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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 26.03.2002
Aktenzeichen: 2 Wx 78-102/00
Rechtsgebiete: AGBGB, BGB


Vorschriften:

AGBGB §§ 35 ff.
AGBGB § 39 Abs. 1
BGB § 873
BGB § 877
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 78-102/00

In der Grundbuchbeschwerdesache

betreffend die im Grundbuch von Wandsbek eingetragenen Wohnungs- und Teileigentumsrechte

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 26. März 2002 durch die Richter Dr. Lassen, Stöger, Jahnke

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluß des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 21, vom 16. Juni 2000 wird nach Erledigung der Hauptsache festgestellt, daß Gerichtskosten zu Lasten der Beteiligten für die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses durch den Beschluß des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek vom 11. April 2000 sowie für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren nicht anfallen.

Gründe:

I. Die Eigentumsanlage ..........besteht aus 10 Eigentums wohnungen und 15 Teileigentumsrechten (Tiefgaragenplätze) für die die Wohnungs- bzw. Teileigentumsgrundbücher von Wandsbek Blatt 11101 bis Blatt 11125 angelegt worden sind (ursprünglich: Grundbuch von Wandsbek Bl. 10583). In der Abteilung III der jeweiligen Grundbücher sind Grundschulden zugunsten verschiedener Kreditinstitute eingetragen.

Der für die im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichnete Eigentumswohnung vorgesehene Kellerraum Nr. 1 konnte diesem Wohnungseigentümer nicht zur Verfügung gestellt werden, da dieser Raum von der HEW für die Hausanschlüsse in Anspruch genommen wurde. Deshalb einigte sich der Verkäufer mit dem Käufer der Wohnung Nr. 1 sowie den weiteren Wohnungs- und Teileigentümern dahin, den im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten Kellerraum gegen den im Gemeinschaftseigentum stehenden "Hausmeisterkeller" zu tauschen. Gleichzeitg wurde Einigkeit darüber erzielt, zwei Sondernutzungsrechte an jeweils einer ca. 20 qm großen Terrasse an der Rückfront des Hauses ........zugunsten der Wohnungen Nr. 1 und 2 zu bestellen, und zwar anstelle von jeweils 2 für jede dieser Wohnungen vorgesehene, aber nicht gebauten Balkone (halbkreisförmige Austritte) (UR-Nr. 3075/1996 des Notars Petersen in Hamburg). Die Eigentümer haben sowohl in der Verhandlung vom 3. September 1996 (UR-Nr. 3075/1996) als auch mit Schreiben vom 2. März 2000 beantragt, die für den Kellertausch sowie die Bestellung der Sondernutzungsrechte erforderlichen Zustimmungserklärungen der in Abt. III der jeweiligen Grundbücher eingetragenen Grundpfandrechtsgläubiger durch Erteilung entsprechender Unschädlichkeitszeugnisse gem. Art. 120 EGBGB i.V.m. der analogen Anwendung der §§ 35 ff. des hamburgischen Ausführungsgesetzes zum BGB in der Fassung vom 1. Juli 1958 (HambBL I 40 e)zu ersetzen.

Diesen Antrag hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek durch Beschluß vom 11. April 2000 mit der Begründung abgelehnt, daß § 35 AGBGB auf Wohnungseigentumsrechte nicht anwendbar sei. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde hat das Landgericht nach Nichtabhilfe durch die Rechtspflegerin durch Beschluß vom 15. Juni 2000 zurückgewiesen, und zwar ebenfalls unter Ablehnung einer analogen Anwendung von § 35 ABGBG. Mit der weiteren Beschwerde haben die Beteiligten ihren Antrag weiterverfolgt. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Beteiligten die Zu stimmungserklärungen aller Grundpfandberechtigten beigebracht, worauf die Eintragung von Kellertausch und Begründung von Sondernutzungsrechten in sämtlichen Wohnungsbzw. Teileigentumsgrundbüchern erfolgte. Die Beteiligten haben daraufhin das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und ihr Rechtsmittel auf die Kosten entscheidung beschränkt.

II. Die weitere Beschwerde der Beteiligten führt zu der aus der Beschlußformel ersichtlichen Kostenentscheidung.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten war während des Rechtsbeschwerdeverfahrens wegen Fortfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden, da sich das Verfahren auf Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses nach Einlegung der weiteren Beschwerde in der Hauptsache erledigt hatte (vgl. hierzu: Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 27 Rn 55). Die Beteiligten haben daraufhin zulässigerweise (Keidel/Kahl a.a.O. m.w.N.) ihr Rechtsmittel auf den Kostenpunkt beschränkt, so daß der Senat nur noch über die Kosten sämtlicher Instanzen zu entscheiden hat, und zwar nur hinsichtlich der Gerichtskosten, da im Verfahren nach § 35 AGBGB eine Kostenerstattung zugunsten obsiegender Antragsteller hinsichtlich ihrer außergerichtlichen Kosten nicht vorgesehen ist und da nach allgemeinem FGG-Recht eine Kostenerstattung durch die Staatskasse nur in hier nicht gegebenen Ausnahmefällen angeordnet werden kann (§§ 13 a Abs. 2 FGG, 35 Abs. 2 AGBGB).

