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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 3 U 142/03
Rechtsgebiete: UWG, HWG


Vorschriften:

UWG § 1
HWG § 1
HWG § 7
1. Die Ankündigung eines Barrabatts (hier: gestaffelt nach dem Lebensalter des Patienten) für den Kauf einer Brille verstößt gegen §§ 1, 7 HWG; die Brille (Fassung mit Gläsern) ist ein Medizinprodukt im Sinne des § 3 MedizinprodukteG (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1 a HWG).

Der Barrabatt gehört begrifflich zu den "Zuwendungen und sonstigen Leistungen" (§ 7 HWG), durch die Neufassung des § 7 HWG ist frühere Verbotsausnahme (wegen § 1 Abs. 2 lit. b und c ZugabeVO) beseitigt worden.

2. Die Vorschrift des § 7 HWG hat eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion (§ 1 UWG).


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 142/03

Verkündet am: 26. Februar 2004

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter

Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler

nach der am 12. Februar 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 19. August 2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

A.

Der Antragsteller ist als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen klagebefugt (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG).

Die Antragsgegnerin ist ein bundesweit tätiges Augenoptik-Unternehmen mit vielen Verkaufsniederlassungen. Sie gewährt zur Zeit auf jede Brille mit "W.-xxx"-Kunststoffgläsern einen Rabatt in Höhe des Lebensalters des jeweiligen Kunden, hierfür wirbt sie mit Angaben wie: "Bis zu 100 % Rabatt auf Fassung und Gläser!" und "Pro Lebensjahr 1 % Rabatt jetzt auf jede Brille mit W.-xxx Kunststoffgläsern" (Anlage AS 1).

Der Antragsteller beanstandet das als wettbewerbswidrig. Er erwirkte am 2. Juli 2003 eine Beschlussverfügung des Landgerichts Hamburg, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel verboten worden ist,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insbesondere in nachfolgender Weise (es folgt die Kopie der Werbung im Internet gemäß Anlage AS 1) anzukündigen, dass sie auf den Kaufpreis einer Brille dem Käufer pro Lebensjahr 1 % Rabatt gewähre und/oder die so angekündigten Rabatte zu gewähren.

Durch Urteil vom 19. August 2004 hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung bestätigt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die Beschlussverfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen. Der Antragsteller verteidigt das landgerichtliche Urteil.

B.

Die Berufung der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht seine Beschlussverfügung bestätigt.

I.

Der Streitgegenstand bezieht sich allgemein auf den im Antrag beschriebenen Altersrabatt, und zwar in Form des Ankündigens und/oder des Gewährens. Der "insbesondere"-Teil hat die Internetwerbung gemäß Anlage AS 1 zum Gegenstand.

Der verallgemeinerte Antragsteil beschreibt die konkrete Verletzungsform der Werbung gemäß Anlage AS 1, der "insbesondere"-Teil ist ein echter Unterfall des allgemeinen Antrags.

Für die rechtliche Bewertung des "insbesondere"-Teils des Antrages ergeben sich materiellrechtlich keine Besonderheiten gegenüber dem verallgemeinerten Unterlassungsanspruch. Insoweit enthält die Werbung der Antragsgegnerin gemäß Anlage AS 1 keine zusätzlichen Argumente. Das gilt auch für den in der Werbeanzeige enthaltenen Satz "Bis zu 100 % Rabatt auf Fassung und Gläser", weil man im Äußerungszusammenhang erkennt, dass diese Ankündigung nur abhängig vom betreffenden Alter des Kunden gelten soll.

II.

Der Unterlassungsantrag im Umfang der Beschlussverfügung des Landgerichts ist nach Auffassung des Senats aus § 7 HWG, § 1 UWG begründet. Deswegen lässt es der Senat ausdrücklich dahingestellt, ob der Auffassung des Landgerichts, nach der der Unterlassungsanspruch wegen übertriebenen Anlockens gemäß § 1 UWG begründet sei, zuzustimmen ist oder nicht.

1.) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die Vorschrift des § 7 HWG auf das Angebot von Brillen grundsätzlich anzuwenden.

Nach § 7 Abs. 1 HWG ist es - von den Ausnahmen in Abs. 1 der Vorschrift zunächst abgesehen - unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, das gilt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG für die Werbung für Arzneimittel und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 a HWG für die Werbung für Medizinprodukte im Sinne des § 3 MedizinprodukteG.

