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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: 3 U 109/03
Rechtsgebiete: UWG, ZPO, HWG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 25
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1
HWG § 3 a
1. Zum Rechtsschutzbedürfnis für die Verteidigung eines Unterlassungstitels, auf den die Gläubigerin wegen veränderter Umstände mit Wirkung für die Zukunft verzichtet hat.

2. Der Einleitung eines erneuten Verfügungsverfahrens wegen einer abgeänderten Werbeanzeige, die von der Gläubigerin zugleich als Verstoß gegen ein vorangegangenes Verfügungsverbot mit einem Ordnungsmittelantrag beanstandet worden ist, steht die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO jedenfalls dann nicht entgegen, wenn das Gericht nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die erneut als wettbewerbswidrig beanstandete Werbung nicht vom Kern des vorangegangenen Verbots erfasst ist.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 109/03

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 29. Januar 2004

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler, nach der am 11. Dezember 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 4. März 2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung.

und beschließt:

Der Streitwert der Berufung wird auf € 150.000.- festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Landgericht hatte der Antragsgegnerin mit der durch das Widerspruchsurteil bestätigten einstweiligen Verfügung vom 08.01.2003 verboten, in der Werbung für das Arzneimittel "K... 1 mg" eine "24 Stunden wirksame Antiemese" herauszustellen, wenn dies wie in der dem Tenor beigefügten Werbeanzeige geschieht.

Der Antrag war wegen der umfassenden Bewerbung von "K...l" in der 1 mg-Dosierung und damit auch für eine Indikation, für die diese Dosierung nach der Fachinformation nicht Gegenstand des Zulassungsverfahrens gewesen ist, auf § 3 a HWG gestützt worden.

Die Antragsgegnerin hat im Wege der Änderungsanzeige eine Erweiterung des bisherigen Dosierschemas angezeigt (Schreiben vom 12.12.2002). Die Zustimmungsfiktion ist - vom BfArM bestätigt (Schreiben vom 17.3.2003) - eingetreten. Die Kenntnisnahme der Änderungsanzeige ist vom BfArM nochmals am 8.4.2003 bestätigt worden.

Die Antragstellerin hat, nachdem die Antragsgegnerin ihr die geänderte Fachinformation zur Kenntnis gegeben hatte, mit dem am 31. März 2003 zugegangenen Schreiben vom 26.03.2003 auf den Titel verzichtet.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 4. März 2003 abzuändern und die einstweilige Verfügung vom 8. Januar 2003 unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags für die Zeit vom 8. Januar bis 31. März 2003 aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

B.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

I.

1. Die Berufung ist zulässig, denn die Antragsgegnerin ist trotz des Verzichts der Antragstellerin auf den Titel durch das angegriffene Urteil beschwert. Dazu hat der Senat in dem heute gleichfalls verkündeten Urteil aus dem zum Geschäftszeichen 3 U 37/03 zwischen den Parteien anhängig gewesenen Rechtsstreit Folgendes ausgeführt:

" Der von der Antragstellerin erklärte Verzicht wirkt nur in die Zukunft. Die Antragstellerin hatte sich ausdrücklich vorbehalten, ein in der Vergangenheit anhängig gemachtes Ordnungsmittelverfahren weiter zu betreiben.

Unterlassungsanträge entfalten ihre Wirkung zwar materiell nur für die Zukunft und insoweit hat sich das Verfügungsverbot durch den erklärten Verzicht erledigt. Hier hat die Antragsgegnerin aber schon wegen des laufenden Ordnungsmittelverfahrens ein schutzwürdiges Interesse daran, klären zu lassen, ob die einstweilige Verfügung in der Vergangenheit hat Geltung beanspruchen können. Dies könnte sie nicht durch eine Klage nach § 767 ZPO klären lassen, denn für die Zukunft ist der Titel nicht mehr existent und die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstandene Änderung der Sach- und Rechtslage betrifft die Geltung des Titels in der Vergangenheit nicht. Im Verfahren nach § 727 ZPO könnte die Antragsgegnerin ebenfalls nur die Fortgeltung des Titels in die Zukunft klären lassen und das Rechtschutzbedürfnis für ein Aufhebungsverfahren wäre schon deswegen nicht gegeben, weil nicht die zukünftige Fortgeltung des Titels im Streit wäre.

