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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 10.01.2002
Aktenzeichen: 3 U 166/01
Rechtsgebiete: UWG, HWG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 25
HWG § 3 a
1. Zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung in Wettbewerbsprozessen.

2. Das für nicht zugelassene Arzneimittel nach § 3 a HWG bestehende Werbeverbot betrifft auch das Werben für ein zugelassenes Arzneimittel mit einer nicht zugelassenen Indikation (hier: speziell für die Steigerung des HDL-Cholesterins). Davon sind Werbehinweise nur auf Wirkungen des Arzneimittels zu unterscheiden.

Fehlt in den Pflichtangaben (in den Anwendungsgebieten) ein Hinweis auf eine spezielle Indikation, so steht allein dieser Umstand der Annahme einer Werbung für diese Indikation nicht entgegen.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 166/01

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 10. Januar 2002

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 13. Dezember 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil das Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 3. April 2001 abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 31. Januar 2001 wird mit der Maßgabe erneut erlassen, dass der Antragsgegnerin unter Androhung der genannten Ordnungsmittel verboten wird,

für das Präparat Lxxxx-Xx in nachfolgend (in Farbkopie) wiedergegebener Weise zu werben.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 300.000.- DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Arzneimittelmarkt. Sie produzieren und vertreiben beide u. a. Medikamente zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen. Zu diesen gehören fibrathaltige Lipidsenker; die Antragstellerin bietet das Arzneimittel "Gxxxxxx/-xxx" (Wirkstoff: Gemfibrozil) und die Antragsgegnerin das Präparat "Lxxxx-Xx" (Wirkstoff: Fenofibrat) an.

Die Antragsgegnerin hat in der Publikation MEDICAL TRIBUNE vom 27. Oktober 2000 für "Lxxxx-Xx" eine Anzeige veröffentlicht (Anlage AS 2); die dortigen Angaben beanstandet die Antragstellerin im Hinblick auf die Arzneimittelzulassung von "Lxxxx-Xx" als wettbewerbswidrig. Sie nimmt die Antragsgegnerin im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

Die farbige Anzeige der Antragsgegnerin trägt die Überschrift "Zukunft mit HDL-Steigerung*", das Sternchen wird unten mit dem Vermerk "Anwendungsgebiet siehe Pflichtangaben" erläutert. Im unteren Teil der Anzeige heißt es "Neu - Lxxxx-Xx" - Zukunft mit High-Tech-Galenik" (Anlage AS 2). Dieselbe Anzeige ist auch in der ÄRZTE-ZEITUNG vom 22. Dezember 2000 erschienen (Anlage AG 1).

Das Arzneimittel "Lxxxx-Xx" ist - wie aus der entsprechenden Fachinformation ersichtlich - für folgende Anwendungsgebiete zugelassen (vgl. Schutzschrift Landgericht Hamburg 312 AR 52/01, dort Anlage SS 1):

"Isolierte oder kombinierte Hypercholesterinämie und Hypertriglyceridämie (Hyperlipoproteinämien Typ IIa, IIb, III, IV und V):

- wenn diätetische und andere nichtmedikamentöse Maßnahmen (wie z. B. Gewichtsreduktion oder gesteigerte körperliche Aktivität) allein keine ausreichende Wirkung gezeigt haben,

- insbesondere, wenn die Lipidspiegel unter Diät erhöht bleiben und/oder weitere Risikofaktoren vorliegen.

Die Behandlung sekundärer Hyperlipoproteinämien ist dann indiziert, wenn die Hyperlipoproteinämie trotz konsequenter Behandlung der zugrundeliegenden Krankheit (z. B. Lipidstoffwechselstörung bei Diabetes mellitus) weiterbesteht".

In der Anzeige für "Lxxxx-Xx" lauten die Pflichtangaben zu den "Anwendungsgebieten" (vgl. Anlage AS 2; vgl. auch die Gebrauchsinformation: Anlage AS 7) wie folgt:

"Zur Senkung von erhöhten Blutfettwerten bei speziellen Fettstoffwechselstörungen (isolierte oder kombinierte Hypercholesterinämie und Hypertriglyceridämie (Hyperlipoproteinämien Typ IIa, IIb, III, IV und V)(, die weder durch eine Änderung der Ernährungsweise noch durch andere, nicht-medikamentöse Maßnahmen ausreichend beeinflusst werden können, oder die durch eine andere Krankheit bedingt sind und trotz konsequenter Behandlung dieser Grundkrankheit weiterbestehen."

