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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.08.2004
Aktenzeichen: 3 U 121/03
Rechtsgebiete: MarkenG, BGB


Vorschriften:

MarkenG § 14
MarkenG § 24
BGB § 242
1. Beim EU-Parallelimport markenrechtlich geschützter Arzneimittel kann sich der Markeninhaber dem unautorisierten Umpacken in eine neu hergestellte äußere Umverpackung (hier: Faltschachtel) widersetzen (§ 24 MarkenG), weil die betreffende Packungsgröße durch Bündeln von überklebten kleineren Packungen erstellt werden kann.

2. Weder aus dem Gesichtpunkt widersprüchlichen Verhaltens noch aus dem der Verwirkung (§ 242 BGB) steht der Unterlassungsklage der Umstand entgegen, dass der Markenhersteller (Kläger) in der Vergangenheit gegenüber dem beklagten Parallelimporteur Bündelpackungen beanstandet und statt dessen neu hergestellte Umverpackungen hingenommen hat. Eine insoweit etwa stillschweigend erteilte Markenlizenz wäre angesichts der Abmahnung und der durch den Prozess verstrichenen Zeit wirksam gekündigt.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

3 U 121/03

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 12. August 2004

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Koch nach der am 29. Juli 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 1. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 159.000.- € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin, ein Pharmaunternehmen, vertreibt u. a. das Arzneimittel "NIRIP".

Die Beklagte ist Parallelimporteurin und vertreibt in Deutschland das Arzneimittel "NIRIP" in einer von ihr neu hergestellten äußeren Umverpackung (Faltschachtel) zu 100 Tabletten. Hierfür importiert sie aus Griechenland das dort vom Konzern der Klägerin in Verkehr gebrachte "NIRIP" in Packungen zu 20 Tabletten und packt das Arzneimittel um.

Die Klägerin beanstandet die Verwendung der neuen äußeren Umverpackung - statt Originalpackungen zu bündeln - als Markenrechtsverletzung und nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung in Anspruch.

Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Marke "NIRIP" Nr. 3xxxxx, eingetragen für "ein pharmazeutisches Produkt" (Klagemarke - Anlage K 1).

Die Beklagte hatte im Jahre 1997 parallelimportiertes "NIRIP" zu 100 Tabletten als Bündelpackung (bestehend aus fünf griechischen Originalpackungen) in Deutschland vertrieben. Die Klägerin hatte die Bündelpackung als unordentlich beanstandet und die LOLO-Pharma Vertriebs GmbH (im folgenden: die LOLO-Pharma) mit Anwaltsschreiben vom 2. Juni 1997 u. a. deswegen abgemahnt (Anlage B 1, Seite 7: "5. NIRIP 100 Tabletten"). Die LOLO-Pharma ist im Mitvertrieb zusammen mit der Beklagten als Parallelimporteurin tätig. Die der Abmahnung beigefügte vorgeschlagene Verpflichtungserklärung, es zu unterlassen,

"Arzneimittel nach Deutschland einzuführen und je 2 oder mehr Packungen zu einer 'Großpackung' zusammenzufassen und in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben, wenn diese 'Großpackungen' in der Weise gestaltet werden, dass 2 oder mehr Original-Verpackungen übereinandergestapelt und dieser Stapel mit einem Klebestreifen zusammengefügt wird ... (vgl. Anlage B 1 nach dem Abmahnschreiben, dort 1. Spiegelstrich);

haben die Beklagte bzw. die LOLO-Pharma nicht abgegeben. Statt dessen hat die LOLO-Pharma mit Schreiben vom 9. Juni 1997 für sich und die Beklagte folgendes mitteilen lassen:

"Die von Ihnen monierte Bündelpackung mit 5 Originalpackungen werden wir künftig nicht mehr einsetzen. Auch insoweit erhalten Sie als Anlage eine Kopie der neuen Euro Packung. Wir werden die Europackungen in den Packungsgrößen 50 und 100 Tabletten einsetzen" (Anlage K 2, dort Seite 4 "5. NIRIP"; vgl. dazu die beigefügte Kopie der Faltschachtel: Anlage B 4).

