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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: 3 U 116/05
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 4 Nr. 3
1. In der Veröffentlichung eines redaktionellen Beitrags, welcher ein Produkt über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus werbend darstellt, ist in der Regel eine Förderung fremden Wettbewerbs zu sehen.

2. Zur wettbewerbsrechtlichen Haftung des Informanten für wettbewerbswidrige redaktionelle Werbung eines Fernsehsenders.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 116/05

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 2.3.2006

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter ... nach der am 9. Februar 2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6.5.2005 (315 O 216/05) wird zurückgewiesen.

II. Wegen einer teilweisen Antragsrücknahme der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6.5.2005 (315 O 216/05) zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall bis zu 250.000 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten:

durch mit seinem Namen verbundenen Werbung daran mitzuwirken, dass die A. GmbH ein Knochenersatzmaterial in Form eines Granulats, bestehend aus

- 76 % nanokristallinem Hydroxylapatit und 24 % SiO2,

- mit einer Porosität von über 80 %,

- und in den Abmessungen der Granulate von 0,6 mm/1mm x 2 mm

in den Verkehr bringt, wie geschehen in dem Fernsehbeitrag des NDR gemäß dem DVD-Mitschnitt aus der Anlage Ast 3.

III. Von den Kosten beider Instanzen trägt die Antragstellerin 1/3 und der Antragsgegner 2/3.

Gründe:

A.

Die Antragstellerin beanstandet die Mitwirkung des Antragsgegners an einem Fernsehbeitrag des NDR unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von vertraglichen Treuepflichten aus einem Patentübertragungsvertrag sowie weiter als wettbewerbswidrig.

Die Antragstellerin ist im Medizintechnikbereich tätig und vertreibt ein Knochenersatzmaterial. Der Antragsgegner ist Physiker und Professor an der Universität R. Er ist außerdem Mitgeschäftsführer der A. GmbH, die auf dem gleichen Geschäftsfeld tätig ist.

Der Antragsgegner ist

- Inhaber des am 6.6.1998 angemeldeten Patents DE ... ... betreffend ein Verfahren zur Herstellung eines hochporösen Knochenersatzmaterials sowie dessen Verwendung (AG 10),

- Erfinder eines Verfahrens zu Herstellung von Knochenersatzmaterial, das mit einem am 28.1.2000 angemeldeten Patents DE ... geschützt ist (Ast 5), sowie

- Erfinder eines am 2.12.2000 angemeldeten Patents DE ..., welches ein anorganisches resorbierbares Knochenersatzmaterial betrifft (Ast 4).

Anfang 2001 waren diese Patente angemeldet, aber noch nicht erteilt.

Der Antragsgegner kannte die Geschäftsführer der Antragstellerin aus einer früheren gemeinsamen Tätigkeit an der Universität R. und wusste, dass die Antragstellerin im Medizintechnikbereich gewerblich tätig war. Er trat an die Antragstellerin heran und fragte, ob man auf der Basis seiner Entwicklungen nicht möglicherweise in der Weise zusammenarbeiten könne, dass die Antragstellerin Knochenersatzmaterial auf der Basis seiner Patentanmeldungen in ihr Angebot mit aufnehmen könnte und er dann daran partizipiere. Er machte deutlich, dass er sich weiterhin seiner forschenden und wissenschaftlich-lehrenden Tätigkeit an der Uni widmen wolle.

Die Geschäftsführer der Antragstellerin schauten sich sodann die drei Patentanmeldungen an und entschieden sich, die Patentanmeldungen DE ... (Ast 5) und DE ... (Ast 4), nicht aber die Patentanmeldung DE ... (AG 10) zu erwerben.

Am 24.1.2001 schlossen die Parteien die aus der Anlage Ast 2 ersichtliche Vereinbarung, mit der der Antragsgegner der Antragstellerin alle Rechte an den Patentanmeldungen gem. Ast 5 und Ast 4 sowie das Recht zur Anmeldung von Patenten im Ausland übertrug. Auf die Vereinbarung gemäß Anlage Ast 2 wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen.