Mit der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 31. Januar 2001 ist der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden,

für das Präparat Lxxxx-Xx in nachfolgend (in schwarz-weiß) wiedergegebener (im Original farbiger) Weise zu werben (es folgt eine verkleinerte Schwarz-Weiß-Kopie der farbigen Anzeige "Zukunft mit HDL-Steigerung" gemäß Anlage AS 2).

Mit Urteil vom 3. April 2001 hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung vom 31. Januar 2001 aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, die ihren Verfügungsantrag mit der aus dem Ausspruch des Senatsurteils ersichtlichen Maßgabe weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist begründet. Demgemäß ist die einstweilige Verfügung des Landgerichts unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils erneut zu erlassen, und zwar mit der Maßgabe, dass an Stelle der verkleinerten Schwarz-Weiß-Kopie der angegriffenen Anzeige der Antragsgegnerin (vgl. Anlage AS 2) eine Farbkopie hiervon beigefügt wird.

I.

Der Gegenstand des Unterlassungsantrages ist das Werben für "Lxxxx-Xx" mit der Anzeige, wie sie in der MEDICAL TRIBUNE vom 27. Oktober 2000 veröffentlicht worden ist (Anlage AS 2). Auf die der Beschlussverfügung beigefügte verkleinerte Schwarz-Weiß-Kopie kommt es nicht an, maßgeblich ist die farbige Anzeige selbst. Das hat die Antragstellerin in der Berufungsverhandlung ausdrücklich klarstellen lassen.

II.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Dringlichkeit für das einstweilige Verfügungsverfahren gegeben ist.

Die gemäß § 25 UWG bestehende Vermutung der Eilbedürftigkeit ist nicht widerlegt. Die Antragstellerin ist nach Kenntnis des beanstandeten Verletzungsfalls alsbald und nicht verzögert gegen diesen vorgegangen.

1.) Hat die Antragstellerin - wie sie behauptet - erst am 15. Dezember 2000 von der Werbeanzeige für "Lxxxx-Xx" Kenntnis erhalten, so ist sie - gerechnet von diesem Datum - gerade noch zeitnah gegen die Antragsgegnerin vorgegangen, der Verfügungsantrag ist am 30. Januar 2001 bei Gericht eingegangen. Eine gewisse Überlegungs- und Vorbereitungszeit zur Einleitung des Verfügungsverfahrens ist der Antragstellerin zuzubilligen.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin vor Einleitung des Verfügungsverfahrens die Antragsgegnerin zwar nicht abgemahnt hat, so dass eine Wartezeit für die Reaktion der Antragsgegnerin nicht einzurechnen ist. Zu Gunsten der Antragstellerin sind aber die Feiertage zu Weihnachten und zum Jahreswechsel von der verbrauchten Zeitspanne abzuziehen.

2.) Es kann mit der für das Verfügungsverfahren hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin bereits vor dem 15. Dezember 2000, und zwar bereits im Oktober 2000 von der Werbung der Antragsgegnerin erfahren hat.

(a) Die Anzeige aus der MEDICAL TRIBUNE datiert vom 27. Oktober 2000 (Anlage AS 2), sie wurde nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin auch schon zuvor mehrfach veröffentlicht, und zwar zuerst am 5. Oktober 2000 in der Publikation "Die internistische Welt Schwerpunkt Cardio" (Bl. 81; vgl. Anzeigenschaltplan in Anlage SS 5, Schutzschrift Landgericht Hamburg 312 O 52/01).

Unter Hinweis auf die Anzeigenschaltung behauptet die Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe die Werbung bereits im Oktober 2000 gekannt. Die Antragstellerin habe für ihre Darstellung (Kenntnis erst am 15. Dezember 2000) keine eidesstattliche Versicherung beigebracht, diese sei erforderlich, um die bestehenden Zweifel wegen der engen Konkurrenzlage der Parteien zu beseitigen.

(b) Demgegenüber hat die Antragstellerin vorgetragen, sie habe "erst jetzt" (so die Antragstellerin in der Antragsschrift vom 30. Januar 2001), und zwar am 15. Dezember 2000, die Anzeige wahrgenommen, die Verspätung liege u. a. an der in ihrem Hause erfolgten Fusion. In der Widerspruchsverhandlung vor dem Landgericht vom 20. März 2001 hat der Justiziar der Antragstellerin (Herr Sxxxxxx) zu Protokoll erklärt, der Produktmanager für CSE-Hemmer sei mit der Anzeige zu ihm - Sxxxxxx - gekommen, die Anzeige sei zunächst nicht beachtet worden, weil sie ein Fenofibrat betreffe, das nicht unmittelbar mit einem CSE-Hemmer vergleichbar sei (Bl. 24).

