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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 3 U 115/06
Rechtsgebiete: UWG, BRAO


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 5
UWG § 8 Abs. 1
BRAO § 49 b Abs. 4 S. 2
1. Die in § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO genannten Voraussetzungen sind kumulativ zu erfüllen. Auf der Grundlage des geltenden Rechts ist bei einer Abtretung von anwaltlichen Gebührenforderungen oder bei Übertragung ihrer Einziehung an einen nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Dritten gemäß § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO nicht nur die ausdrückliche schriftliche Einwilligung des Mandanten, sondern darüber hinaus auch erforderlich, dass die Honorarforderung rechtskräftig festgestellt, und dass ein erster Vollstreckungsversuch fruchtlos verlaufen ist.

2. Ein Modell zur Abrechung anwaltlicher Honorarforderungen durch einen nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Dritten, das lediglich die Einholung einer ausdrücklichen, schriftlichen Einwilligung des Mandanten voraussetzt, nicht jedoch eine rechtskräftige Feststellung der Forderung sowie einen ersten fruchtlosen Vollstreckungsversuch verlangt, verstößt gegen § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Hinweisbeschluss

Geschäftszeichen: 3 U 115/06

Achtung: Siehe zum Ausgang des Rechtsstreits die letzte Seite

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, am 20. März 2007 durch die Richter

Gärtner, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Spannuth, Richter am Oberlandesgericht Terschlüssen, Richterin am Oberlandesgericht:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Antragsgegnerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe:

Das landgerichtliche Urteil ist im Ergebnis richtig. Die Berufung enthält keine durchgreifenden Angriffe.

1. Die Berufungsbegründung zeigt Rechtsfehler bei der Feststellung der Tatsachengrundlage oder am Ergebnis des Urteils nicht auf. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

2. Die Berufungsbegründung gibt lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß §§ 3, 5, 8 Abs. 1 UWG begründet. Es besteht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass die Antragsgegnerin bei den Adressaten des Werbeschreibens vom August 2005 (Anlage ASt 5) den falschen Eindruck erweckt, dass das beworbene Abrechnungsmodell bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts uneingeschränkt zulässig sei.

a) Aufgrund des landgerichtlichen Urteils vom 13. Dezember 2005 ist es der Antragsgegnerin bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für die Anwaltssoftware "A..." unter gleichzeitiger Werbung für ihr Abrechnungsverfahren, ohne Hinweis auf dessen nicht uneingeschränkte Zulässigkeit, zu werben, wie aus der mit dem landgerichtlichen Urteil verbundenen Anlage ASt 5 ersichtlich.

Gegenstand des jetzt noch streitigen Verbots ist also die konkrete Verletzungsform, d.h. das als Anlage ASt 5 vorgelegte Werbeschreiben der Antragsgegnerin vom August 2005, und zwar im Hinblick darauf, dass es an Hinweisen auf die wegen § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO nicht uneingeschränkt bestehende rechtliche Zulässigkeit des Abrechnungsmodells der Antragsgegnerin fehlt.

Im Hinblick auf die zwischenzeitlich von der Antragsgegnerin abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung und die nachfolgend übereinstimmend abgegebene Erledigungserklärung der Parteien wurde das Element der vergleichenden Werbung im Hinblick auf die Bezeichnung der "A. -Software als "Anwaltssoftware mit dem derzeit wohl besten Preis-Leistungsverhältnis" von diesem Verbot ausgenommen. Dieser Teil des ursprünglichen Verbots ist mithin nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.

b) Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Parteien des hiesigen Rechtsstreits in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Die Antragstellerin vertreibt mit dem Produkt R. spezielle Software für Anwaltskanzleien. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Werbeschreiben vom August 2005 (Anlage ASt 5) nicht nur für ihr Abrechnungsverfahren, sondern gleichzeitig auch für ein Konkurrenzprodukt der Antragstellerin, nämlich die Kanzlei-Software "A." geworben.