Brillen, bestehend aus Gestell und Gläsern, sind Medizinprodukte in diesem Sinne (Schorn, Medizinprodukte-Recht, § 2 MedizinprodukteG Rz. 49). Maßgeblich ist insoweit nur, dass der Unterlassungsantrag sich gegen die streitgegenständliche Rabattgewährung und -ankündigung einer Brille (d. h. bestehend aus Gestell und Gläsern) richtet, es geht nicht etwa um eine Werbung nur für Brillengestelle. Das Angebot der Antragsgegnerin betrifft tatsächlich auch nur die komplette Brille mit den W.-xxx-Kunststoffgläsern (Bl. 28).

Die gegenteilige Argumentation der Antragsgegnerin, es sei gleichwohl von den Brillengestellen isoliert auszugehen, greift nicht durch. Ein Brillengestell ist dazu da, die Brillengläser zu halten, auch wenn vielfach modische Aspekte für den Kauf eines Brillengestells bedeutsam sind, ändert das an der eigentlichen Funktion des Brillengestells nichts.

2.) Das vorliegende Ankündigen und nach der Werbung der Antragsgegnerin zu besorgende Gewähren eines Barrabatts fällt unter die Vorschrift des § 7 HWG n. F.; die gegenteiligen Argumente der Antragsgegnerin greifen nicht durch.

(a) Auch der Barrabatt gehört begrifflich zu den "Zuwendungen und sonstigen Werbegaben (Waren oder Leistungen)". Schon unter Geltung der ZugabeVO und des RabattG war es h. M., dass Geld- und Warenrabatt begrifflich an sich "Zugaben" sind; deswegen gab es gerade die Bestimmung des § 1 Abs. 2 lit. b und lit. c ZugabeVO, nach der die ZugabeVO für Geld- und Naturalrabatt nicht galt.

Wegen dieser vorstehend genannten Besonderheit hatte allerdings § 7 HWG a. F. insoweit eine Lücke, weil als Zugaben zulässige Werbegaben ausgenommen waren (§ 7 Abs. 1 Satz 1 HWG a. F. am Ende) und die ZugabeVO, wie ausgeführt, für Geld- und Naturalrabatt nicht galt (§ 1 Abs. 2 lit. b und lit. c ZugabeVO).

(b) Das hat, wie der Antragsteller zutreffend referiert hat, der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 7 HWG geändert.

Nach dieser Vorschrift gehört der Geldrabatt zu den "Zuwendungen und sonstigen Werbegaben" im Sinne des § 7 HWG n. F., denn der Ausnahmetatbestand bezüglich der als Zugaben zulässigen Werbegaben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 HWG a. F. am Ende) ist entfallen, statt dessen gibt es aufgezählte Ausnahmen in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 4 HWG, die aber nicht die frühere Ausnahme enthalten.

3.) Die Ausnahmen in § 7 HWG n. F. greifen vorliegend nicht ein, so dass der Unterlassungsanspruch aus § 7 HWG, § 1 UWG begründet ist.

(a) Die Ausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG liegt nicht vor. Um Gegenstände von geringem Wert mit einem entsprechenden Reklameaufdruck geht es nicht, um geringwertige Kleinigkeiten ebenfalls nicht.

(b) Die Ausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht gegeben.

Die Ausnahmevorschrift betrifft nur Fälle der Geld- und Naturalrabatte der pharmazeutischen Unternehmer, Hersteller und Großhändler; solche Rabatte sind für apothekenpflichtige Arzneimittel nur an die in § 47 AMG genannten Endverbraucher zulässig, also nicht an die Apothekenkunden.

(aa) Die Antragsgegnerin verkürzt den Gesetzestext, wenn sie ihn so liest, als sollte nur die Rabattierung apothekenpflichtiger Arzneimittel gegenüber den Apotheken-Endkunden verboten sein. Vielmehr ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 1 HWG die Rabattierung bei Arzneimitteln und Medizinprodukten gegenüber Endverbrauchern grundsätzlich verboten, es sei denn eine der Ausnahmen greift ein. Das hat bereits das Landgericht zutreffend so abgeleitet, die dagegen gerichtete Einwand der Antragsgegnerin ist nicht begründet: Die Anwendung der Ausnahmevorschrift setzt das Vorliegen der Ausnahme voraus, sonst gilt der Obersatz mit seinem Verbot.