Wie immer dem auch sei, ist die für die Berufung erforderliche Beschwer von mehr als € 600.- , § 511 Abs. 2 Nr.1 ZPO, allein schon deswegen gegeben, weil die Antragsgegnerin jedenfalls Gefahr läuft, wegen etwaiger Verstöße gegen das Verfügungsverbot aus der Zeit vor Eintritt der Fiktionswirkung der Änderungsanzeige und vor Erklärung des Verzichts noch mit Ordnungsmittelverfahren überzogen zu werden. Die Berufung ist damit zulässig.

In diesem Sinne hat der Senat im Übrigen bereits im Jahre 1983 entschieden (WRP 1983, 425). Dort heißt es u. a., dass der Senat die Berufung schon immer dann für zulässig gehalten habe, wenn in materieller Hinsicht zwischen den Parteien noch ein Streit über den Prozessgegenstand in der Hauptsache bestand und weiter, dass die Berufung auch dann für zulässig gehalten worden sei, wenn der Streit sich nach Erlass des den Antragsgegner belastenden erstinstanzlichen Urteils und vor Einlegung der Berufung materiell erledigt hatte, weil andernfalls die einstweilige Verfügung fortbestanden hätte und keine endgültige Entscheidung darüber herbeigeführt würde, ob die einstweilige Verfügung von Anfang an gerechtfertigt gewesen ist oder nicht (a.a.O. , 426). Gleichermaßen hat das OLG Schleswig in jüngerer Zeit entschieden, dass die die Abgabe einer Verpflichtungserklärung nach Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie der anschließende Verzicht des Klägers auf seine Rechte aus dem Titel der Zulässigkeit einer Berufung, die sich nicht nur gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils wendet, nicht entgegen stehen (OLG-Report Schleswig 2002, 430)."

Diese Ausführungen gelten auch hier. Zwar ist aus der hier zugrunde liegenden einstweiligen Verfügung ein Ordnungsmittelverfahren nicht anhängig. Für die Beschwer der Antragsgegnerin reicht aber aus, dass ein gegen sie gerichtetes tituliertes Verbot mit Wirksamkeit für einen gewissen Zeitraum in der Vergangenheit existent ist. Denn die Existenz des Verbots als solches reicht zur Begründung der Beschwer.

2. Ein Verfügungsgrund ist gegeben.

Die Dringlichkeitsvermutung aus § 25 UWG ist auch nicht wegen der zwischen Kenntnisnahme der beanstandeten Werbung und Einleitung des Verfügungsverfahrens verstrichenen Zeit erschüttert.

(a) Die hier streitgegenständliche Werbung soll in verschiedenen Zeitschriften von September 2002 bis Dezember 2002 geschaltet gewesen sein.

Die Antragstellerin hatte diese Werbung zunächst zum Gegenstand eines Ordnungsmittelverfahrens aus einer vorangegangenen Verbotsverfügung der Kammer 6 für Handelssachen vom 10. 07.2002 (406 O 86/02, 3 U 37/03) gemacht. Zum erneuten Vorgehen mittels eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat sie sich erst entschlossen, nachdem die Antragsgegnerin mit dem im Ordnungsmittelverfahren eingereichten Schriftsatz vom 5.12.2002 - eingegangen beim Antragstellervertreter am 17.12.02 -die Auffassung vertreten hatte, dass ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung nicht gegeben sei, weil die neuerlich beanstandete Werbung nicht in den Kernbereich des Verbots falle. Der Verfügungsantrag ist sodann am 8. Januar 2003 bei Gericht eingereicht worden.

Nach dem Vorbringen im Bestrafungsverfahren ist die hier streitige Anzeige im Oktober 2002 von der Antragstellerin entdeckt worden. Zuvor geschaltete Anzeigen haben nach Angaben der Antragsgegnerin nicht mehr gestoppt werden können, worauf die Antragstellerin davon Abstand genommen hatte, auch diese Anzeigen aufzugreifen und zum Gegenstand eines Verfahrens zu machen. Am 12. 11. 2002 war der Bestrafungsantrag in der anderen Sache eingereicht worden.