In diesen sog. "Europackungen" - damit sind von den Parallelimporteuren selbst hergestellte äußere Umverpackungen gemeint - wurde daraufhin das aus Griechenland stammende Arzneimittel "NIRIP" von der Beklagten (und von LOLO-Pharma) vertrieben. Mit Schreiben vom 9. November 2000 zeigte die Beklagte den Vertrieb des aus Griechenland parallelimportierten Arzneimittels "NIRIP" zu 100 Tabletten in einer veränderten Gestaltung der "Europackung" an (Anlage B 2, dazu das Packungsfoto: Anlage B 5, dort Seite 2).

Mit Schreiben vom 25. September 2002 teilte die Beklagte die erneute Abänderung ihrer "Europackung" von "NIRIP" 100 Tabletten aus Griechenland mit (Anlage B 5, dort Seite 3). Daraufhin kam es zu dem Schriftwechsel der Parteien vor diesem Rechtsstreit (Anlagen K 4-7).

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Beklagte verletze ihre (der Klägerin) Rechte an der Klagemarke. Das Umpacken des aus Griechenland parallelimportierten Arzneimittels "NIRIP" zu 100 Tabletten sei nicht erforderlich, die Packungsgröße könne problemlos durch Bündeln erstellt werden. Das sei durch die BGH-Rechtsprechung erst mit der Entscheidung vom 11. Juli 2002 gesichert gewesen (Anlage K 8).

Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf Verwirkung berufen, sie habe schon keinen schützenswerten Besitzstand erlangt, die Packungsgestaltung könne ohne weiteres abgeändert werden. Um eine Aufgabe der Markenbenutzung (vgl. § 21 MarkenG) gehe es vorliegend nicht. Die Beklagte habe damit rechnen müssen, dass sie (die Klägerin) die Europackung nicht mehr toleriere, wenn die Rechtsprechung Klarheit geschaffen hätte.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von bestimmten Ordnungsmitteln zu unterlassen,

das Arzneimittel "NIRIP" aus Griechenland in Umverpackungen á 20 Tabletten zu importieren und zum Vertrieb einer Packungsgröße á 100 Tabletten in Deutschland eine eigene Umverpackung zu fertigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Der Klägerin sei es verwehrt, von der Beklagten die Aufgabe der Europackung zu verlangen, nachdem sie eine solche Packungsform vor mehr als fünf Jahren selbst verlangt und seit dem unbeanstandet gelassen habe, obwohl sich in der Rechtsprechung bereits 1998 die Auffassung durchgesetzt habe, dass der Markeninhaber bei einer Bündelungsmöglichkeit eine Europackung beim Parallelimport nicht hinnehmen müsse. Insoweit stehe der Unterlassungsklage nicht nur der Einwand des widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegen, sondern auch Verwirkung (§ 21 MarkenG). Durch die Verwendung der eigenen Umverpackung seit über fünf Jahren sei ein wertvoller Besitzstand geschaffen worden, der Verkehr habe sich daran gewöhnt und lehne Bündelpackungen demgegenüber ab (Anlage B 3). Ihre gesamte Planung und Lagerhaltung sei darauf eingestellt.

Durch Urteil vom 1. Juli 2003 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Auf das Urteil wird wegen aller Einzelheiten Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie noch vor:

Das Landgericht und das Oberlandesgericht Hamburg hätten schon 1998 die Auffassung vertreten, dass ein Umpacken in neue Umverpackungen stets erforderlich sein müsse, kleine Packungsgrößen könnten durch Überkleben und Bündeln zu größeren Packungen umgestaltet werden.

Zu Recht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass in dem Falle, in dem der Markeninhaber durch positives Tun im starken Maße den Eindruck erwecke, er werde gegen die Benutzung seiner Kennzeichnung durch Dritte nicht vorgehen, bereits ein verhältnismäßig kleiner Umfang und eine geringe Bedeutung des Besitzstandes des Verletzers für dessen Schutzwürdigkeit und damit die Annahme der Verwirkung des Unterlassungsanspruch ausreichten.