c) Das Werbeschreiben der Antragsgegnerin vom August 2005 (Anlage ASt 5) ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit irreführend im Sinne von § 5 UWG.

aa) Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 5 UWG ist das Verständnis des angesprochenen Verkehrs. Zudem orientiert sich die Verkehrsanschauung in der Regel am Wortsinn der Werbeaussage, d. h. am allgemeinen Sprachgebrauch und am allgemeinen Sprachverständnis (BGH GRUR 2003, 247, 248 - Thermal Bad; Baumbach/Hefermehl-Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2004, § 5 Rn. 2.65).

Die von der Verfügungsklägerin beanstandete Werbung richtet sich an Rechtsanwälte. Zwar gehören die Mitglieder des Senats diesem Adressatenkreis aktuell nicht an. Zwei Mitglieder des Senats haben der Anwaltschaft jedoch in der Vergangenheit angehört. Zudem ist nicht ersichtlich, dass ein Anwalt, an den sich die streitgegenständliche Werbung wendet, die deutsche Sprache hinsichtlich der streitgegenständlichen werblichen Angaben anders verstehen könnte - und damit über ein anderes allgemeines Sprachverständnis verfügen würde - als jemand, der - wie sämtliche Mitglieder des Senats - ebenfalls ein juristisches Studium absolviert hat.

Der Senat kann mithin selbst beurteilen, wie die vorliegende Werbung aufgefasst wird. Für das Verkehrsverständnis ist die durch die Werbung vermittelte Vorstellung eines situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsadressaten maßgebend (BGH GRUR 2002, 550, 552 - Elternbriefe; BGH WRP 2003, 275 - Thermal Bad), der die Werbung mit dem Wissen und den Erfahrungen eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten zur Kenntnis nimmt (BGH GRUR 2004, 244, 245 - Marktführerschaft; BGH WRP 2005, 480 - Epson Tinte).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe besteht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass die Antragsgegnerin mit dem streitgegenständlichen Werbeschreiben vom August 2005 (Anlage ASt 5) bei maßgeblichen Anteilen des angesprochenen Verkehrs den falschen Eindruck erweckt, dass das beworbene Abrechnungsmodell bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts zulässig sei.

aaa) Dieser Eindruck ist falsch, denn auf der Grundlage des geltenden Rechts ist gemäß § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO nicht nur die ausdrückliche schriftliche Einwilligung des Mandanten, sondern darüber hinaus auch erforderlich, dass die Honorarforderung rechtskräftig festgestellt, und dass ein erster Vollstreckungsversuch fruchtlos verlaufen ist.

Das Prinzip des Abrechnungsverfahrens der Antragsgegnerin besteht im Wesentlichen darin, sich anwaltliche Honorarforderungen mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Mandanten abtreten zu lassen, an den Anwaltszedenten - nach kurzfristig erfolgender positiver Bonitätsprüfung - eine Vergütung in Höhe der abgetretenen Forderung abzüglich einer 5%-igen Factoring-Gebühr sowie abzüglich € 2,50 je eingereichter Honorarrechnung zu zahlen, sowie die Honorarforderung des Anwaltszedenten dann im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu liquidieren (Anlagen ASt 2 bis ASt 4 sowie Anlagen AG 1 bis AG 3). Es wird also nicht verlangt, dass die Honorarforderung zuvor rechtskräftig festgestellt, und dass zuvor ein erster Vollstreckungsversuch fruchtlos verlaufen ist. Diese Vorgehensweise verstößt gegen § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO.

Die Regelung des § 49 b Abs. 4 BRAO lautet:

"(1) Der Rechtsanwalt, der eine Gebührenforderung erwirbt, ist in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet, wie der beauftragte Rechtsanwalt. (2) Die Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an einen nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Dritten ist unzulässig, es sei denn, die Forderung ist rechtskräftig festgestellt, ein erster Vollstreckungsversuch fruchtlos ausgefallen und der Rechtsanwalt hat die ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten eingeholt."