Zwar bedarf es im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Regel keiner Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten. Denn ob und in welcher Höhe in derartigen Verfahren Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) zu erheben sind und wer sie zu tragen hat, bestimmt sich, soweit nicht für einzelne Rechtsgebiete be sondere Vorschriften erlassen sind, nach der Kostenordnung und ist im Einzelfall vom Kostenbeamten zu prüfen. Dieser Grundsatz gilt jedoch nur dann, wenn sich die Kostenfolge eindeutig aus der Art des Geschäftes oder aus dem Wortlaut der die Kostenpflicht auslösenden Entscheidung in Verbindung mit den Bestimmungen der Kostenordnung erkennen läßt, so daß der Kostenbeamte ohne weiteres in der Lage ist, die Kosten anzufordern. Ist dies nicht der Fall, weil sich die Hauptsache erledigt hat, so muß auch eine Entscheidung über die Gerichtskosten für alle Rechtszüge ergehen, selbst wenn und soweit sie nur klarstellende Bedeutung hat (BayObLGE 1968, 199).

Die Kostenentscheidung nach Erledigung in der Hauptsache ist in dem hier vorliegenden einseitigen Antragsverfahren - wie in den übrigen Fällen der Erledigung - nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen, wobei im wesentlichen auf den mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens abzustellen ist. Es besteht in diesem Verfahren lediglich der Unterschied, daß bei voraussichtlicher Erfolglosigkeit des Antrags und der Rechtsmittel die Beteiligten die bisher entstandenen Ge richtskosten zu tragen haben, während bei mutmaßlichem Erfolg der Beteiligten keine Gerichtskosten anfallen, ohne daß ihnen ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten zustände (s.o.). Bei der Ermessensentscheidung reicht eine summarische Prüfung aus; das Gericht braucht in rechtlich schwierigen Fällen nicht jede für den Ausgang bedeutsame Rechtsfrage im einzelnen zu prüfen (vgl. für das ZPO-Verfahren: Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 91 a Rn 24 m.w.N.).

Die weitere Beschwerde der Beteiligten hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg gehabt. Denn nach der Auffassung des Senats sprechen überwiegende Gründe dafür, daß in Fällen wie dem vorliegenden § 35 AGBGB ff. in analoger Anwendung herangezogen werden kann und daß auch im übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Unschädlichkeitszeugnisses (Unschädlichkeit der Rechtsänderung für den eingetragenen Berechtigten) wenigstens im vorliegenden Fall erfüllt gewesen sein dürften. Nach seinem Wortlaut bestimmt zwar Art. 120 EGBGB lediglich, daß landesgesetzliche Vorschriften unberührt bleiben, nach welchen im Falle der Veräußerung eines Teils eines Grundstücks dieser Teil von den Belastungen des Grundstücks befreit wird, wenn von der zuständigen Behörde festgestellt wird, daß die Rechtsänderung für die Berechtigten unschädlich ist. Aber schon § 35 AGBGB, wonach ein Teil eines Grundstücks lastenfrei abgeschrieben werden kann, wenn das Amtsgericht, von welchem das Grundbuch für das Grundstück geführt wird, auf Antrag des Eigentümers oder Erwerbers durch Beschluß feststellt, daß die Rechtsänderung für die eingetragenen Berechtigten unschädlich ist, dehnt den Anwendungsbereich für die Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses aus, indem hier an die Stelle des Tatbestandsmerkmals "Veräußerung eines Grundstücksteils" die Möglichkeit lastenfreier Abschreibung eines Teils des Grundstückes anläßlich jeder Rechtsänderung tritt. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, daß Rechtsänderungen bezüglich eines Grundstücksteils, die für die Grundpfandrechte an dem Gesamtgrundstück unschädlich sind, möglichst einfach grundbuchrechtlich abgewickelt werden können, vor allem nicht von der grundsätzlich nach §§ 873, 877 BGB erforderlichen Zustimmung aller Grundpfandgläubiger abhängig sind. Denn in diesem Fall besteht - worauf die Beteiligten zutreffend hinweisen -, die Gefahr, daß eine an sich wünschenswerte Rechtsänderung an der - aus welchen Gründen auch immer - verweigerten Zustimmung nur eines Grundpfandgläubigers scheitert. Die Befreiung davon, dass grundsätzlich alle Grundpfandgläubiger allen Rechtsänderungen an einem Grundstückteils zustimmen müssen, auch wenn sie hiervon ersichtlich nicht betroffen werden, ist bei rechtlichen Veränderungen innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft in noch viel stärkerem Maße geboten, als bei einfachem Grundeigentum. Während beim letzteren die Zahl der Grundpfandgläubiger, deren Zustimmung nach § 873 BGB an dem Grundstück oder Grundstücksteil erforderlich wären, im Regelfall überschaubar sein dürfte, wäre bei betroffenem Wohnungseigentum die Zahl der beteiligten Grundpfandgläubiger in jedem Fall erheblich größer. Zur Demonstration ist der vorliegende Fall besonders gut geeignet. Dem unproblematischen Tausch zweier nahezu iden tischer Kellerräume, wozu einer im Gemeinschaftseigentum steht und der andere zum Sondereigentum eines Wohnungseigentümers gehört, müßten nach §§ 873, 877 BGB sämtliche Grundpfandgläubiger sämtlicher Wohnungseigentümer zustimmen, weil die Übertragung des bisher im Gemeinschaftseigentum stehenden Kellerraums das Miteigentum und damit auch das Sondereigentum eines jeden Wohnungseigentümers (§ 6 WEG) betrifft, was bei sehr großen Wohnungseigentumsanlagen zur Mitwirkung von hundert oder mehr Grundpfandgläubigern führen kann, wenn auch einige Grundpfandgläubiger Rechte an mehreren Eigentumswohnungen haben können. Insofern spricht - anders als das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung meint - die im Regelfall größere Zahl der beteiligten Grundpfandgläubiger nicht gegen, sondern für eine im Grundsatz mögliche analoge Anwendung von § 35 AGBGB, so daß der Senat allein aus diesem Grunde im Einklang mit der Rechtsprechung des BayObLG zu den entsprechenden Regelungen des bayerischen Landesrecht (BayObLG, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 93, 689; BayObLG, MittBayNot 1988, 75) die analoge Anwendung der die Ausstellung eines Unschädlichkeitszeugnisses ermöglichenden §§ 35 ABGBG ff. sowohl hinsichtlich der Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum (Kellertausch) als auch hinsichtlich der Einräumung von Sondernutzungsflächen (Terrassen) im Grundsatz für gerechtfertigt hält.