Das führe vorliegend entgegen dem Landgericht zur Bejahung der Verwirkung. Jahrelang seien die Europackungen geduldet worden, der Verkehr habe sich daran gewöhnt. Die Aufmachung einer Arzneimittelpackung spiele für die Akzeptanz im Verkehr und damit für den Markterfolg eine wichtige Rolle. Im vorliegenden Falle gehe es um die Alternative einer Bündelung von fünf Packungen mit griechischer Schrift, das würde der Verkehr ablehnen (Anlage B 3) und nicht verstehen, zumal es kostengünstige andere Generika auf dem Markt gäbe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Ergänzend trägt sie noch vor:

Zu Recht habe das Landgericht eine Verwirkung nicht angenommen. Erst die Entscheidung des BGH vom 11. Juli 2002 (Anlage K 8) habe zur Frage der Bündlung an Stelle einer Europackung gesicherte Klarheit geschaffen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

I.

Die Unterlassungsklage ist auch nach Auffassung des Senats begründet (§ 3, § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3-5 MarkenG).

1.) Der Gegenstand des Unterlassungsantrages ist - abweichend von seinem genauen Wortlaut - allein der Vertrieb des aus Griechenland parallelimportierten Arzneimittels "NIRIP" (dort in Umverpackungen zu 20 Tabletten) in Deutschland unter Verwendung einer eigenen selbst hergestellten Umverpackung (zu 100 Tabletten). Das hat die Klägerin in der Berufungsverhandlung ausdrücklich klargestellt. Die Beklagte hat dem nicht widersprochen.

Demgemäß sind die dem Vertrieb vorgelagerten, im Antrag aufgeführten Einzelhandlungen des Importierens (des Arzneimittels) und Fertigens der neuen Umverpackung nicht Streitgegenstand. Auf bestimmte Gestaltungsmerkmale der Umverpackungen zu 100 Tabletten bezieht sich das Verbot nicht.

2.) Der Unterlassungsanspruch ist - unbeschadet der Fragen zum widersprüchlichen Verhalten und zur Verwirkung (vgl. dazu unter 3. - 4.) - zu Recht vom Landgericht als aus §§ 3, 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3-5 MarkenG als begründet angesehen worden.

(a) Der Vertrieb des aus Griechenland parallelimportierten Arzneimittels "NIRIP" unter Verwendung einer von der Beklagten neu erstellten Umverpackung verletzt an sich, d. h. unbeschadet einer gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfung die Rechte der Klägerin an der Klagemarke (Anlage K 1).

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren zu benutzen, die mit derjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt. Diesen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht die Beklagte. Sie versieht die von ihr hergestellten neuen Umverpackungen mit der Bezeichnung "NIRIP" und benutzt mit dem Vertrieb der Packungen die Klagemarke in doppelt identischer Weise, und zwar unautorisiert.

(b) Das parallelimportierte Arzneimittel "NIRIP" ist ursprünglich in Griechenland und damit in der Europäischen Union mit Zustimmung des dortigen Markeninhabers seitens einer Konzerngesellschaft der Klägerin in den Verkehr gebracht worden. Deswegen könnte die Unterlassungsklage keinen Erfolg haben, wenn das Markenrecht der Klägerin erschöpft wäre (vgl. § 24 Abs. 1 MarkenG).

Das Markenrecht ist erschöpft, wenn sich der Markenrechtsinhaber der Markenbenutzung im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Ware durch den Parallelimporteur nicht aus berechtigten Gründen widersetzen kann (§ 24 Abs. 2 MarkenG).

(aa) § 24 MarkenG beruht auf der entsprechenden Regelung in Art. 7 MarkenRL. Deshalb ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hierzu auch zur Auslegung des § 24 MarkenG heranzuziehen (BGH GRUR 2001, 422 - ZOCOR). In den Fällen des Re- oder Parallelimports von Arzneimitteln, in denen der Importeur - wie vorliegend die Beklagte - nach dem Umpacken die ursprüngliche Marke wieder anbringt, ist nach der EuGH-Rechtsprechung der Eintritt der markenrechtlichen Erschöpfung von bestimmten Bedingungen abhängig, die kumulativ erfüllt sein müssen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so tritt nach Art. 7 MarkenRL wegen des gemäß Art. 28, 30 EG (damals: Art. 30, 36 EG-Vertrag) zu gewährleistenden freien Warenverkehrs innerhalb der Europäischen Union eine gemeinschaftsrechtliche Erschöpfung ein, so dass der Parallelimporteur insoweit auch ohne Zustimmung des Markeninhabers zum Umkonfektionieren fremder Markenware befugt ist (EuGH WRP 1996, 867 - Eurim Pharm, WRP 1996, 874 - MPA Pharma, WRP 1996, 880 - Bristol-Myers Squibb; vgl. auch EuGH WRP 1999, 1264 - Pharmacia & Upjohn, EuGH WRP 2002, 666 - Boehringer Ingelheim).