Das heißt, dass die in Satz 2 genannten Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen sind. Dieses Verständnis der Norm wird auch von der einschlägigen Kommentierung der BRAO (Hartung/Nerlich, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Auflage, 2006, § 49 b Rn 100 ff.; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Auflage, 2003, § 49 b, Rnrn. 48, 52; Jessnitzer/Blumber, BRAO, 9. Auflage, 2000, § 49 b Rn. 7; Henssler/Prütting/Dittmann, BRAO, 1997, § 49 b, Rnrn. 35, 39 ff.) und vom Bundesgerichtshof (BGH NJW 1995, 2026, 2027) zugrunde gelegt.

Für diese Auslegung der Vorschrift spricht der insoweit eindeutige Wortlaut, insbesondere die Aufzählung der genannten drei Voraussetzungen, die mit einem Komma sowie dem Wort "und" verbunden sind (so auch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes, S. 179). Die von der Antragstellerin in Bezug genommenen Gerichtsentscheidungen des BVerfG (BVerfGE 110, 199 ff.), des BFH (BFHE 176, 181 ff.) und des ArbG Düsseldorf (NZA-RR 2005, 138 ff.) betreffen andere sprachliche Gestaltungen und Tatbestandmerkmale. Sie sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

Auch das Gesetzgebungsverfahren gibt keinen Anlass für ein abweichendes Verständnis, denn - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass insoweit ein Redaktionsversehen vorliegen könnte. Der Umstand, dass der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses gefolgt und die Norm im Hinblick auf das zusätzlich eingeführte Erfordernis der Einholung der ausdrücklichen, schriftlichen Einwilligung des Mandanten ergänzt worden ist (vgl. BT-Drucksachen 12/4993, S. 7 und 12/7656, S. 11 und S. 49), führt nicht zu dem von der Antragsgegnerin gezogenen Schluss, dass der Gesetzgeber die bereits in dem Ursprungsentwurf enthaltenen weiteren Tatbestandsvoraussetzungen (rechtskräftige Feststellung der Forderung und fruchtloser erster Vollstreckungsversuch) habe fallen lassen, oder in ein Alternativverhältnis stellen wollen. Diese beiden Voraussetzungen sind nicht nur mit keinem Wort in Zweifel gezogen, sondern auch in der geänderten Gesetzesfassung aufrechterhalten worden. Dass die Begründung des Rechtsausschusses, nämlich die Umsetzung zweier BGH-Entscheidungen zur Frage der Abtretung anwaltlicher Gebührenforderungen (BGH NJW 1993, 1638 ff. und BGH NJW 1993, 1912), lediglich im Hinblick auf die vorgeschlagene Änderung erfolgt ist, lässt nicht den Schluss zu, dass mit der vollständigen Norm nur diese beiden BGH-Entscheidungen hätten umgesetzt werden sollen. Anhaltspunkte dafür, dass es statt "und" in der Vorschrift "oder" habe heißen sollen, finden sich im Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle.

Auch bei Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung des § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO, nämlich die Gewährleistung der Verschwiegenheitspflichten des Rechtsanwalts und damit der Schutz der Daten des Mandanten, ergibt sich keine andere Auslegung. Vielmehr stellt die Regelung einen besonders wirksamen Schutz des Mandantengeheimnisses dar, weil auch die Titulierung und der erste Vollstreckungsversuch noch von dem Rechtsanwalt selbst vorgenommen werden müssen. Die Einschaltung dritter Personen und deren Kenntniserlangung werden damit erheblich erschwert.