(b) Bei diesen Zeitläufen hält der Senat die Dringlichkeitsvermutung nicht für erschüttert, denn die Antragstellerin ist wegen der Anzeigenwerbung zeitnah zu deren Kenntnisnahme gegen die Antragsgegnerin vorgegangen - mag dies auch zunächst im Wege eines Ordnungsmittelantrags geschehen sein - und hat sich zum Verfügungsantrag entschlossen, nachdem die Antragsgegnerin ihre Auffassung kundgetan hatte, dass die Werbung nicht gegen den schon vorliegenden Titel verstoße. Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin damit durch konsequentes und zügiges Vorgehen zu erkennen gegeben, dass sie die Angelegenheit keinesfalls auf sich beruhen oder auch nur dilatorisch behandeln wolle, sondern ihr die Angelegenheit wichtig und dringlich ist. Die Antragsgegnerin konnte bei den geschilderten Aktivitäten der Antragstellerin also keinesfalls davon ausgehen, dass diese sich nach Bestreiten der Verletzung der bereits vorliegenden Verfügung nicht doch noch zu einem erneuten Vorgehen im Verfügungsverfahren entschließen würde. Der Zeitlauf allein ist für die Wahrung der Dringlichkeit nicht entscheidend, es kommt vielmehr darauf an, mit welchen - hier für die Antragsgegnerin sogar wahrnehmbaren - Aktivitäten die wettbewerbsstörende Handlung in der Zeit ab Kenntnis des Beanstandungsfalles von der Verletzten verfolgt wird.

(c) Es kommt - kurzum - nach allem auf dogmatische Lehrsätze nicht an und anders, als es die Antragsgegnerin sieht, ist eine Aussage, wie die, dass das wettbewerbsrechtliche Verfügungsverfahren nicht als "Reparaturbetrieb" für ein fehlgeschlagenes Bestrafungsverfahren missverstanden werden dürfe, für den Senat ohne jeden Erkenntniswert. Wie ausführlich dargestellt, kommt es allein auf die Bewertung des Lebenssachverhalts mit den soeben geschilderten Maßnahmen der Antragstellerin und den Zeitpunkt des Umschaltens vom Ordnungsmittel- auf das Verfügungsverfahren an. All dies ist aus einer objektivierten Sicht der jeweils als Störer in Anspruch genommenen Partei zu betrachten, denn die Dringlichkeit entfällt wegen Zeitablaufs in aller Regel erst dann, wenn diese vernünftigerweise nicht mehr damit rechnen musste, noch mit einem Verfügungsverfahren überzogen zu werden.

(d) Auf ihre nicht glaubhaft gemachte Behauptung, dass die Werbeanzeige bereits seit August 2002 als Titelblatt eines Posters verwendet worden sei, ist die Antragsgegnerin nicht zurückgekommen, nachdem die Antragstellerin dies bestritten und Kenntnis in Abrede genommen hatte.

3. Die Einleitung eines neuen Verfügungsverfahrens war und ist nicht wegen anderweitiger Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig. Auch das anhängig gewesene Ordnungsmittelverfahren, mit dem die Gläubigerin zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nach ihrer Auffassung bereits über einen Titel verfüge, führt hier nicht zur Unzulässigkeit des weiteren Verfügungsverfahrens wegen bereits erfolgter Verurteilung. Zur Sache geht es hier um eine Werbung, die erst nach Zustellung des Titels aus der schon erörterten anderen Sache geschaltet worden ist und deretwegen ein Ordnungsgeld wegen Verstoßes gegen die zuvor erlassene einstweilige Verfügung verhängt worden war. Dieses Verfahren ist erst durch Rücknahme des Ordnungsmittelantrages nach Erörterung der Aussichten der sofortigen Beschwerde zeitgleich mit der Berufungsverhandlung erledigt worden.

(a) Damit steht hier nicht die Frage im Vordergrund, unter welchen Bedingungen der Gläubiger bei Unklarheit darüber, ob der bereits ergangene Titel die nunmehr beanstandete Art der Werbung erfasst oder nicht, ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erwirkung einer sog. Klarstellungsverfügung geltend machen kann. Es geht vielmehr darum, ob es - wie es hier der Fall war - ein Nebeneinander von neuem Verfahren und Ordnungsmittelverfahren geben kann. Wie diese Frage zu beantworten ist, ist umstritten:

(b) Kehl ("Einstweilige Verfügung - ähnliche neue Werbung - was tun?" in: WRP 1999, 46) verneint dies jedenfalls für den Fall, dass das angerufene Gericht zugleich als Vollstreckungsgericht für den schon vorliegenden Titel zuständig ist. Es wäre ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Gläubigers, letztlich aus taktischen Gründen in dem einen Verfahren die Auffassung zu vertreten, es liege eine "neue" Form vor und in einem anderen Verfahren (möglicherweise auch noch bei einem anderen Gericht) das genaue Gegenteil zu verfechten. Nach Kehls Auffassung muss das angerufene Gericht bei Eingang des neuen Antrags, jedenfalls dann, wenn es auch Vollstreckungsgericht für den bereits vorliegenden Titel ist, in eigener Verantwortung - also unabhängig von der Auffassung des Gläubigers und einem Bestreiten des Titelschuldners - prüfen, ob die Sache schon entschieden ist, der neue Verstoß also unter den bereits vorliegenden Titel zu subsumieren ist; sei dies der Fall, liege nach der zweigliedrigen Streitgegenstandslehre eine res judicata vor, womit das Rechtsschutzbedürfnis für ein erneutes Vorgehen nicht mehr gegeben sei.

(c) Das OLG Frankfurt stellt es dem Unterlassungsgläubiger frei, bei Unsicherheit über die Tragweite des Verbots erneut vorzugehen (WRP 1997, 51) und zwar dann, wenn aus der Sicht des Gläubigers die ernsthafte Befürchtung bestehe, dass sich der Schuldner darauf berufen werde, mit der abgewandelten Verletzungshandlung der titulierten Unterlassungsverpflichtung Rechnung getragen zu haben. Der Fall entspricht in der Abfolge von Ordnungsmittelverfahren und neuem Verfügungsantrag dem hier zu entscheidenden. Über das Schicksal des Ordnungsmittelverfahrens ist in der Entscheidung allerdings nichts mitgeteilt.

(d) Das OLG Köln meint wohl, dass es am Rechtsschutzbefürfnis für die Erwirkung des zweiten Titel fehle und hat bei der Abfolge eines erneuten Vorgehens und einem später eingeleiteten Ordnungsmittelverfahren aus dem ersten Titel in der Stellung des zweiten Verfügungsantrags einen konkludent erklärten Verzicht des Gläubigers auf ein Vorgehen aus dem zuerst erlangten Titel gesehen (OLG Köln Report 2002, 302).

(e) Das OLG Düsseldorf kommt in der aus dem Jahre 1992 stammenden Entscheidung "Kundenzeitschrift " (GRUR 1994, 81) mit einem engeren Verständnis des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffes zu dem Ergebnis eines möglichen Nebeneinanders von erneutem Vorgehen und Ordnungsmittelverfahren

(f) Der Senat hat diese Konstellation - soweit ersichtlich - noch nicht entscheiden müssen und braucht sie auch jetzt nicht zu entscheiden. Das Problem stellt sich hier nämlich nicht, denn die in diesem Verfahren streitgegenständliche Werbung kann nicht unter den Kern der Verbotsverfügung aus dem vorangegangenen Verfahren subsumiert werden. Dazu gilt Im Einzelnen Folgendes:

(g) Das dem Ordnungsmittelverfahren zugrunde liegende titulierte Verbot betrifft eine Werbung für das Arzneimittel "K... 1 mg" u. a. mit der hier zu erwägenden Aussage, sei dies allein, sei dies in Kombination:

a) sichere 24 Stunden Antiemese

und/oder

b) ............

und/oder

c) ............

und/oder

d) ............

wie geschehen in dem Tenor in Schwarz-weiß-Kopie beigehefteten Folder.

Der damit in Bezug genommene Folder zeigt die Abbildung eines weiblichen Torsos, auf dessen Bauch auf einer großen arabischen "1" eine Arzneimittelampulle und eine Filmtablette abgebildet sind. Darüber heißt es: "Sichere 24 Stunden Antiemese" (Unterstreichung durch den Senat) und wiederum darüber in kleinerer Schrifttype: "Neu: K... 1 mg". Die hier streitige Anzeigenwerbung zeigt wiederum den soeben beschriebenen weiblichen Torso mit der Bildüberschrift: "24 Stunden wirksame Antiemese" (Unterstreichung durch den Senat). Diese Werbung ist von dem Verbotstenor der ergangenen einstweiligen Verfügung nicht erfasst.