(bb) Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (zuletzt OLG Hamburg, 3. Zivilsenat, GRUR-RR 2004, 38 m. w. Nw.), ist der Parallelimporteur nach der EuGH-Rechtsprechung im Grundsatz gehalten, in das Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers so wenig wie möglich einzugreifen (EuGH a. a. O. - Eurim Pharm, - MPA Pharma, - Bristol-Myers Squibb, - Pharmacia & Upjohn). So kann sich der Markenrechtsinhaber dem Umpacken der Ware in eine neue äußere Umverpackung widersetzen, wenn es dem Importeur möglich ist, eine im Einfuhrmitgliedstaat vertriebsfähige Verpackung zu schaffen, indem er statt dessen z. B. auf der äußeren Originalverpackung neue Etiketten in der Sprache des Einfuhrmitgliedstaates anbringt und/oder eine Bündelung der Originalverpackungen (mit oder ohne Aufstocken des Packungsinhalts) vornimmt. In diesen Fällen ist das Umpacken in neue Umverpackungen "nicht erforderlich", eine Erschöpfung des Markenrechts ist insoweit nicht eingetreten. Das gilt auch in den Fällen, in denen - wie vorliegend beim Arzneimittel "NIRIP" - das Arzneimittel in der für das Inland maßgeblichen Packungsgröße (hier: zu 100 Tabletten) im Ausfuhrmitgliedstaat nicht vertrieben wird (hier: in Griechenland zu 20 Tabletten; vgl. zu den Grundsätzen: OLG Hamburg a. a. O.; vgl. zum Umetikettieren: EuGH a. a. O. - Boehringer Ingelheim).

(cc) An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Gebündelte (und überklebte) Umverpackungen weichen zwar notwendigerweise vom Erscheinungsbild der Ausgangspackungen ab, diesem Umstand trägt der Verkehr aber in Kenntnis der gängigen Re- und Parallelimporte Rechnung. Dass mit dem Eindruck der Preisgünstigkeit etwa auch der einer generell minderen Qualität entstünde, trifft nicht zu. Die wesentlichen, mit einem Arzneimittel verbundenen Gütevorstellungen werden nur durch die Leistung des Arzneimittelherstellers begründet und bleiben bei einer professionell durchgeführten Umkonfektionierung bestehen. Dass dabei Ausreißer außer Betracht zu bleiben haben, ist selbstverständlich.

Das wirtschaftliche Interesse des Parallelimporteurs an einer von ihm neu erstellten Umverpackung mag erheblich sein, soweit es um eine noch bessere Darstellung "seines'" Parallelimportprodukts geht. Diesem Interesse nicht schrankenlos nachzugeben, bedeutet noch keine gemeinschaftswidrige Marktbehinderung. Bei der Interessenabwägung ist auf die Erforderlichkeit solcher Maßnahmen abzustellen und nicht auf die Verbesserung der Marktchancen des Parallelimports.

(dd) Der Senat steht hierbei im Einklang mit der zutreffenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesgerichtshofes.

Rein wirtschaftliche Vorteile, die sich der Parallelimporteur beispielsweise durch eine mehr werbewirksame und absatzfördernde Gestaltung der Verpackung verspricht, rechtfertigen nach der EuGH- und BGH-Rechtsprechung nicht die Annahme einer zur Verwendung neuer Kartons nötigenden Zwangslage (EuGH a. a. O. - Boehringer Ingelheim, - Pharmacia & Upjohn; EuGH WRP 2002, 673 - Merck, Sharp & Dohme).