In der Folgezeit entwickelte die Antragstellerin ein Knochenersatzgranulat, das sie unter der Bezeichnung B.(r) auf den Markt brachte. Auf die Produktbroschüre gem. Anlage Ast 1 wird Bezug genommen. B.(r) ist ausschließlich für die Kiefernchirurgie CE-zertifiziert.

Im September 2003 wurde die A. GmbH gegründet, deren Mitgeschäftsführer der Antragsgegner ist. Die A. GmbH ist spezialisiert auf das Gebiet von Biomaterialien für den Knochenersatz. Auf die Broschüre in der Anlage Ast 19 wird Bezug genommen.

Am 24.1.2004 lief die in Ziff. 6 der Vereinbarung gem. Ast 2 vereinbarte 3-Jahresfrist im Hinblick auf den Beginn der Serienproduktion und Markteinführung des Knochenersatzmaterials ab.

Unter dem 11.2.2004 kündigte der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin die Vereinbarung vom 24.1.01 fristlos und führte zur Begründung an, das Produkt B. sei nicht i.S. des § 9 Nr. 3 PatG ein unmittelbares Erzeugnis der von der Antragstellerin durch die Vereinbarung erworbenen Patente, sondern erhalte seine charakteristischen Eigenschaften und seine Selbständigkeit unter Verwendung der Lehren des Patents DE ..., also des Patents, welches die Antragstellerin nicht erworben hat. Auf die Anlage AG 11 wird Bezug genommen.

Im September 2004 hatte die A. GmbH ein Knochenersatzgranulat namens N. fertig entwickelt. Das Herstellungsverfahren stand ebenfalls fest. Im September 2004 wurde der aus der Anlage Ast 19 ersichtliche Werbefolder über die A. GmbH veröffentlicht.

Am 17.1.2005 erlangte das Produkt N. der A. GmbH die CE-Zulassung, die sich auf die Anwendung am menschlichen Knochen mit Ausnahme der Anwendung an der Wirbelsäule bezieht.

Am 31.1.2005 erschien in der Sendung "Nordmagazin" des Fernsehsenders NDR ein Filmbericht "Der Knochenmacher", in dem der Antragsgegner in Wort und Bild erscheint und in dem es um ein von ihm entwickeltes "neues Knochenpulver" geht. In einer Namenseinblendung wird der Antragsgegner zunächst als "Prof. .G., Institut für Physik/Uni R.", später als "Prof. G., A. GmbH" bezeichnet. Eine Produktbezeichnung, insbesondere die Bezeichnung "N.", wird in der Sendung nicht erwähnt.

Am Beginn der Sendung sagt die Moderatorin:

"Dass kaputte Knochen wieder nachwachsen können, klingt eher nach Märchen als nach Schulmedizin. In dem Forschungslabor in R. wurde dies allerdings Realität. Ein Physiker der Universität hat ein Pulver entwickelt, das vielen Patienten jetzt Heilung verspricht".

Sodann ist der Antragsgegner zu sehen, der folgendes sagt:

"Wir haben hier ein Glas Wasser und in diesem Wasser sind kleine Cluster von SiO2, das ist nichts weiter als klitzekleine Sandkörner, die wir auch an der Ostsee finden."

Darauf sagt der Sprecher des Beitrags:

"Das hier sind die einfachen Tricks; die kann jeder, der ein bisschen von Physik versteht."

Sodann tritt wieder der Antragsgegner mit folgender Aussage auf:

"Was wir hier bekommen ist nichts anderes oder sieht nicht anders aus als Götterspeise. Es ist aber Wasser und SiO2, also eine vollständig anorganische Substanz. Und das Entscheidende ist die Struktur."

Der Sprecher sagt sodann:

"Und die Strukturen seines neuen Knochenpulvers, die haben es offenbar in sich. Das sind dann schon die großen Tricks von Prof. G.. Was dabei herausgekommen ist: Ein Knochenpulver für die Knochenchirurgen. ... Ein Wundermittel, wie es scheint. Bisher einsetzbar bei kleineren Knochendefekten. In Zukunft aber wohl auch bei größeren, etwa in der Unfallchirurgie.