Die vom Landgericht befürchteten "unlösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten" können (und müssen) bei der analogen Anwendung von §§ 35 AGBGB ff. durch ein restriktives Verständnis des Tatbestandsmerkmals "Unschädlichkeit" vermieden werden. Auch hier ist der vorliegende Fall beispielhaft. Hinsichtlich des erforderlich gewordenen Kellertausches läßt sich eine Beeinträchtigung der Grundpfandgläubiger mit Sicherheit aus schließen. Auch hinsichtlich der Einräumung der Sondernutzungsrechte weisen die Beteiligten überzeugend darauf hin, daß durch die Bestellung der Sondernutzungs rechte eine Wertminderung der übrigen Eigentumswohnungen nicht eingetreten ist, da z. B. Sachverständige in Grundstücksangelegenheiten bei der Bewertung von Eigentums wohnungen keine Wertabschläge vornehmen, weil zugunsten einer Erdgeschoßwohnung ein Sondernutzungsrecht an einer Terrassenfläche begründet wurde.

Dadurch, daß der Wohnungseigentümergemeinschaft oder einzelnen Wohnungseigentümern die Möglichkeit eingeräumt wird, in geeigneten Fällen zur Vermeidung der Einholung überflüssiger und kostenträchtiger Zustimmungserklärungen der Grundpfandgläubiger in analoger Anwendung von § 35 AGBGB ein Unschädlichkeitszeugnis zu erhalten, sind die Rechte der Grundpfandgläubiger nicht beeinträchtigt. Nach § 39 Abs. 1 AGBGB ist der Beschluß, der die Unschädlichkeit feststellt, unter anderem auch dem eingetragenen Berechtigten von Amts wegen zuzustellen. Gegen diesen Beschluß steht dem Grundpfandgläubiger das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu (§ 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Dieser Beschluß wird erst mit Rechtskraft wirksam (§ 40 Abs. 2 EGBGB).

Aus dem vorstehenden ergibt sich für die Kostenentscheidung folgendes:

Kosten, die durch die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses entstanden sein können, sind gegenüber den Beteiligten nicht geltend zu machen, da im vorliegenden Fall dem Antrag hätte entsprochen werden müssen. Die Kosten des Beschwerde- bzw. Rechtsbeschwerdeverfahrens sind den Beteiligten ebenfalls nicht anzulasten, da sie spätestens mit der weiteren Beschwerde erfolgreich gewesen wären, für die Gerichtskosten nicht angefallen wären (§ 131 Abs. 1 S. 2 KostO).

Ende der Entscheidung

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