Eine Abneigung der Verbraucher gegen Bündelpackungen stellt daher nicht stets ein Hindernis für den tatsächlichen Zugang zum Markt dar, das ein Umpacken in eine neue Verpackung erforderlich im Sinne der EuGH-Rechsprechung macht (BGH WRP 2002, 1164 - Zantac/Zantic; BGH WRP 2002, 1273, 1277 - NIRIP). Besteht allerdings auf einem Markt oder einem beträchtlichen Teil dieses Marktes ein starker Widerstand eines nicht unerheblichen Teils der Verbraucher gegen Bündelpackungen, so kann von einem Hindernis für den tatsächlichen Zugang zum Markt auszugehen sein (EuGH a. a. O. - Boehringer Ingelheim; BGH a. a. O. - NIRIP).

Entsprechendes gilt für das Überkleben von Originalverpackungen. Allein in dem Fall, dass die Abneigung der Verbraucher gegen überklebte Packungen derart ausgeprägt und weit verbreitet ist, dass sie beispielsweise auch auf die Verschreibungspraktiken der Ärzte oder die Einkaufspraktiken der Apotheken auswirkt und ein tatsächlicher Zugang des Parallelimporteurs zum Markt deshalb nicht gewährleistet ist, kann das Umpacken in neu hergestellte Kartons insoweit als objektiv erforderlich angesehen werden (EuGH a. a. O. - Boehringer Ingelheim, - Pharmacia & Upjohn; BGH a. a. O. - Zantac/Zantic).

(c) Nach diesen Grundsätzen ist die Verwendung der beanstandeten, neu von der Beklagten hergestellten, äußeren "NIRIP"-Umverpackung nicht erforderlich, die Markenrechte der Klägerin sind demgemäß nicht erschöpft.

Die im Inland vorhandene, streitgegenständliche Packungsgröße zu 100 Tabletten lässt sich unter Verwendung der griechischen Original-Umverpackung mit 20 Tabletten gebündelt unschwer herstellen. Demgemäß bedarf es insoweit keiner eigenen, neu von den Beklagten hergestellten Umverpackung. Das gilt auch im Hinblick darauf, dass die Originalpackung eine griechische Beschriftung aufweist und demgemäß nicht die in Deutschland gebräuchlichen (lateinischen) Buchstaben. Dem kann durch geeignete Überklebungen - soweit erforderlich - entsprochen werden.

Es gibt nach den oben dargestellten Grundsätzen auch vorliegend keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten der tatsächliche Zugang zum inländischen Markt objektiv behindert wäre, wenn sie bei dem in Rede stehenden Parallelimport ("NIRIP" aus Griechenland in Bündelpackungen) keine neue äußere Umverpackung verwenden darf und auf die mit Etiketten überklebten gebündelten Originalpackungen ausweichen muss.

Hierfür sprechen schon die Lebenserfahrung und insbesondere die unstreitigen Umstände, dass der Parallelimport von Arzneimitteln inzwischen längst etabliert ist, eine hohe Marktbedeutung und -präsenz hat und seit langem und vielfach auch Bündelpackungen mit großem wirtschaftlichen Erfolg vertreibt. Die Praxis überklebter, gebündelter bzw. auf- oder abgestockter Packungen hat sich unstreitig als ohne weiteres machbar herausgestellt. Auch den Mitgliedern des Senats ist im Laufe der zahlreichen Parallelimport-Prozesse eine Vielzahl solcher Packungen begegnet. Dass ordentliche Bündelpackungen vom Verbraucher etwa abgelehnt würden, lässt sich nicht erkennen.