...

Was aber ist das Geheimnis von Prof. G. Knochenpulver? Die Grundlage ist nichts weiter als Calciumphosphat. Am Ende aber einer Spezialbehandlung sieht das Pulver unterm Elektronenmikroskop so aus wie ein Knochen und wird von den Körperzellen nicht als Fremdkörper angesehen. Die Zellen bauen das Pulver ab und an seiner Stelle wächst neuer Knochen.

...

An der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie laufen klinische Studien zu Prof. G. Knochenmatrix. Mittlerweile ist das Produkt zugelassen für den europäischen Markt."

Am Schluss des Beitrags sagt der Sprecher:

"Nun hat Prof. G. seine eigene Biotechfirma gegründet, um sein Knochenpulver auch anständig zu vermarkten. Denn: Der Wissenschaftler lebt ja nicht nur von der Forschung allein."

Die Szenen, in denen der Antragsgegner zu sehen ist, wurden in den Räumen der A. GmbH gedreht. In dem Filmbeitrag ist weiter zu sehen, wie das Pulver in Glasröhrchen abgefüllt wird, u.a. in der Schluss-Sequenz, wo der Sprecher aus dem Off erwähnt, dass der Antragsgegner seine eigene Biotechfirma gegründet hat. Dieses Filmmaterial ist ebenfalls in den Räumen der A. GmbH gedreht worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Filmbericht, gespeichert auf der DVD gem. Anlage Ast 3, sowie die Mitschrift gem. Anlage Ast 7 Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat geltend gemacht:

Der werbliche Auftritt des Antragsgegners in dem NDR-Beitrag stelle ein Verstoß gegen Treuepflichten aus der Vereinbarung vom 24.1.2001 dar. Der Antragsgegner sei als Geschäftsführer und Repräsentant der A. GmbH tätig und auch so in dem Fernsehbericht aufgetreten. Der Antragsgegner sei für die Berichterstattung des NDR auch verantwortlich, der NDR habe von ihm gewusst, dass er zur A. GmbH gehöre und er seine eigene Biotechfirma zur Vermarktung seines Knochenpulvers gegründet habe. Da die A. GmbH nur ein Produkt, nämlich N. vertreibe, sei auch evident, dass es in der Sendung um dieses Produkt gegangen sei. Es sei Geschäftsgrundlage der Vereinbarung vom 24.1.2001 gewesen, dass die Parteien nicht geradezu mit eben demselben Knochenersatzmaterial auf der Basis der Erfindungen des Antragsgegners im Markt gegeneinander in Erscheinung treten.

Das Produkt N. verletze außerdem das Patent gem. Anlage Ast 4.

Die Antragstellerin hat beantragt,

dem Antragsgegner bei Vermeidung von Ordnungsmitteln im Wege der einstweiligen Verfügung zu verbieten,

durch mit seinem Namen verbundene Werbung daran mitzuwirken, dass die A. GmbH ein Knochenersatzmaterial in Form eines Granulats, bestehend aus

- 76 % nanokristallinem Hydroxylapatit und 24 % SiO2,

- mit einer Porosität von über 80 %,

- und in den Abmessungen der Granulate von 0,6 mm/1mm x 2 mm

in den Verkehr bringt.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hat geltend gemacht:

Das Produkt N. mache nicht von den Lehren der im Vertrag vom 24.1.2001 übertragenen Patente Gebrauch, auch eine Verletzung vertraglicher Treuepflichten komme deshalb nicht in Betracht. Bei Vertragsschluss am 24.1.2001 sei Geschäftsgrundlage zwischen den Parteien gewesen, dass der Antragsgegner auf der Basis des bei ihm verbliebenen Patents DE ... und etwaiger weiterer Erfindungen anorganisches Knochenersatzmaterial erfinden und herstellen und vertreiben durfte. Diese Berechtigung sei durch den Vertrag vom 24.1.2001 allein für Produkte mit Eigenschaften nach den Lehren der dort übertragenen Patente beschränkt gewesen. Durch den Vertrag habe die Antragstellerin eben nicht die gesamte "G.-Technologie" erworben, der Nukleus der G.-Technologie sei bei ihm, dem Antragsgegner verblieben, denn das Patent DE ... sei nicht auf die Antragstellerin übertragen worden.