(c) Das Vorbringen der Antragstellerin zu ihrer Kenntnisnahme erst am 15. Dezember 2000 ist nicht als widerlegt anzusehen.

Die Antragsgegnerin hätte eine frühere Kenntnis auf Seiten der Antragstellerin darlegen und glaubhaft machen müssen, das ist nicht geschehen. Sie hat nur auf ihren Anzeigenschaltplan und das enge Wettbewerbsverhältnis der Parteien verwiesen.

Es gibt allerdings Sonderfälle, in denen eine Werbung der Konkurrenz so offenkundig ist, dass die Wahrscheinlichkeit für die Kenntnis des Verletzten spricht, davon ist aber vorliegend nicht auszugehen.

Der Umstand, dass die Parteien auf dem Gebiet der CSE-Hemmer ebenfalls direkte Konkurrenten sind und mehrere Rechtsstreitigkeiten miteinander geführt haben und dass der Antragstellerin bestimmte Werbemaßnahmen für ihren CSE-Hemmer Sxxxxxx durch einstweilige Verfügungen vom 28. November und 6. Dezember 2000 verboten worden sind (Anlagen AG B 1-2), ergibt nicht, dass bereits im Oktober 2000 auch auf dem Gebiet der fibrathaltigen Lipidsenker ein solches Streitfeld zwischen den Parteien bestand. Es ist daher durchaus plausibel, dass die Antragstellerin der Anzeige für "Lxxxx-Xx" zunächst keine Beachtung geschenkt hat, wenn das prozessuale Auseinandersetzung der Parteien die anderen Lipidsenker (die CSE-Hemmer) betraf.

3.) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin widerlegt der Zeitraum ab Zustellung des erstinstanzlichen Urteils, mit dem die Beschlussverfügung aufgehoben worden ist, die Dringlichkeitsvermutung ebenfalls nicht.

Das Urteil des Landgerichts ist der Antragstellerin am 5. April 2001 zugestellt worden; die Berufung der Antragstellerin wurde am 7. Mai 2001 (Montag) eingelegt, die Berufungsbegründung ist am 9. Juli 2001, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf einen am 25. Mai 2001 eingereichten Antrag bis zu diesem Zeitpunkt verlängert worden ist.

Das Ausschöpfen der gesetzlich einem Berufungskläger eingeräumten Fristen für die Einlegung und Begründung der Berufung betrifft die Eilbedürftigkeit grundsätzlich nicht. Das hat der Senat - auch wie vorliegend für den Fall des Ausnutzens einer Fristverlängerung - bereits mehrfach entschieden (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 1998, 402 m. w. Nw., MagazinDienst 1999, 979, GRUR 2000, 319). Der gegenteiligen Auffassung anderer Oberlandesgerichte zu dieser Frage vermag der Senat nicht zu folgen.

Die konkreten Umstände und der zeitliche Ablauf ergeben vorliegend keine Anhaltspunkte, die für eine Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung sprechen könnten. So ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin unnötig lange gewartet hätte. Vielmehr war es nach dem Urteil des Landgerichts aus der maßgeblichen Sicht der Antragstellerin geboten, den in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfachen Sachverhalt gründlich und mit einem nicht zu knapp zu bemessenden Zeitaufwand weiter vorzubereiten.

III.

Der Verfügungsantrag ist nach Auffassung des Senats aus § 3 a HWG, § 1 UWG begründet.

Nach § 3 a HWG ist eine Werbung für Arzneimittel, die - wie vorliegend das Arzneimittel "Lxxxx-Xx" - der Pflicht zur Zulassung unterliegen und nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind, unzulässig; das gilt auch für die Werbung mit einer Indikation, für die das Arzneimittel nicht zugelassen ist.

Entgegen dem Landgericht wird in der beanstandeten Werbeanzeige mit der blickfangmäßig herausgestellten Angabe "Zukunft mit HDL-Steigerung" auf ein Anwendungsgebiet hingewiesen, für das das Mittel "Lxxxx-Xx" nicht zugelassen ist.

