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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 11.07.2002
Aktenzeichen: 3 U 17/02
Rechtsgebiete: TRIPS-Abkommen, ZPO


Vorschriften:

TRIPS-Abkommen Art. 50 Abs. 6
ZPO § 926
ZPO § 936

Entscheidung wurde am 30.09.2002 korrigiert: bei der Entscheidung handelt es sich um ein Urteil
1. Die Unterlassungsverfügung in einer Sortenschutzsache ist nicht aufzuheben, obwohl der Antragsteller innerhalb der in Art. 50 Abs. 6 TRIPS vorgesehenen Frist von 20 Arbeitstagen bzw. 31 Kalendertagen keine Klage zur Hauptsache erhoben hat. Diese Vorschrift ist in Übereinstimmung mit der EuGH-Rechtsprechung nicht unmittelbar anzuwenden, statt dessen gilt § 926 ZPO.

2. (a) Hat es entgegen den Bestimmungen eines Sortenschutz-Lizenzvertrages (hier: Kartoffelsorten) jahrelang eigene Lieferungen von Vermehrungsmaterial in einem bestimmten Gebiet innerhalb Deutschlands (hier: Weser-Ems-Gebiet) durch den Lizenzgeber gegeben, so fehlt es den Unterlassungsverfügungsantrag bezüglich solcher Lieferungen an der Dringlichkeit. Diese lebt nicht dadurch wieder auf, dass der Lizenzvertrag gekündigt worden ist, weil dieser Umstand keine Verstärkung der "Angriffsintensität" bezogen auf jenes Gebiet erkennen lässt.

(b) Mit der Kündigung des Sortenschutz-Lizenzvertrages droht zwar der bundesweite Vertrieb des lizenzierten Vermehrungsmaterials durch den bisherigen Lizenzgeber, wenn sich dieser erklärtermaßen hierfür für berechtigt hält. Die Erstbegehungsgefahr kann aber in so einem Fall auch durch eine nicht strafbewehrte, aber verbindliche Unterlassungserklärung beseitigt werden.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 17/02

Verkündet am: 11. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 11. Juli 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 6. Dezember 2001 abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 15. Mai 2001 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Tatbestand:

Der Antragsteller ist Pflanzenzüchter und nach seinen Angaben ausschließlicher Nutzungsberechtigter bestimmter sortengeschützter Kartoffelsorten für Deutschland.

Die Antragsgegnerin ist ein niederländisches, auf dem Kartoffelmarkt tätiges Unternehmen. Sie hat in dem niederländischen Magazin INFORMA, Ausgabe April 2001, ein "Pflanzgutangebot" veröffentlicht, in dem mehrere Sorten "Pflanzgut" zum Kauf angeboten worden sind (Anlage ASt 3). Der Antragsteller beanstandet das Angebot als Verletzung seiner Sortenschutz-Lizenzrechte und nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Un terlassung in Anspruch.

Die Antragsgegnerin ist nach ihren eigenen Angaben (vgl. Anlage AG W 13) seit dem 31. Juli 2001 alleinige Rechtsnachfolgerin des "Kxxxxxxxxxxxxxxxxx" (im folgenden kurz: Institut Kxxxxx).

Bei dem Magazin INFORMA, in dem die beanstandete Anzeige der Antragsgegnerin erschienen ist (Anlage ASt 3), handelt es sich um das (so die Antragsgegnerin Bl. 146) "interne Organ" der Aaaaa, d. h. der als Genossenschaft organisierten Muttergesellschaft der Antragsgegnerin. Die Zeitschrift ist u. a. für den deutschen Markt bestimmt und wird auch in Deutschland vertrieben (Anlage ASt 5). In dem Angebot ist die Antragsgegnerin als "Axxxx BV i. o." bezeichnet, d. h. als damals noch in Gründung ("i. o.") befindliche Gesellschaft niederländischen Rechts (An lage ASt 3).

In der INFORMA-Anzeige bietet die Antragsgegnerin u. a. "Pflanzgut folgender Sorten zum Kauf an: ... Feska, Kanjer, Karakter,... Kardent, Katinka (Restbestände), Mercury (Restbestände), Mercator (Restbestände),... Kantara (Restbestände)...". Das Angebot betrifft "Pflanzgut sowohl der Klasse A in zwei Qualitäten (Vermehrungspflanzgut) als auch der Klasse C (zertifiziertes Pflanzgut) ... Lieferkonditionen: Franko Betrieb selbst abholen". Nach den Angaben zu den "Sortierungen" und zur "Verpackung" heißt es weiter:

"Wir streben an, größere Mengen gesackte Pflanzgutkartoffeln auf Paletten zu liefern. Lieferraum: Weser-Ems-Gebiet und Niederländische Aaaaa-Bezirke Nord, Ost, Süd und Mitte." (Anlage ASt 3).