(d) Aus der von der Beklagten vorgelegten Meinungsumfrage (Anlage B 3) ergibt sich nichts anderes:

In dieser Untersuchung geht es um die abstrakte eigene Einschätzung von Apothekern zur Akzeptanz ihrer Kunden bei überklebten, auf- und abgestockten und gebündelten Packungen. Dass eine neu hergestellte Packung nach Auffassung der befragten Apotheker (84,9 % von 152 Befragten; "Frage 5") demgegenüber "eher akzeptiert" würde, weist in die Richtung der Argumentation, dass eine neu hergestellte Umverpackung das Parallelimport-Unternehmen selbst und "sein" Produkt in der Gesamtaufmachung besser darstellen kann, einschließlich der Beifügung des eigenen Firmenlogos und besonderer Farb- und Formgestaltungen. Auf diese Problemstellung kommt es aber nicht an, der Marktzugang der Beklagten als solcher ist nicht betroffen (vgl. ebenso: BGH a. a. O. - Zantac/Zantic).

Entsprechendes gilt für die Ergebnisse der "Frage 3", die nach Überkleben, Aufstocken, Bündeln und deren Kombination differenziert und ebenfalls nur die Auffassung der befragten Apotheker zur Akzeptanz ihrer Kunden betrifft. Die Antwortvorgaben sind jeweils "wird in der Regel akzeptiert" und "wird weniger/nicht akzeptiert". Inwieweit bei der zweiten Antwort nur eine "geringere Akzeptanz" vorliegt, ergibt sich daraus nicht. Außerdem sind die Fragen zu diesem Punkt abstrakt gestellt; es liegt auf der Hand, dass z. B. eine ordentliche Bündelpackung mit ordentlichen Überklebungen weniger Vorbehalte als eine unordentliche wecken wird, auf letztere ist aber - wie ausgeführt - nicht abzustellen. Diese oben näher ausgeführte, schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung nahe liegende Einschätzung wird durch das Umfrageergebnis der Beklagten nicht in Frage gestellt.

Aus eben diesen Gründen gibt es auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine relevante Marktbehinderung der Beklagten ohne die Verwendung neu hergestellter Umverpackungen. Es besteht nach alledem auch keine Veranlassung, etwa seitens des Senats eine Meinungsumfrage zu der Marktakzeptanz einzuholen. Das Vorbringen der Parteien ermöglicht es dem Senat, aus eigener Sachkunde im oben dargestellten Sinne zu entscheiden.

3.) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klägerin nicht gehindert, den Unterlassungsanspruch etwa wegen eines nach § 242 BGB unzulässigen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) gegen die Beklagte geltend zu machen. Ein solches Verhalten der Klägerin ist nicht gegeben.

(a) Die Rechtsordnung lässt widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu, die Parteien dürfen ihre Rechtsansicht ändern. Wenn durch das Verhalten des Berechtigten ein Vertrauenstatbestand entstanden ist und der andere Teil im Hinblick hierauf bestimmte Dispositionen getroffen hat, kann die Rechtsausübung allerdings unzulässig sein.

(b) Schon ein Vertrauenstatbestand ist vorliegend nicht anzunehmen. Die Parteien sind Konkurrenten grundsätzlicher Art. Ihre Beziehung im vorliegenden Fall hat keinen relevanten Vertrauenstatbstand schaffen können.

Der Beklagten als Parallelimporteurin war und ist bekannt, dass die Klägerin - wie alle Unternehmen im Bereich der Original-Hersteller und Markenrechtsinhaber - Parallelimporte nicht unterstützt, sondern nur hinnimmt, wenn der Grundsatz des freien Warenverkehrs sie hindert, sich den Maßnahmen der Parallelimporteure zu widersetzen. Es war und ist der Beklagten als Parallelimporteurin durch eine Vielzahl von gegen sie geführten Rechtsstreitigkeiten auch klar, dass die Klägerin ihre Marktanteile energisch verteidigt, und zwar auch durch nachhaltiges Prozessieren.

Unter diesem Blickwinkel des objektivierten Empfängerhorizonts sind die ausdrücklichen Verlautbarungen und unterbliebenen Erklärungen der Parteien im Zusammenhang mit der Abmahnung im Jahre 1997 und in der Zeit danach zu bewerten.

(aa) Auf die Abmahnung vom 2. Juni 1997 wegen der Bündelpackung mit einer beigefügten vorformulierten Unterlassungserklärung (Anlage B 1) hat die Beklagte die Erklärung vom 9. Juni 1997 abgegeben, dass sie für den streitgegenständlichen "NIRIP"-Parallelimport eigene Umverpackungen herstellen werde (Anlage K 2). Eine Unterlassungserklärung ist damit nicht abgegeben worden. Sie ist auch nicht etwa in der Ankündigung eines davon abweichenden positiven Tuns zu sehen, insbesondere weil ein irgendwie verpflichtender Bindungswille der Beklagten dabei nicht geäußert worden ist.