Das Landgericht, Zivilkammer 15, hat mit Urteil vom 6.5.2005 den Antragsgegner antragsgemäß verurteilt.

Gegen das Urteil, auf das Bezug genommen wird, wendet sich der Antragsgegner mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Er wiederholt, vertieft und ergänzt seinen Vortrag aus der ersten Instanz. Er macht insbesondere geltend:

Die Parteien hätten kein Wettbewerbsverbot vereinbart, obwohl auch für die Antragstellerin absehbar gewesen sei, dass der Antragsgegner ihr außerhalb des durch die übertragenen Patente gezogenen Rahmens Konkurrenz machen würde oder könnte.

Er, der Antragsgegner, habe aufgrund der Umstände der Mitwirkung am NDR-Bericht, die für eine Berichterstattung über wissenschaftliche Forschungsergebnisse und nicht für eine Werbeabsicht gesprochen hätten, jedenfalls subjektiv keine Werbung betrieben, es fehle deshalb auch an einer Wettbewerbsförderungsabsicht.

Der Antragsgegner beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Mai 2005 - 315 O 216/05 aufzuheben und den auf seinen Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass hinter "in den Verkehr bringt" eingefügt wird: "wie geschehen in dem Fernsehbeitrag des NDR gemäß dem DVD-Mitschnitt aus der Anlage Ast 3.

In diesem Umfang verteidigt sie das angefochtene Urteil und wiederholt, vertieft und ergänzt ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie macht insbesondere noch geltend:

Wenn jemand in wirtschaftsrechtlicher Perspektive als Wettbewerber ein Interview gebe, müsse er sich dieses Interview gerade für die Fragestellung, ob es wettbewerbswidrige bzw. vertragswidrige Aspekte enthalte vorlegen lassen, um es zu redigieren. Darauf habe er auch einen Anspruch.

Der NDR-Beitrag sei als Schleichwerbung zu qualifizieren. Der Antrag sei auch unter dem Gesichtspunkt der Mitwirkung des Antragsgegners an dieser Schleichwerbung gerechtfertigt.

Mit Schreiben vom 20.9.2005 gab der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die aus der Anlage AG 13 ersichtliche Unterlassungserklärung ab. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dadurch eine Erledigung dieses Rechtsstreits nicht, auch nicht teilweise eingetreten ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung des Antragsgegners hat nur insoweit Erfolg, als das Verbot auf die konkrete Verletzungsform zurückzuführen war.

I. Nachdem die Antragstellerin ihren Antrag auf die konkrete Verletzungsform der Mitwirkung bezogen hat, genügt er den Bestimmtheitserfordernissen des § 252 II Nr. 1 ZPO.

II. Gegenstand des Antrags ist die Mitwirkung des Antragsgegners an einem Inverkehrbringen des im Antrags näher bestimmten Knochenersatzgranulats, und zwar durch "mit seinem Namen verbundene Werbung", wie geschehen in dem NDR-Fernsehbeitrag gem. Anlage Ast 3. Damit umfasst der Antrag auch eine Mitwirkung des Antragsgegners an einer werblichen Wirkung des NDR-Beitrags. Hierauf hat die Antragstellerin ihren Antrag jedenfalls nach Erörterung in der Berufungsverhandlung gestützt.

III. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit eines Informanten für unzulässige redaktionelle Werbung zu.

1. Es ist anerkannt, dass das früher richterrechtlich aus den §§ 1 und 3 UWG a.F. abgeleitete Verbot der redaktionellen Werbung auch unter § 4 Nr. 3 UWG Geltung hat. Danach handelt unlauter, wer den Werbecharakter von Wettbewerbshandlungen verschleiert (Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2004, § 4 Rn. 3.20).

