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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 28.11.2002
Aktenzeichen: 3 U 124/02
Rechtsgebiete: LMBG


Vorschriften:

LMBG § 18 Abs. 1 Nr. 2
LMBG § 18 Abs. 1 Nr. 5 b
1. Wird zur cholesterinspiegelsenkenden Wirkung einer Diäthalbfettmargarine - im Zusammenhang mit einem "Internationalen Ernährungskongreß" - auf "aktuelle Studien" und auf Empfehlungen von "Experten" Bezug genommen, so handelt es sich um Werbung mit einem Hinweis auf "ärztliche Gutachten" und auf "ärztliche Empfehlungen".

Ob § 18 Abs. 1 Nr. 2 gemäß den Vorschriften des EG-Rechts dahin auszulegen ist, daß die Bestimmung nur anwendbar ist, wenn zugleich die Voraussetzungen von Nr. 1 gegeben sind, bleibt offen.

2. Jedenfalls liegen irreführende Aussagen vor, wenn es tatsächlich um ( rein ) ernährungswissenschaftliche Stellungnahmen handelt.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 124/02

Verkündet am: 28. November 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 14. November 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 7. Juni 2002 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 15.000 Ç abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 12.500 Ç festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung "Becel Pro Aktiv" eine Diät-Halbfettmargarine, für die sie mit einer Anzeige warb ( Anlage K 2 ), in der es heißt:

"Auf dem Internationalen Ernährungskongress in Wien wurde jetzt die cholesterinspiegelsenkende Wirkung von "becel pro activ" erneut durch aktuelle Studien belegt und bestätigt...

Experten empfehlen "becel pro activ" morgens und abends regelmäßig aufs Brot zu streichen..."

Der Kläger hatte im Beschwerdewege eine einstweilige Verfügung des Senats vom 21. Januar 2002 ( Az. 3 W 3/02 ) erwirkt, durch die der Beklagte verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für die Margarine "becel pro aktiv" zu werben:

( es folgt die oben zitierte Aussage ).

Dagegen hatte die Beklagte Widerspruch eingelegt. Durch Urteil vom 22. Februar 2002 hat das Landgericht die einstweilige Verfügung des Senats bestätigt. Durch Urteil vom 26. September 2002 hat der Senat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Der Kläger verfolgt sein Unterlassungsbegehren im Hauptsacheverfahren weiter.

Durch Urteil vom 7. Juni 2002 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie vertieft ihr Vorbringen erster Instanz und trägt zur Frage der Irreführung vor.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Klagantrag und demgemäß das gerichtliche Verbot sind dahin zu verstehen, daß die beiden Aussagen kumulativ und nicht etwa alternativ verboten worden sind. Ferner betrifft das Verbot, wie der Senat entsprechend bereits im Verfügungsverfahren in seinem Beschluß vom 21. Januar 2002 und in seinem Urteil vom 26. September 2002 klargestellt hat, den beanstandeten Text als solchen, d.h. ohne daß im Zusammenhang damit dem Leser eindeutig klargemacht wird, daß es hierbei um "rein" ernährungswissenschaftliche, nicht um ( auch ) um ärztliche Äußerungen geht.

Ob dem Kläger der geltend gemachten Unterlassungsanspruch §§ 1 UWG, 18 Abs. 1 Nr. 2 LMBG zusteht, kann offen bleiben. Jedenfalls sind die Voraussetzungen des 17 Abs. 1 Nr. 5 b LMBG gegeben.

Der Senat vermag die nachfolgenden Feststellungen auf Grund eigener Sachkunde zu treffen; seine Mitglieder gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen.

1) Seinem Wortlaut nach greift allerdings § 18 Abs. 1 Nr. 2 LMBG ein.