(bb) Die Klägerin hat auf die Ankündigung der Beklagten, für den in Rede stehenden Parallelimport ("NIRIP" aus Griechenland, Packung zu 100 Tabletten aus Packungen zu 20 Tabletten) eigene Umverpackungen zu verwenden, keine ausdrückliche Gestattung erklärt, die entsprechenden "Europackungen" aber in der Folgezeit prinzipiell nicht beanstandet, und zwar auch nicht nach der Vorabinformation vom 9. November 2000 über die Änderung der Packungsaufmachung (Anlage B 2).

Es kann letztlich offen bleiben, ob in der nach der Abmahnung vom 2. Juni 1997 sich anschließenden tatsächlichen Handhabung über mehrere Jahre schon von einer stillschweigenden kostenlosen Markenlizenz der Klägerin für diese "Europackungen" ("NIRIP" aus Griechenland, Packung zu 100 Tabletten aus Packungen zu 20 Tabletten) ausgegangen werden kann. Nimmt man eine solche Lizenzvereinbarung an, so wäre diese von der Klägerin inzwischen gekündigt worden. Auf die Vorabinformation der Beklagten vom 25. September 2002 (Anlage K 3) ließ die Klägerin schon mit Schreiben vom 22. Oktober 2002 erkennen, dass sie die Duldung der Europackung aufgibt (Anlage K 4). Soweit es zu Gunsten der Beklagten noch auf irgendwelche Kündigungsfristen ankommen sollte, wären diese inzwischen durch den vorliegenden Rechtsstreit längst abgelaufen.

Anhaltspunkte dafür, dass die stillschweigende Lizenzvereinbarung auf längere Dauer oder gar als "unkündbar" abgeschlossen worden wäre, sind nicht ersichtlich. Schon die Zugehörigkeit der Parteien zu den, wie aufgezeigt, gegensätzlichen Lagern schließt eine solche Annahme aus.

(cc) Erst seit der BGH-Entscheidung "NIRIP" vom 11. Juli 2002 (BGH WRP 2002,1273 - Anlage K 8) konnte die Klägerin vernünftigerweise annehmen, dass sie sich mit bleibendem Erfolg gegen "Europackungen" grundsätzlich wenden durfte. Auch dazu steht die stillschweigende Lizenz erkennbar in Wechselbeziehung.

Der Umstand, dass die Rechtsprechung des erkennenden Senats schon länger in diese Richtung ging, widerspricht dem nicht, denn diese hätte durch den Bundesgerichtshof abgeändert werden können. Das musste auch der Beklagten klar sein: Sie hatte eine ausdrückliche Gestattung oder eine stillschweigende Bindung der Klägerin auf Dauer nicht in den Händen. Mit der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des BGH musste die Beklagte damit rechnen, dass die Klägerin die "Europackung" wieder angreifen würde.

(c) Darüberhinaus fehlt es an nennenswerten Dispositionen, die die Beklagte getroffen hätte. Die Beklagte hat dazu nur vorgetragen, ihre gesamte Planung und Lagerhaltung sei darauf eingerichtet gewesen. Dass die Beklagte etwa nur "Europackungen" und keine Bündelpackungen parallelimportiert, hat diese nicht behauptet. Davon kann deswegen nicht ausgegangen werden. Damit geht es aber nur um die üblichen, mangels gegenteiligen Vortrags unerheblichen Folgen, die der Vertrieb einzelner Arzneimittel in Bündelpackungen mit sich bringt.

4.) Die Klägerin ist auch nicht wegen Verwirkung (§ 242 BGB) gehindert, den Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen.

(a) Vorliegend geht es nicht etwa um die Duldung der Verwendung einer im Verhältnis zur Klagemarke prioritätsjüngeren Marke und damit nicht um einen Verwirkung gemäß § 21 MarkenG Abs. 1-3 MarkenG. Die Anwendung des allgemeinen Verwirkungseinwand aus § 242 BGB bleibt davon unberührt (§ 21 Abs. 4 MarkenG).

