat der Antragsteller, dem es um die Erhaltung der Bäume geht, angefochten. Amts- und Landgericht haben sein Begehren zurückgewiesen. Das Amtsgericht hat den Geschäftswert auf 5.000,- € festgesetzt, da dieser Betrag dem Erhaltungsinteresse des Antragstellers entspreche. Auf die hiergegen eingelegte Geschäftswertbeschwerde hat das Landgericht den Geschäftswert auf 9.413,67 € festgesetzt. Unter Zugrundelegung von § 48 Abs. 3 WEG hat das Landgericht den Streitwert wie folgt berechnet:

Kosten für die Fällung der Bäume 3356,99 € (6.565,60 DM)

zzgl. Kosten der Wiederbepflanzung nach Maßgabe der Auflage des Bezirksamts Hamburg-Wandsbek 655,50 € (1.282,03 DM)

zzgl. Risikozuschlag bzgl. Gelingen der Bepflanzung 10 %

zzgl. Interesse immaterieller Art an Erhaltung der Bäume 5.000,- €. Das Landgericht hat ausgeführt, dass mit dem vom Amtsgericht angesetzten Betrag von 5.000,- € die zu berücksichtigenden Interessen immaterieller Art am Erhalt des früheren Zustandes der Gartenanlage hinreichend berücksichtigt seien. Gegen diese Festsetzung des Landgerichts wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit der zugelassenen weiteren Beschwerde. Zur Begründung trägt er vor, dass der Geschäftswert nach dem Wert der in Rede stehenden Bäume bemessen werden müsse. Der Wert der Bäume sei nach der Methode "Koch" zu errechnen, wonach die Teilwiederherstellung (Anschaffungskosten und Pflanzkosten eines jüngeren Baumes zzgl. Anwachsrisiko) sowie eine Geldentschädigung für den verbleibenden Restschaden in Gestalt des verbleibenden Minderwerts zu berechnen seien (vgl. zur Methode "Koch" OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 856). II.

Die gem. § 9 Abs. 2 S. 1 BRAGO, §§ 31 Abs. 3, 14 Abs. 3 S. 2 KostO statthafte weitere Beschwerde ist zulässig, da sie vom Landgericht zugelassen wurde, die Mindestbeschwerdesumme von 50,- € überschritten wird und die Beschwerde form- und fristgemäß eingereicht worden ist (§ 14 Abs. 4; §§ 31 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 3 KostO). Die weitere Beschwerde ist jedoch unbegründet, da eine Rechtsverletzung, auf die hin der Senat die Entscheidung des Landgerichts gem. § 14 Abs. 3 S. 3 KostO, §§ 546, 547 ZPO allein überprüfen kann, nicht vorliegt. Maßgebend für die Festsetzung des Geschäftswerts ist gem. § 48 Abs. 3 S. 1 WEG das Interesse der Beteiligten an der angefochtenen Entscheidung. Bei der Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer ist hierbei wegen der Rechtskraftwirkung der angestrebten Entscheidung für und gegen alle Beteiligte (§ 45 Abs. 2 S. 2 WEG) auf die Interessen aller Beteiligten abzustellen (§ 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG). Das Landgericht hat den Geschäftswert gem. § 48 Abs. 3 WEG rechtsfehlerfrei niedriger festgesetzt als vom Antragsteller in seiner Antragsschrift angegeben.