In der Veröffentlichung eines redaktionellen Beitrags, welcher ein Produkt über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus werbend darstellt, ist in der Regel eine sittenwidrige Förderung fremden Wettbewerbs zu sehen. Der Wettbewerbsverstoß liegt in einem solchen Fall - auch ohne dass der Beitrag gegen Entgelt geschaltet worden sein oder im Zusammenhang mit einer Anzeigenwerbung für das genannte Produkt stehen muss - darin begründet, dass der Verkehr dem redaktionell gestalteten Beitrag als einer Information eines am Wettbewerb nicht beteiligten Dritten regelmäßig größere Bedeutung und Beachtung beimisst und unkritischer gegenübersteht als entsprechenden, ohne weiteres als Werbung erkennbaren Angaben des Werbenden selbst (BGH GRUR 1997, 541, 542 f. - Produkt-Interview m.w.N.; BGH GRUR 1998, 489, 493 - Unbestimmter Unterlassungsantrag III, jeweils m.w.N.) Die Feststellung, ob ein redaktioneller Beitrag zugleich eine Werbung für das darin genannte Produkt darstellt, kann immer nur von Fall zu Fall erfolgen (BGH GRUR 1997, 541, 542 f. - Produkt-Interview). Die Beurteilung eines Wettbewerbsverstoßes bedarf der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die den Inhalt des Berichts, dessen Anlass und Aufmachung ebenso zu würdigen hat wie die Gestaltung und Zielsetzung des Presseorgans selbst (BGH GRUR 1993, 565, 566 - Faltenglätter). Für eine redaktionelle Werbung spricht es, wenn der Bericht eine übermäßige werbende Anpreisung des Unternehmens oder seiner Produkte enthält (BGH GRUR 1997, 139, 140 - Orangenhaut) oder der Bericht sich ohne jede kritische Distanz allein mit dem Unternehmen oder Produkt befasst und dessen Vorzüge in einer Weise lobend hervorhebt, die bei dem Verkehr den Eindruck erweckt, dass Produkt oder Unternehmen von redaktioneller Seite geradezu anempfohlen werde (BGH GRUR 1994, 441, 442 - Kosmetikstudio). Eine redaktionelle Werbung kann auch dann vorliegen, wenn für die Berichterstattung zwar ein hinreichender publizistischer Anlass gegeben war, der positive Inhalt des Beitrags aber ohne kritische Distanz weit über das durch einen solchen Anlass bedingte Maß hinausgeht, etwa durch eine Vielzahl lobender Attribute und die Nennung von Firmen- oder Produktnamen (BGH GRUR 1998, 489, 493 - Unbestimmter Unterlassungsantrag III; Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2004, § 4 Rn. 3.27).

2. Bei dem zum Gegenstand des Antrags gemachte Fernsehbeitrag handelt es sich nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände und unter Berücksichtigung des Inhalts des Berichts, dessen Anlass und Aufmachung sowie der Gestaltung und Zielsetzung des Rundfunkorgans sowie der Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit i.S. des Art. 5 I GG um redaktionelle Werbung i.S. dieser Grundsätze.

a) Zwar liegt ein hinreichender Anlass für die Berichterstattung hier vor, denn das Publikum wird an der Unterrichtung über die Entwicklung und Anwendung neuartiger und wirksamer Medizinprodukte der vorliegenden Art, zumal wenn sie in der heimischen Region entwickelt wurden, ein nicht unerhebliches Interesse haben.