(b) Für die Verwirkung eines kennzeichenrechtlichen Unterlassungsanspruchs ist es erforderlich, dass durch eine länger andauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen worden ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, der ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den auch der Verletzte ihm nicht streitig machen kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglicht hat (BGH GRUR 2001, 1161 - CompuNet/ComNet; Ströbele/Hacker, MarkenG , 7. Aufl./2003, Rz. 47 m. w. Nw.). Diese tatbestandlichen Voraussetzungen der Verwirkung stehen in Wechselwirkung zueinander; ein Weniger in einem Bereich kann durch ein Mehr in einem anderen ausgeglichen werden (BGH GRUR 1993, 151 - Universitätsemblem; Ströbele/Hacker, a. a. O.).

(c) Die Beklagte hat die Klagemarke zwar durch erstmaliges Kennzeichnen einer neu hergestellten Packung über mehrere Jahre hinweg redlich und ungestört benutzt und die Klägerin hat diesen Zustand durch ihr Verhalten nicht nur ermöglicht, sondern mit ihrem Unterlassungsverlangen bezüglich der größeren Bündelpackungen sogar ausdrücklich gefordert. Die Beklagte hat jedoch keinen Besitzstand geschaffen, der für sie einen beachtlichen Wert hat und der ihr nach Treu und Glauben erhalten werden muss. Dabei kommt es zwar nicht auf den absoluten wirtschaftlichen Wert des Besitzstandes an, die Beachtlichkeit des Werts ist vielmehr nach seiner objektiven Bedeutung für den Verletzer zu bestimmen (BGH, a. a. O. - Universitätsemblem).

Dazu, welchen wirtschaftlichen Wert der Vertrieb von "NIRIP" aus Griechenland in "Europackungen" für die Beklagte haben soll, fehlt aber jedes wirtschaftlich nachvollziehbare Vorbringen, zumal sie unstreitig weiterhin auch Bündelpackungen und andere überklebte Packungen, jedenfalls bei anderen Arzneimitteln vertreibt.

Die Beklagte hat unter Vorlage der bereits erörterten Apotheker-Umfrage (Anlage B 3) zur angeblich mangelnden Akzeptanz von abgeklebten und gebündelten Packungen ausgeführt, dass "Europackungen" demgegenüber ansprechender und damit beliebter beim nachfragenden Publikum seien. Dieser Vortrag belegt nicht die Beachtlichkeit eines redlich erworbenen Besitzstandes an der Ausübung des regelmäßig allein dem Markeninhaber zustehenden Erstkennzeichnungsrechts. Ebenso unergiebig ist das schon erörterte Argument der Beklagten zur "gesamten Planung und Lagerhaltung".

Es mag sein, dass die Beklagte mit der "Europackung" in einer gefälligeren Form auf dem Markt aufgetreten ist, als sie es mit einer gebündelten Packung hätte tun können. Aber dass nunmehr nennenswerte Einbußen zu besorgen sind, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte bleibt auch bei der Verwendung einer Bündelpackung unverändert als das erkennbar, was sie auch zuvor gewesen ist, und zwar als Parallelimporteurin der griechischen "NIRIP"-Tabletten. Es ist unstreitig, dass andere Parallelimporteure ebenfalls Bündelpackungen vertreiben. Bei dem seit vielen Jahren eingeführten Arzneimittel stehen das Medikament mit seinem Wirkstoff und sein Preis gegenüber der Präsentation in einer selbst hergestellten Faltschachtel entscheidend im Vordergrund.

II.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.). Die Rechtssache geht, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, über die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt nicht hinaus. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Zulassung der Revision ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Eine Vorlage an den EuGH (Art. 234 EG) kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. Wie die obigen Ausführungen zeigen, steht die Anwendung der markenrechtlichen Bestimmungen, insbesondere zur Erforderlichkeit der Verwendung neuer Umverpackungen für die Importware mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und Entscheidungen im Einklang.



Ende der Entscheidung

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