(bb) Dass der Gesetzgeber im Bereich des HWG die Werbemöglichkeiten gegenüber den Endverbrauchern erweitern wollte, ist im Übrigen ebenfalls nicht erkennbar. Wie der Antragsteller noch zutreffend anmerkt, war bei der Novellierung von § 7 HWG n. F. die Herausnahme der Medizinprodukte aus dem § 1 HWG nicht thematisiert worden.

(cc) Es geht nach dem Gesetz und dessen korrekter Anwendung auch nicht etwa - wie die Antragsgegnerin einwendet - um die Verhinderung des Verkaufs preiswerter Brillen, sondern allein um die Rabattierung.

(dd) Die Ausnahme kann sogar aus drei Gründen nicht eingreifen: Es geht um Rabatt gegenüber dem normalen privaten Endverbraucher und damit nicht gegenüber den in § 47 AMG genannten Endverbrauchern. Außerdem ist die Antragsgegnerin mit ihren Filialen kein pharmazeutischer Unternehmer, Hersteller oder Großhändler, schließlich sind Brillen keine apothekenpflichtigen Arzneimittel bzw. Medizinprodukte.

(c) Die Ausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG liegt ebenfalls nicht vor.

In der Ausnahmevorschrift ist nicht etwa allgemein von einer Handelsüblichkeit die Rede, sondern nur von "handelsüblichem Zubehör" oder handelsüblichen Nebenleistungen, wie zum Beispiel eine Fahrkostenerstattung. Das zeigt, dass die Ausnahmevorschrift nicht den Barrabatt meint, der gerade in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG geregelt ist.

Im Übrigen kann eine Handelsüblichkeit nicht etwa kurzer Hand mit der eigenen Werbung der Antragsgegnerin (Anlagen AG 5-8) dargetan werden, entsprechendes gilt für die Werbung Dritter, zumal diese auch unzulässig sein können. Die von der Antragsgegnerin noch vorgelegten "Entlastungsbeispiele" betreffen außerdem auch andere Sachverhalte.

(d) Wegen des Verstoßes der Werbung der Antragsgegnerin gegen § 7 HWG ist auch ein Verstoß gegen § 1 UWG gegeben.

Nach der neueren BGH-Rechtsprechung kommt ein Anspruch aus § 1 UWG in Fällen, in denen ein Verhalten gegen ein Gesetz verstößt allerdings nur dann in Betracht, wenn von dem Gesetzesverstoß zugleich eine unlautere Störung des Wettbewerbs auf dem Markt ausgeht. Es muss an Hand einer am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtenden Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens geprüft werden, ob dieses durch den Gesetzesverstoß das Gepräge eines wettbewerbsrechtlich unlauteren Verhaltens bekommt. Der Gesetzesverstoß kann dazu allein nicht genügen, wenn die verletzte Norm nicht zumindest auch eine - entsprechend dem Normzweck des § 1 UWG - auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat (BGH WRP 2004, 337 - Krankenkassenzulassung m. w. Nw.).

Dem § 7 HWG kommt eine solche wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion zu. Das inzwischen aufgehobene Rabattgesetz bezweckte zwar nicht unmittelbar die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, die in dem damaligen Gesetz vorgenommene Beschränkung der Rabattgewährung erfolgte vor allem aus wirtschaftspolitischen Gründen. Hauptzweck des früheren Rabattgesetzes war es, den Preisnachlass als Mittel des Wettbewerbs in wirtschaftlichen Grenzen zu halten; die Verschleierung künstlich überhöhter Preisgestaltungen und die sich daraus ergebende Eignung zur Irreführung und zur Verlockung des Kunden sollten verhindert werden, zugleich aber auch die Verzerrung des Wettbewerbs zum Nachteil der Mitbewerber (vgl. Köhler/Piper, UWG, 1. Auflage, RabattG Einf. Rz. 4 m. w. Nw.).

Demgegenüber stellt § 7 HWG sogar eine Verschärfung dar, denn die Rabattgewährung (und - ankündigung) ist gegenüber Endverbrauchern generell untersagt. Diese gesetzliche Wertung zeigt auf, dass die Vorschrift eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat.

III.

Nach alledem war die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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