Inhalt und Aufmachung des Berichts haben jedoch einen übermäßig werbenden und einseitigen Charakter, der über eine sachliche und ausgewogene Information erheblich hinausgeht. Bereits in der Eingangsmoderation wird das Pulver als ein "Märchen" angekündigt, welches "Realität" geworden sei. Weiter verwendet der Sprecher des Beitrags eine Vielzahl lobender Attribute, indem er etwa die "großen Tricks von Prof. G.r" den einfachen Tricks, die jeder könne, gegenüberstellt. Es wird vom "Geheimnis" des Knochenpulvers gesprochen, dass darüber hinaus als "Wundermittel" angepriesen wird, welches mittlerweile auch "für den europäischen Markt" zugelassen sei. Die unstreitige Existenz von Konkurrenzprodukten wird im Bericht nur am Rande und zudem dergestalt erwähnt, dass diese dem im Bericht behandelten Knochenpulver des Antragsgegners unterlegen seien (Interview mit dem Klinikchef). Weiter wird der Antragsgegner in einer Bildunterschrift als "Prof. G., A. GmbH", also in seiner Funktion als gewerblicher Unternehmer genannt. Schließlich wird diese Funktion in der Abmoderation, die dem Publikum erfahrungsgemäß in besonderer Erinnerung bleibt, noch einmal deutlich betont, indem darauf hingewiesen wird, dass der Antragsgegner nun "seine eigene Biotechfirma gegründet" habe, "um sein Knochenpulver auch anständig zu vermarkten", denn "der Wissenschaftler (lebe) ja nicht nur von der Forschung allein".

b) Von der Veröffentlichung geht auch eine Gefahr für den Leistungswettbewerb aus, welche nach den Umständen hier Vorrang vor der Freiheit der Meinungsäußerung hat. Denn in einer redaktionellen Berichterstattung der vorliegenden Art wird auf die freie Entschließung des Publikums, welches bei redaktionell gestalteten Beiträgen eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders regelmäßig eine objektive und ausgewogene Tendenz unterstellt und ihr deshalb eine besondere Beachtung entgegenbringt, in unangemessener Weise Einfluss genommen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es - wie hier - um den Bereich der Gesundheit geht, der für den Verkehr von besonderer Bedeutung ist und bei dem er ganz besonders auf sachliche, von kommerziellen Interessen unbeeinflusste Berichterstattung angewiesen ist.

3. Der Antragsgegner ist für den unzulässig redaktionell werbenden Bericht (mit)verantwortlich.

a) Die Antragstellerin hat allerdings nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die werblichen Umstände des Berichts, insbesondere die Einblendung (A. GmbH) sowie die Abmoderation vom Antragsgegner durch aktives Tun veranlasst worden ist. Der Antragsgegner hat dies in Abrede gestellt und vorgetragen, diese Umstände seien ihm weder während des Interviews noch vor der Sendung bekannt geworden. Dem ist die Antragstellerin nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

b) Dem Antragsgegner ist jedoch nach den Grundsätzen der Verantwortlichkeit eines Informanten für unzulässige redaktionelle Werbung ein Unterlassungsvorwurf zu machen.

aa) Zwar ist ein Unternehmen, das werbend, aber der Sache nach zutreffend über seine Waren und Leistungen informiert, wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht dafür verantwortlich, dass ein Presseorgan bei seiner Berichterstattung die erteilten Informationen unter Verletzung des Gebots der sachlichen Berichterstattung verwertet (BGH GRUR 1996, 139, 140 - Orangenhaut m.w.N.). In solchen Fällen kommt eine wettbewerbsrechtliche Haftung des werbenden Unternehmens für einen - wettbewerbswidrigen - redaktionellen Beitrag nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es dem Presseunternehmen die Produktinformation gezielt zur Veröffentlichung oder in einer Weise hat zukommen lassen, die die Annahme nahe legt, dass über das Produkt in einem redaktionellen Beitrag berichtet wird, und wenn das werbende Unternehmen nach den Umständen des Falls damit hatte rechnen müssen, dass seine Information verfälscht und somit irreführend oder in einer sonstigen wettbewerbsrechtlich unzulässigen Form - beispielsweise als getarnte Werbung - in dem Presseorgan erscheint. Hat in einem solchem Fall das Unternehmen sich nicht die Überprüfung des Beitrags vor dessen Erscheinen vorbehalten, so kann ihm eine wettbewerbsrechtliche Mitverantwortung anzulasten sein. Für einen Prüfungsvorbehalt bedarf es konkreter Umstände, die es für den Informanten als nahe liegend erscheinen lassen, dass die Produktinformation die Grundlage eines Wettbewerbsverstoßes des Presseorgans bilden werde, welcher nur durch einen Vorbehalt zu verhindern sei (BGH GRUR 1996, 139, 140 - Orangenhaut m.w.N.).

Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Haftung bei Interviews, welche hier relevant ist, weil sich der Antragsgegner gegenüber dem NDR interviewartig geäußert hat. Nimmt die Redaktion ein Interview lediglich zum Anlass, neben dem Interview einen redaktionellen Beitrag über das Unternehmen oder seine Produkte zu bringen, besteht schon mangels Erteilung einer Information keine Prüfungspflicht. Auch braucht der Interviewte den Abdruck des Interviews im Allgemeinen nicht davon abhängig zu machen, dass ihm der gesamte Artikel zur Überprüfung vorgelegt wird, weil die Gestaltung der Beiträge in den eigenen Verantwortungsbereich der Redaktion fällt. Eine Kontrollpflicht besteht jedoch ausnahmsweise dann, wenn nach Art und Inhalt des Interviews und/oder bei Berücksichtigung der Gegebenheiten auf Seiten des Adressaten die Möglichkeit eines Berichts mit werbendem Charakter nicht ganz fern liegt (BGH GRUR 1997, 541, 543 - Produkt-Interview).

bb) Nach den Umständen, insbesondere nach Art und Inhalt des Interviews und der weiteren Mitwirkung an den Aufzeichnungen für den Filmbericht war es für den Antragsgegner erkennbar nicht ganz fern liegend, dass der NDR ihn in seiner Eigenschaft als Repräsentanten der A. GmbH bzw. als Vermarkter seines Knochenersatzpulvers darstellen und das Pulver übermäßig werbend erwähnen würde.

Der NDR muss nach der Lebenserfahrung den Umstand der Vermarktung durch die A. GmbH und Geschäftsführereigenschaft des Antragsgegners von diesem erfahren haben. Anlass und Hintergrund des Berichts war weiter erkennbar der zeitliche Kontext zur wenige Tage zuvor erfolgten und auch im Bericht erwähnten CE-Zulassung von N., eine für die Vermarktung des Pulvers entscheidender Umstand. Auch dieser dürfte dem NDR vom Antragsgegner bzw. der A. GmbH mitgeteilt worden sein. Der Beitrag wurde unstreitig jedenfalls teilweise auch in den Räumen der A. GmbH gedreht, so z.B. das Interview mit dem Antragsgegner und die Abfüllung des Pulvers in Glasröhrchen. Auch die Informationen zum medizinisch-technischen Hintergrund und zur kommerziellen Anwendung durch die A. GmbH können nach den Umständen nur vom Antragsgegner oder mit seinem Wissen von der A. GmbH stammen. Abweichendes hat der Antragsgegner, in dessen Sphäre die Umstände der Dreharbeiten zu dem TV-Beitrag liegen, jedenfalls nicht substantiiert dargelegt. Er hat weiter nicht konkret und nachvollziehbar vorgetragen, von den weiter in dem Beitrag verwendeten Interviews mit Dr. H. und Prof. F. und deren Inhalten, insbesondere den dort erwähnten Vorteilen des Knochenersatzmaterials des Antragsgegners gegenüber Konkurrenzprodukten, nichts gewusst zu haben. Insgesamt lagen deshalb hinreichend konkrete Anhaltspunkte für den Antragsgegner vor, die es besorgen ließen, dass das Produkt der A. GmbH in dem Fernsehbericht übermäßig werbend und einseitig behandelt werden würde.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I, 269 III 2 ZPO. In der Beschränkung des Antrags auf die konkrete Verletzungsform liegt eine teilweise Antragsrücknahme.

Ende der Entscheidung

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