Der angegriffene Text enthält eine Werbung mit einem Hinweis auf "ärztliche Gutachten" und zugleich mit einem Hinweis auf "ärztlichen Empfehlungen" im Sinne der genannten Bestimmung. Maßgebend ist, wie die angesprochenen Verbraucher den Text verstehen. Mangels klarstellender Angaben im beanstandeten Text - und der Anzeige ( Anlage AS 2 ) im übrigen - ist er trotz der mehrfachen Hinweise darauf, daß es um Fragen der Ernährung geht, nicht eindeutig. Erhebliche Teile des Verkehrs ( Verbraucher leitbild gemäß Rechtsprechung des EuGH ) werden zu der Vorstellung gelangen, daß es sich nicht um "rein" ernährungswissenschaftliche, sondern um ( auch ) ärztliche Äußerungen handelt. Aus der Angabe "Ernährungskongress" folgt nichts anderes ( vgl. Zipfel/ Rathke, Lebensmittelrecht, Rdnr. 27 zu § 18 LMBG zur Angabe "von Ernährungswissenschaftlern empfohlen" ). Aus der Sicht von Laien lassen sich beide Wissenschaftsgebiete bei Gesundheitsfragen wie hier nicht ohne weiteres klar und eindeutig trennen. Da "becel pro activ" ausdrücklich eine cholesterinspiegelsenkende Wirkung zugesprochen wird, die gezielt vor allem mit Arzneimitteln erreicht zu werden pflegt, liegt es für den Leser nahe, bei der Würdigung des beanstandeten Textes im Rahmen der gesamten Anzeige nicht an rein ernährungsphysiologische, wenn auch in Kliniken durchgeführte Verzehrstudien, sondern an ( auch ) fachkundige ärztliche Stellungnahmen zu denken, obwohl es um ein Lebensmittel und um Fragen der Ernährung geht.

Ein Verstoß scheitert nicht etwa daran, daß die Studien und/oder die Experten nicht weiter konkretisiert werden. Es genügt der allgemeine Hinweis auf ärztliche Gutachten oder Empfehlungen ( Zipfel/Rathke a.a.O. ).

Die Beklagte wendet demgegenüber ein, die genannte Bestimmung sei gemäß den Vorschriften des EG-Rechts, nämlich Art. 6 Abs. 1, Art. 10 der Richtlinie 89/398/ EWG ( Diätrahmenrichtlinie ) und Art. 18 der Richtlinie 2000/13/EG ( Etikettierungsrichtlinie ) dahin auszulegen, daß sie, insbesondere mit der Harmonisierung des Diät rechts, nur noch dann anwendbar sei, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG gegeben seien. Ob das zutrifft kann offen bleiben; denn jedenfalls sind die umstrittenen Angaben irreführend.

2) Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Nr. 5 b LMBG sind gegeben, worauf sich der Kläger auch berufen hat.

Wie dargelegt erwarten viele Verbraucher, daß es um ( auch ) ärztliche Stellungnahmen geht. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte hat der Senat davon auszugehen, daß es sich um ( rein ) ernährungswissenschaftliche Stellungnahmen handele. Die Beklagte macht nämlich nur geltend, daß es sich um ernährungswissenschaftliche Verzehrstudien und um Ernährungsempfehlungen handele. Von ( auch ) ärztlichen Stellungnahmen ist dabei keine Rede.

Demnach ist der beanstandete Text irreführend. Die unrichtige Vorstellung ist wettbewerblich relevant. Für den Verbraucher ist es im vorliegenden Zusammenhang von erheblicher Bedeutung, ob es sich um ärztliche und/oder um er nährungswissenschaftliche Stellungnahmen handelt, auch wenn beide Fachgebiete als solche gleichrangig nebeneinander stehen. Ihm geht es nicht nur darum, daß die behauptete Wirkung wissenschaftlich abgesichert ist, sondern wegen der cholesterinspiegelsenkender Wirkung, mit der auf einen medizinischen Aspekt hingewiesen wird, auf welchem Wissenschaftsgebiet die Absicherung besteht.

Auch eine Interessenabwägung führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Beklagten ist es möglich, in einer Weise, die eine Irreführung weitgehend ausschließt, darauf hinzuweisen, daß es um ( rein ) ernährungswissenschaftliche Stellungnahmen geht.

Die Berufung der Beklagten ist demnach zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Entscheidung des Senats beruht auf tatsächlichen Feststellungen zur Irreführung.

Ende der Entscheidung

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