Nach § 48 Abs. 3 S. 2 WEG kann der Geschäftswert niedriger festgesetzt werden, wenn die nach Satz 1 berechneten Kosten nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Interesse des einzelnen anfechtenden Wohnungseigentümers stehen. Zweck dieser Regelung ist, dass die Geschäftswertbemessung, die in Streitigkeiten des Wohnungseigentumsrechts regelmäßig zu erheblichen Summen führt, nicht den Zugang zu den Gerichten unzumutbar erschweren oder faktisch unmöglich machen soll (vgl. z. B.Senat, 2 Wx 66/99, ZMR 2001, 379 m.w.N.). In der Rechtsprechung ist vereinzelt versucht worden, die Begrenzung des Geschäftswerts schematisch auf den fünffachen Betrag des persönlichen wirtschaftlichen Interesses festzulegen (vgl. KG, NJW-RR 1988, 14 [15]; OLG Hamm, WE 2000, 185 = NZM 2001, 549). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung nicht (vgl. zur Kritik an dieser Rechtsprechung: OLG Karlsruhe, ZMR 1996, 226 = WE 1996, 78, so auch BayObLG, ZMR 2001, 208 = NZM 2001, 718; NJW-RR 1989, 79), da eine Herabsetzung nicht nach einem schematischen Modus, sondern nach einer Abwägung im Einzelfall zu erfolgen hat. Es sind keine durchschlagenden Gründe ersichtlich, warum ausgerechnet eine Begrenzung auf das fünffache Interesse des Einzelnen zu erfolgen habe und nicht etwa das vier- oder sechsfache Interesse maßgeblich sein soll. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 48 Abs. 3 WEG wegen Unbestimmtheit des Tatbestandes (=§ 48 Abs. 2 WEG a.F.)bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht, weil die Bestimmung des Geschäftswerts anhand der Auslegung der Norm mit hinreichender Sicherheit möglich ist ( vgl. BVerfG NJW 1992, 1673 [1674]). Wegen des weiten Spielraums gem. § 48 Abs. 3 WEG sind jedoch strenge Maßstäbe an die Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten durch das den Geschäftswert festsetzende Gericht zu stellen. Den damit eröffneten Spielraum hat das Landgericht nicht überschritten. Als Kriterien für die Bemessung des Geschäftswerts können die Kosten der beschlossenen Maßnahme (vgl. BayObLG, NZM 2002, 623 f.) sowie deren Auswirkungen auf den Nutzwert der Anlage (BayObLG, , ZMR 2003, 48 f.) zugrunde gelegt werden. Insoweit sind weder die Beseitigungs- noch die Vornahmekosten einer Maßnahme statisch zugrunde zu legen, sie bilden allenfalls einen Anhaltspunkt für eine gerechte Interessenabwägung (BayObLG, ZWE 2002, 407 = WuM 2002, 398 [Leitsatz]). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist ferner das Kostenrisiko im Verhältnis zum persönlichen Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers abzuwägen (Senat, ZMR 2001, 379), wobei, je nach dem Ergebnis der obigen Überlegungen, der Geschäftswert auch niedriger festgesetzt werden kann (vgl. bzgl. Grundstückswert vgl. BayObLG, ZWE 2001, 552 f.). Das Landgericht hat den Geschäftswert in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgesetzt, indem es zunächst die Kosten der beschlossenen Maßnahme zum Ausgangspunkt der Berechnung genommen hat. Es begegnet keinen Bedenken, dass das Landgericht den Wert der in Rede stehenden Bäume nicht mit dem Interesse der Eigentümer an freiem Lichteinfall oder dem Interesse am Erhalt der Bäume gleichgesetzt hat. Vielmehr hält sich das Gericht im oben aufgezeigten Rahmen der zulässigen Festsetzung des Geschäftswerts. Regelmäßig wird der Wert der Bäume das individuelle Erhaltungsinteresse des Anfechtenden übersteigen, so dass nicht allein der Kostenaufwand für die Fällung der Bäume herangezogen werden kann, sondern darüber hinaus das Individualinteresse des Anfechtenden zu berücksichtigen ist. Das Landgericht hat an der Festsetzung des Amtsgerichts festgehalten, wonach ein Betrag in Höhe von 5.000,- € in Anschlag gebracht wurde, mit dem das Interesse des Anfechtenden am Erhalt der Bäume abgegolten werden soll. Die Höhe dieses Betrages ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ferner ist nicht zu beanstanden, dass nicht der Wert des alten Baumbestandes zugrunde gelegt worden ist, sondern allein auf die Kosten der beschlossenen Maßnahme sowie ein immaterielles Erhaltungsinteresse. Damit folgt der Senat der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte, die bei der Festsetzung des Geschäftswerts bei der Anfechtung von Beschlüssen ebenfalls nicht auf den Wert der in Rede stehenden Objekte, sondern, in Anwendung des § 48 Abs. 3 S. 2 WEG, auf das jeweilige Individualinteresse der anfechtenden Wohnungseigentümer abstellen (vgl. etwa BayObLG, ZWE 2002, 407 [Beseitigung einer Doppelgarage]; OLG Düsseldorf, ZMR 2000,783 [Beseitigung von Nadelbäumen im Balkonbereich]). Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 31 Abs. 4 KostO.

Ende der Entscheidung

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