Entgegen dem Landgericht vermag der Senat auch nicht davon auszugehen, dass die geltende Regelung des § 49 b Abs. 4 BRAO verfassungswidrig ist. Auf Seiten der jeweiligen Mandanten streitet die grundrechtliche Absicherung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht, insbesondere das darin enthaltene Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, vgl. BVerfGE 65, 1 ff.), und schützt somit das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden dürfen. Dem steht auf Seiten der an der Abtretung interessierten Rechtsanwälte das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) gegenüber, denn die Honorarforderungen zählen zu den durch dieses Grundrecht geschützten Vermögenspositionen. Im Hinblick darauf, dass darüber hinaus ein enger Zusammenhang mit der Berufsausübung der Rechtsanwälte besteht, ist ferner der Schutzbereich des Grundrechtes auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen.

Die auf Grund dieser Grundrechtskollision vorzunehmende Güterabwägung, welche auch die besondere Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu berücksichtigen hat, führt jedoch nicht dazu, die Regelung des § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO insoweit für verfassungswidrig zu erachten, als für eine zulässige Honorarabtretung neben der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung des Mandanten auch verlangt wird, dass die Forderung zuvor rechtskräftig festgestellt und ein erster Vollstreckungsversuch fruchtlos ausgefallen ist. Der Gesetzgeber hat sich insoweit im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen bewegt.

Zum einen kommt dem auch in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein besonderer Geltungsanspruch gegenüber den anderen Grundrechten zu. Zum anderen wird dem an der Abtretung interessierten Rechtsanwalt das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum an der streitgegenständlichen Forderung ebenso wie seine diesbezügliche Berufsfreiheit durch die Beschränkung der Abtretung - wenn überhaupt - nur teilweise entzogen. Es bleibt ihm nämlich unbenommen, die Honorarforderung in eigenem Namen geltend zu machen, wodurch ihm weder ein vermögensrechtlicher, noch prozessualer Nachteil entsteht.

Die Regelung des § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO begegnet mithin in der wortlautgemäßen Auslegung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Da das Abrechnungsmodell der Antragsgegnerin lediglich die Einholung einer ausdrücklichen, schriftlichen Einwilligung voraussetzt, nicht jedoch eine rechtskräftige Feststellung der Forderung sowie einen ersten fruchtlosen Vollstreckungsversuch verlangt, ist die Abtretung nach dem Geschäftsmodell der Antragsgegnerin gemäß § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO unzulässig.

bbb) Über diesen Umstand täuscht die Antragsgegnerin die angesprochenen Rechtsanwälte mit ihrem Schreiben von August 2005 (Anlage ASt 5).

Die Überschrift des Schreibens lautet "Wichtige Information der D. AG Bundesjustizministerium schafft gesetzliche Voraussetzungen für neuen Abrechnungsstandard". Diese Überschrift vermittelt den Eindruck, dass das Bundesjustizministerium die gesetzlichen Voraussetzungen für das Abrechnungsverfahren der Antragsgegnerin bereits geschaffen habe.

Diese Angabe wird zwar in gewisser Weise durch den Folgesatz eingeschränkt, wonach das Bundesjustizministerium "aufgrund von vereinzelten rechtlichen Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit des Abrechnungsverfahrens über die D. AG ... eine klarstellende Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zur gesetzlichen Regelung dieses Verfahrens auf den Weg gebracht" habe. Denn, mit der Antragsgegnerin ist davon auszugehen, dass den angesprochenen Rechtsanwälten grundsätzlich bekannt ist, dass Gesetzgebungsverfahren (lange) dauern können. Aufgrund der Angabe, dass die Gesetzesänderung lediglich "klarstellend" sei, wird jedoch diese Einschränkung relativiert und der mit der Überschrift geweckte falsche Eindruck bestätigt, dass das Abrechnungsverfahren der Antragsgegnerin auch nach der geltend Rechtslage bereits zulässig sei.

Dieser Eindruck wird auch durch die nachfolgenden Sätze "Mit dieser Änderung steht Rechtsanwälten jetzt auch der Abrechnungsstandard zur Verfügung, den Ärzte bereits seit Jahrzehnten nutzen" und "Bitte senden Sie daher das auf der Rückseite befindliche Formular an die D. AG, damit auch Ihre Honorarabwicklung kurzfristig auf den neuen Standard umgestellt werden kann", verstärkt.