Allerdings stünde - wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 1999 (3 U 116/99 - MagazinDienst 2000, 626) ausgeführt hat - die Vorschrift des § 3 a HWG nicht entgegen, wenn in der Werbung lediglich auf Wirkungen des betreffenden Arzneimittels in zutreffender Weise hingewiesen würde. Um so eine Fallgestaltung geht es aber vorliegend nicht.

1.) Die beanstandete Werbung der Antragsgegnerin richtet sich nur an Fachkreise, demgemäß ist für die Feststellung der Verkehrsvorstellungen maßgeblich auf die der Ärzte und Apotheker abzustellen.

Obwohl die Mitglieder des erkennenden Senats nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, sind sie zur eigenständigen Beurteilung des Verkehrsverständnisses der Werbeanzeige in der Lage. Es geht um das normale Sprachverständnis und nicht um fachspezifische Besonderheiten.

2.) Für die maßgeblichen Verkehrskreise wird mit dem hervorgehobenen Hinweis "Zukunft mit HDL-Steigerung" in der Anzeige das Serum-Lipoprotein HDL (HDL-Cholesterin) angesprochen, dessen Anteil im Blut ausdrücklich erhöht werden soll.

Schon nach allgemeinem Sprachgebrauch liegt es nahe, die Angabe in diesem Sinne, d. h. zur Behandlung einer entsprechenden Fettstoffwechselstörung zu beziehen. Die Angabe erfolgt in der Überschrift plakativ und demgemäß betont, auch inhaltlich ist sie eindeutig. Demgemäß werden die angesprochenen Fachkreise wegen dieser Blickfangangabe den sich aufdrängenden Eindruck gewinnen, das Arzneimittel "Lxxxx-Xx" sei - unbeschadet weiterer Indikationen - jedenfalls auch für die Steigerung des HDL-Cholesterins speziell zugelassen. Anhaltspunkte für ein anderes Verkehrsverständnis sind nicht gegeben.

(a) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ergibt sich vorliegend für das Verständnis der Fachkreise nichts anderes aus dem Umstand, dass diesen der begriffliche Unterschied zwischen der arzneimittelrechtlichen Indikation und pharmakologischen Wirkung geläufig ist. Diese prinzipielle Differenzierung kann vorliegend für das Verständnis der Blickfangangabe in der Anzeige keine Rolle spielen, weil der Leser keine Veranlassung hat, die betonte und inhaltlich einzige Aussage zu dem beworbenen Mittel anders als im oben dargestellten Sinne zu verstehen.

(b) Ein solcher Anhaltspunkt ergibt sich auch nicht aus dem Argument der Antragsgegnerin, dass die charakteristische Wirkung von "Lxxxx-Xx" in der - gegenüber CSE-Hemmern - verhältnismäßig hohen Steigerung der HDL-Werte bei eher "unspektakulären" Senkungsraten bei den anderen Cholesterinwerten bestehe, so dass die Wirkungen betreffend Steigerung und Senkung (etwa) gleichwertig seien. Zum einen kann von einem solchen genauen Vorverständnis zum Wirkspektrum von "Lxxxx-Xx" nicht ausgegangen werden, zum anderen würde eine solche Kenntnis auch nicht der Annahme im oben dargestellten Sinne entgegenstehen.

(c) In die Richtung des oben dargestellten Verkehrsverständnisses geht der Eindruck um so mehr, als es unstreitig Arzneimittel gibt, die diese spezielle arzneimittelrechtliche Zulassung jedenfalls auch besitzen, so z. B. der Lipidsenker Zxxxxxx eines mit den Parteien konkurrierenden Arzneimittelherstellers. Das entsprechende Anwendungsgebiet von Zxxxxxx lautet in der Fachinformation: "Zur Senkung erhöhter Blutwerte von ... und zur Erhöhung des HDL-Cholesterins bei Patienten mit primärer Hypercholesterinämie ..." (Anlage AS 5). Das Fachpublikum hat auch insoweit nicht etwa Veranlassung, der - für sich gesehen - eindeutigen Werbeangabe irgendwelche fachlich bedingten Zweifel im Verständnis entgegen zu bringen.

Demgegenüber greift nicht das Argument der Antragsgegnerin durch, künftig sei mit weiteren speziellen arzneimittelrechtlichen Zulassungen für Arzneimittel zur Erhöhung des HDL-Cholesterins nicht zu rechnen, weil das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) seine Auffassung hierzu geändert habe (vgl. Anlagen AG 3-4). Maßgeblich ist vielmehr, dass es bereits hierfür zugelassene Mittel gibt. Diese begegnen den Fachkreisen und bestimmen die Verkehrsvorstellung mit. Deswegen kann offenbleiben, aus welchen Gründen das Bundesinstitut der Antragsgegnerin abgeraten hat, einen förmlichen Änderungsantrag für "Lxxxx-Xx" zu stellen, um die Arzneimittelzulassung auch auf diese Indikation zu erweitern.