(1) Unter den Tenor eines Unterlassungstitels fallen zwar nicht nur identische Handlungen, sondern auch solche, die von dem wettbewerbswidrigen Kern der verbotenen Handlung nur geringfügig abweichen, ihr also praktisch gleichwertig sind, weil es sonst mühelos möglich wäre, den Titel zu unterlaufen. Eine Ausdehnung des Schutzbereichs des Titels auf solche Wettbewerbshandlungen, die der verbotenen Handlung aber im Kern lediglich ähnlich sind, ist dagegen nach der Natur des Vollstreckungsverfahrens nicht möglich. In Bezug auf Unterlassungstitel, die eine konkrete Wettbewerbshandlung verbieten, bedeutet dies, dass lediglich kosmetische Veränderungen der konkreten Verletzungsform, die Gegenstand des Verbots ist, die den Gesamteindruck der verbotenen Werbung aber nicht berühren, nicht aus dem Kernbereich des Verbots herausführen können. Wird die werbliche Maßnahme jedoch so verändert, dass sich deren Gesamteindruck bezogen auf den Kern des Verbots ändert, unterfällt die Änderung nicht mehr dem Verbotskern des Titels. Dies gilt auch dann, wenn die abgeänderte Form selbst wettbewerbswidrig ist. Die Wettbewerbswidrigkeit der Änderung kann in einem solchen Falle nur in einem neuen Erkenntnisverfahren, nicht aber in der Zwangsvollstreckung geprüft werden. All dies hat der Senat im Beschluss vom 17.11.1989 - 3 W 119/89 - (GRUR 1990. 637) so treffend auf den Punkt gebracht, dass es dazu keiner ergänzenden Anmerkungen bedarf.

(2) Dies vorangeschickt, betrifft das Verfügungsverbot zu a) in seinem Kern ein wettbewerbliches Verhalten mit folgenden Merkmalen:

a. die Werbung betrifft die Dosierung von 1 mg K...,

b. dies ist eingangs der Anzeige hinter dem Wort "Neu" ausdrücklich genannt,

c. dies wird bildlich durch die Darstellung der beiden Darreichungsformen Ampulle und Filmtablette vor der stilisierten "1" nochmals dargestellt,

d. das Bild trägt die Überschrift "Sichere 24 Stunden Antiemese"

Zu dem zuletzt genannten Merkmal teilt die dortige Antragsschrift unter der Zwischenüberschrift "Warum greife ich das nun alles an?" mit, dass eine Zulassung für die auf 1 mg beschränkte Dosierung für Erwachsene nicht vorliege, § 3 a HWG, und dass entgegen der Dosierungsempfehlung der 3 mg-Lösung für Erwachsene in der Fachinformation das 1 mg Konzentrat nicht mit der Sicherheits-Aussage werblich herausgestellt werden dürfe, §§ 3 UWG, 3 HWG.

Das Verbot kann im Kern also nur ein werbliches Verhalten mit den Merkmalen a) bis c) erfassen, wenn weiter eine sichere Wirkung des 1 mg-Konzentrats für Erwachsene - in jedem Anwendungsfall - werblich herausgestellt wird. Es handelt sich nach Fassung und Begründung des Verfügungsantrags also nicht um ein Schlechthin-Verbot der Bewerbung der 1mg-Dosierung für alle von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsfälle, sondern um ein solches, dass auch die behauptete "sichere" Wirkung über 24 Stunden erfasst. Wäre es nur auf die Dosisempfehlung auch für Bereiche außerhalb des nach der Fachinformation verbindlichen Dosierungsschemas angekommen, hätte eine von der konkreten Beanstandungsform abstrahierende Verallgemeinerung gewählt werden müssen; dies möglicherweise verbunden mit einem zweiten Verbotsantrag, mit dem der auf die in der Werbung dargestellte Sicherheit der Arzneimittelwirkung abgestellt worden wäre.

(3) Unter den so verstandenen Kern lässt sich die im Ordnungsmittelverfahren beanstandete Werbung nicht subsumieren.