Es wird mithin der falsche Eindruck erweckt, dass das Abrechnungsverfahren der Antragsgegnerin bereits jetzt, d. h. auf der Grundlage des geltenden Rechts, zulässig sei. Dies ist jedoch - wie oben ausgeführt - nicht der Fall, weil die Antragsgegnerin lediglich die Einholung einer ausdrücklichen schriftlichen Einwilligung des Mandanten verlangt. Die Einhaltung der weiteren Voraussetzungen des § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO, nämlich die rechtskräftige Feststellung der Honorarforderung und der fruchtlose Ausgang eines ersten Vollstreckungsversuchs, werden nach dem Abrechnungsmodell der Antragsgegnerin nicht gewährleistet. Darauf, und auf die damit verbundenen Risiken hätte die Antragsgegnerin hinweisen müssen.

Anders als die Antragsgegnerin meint, kann auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die mit dem Schreiben angesprochenen Rechtsanwälte das von der Antragsgegnerin über ihre Homepage vorgehaltene umfangreiche Informationsmaterial vollständig zur Kenntnis nehmen werden (Anlagen BB 3 bis BB 7). Selbst wenn dies der Fall wäre, würde dies den bereits eingetretenen Verstoß gegen § 5 UWG nicht beseitigen. Der Irreführungstatbestand ist nämlich bereits dann erfüllt, wenn die angesprochenen Fachkreise sich aufgrund des streitgegenständlichen Werbeschreibens näher mit dem Angebot der Antragsgegnerin befassen.

d) Der bei den angesprochenen Fachkreisen erweckte Irrtum ist auch wettbewerblich relevant im Sinne von § 3 UWG, denn zum einen verhalten sich die Rechtsanwälte, die das Abrechnungsverfahren der Antragsgegnerin in Anspruch nehmen, standeswidrig. Deshalb laufen sie Gefahr, mit Maßnahmen der für sie zuständigen Rechtsanwaltskammer überzogen zu werden, und zudem einen Ansehensverlust bei Mandanten und Kollegen zu erleiden. Zum anderen gehen sie auch erhebliche wirtschaftliche Risiken ein, da ein Verstoß gegen § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit der Abtretung führen kann (vgl. Berger, Zur Neuregelung der Zession anwaltlicher Gebührenforderungen in § 49 b IV BRAO, NJW 1995, 1406, 1407).

Der Anwendung der Regelung des § 5 UWG steht auch nicht entgegen, dass das geltend gemachte wettbewerbliche Verbot nicht auf §§ 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO gestützt werden könnte. Zwar neigt auch der Senat - wie das LG Köln und das OLG Köln (Anlagen AG 12 und BB 2) - dazu, die Regelung des § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO nicht als Marktverhaltensregel anzusehen. Das gibt der Antragsgegnerin jedoch keinen "Freibrief" dafür, ihre Dienstleistung mit irreführenden Angaben zur aktuellen Rechtslage zu bewerben.

e) Das Vorgehen der Antragstellerin ist auch nicht rechtmissbräuchlich.

aa) Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Mehrfachabmahnung oder eines "Strohmanneinsatzes" der Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt sind. Das zeitliche Zusammentreffen der Abmahnung der Fa. R. GmbH, Berlin (nachfolgend Fa. R. Berlin), vom 24. August 2005 (Anlage AG 13) und der Antragstellervertreter vom 31. August 2005 (Anlage ASt 7) sowie die - unstreitig bestehende - vertragliche Verbindung der Antragsgegnerin mit der Fa. R. Berlin genügen nicht, um die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 UWG hinreichend zu belegen.