2.) Etwas anderes ergibt sich vorliegend nicht aus dem Sternchenvermerk ("Anwendungsgebiet siehe Pflichtangaben"), der der beanstandeten Blickfangangabe in der Anzeige zugeordnet ist.

Der Senat braucht hierbei nicht zu entscheiden, ob der Sternchenvermerk selbst in seiner drucktechnischen Anordnung ausreichend deutlich ist oder nicht. Von letzterem ist allerdings auszugehen, denn die sehr kleine weiße Schrift auf blauem Hintergrund ist kaum zu lesen. Selbst wenn man aber eine hinreichende Lesbarkeit unterstellte, ändert sich am Ergebnis - wie ausgeführt wird - nichts.

(a) Zum einen hat das angesprochene Fachpublikum wegen des Sternchens neben dem Hinweis "Zukunft mit HDL-Steigerung" im Zusammenhang mit dem Sternchenvermerk ("Anwendungsgebiet siehe Pflichtangaben") keinen Anhalt für die Annahme, die betont herausgestellte Eigenschaft ("HDL-Steigerung") von "Lxxxx-Xx" betreffe nicht die Indikationen und das Arzneimittel sei hierfür nicht speziell zugelassen.

Ein solcher Anhaltspunkt ergibt sich insbesondere nicht aus dem bereits erörterten Argument der Antragsgegnerin, die angesprochenen Fachkreise wüssten um den Unterschied zwischen Wirkungsangabe und Indikation. Wie oben ausgeführt, besteht für den Verkehr keine Veranlassung, diese Unterscheidung vorliegend vorzunehmen.

(b) Auch unter Berücksichtigung der Pflichtangaben von "Lxxxx-Xx" werden die Fachkreise keinen anderen Eindruck von der Werbeanzeige gewinnen.

Weder die in der Anzeige abgedruckten Pflichtangaben (Anlage AS 2), noch der - wie oben dargestellt - abweichende Wortlaut der Anwendungsgebiete in der Fachinformation (Schutzschrift, dort Anlage SS 1) geben Veranlassung für ein anderes Verkehrsverständnis, obwohl die spezielle Indikation der HDL-Steigerung ausdrücklich dort nicht aufgeführt ist und es bei den "Anwendungsgebieten" im Text der Anzeige in der Einleitung heißt: "Zur Senkung von erhöhten Blutfettwerten...". Hieraus wird das Fachpublikum aber - anders als es das Landgericht gemeint hat - nicht die Schlussfolgerung ziehen, bei der betont herausgestellten Angabe betreffend die "HDL-Steigerung" handele es sich ausgerechnet - gleichsam entgegen der Erwartung - nicht um einen Indikationshinweis, sondern nur um eine (zusätzliche) pharmakologische Wirkungsangabe.

Irgendein weiterer Erläuterungsbedarf wird durch die Werbeangabe nicht geweckt. Die eher fernliegende Möglichkeit, dass man erst nach längerem Suchen eventuell merkt, dass speziell die HDL-Steigerung in den Anwendungsgebieten von "Lxxxx-Xx" nicht genannt wird und dann gegebenenfalls - und keineswegs zwangsläufig - Schlussfolgerungen in die von der Antragsgegnerin aufgezeigte Richtung anstellt, ist schon nach der Lebenserfahrung keine durch den Sternchenvermerk in der Anzeige ausgelöste ausreichend deutliche Erläuterung dafür, dass der Werbehinweis allein die Wirkungsweise, nicht aber eine Indikation von "Lxxxx-Xx" betreffen soll.

Deswegen kommt es vorliegend auch nicht darauf an, dass die Anwendungsgebiete in der Anzeige und in der Fachinformation von "Lxxxx-Xx" im Wortlaut nicht übereinstimmen. Weder der Text in der Anzeige noch der in der Fachinformation geben für die hier in Rede stehende Frage einen ausreichenden Anhalt. Deswegen wäre der Sternchenvermerk auch dann unzureichend, wenn man unterstellte, das angesprochene Fachpublikum würde jedenfalls auch die Fachinformation selbst in diesem Zusammenhang lesen.