Diese Werbung mag zwar gleichermaßen wettbewerbswidrig sein und zwar sogar aus jedenfalls einem der beiden Gründe, auf die der zu jenem Titel führende Antrag gestützt worden war, nämlich auf § 3 a HWG und es kann sogar sein, dass sie mit anderer Begründung sogar unter die zweite Verbotsbegründung aus §§ 3 UWG, 3 HWG subsumiert werden kann. Die Antragstellerin durfte ihren Verbotsantrag selbstverständlich auch alternativ begründen. Tut sie dies aber und lässt sie die von zwei Verbotsnormen getragene konkrete Beanstandungsform in ihrem Antrag unverändert, beschränkt sie das Verbot auch gerade auf die konkrete Beanstandungsform. Dies hat zur hier Folge, dass der Verbotsbereich des Verfügungstenors verlassen wird, wenn die Arzneimittelwirkung nicht mehr als für 24 Stunden "sicher" hingestellt wird, sondern nur noch eine Wirksamkeit für 24 Stunden versprochen wird. Vergleicht man beide Werbeaussagen unter dem Gesichtpunkt der Irreführung aus §§ 3 UWG, 3 HWG wird deutlich, dass ein Verbot der Wirksamkeitsbehauptung über 24 Stunden anders zu begründen wäre, als das Verbot der werblich behaupteten Sicherheit für 24 Stunden. Obwohl für einzelne Indikationen für Erwachsene eine 3 mg-Konzentratlösung empfohlen wird, mag nämlich sein, dass die 1 mg-Konzentratlösung nach 24 Stunden zwar noch wirkt (was in der Begründung zum Verfügungsantrag unter Bezugnahme auf die ASCO-Guidelines noch nicht einmal strikt in Abrede genommen zu sein scheint), aber eben nicht mehr sicher. Dies sind zugegebenermaßen Nuancierungen, die dennoch relevant sind, weil solche zu einem eventuellen Verbot führenden Erwägungen in das Erkenntnisverfahren gehören und der Umfang des Verbots für die Schuldnerin eindeutig sein muss.

Auf Grundlage dieser Erläuterungen des Gerichts ist der Ordnungsmittelantrag zurückgenommen worden.

4. Die weitere Verteidigung des Verfügungsverbots für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ist auch nicht etwa deswegen unzulässig geworden, weil für den damaligen Bestand des Titels möglicherweise kein Rechtschutzbedürfnis mehr gegeben wäre und die Antragstellerin deswegen hätte für erledigt erklären müssen. Wie allein die Vielzahl der im Ordnungsmittelverfahren des vorangegangenen Verfügungsverfahrens aufgegriffenen Werbeanzeigen zeigt, was oben unter I. 2. (a) nur am Rande anklingt, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Antragstellerin auch noch Werbung bekannt wird, die gegen das Verbot aus dem Titel dieses Verfahrens verstößt und deretwegen sie ein weiteres Ordnungsmittelverfahren beabsichtigen könnte. Die Parteien haben dazu Erklärungen nicht abgegeben, aber solange mehr als die theoretische Möglichkeit eines solchen Lebenssachverhalts besteht und durch Erklärungen der Parteien auch nicht ausgeräumt ist, kann der Antragstellerin ein Rechtschutzbedürfnis, jedenfalls in der Berufung den Bestand eines Unterlassungstitels für die Vergangenheit zu verteidigen, nicht abgesprochen werden. Wie die gleiche Konstellation prozessual in einem Widerspruchsverfahren am elegantesten aufzulösen wäre, ist damit aber noch nicht entschieden.

II.

Materiell war die ergangene einstweilige Verfügung nach § 3 a HWG gerechtfertigt.

Die Antragstellerin hatte die Werbung für "K... 1 mg" unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen aus dem vorangegangenen Verfügungsverfahren mit dem Argument angegriffen, dass für "Kevatril" in dieser Dosierung außerhalb der zugelassenen Indikation geworben worden sei, § 3 a HWG. Im Kern ging es um das von der Zulassung umfasste Dosierschema, nämlich um die zugelassene Gabe von 1 mg des Arzneimittels bei Erwachsenen nur in der Prophylaxe und Therapie für postoperative Übelkeit und Erbrechen, nicht aber bei der Therapie mit Zytostatika. Diese Begründung trägt das Verbot und zur weiteren Begründung des ehemals gegeben gewesenen Verfügungsanspruchs verweist der Senat auf die Gründe des heute gleichfalls verkündeten Urteils in Sachen 3 U 37/03, dort unter II. 2. (a) und (b) - Seiten 6 /7 des Urteilsumdrucks. Diese Begründung gilt auch hier und ihr ist für die hier zu beurteilende Werbung nichts hinzufügen. Diese verweisende Begründung ist zulässig. Das andere Urteil ist inter partes ergangen und die dort gegebene Begründung ist beiden Parteien bekannt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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