Die getrennte Mehrfachverfolgung allein rechtfertigt nämlich nicht die Anwendung des Missbrauchstatbestandes. Es bedarf insoweit weiterer Anhaltspunkte, die bei der gebotenen Gesamtwürdigung die Annahme missbräuchlichen Verhaltens nahe legen (Harte/Henning/Bergmann, UWG, 2004, § 8 Rn. 321). An solchen Anhaltspunkten fehlt es hier. Zwar zeigt der Umstand, dass auch die Fa. R. Berlin das Schreiben an den Mitarbeiter der hiesigen Antragstellerin, Rechtsanwalt V. (Anlage ASt 5), zum Gegenstand ihrer Abmahnung gemacht hat (Anlage AG 13), mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, dass die Fa. R. Berlin das Werbeschreiben von der hiesige Antragstellerin erhalten hat. Weitergehende Absprachen oder Koordinierungen sind jedoch nicht ersichtlich. Gesellschafts- oder konzernrechtliche Verflechtungen beider Unternehmen sind nicht dargelegt. Beide Firmen haben verschiedene Anwaltskanzleien mit der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen beauftragt. Der Umstand, dass die Fa. R. Berlin -möglicherweise- im Hinblick auf einen in Berlin anhängigen weiteren Rechtsstreit (Anlage AG 14) von der Geltendmachung ihrer Ansprüche nachfolgend abgesehen hat, mag zwar prozesstaktisch motiviert gewesen sein, dies macht ihr Vorgehen jedoch nicht rechtsmissbräuchlich.

Hinreichend konkrete Angaben dazu, dass die Antragstellerin lediglich als Strohmann der Fa. R. Berlin tätig geworden wäre, sind nicht dargelegt worden. Allein der Umstand, dass die hiesige Antragstellerin die Software der Fa. R. Berlin vertreibt, und dass sie in ihrer Firma -berechtigterweise- ebenfalls den Bestandteil "R..." führt, genügt nicht für die Annahme, dass sie lediglich "als Werkzeug" für einen Dritten, nämlich die Fa. R. Berlin, tätig geworden ist.

bb) Das Vorgehen der Antragstellerin erweist sich - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - auch nicht deshalb als unzulässig, weil die Antragstellerin selbst eine Schnittstelle zwischen der der Kanzleisoftware R. und dem Abrechnungsmodell der Antragsgegnerin geschaffen hat.

Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Unterlassung des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin, sondern der irreführenden Bewerbung dieses Modells gegenüber den Fachkreisen. Zudem gibt sie diese Schnittstelle, nur auf ausdrücklichen Kundenwunsch und unter umfassender Aufklärung und Freizeichnung an vereinzelte Kunden ab. Anders als die Antragsgegnerin klärt sie ihre Kunden ausdrücklich, umfassend und unmissverständlich über die geltende Rechtslage und damit auch über die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken des Einsatzes des Geschäftsmodells der Antragsgegnerin auf (Anlage K 11). Insofern liegt schon kein widersprüchliches Verhalten der Antragstellerin im Hinblick auf den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens vor. Darüber hinaus müsste diese Einwendung auch im Hinblick darauf zurücktreten, dass hier durch das irreführende Vorgehen der Antragsgegnerin die Interessen Dritter und der Allgemeinheit berührt sind (Harte/Henning/ Bergmann, UWG, 2004, Vor § 8 Rn. 69 ff.).

Mithin ist der jetzt noch geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet, das landgerichtliche Urteil - im Ergebnis - nicht zu beanstanden.

3. Der vorliegende Fall befasst sich lediglich mit der Frage der Irreführung der angesprochenen Rechtsanwälte durch das aus August 2005 stammende Werbeschreiben der Antragsgegnerin (Anlage ASt 5). Die Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des Abrechnungsmodells der Antragsgegnerin steht damit nicht zur Entscheidung an. Somit hat der vorliegende Fall keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch zur Fortbildung des Rechts nicht geboten. ...

Vermerk des Einsenders:

Nach diesem Hinweisbeschluss wurde die Berufung zurückgenommen.

Ende der Entscheidung

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