3.) Aus der von der Antragsgegnerin herangezogenen Richtlinie 92/28/EWG ergibt sich nichts anderes. Der verständige Durchschnittsarzt richtet sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, von dem der Senat auszugehen hat. Zweifel bestehen für den fachkundigen Leser nicht.

4.) Soweit die Antragsgegnerin noch damit argumentiert, die beworbene HDL-Steigerung durch "Lxxxx-Xx" bewege sich im Grenzbereich zwischen Indikation und pharmakologischer Wirkung, ergibt sich für das Verkehrsverständnis nichts anderes. Von einem Grenzfall des durch die Werbeanzeige gewonnenen Eindrucks kann - wie ausgeführt - keine Rede sein. Auf die zwischen der Antragsgegnerin und der Zulassungsbehörde geführte Diskussion um eine Zulassungserweiterung von "Lxxxx-Xx" auch betreffend die HDL-Steigerung bei "Lxxxx-Xx" ist nicht abzustellen, weil sie als solche die Verkehrsvorstellung nicht zu beeinflussen vermag, zumal es - wie ebenfalls ausgeführt - andere Präparate mit so einer speziellen Indikation auf dem Markt sind.

5.) Der Eindruck im oben dargestellten Sinne entspricht nicht der tatsächlichen Arzneimittelzulassung von "Lxxxx-Xx".

Bei der Behandlung der isolierten oder kombinierten Hypercholesterinämie und der Hypertriglyceridämie wird zwar nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien neben der Senkung des LDL-Cholesterins im gewissen Umfang auch das HDL-Cholesterin erhöht, speziell zur HDL-Steigerung ist aber das Arzneimittel der Antragsgegnerin nicht zugelassen. Hiervon ist entgegen dem Landgericht mit der für das Verfügungsverfahren hinreichenden Wahrscheinlichkeit auszugehen.

Das ergibt sich ausreichend wahrscheinlich aus dem Umstand, dass eine solche spezielle Zulassung für "Lxxxx-Xx" nicht angegeben ist (vgl. die Fachinformation in Anlage SS 1 der Schutzschrift), während eine derartige Zulassung bei anderen Arzneimitteln besonders vermerkt ist (Anlage AS 5).

Der Wortlaut der Anwendungsgebiete von "Lxxxx-Xx" in der Fachinformation ermöglicht es auch nicht, die arzneimittelrechtliche Zulassung - wie vom Landgericht aber vorgenommen - im Wege der Auslegung auch auf die spezielle Anwendung zur HDL-Steigerung zu beziehen. Das würde dem von der Antragsgegnerin im anderen Zusammenhang genannten Unterschied zwischen Indikation und pharmakologischer Wirkungsangabe nicht gerecht werden.

Die Anwendungsgebiete von "Lxxxx-Xx" ergeben sich aus den Zulassungsunterlagen (§ 22 Abs. 1 Nr. 6 AMG), zu denen die Fachinformation gehört. Der Umstand, dass die HDL-Steigerung als Anwendungsgebiet dort nicht ausdrücklich ausgenommen ist, rechtfertigt den Umkehrschluss auf eine bestehende Indikation nicht.

6.) Bei § 3 a HWG handelt es sich um eine wertbezogene Vorschrift zum Schutze der Volksgesundheit (BGH WRP 1998, 181 - Warentest für Arzneimittel), der demgemäß gegebene Verstoß gegen diese Norm ist unlauter im Sinne des § 1 UWG. Besonderheiten des Einzelfalls (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1128 - Hormonpräparate) führen vorliegend zu keiner abweichenden Bewertung.

7.) Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind gegeben.

Der Antrag erfasst mit der Bezugnahme auf die Anzeige, die nunmehr in farbiger Kopie wiedergegeben ist, die konkrete Verletzungsform.

Demgemäß kommt es auf den Einwand der Antragsgegnerin zur unzureichenden Lesbarkeit des Sternchens (nach der Überschrift "Zukunft mit HDL-Steigerung"), des Sternchenvermerks ("Anwendungsgebiet siehe Pflichtangaben") und der Pflichtangaben in der verkleinerten Fotokopie der Anzeige gemäß Beschlussverfügung nicht an; maßgeblich für das Verbot ist die farbige Anzeige selbst.

IV.

Die Berufung der Antragstellerin ist nach alledem begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Bezugnahme im Verbotsausspruch auf die Anzeige der Antragsgegnerin in Farbkopie ist nur eine redaktionelle Klarstellung.

Ende der Entscheidung

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