Das Landgericht hat mit dem Urteil vom 6. Dezember 2001 seine einstweilige Verfügung vom 15. Mai 2001 bestätigt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist, ohne Erlaubnis des Antragstellers Vermehrungsmaterial der Kartoffelsorten "Feska", "Karakter", "Kardent", "Kanjer", "Kantara", "Katinka", "Mercator" und/oder "Mercury" in Deutschland zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder auf sonstige Weise in den Verkehr zu bringen, es sei denn, die vorgenannten Handlungen: 1.1 erfolgen 1.1.1 im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken (Art. 15 lit. a) GemSortVO); 1.1.2 zu Versuchszwecken (Art. 15 lit. b) GemSortVO); 1.13 zur Züchtung, Entdeckung und Entwicklung anderer Sorten (Art. 15 lit. c) GemSortVO); oder 1.2 stellen Handlungen dar, deren Verbot gegen Art. 13 Abs. 8, Art. 14 oder Art. 29 GemSortVO verstoßen würden; oder 1.3 erstrecken sich auf Vermehrungsmaterial, für das der Sor tenschutz erschöpft ist (Art. 16 GemSortVO).

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Antragsgegnerin. Der Antragsteller verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg.

Der Verfügungsantrag auf Unterlassen ist nach Auffassung des Senats teilweise mangels Begehungsgefahr unbegründet (betreffend die Verletzungshandlungen im ganzen Bundesgebiet außerhalb des Weser-Ems-Gebietes: III.) und teilweise mangels Dringlichkeit unzulässig (bezüglich des Weser-Ems-Gebietes: IV.).

Demgemäß ist unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 15. Mai 2001 aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen.

I.

Gegenstand des Verfügungsantrages gemäß der vom landgerichtlichen Urteil bestätigten Beschlussverfügung ist das Anbieten und Vertreiben des Vermehrungsmaterials der dort aufgeführten Kartoffelsorten, und zwar im gesamten Bundesgebiet ohne räumliche Beschränkung, d. h. auch im Weser-Ems-Gebiet. Ausgenommen vom Verbot sind allerdings die im Verbotsausspruch ausdrücklich aufgeführten Handlungs weisen.

II.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts ist allerdings entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht gemäß Art. 50 Abs. 6 des Übereinkommens über handelsbezogene As pekte der Rechte des geistigen Eigentums ( im folgenden: TRIPS-Abkommen) in Anhang I C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (im folgenden: WTOÜbereinkommen) aufzuheben.

Der Antragsteller hat zwar eine dem Verbotsausspruch der Beschlussverfügung vom 15. Mai 2001 entsprechende Unterlassungsklage bisher unstreitig nicht erhoben und damit nicht innerhalb der gemäß Art. 50 Abs. 6 TRIPS vorgesehenen Frist von 20 Arbeitstagen oder 31 Kalendertagen. Die Vorschrift ist aber nicht unmittelbar anzuwenden, maßgeblich sind insoweit die Bestimmungen der ZPO, die diese Regelung nicht enthalten, sondern statt dessen die Vorschrift des § 926 ZPO.

1.) Nach Art. 50 Abs. 1 (a) TRIPS sind die Gerichte befugt, schnelle und wirksame einstweilige Maßnahmen anzuordnen, um die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu verhindern, und u. a. insbesondere, um zu verhindern, dass Waren in die innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs liegenden Vertriebswege gelangen. Gemäß Art. 50 Abs. 2 TRIPS sind die Gerichte befugt, gegebenenfalls einstweilige Maßnahmen ohne Anhörung der anderen Partei zu treffen, u. a. insbesondere dann, wenn durch eine Verzögerung dem Rechtsinhaber wahrscheinlich ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde.

Nach Art. 50 Abs. 4 TRIPS sind, wenn einstweilige Maßnahmen ohne Anhörung der anderen Partei getroffen wurden, die betroffenen Parteien spätestens unverzüglich nach der Vollziehung der Maßnahmen davon in Kenntnis zu setzen. Auf Antrag des Antragsgegners findet eine Prüfung, die das Recht zur Stellungnahme einschließt, mit dem Ziel statt, innerhalb einer angemessenen Frist nach der Mitteilung der Maßnahmen zu entscheiden, ob diese abgeändert, aufgehoben oder bestätigt werden sollen.

Gemäß Art. 50 Abs. 6 TRIPS werden unbeschadet des Abs. 4 auf Grund der Abs. 1 und 2 ergriffene einstweilige Maßnahmen auf Antrag des Antragsgegners aufgehoben oder auf andere Weise außer Kraft gesetzt, wenn das Verfahren, das zu einer Sachentscheidung führt, nicht innerhalb einer angemessenen Frist eingeleitet wird, die entweder von dem die Maßnahme anordnenden Gericht festgelegt wird, sofern dies nach dem Recht des Mitglieds zulässig ist, oder, wenn es nicht zu einer solchen Festlegung kommt, 20 Arbeitstage oder 31 Kalendertage, wobei der längere der beiden Zeiträume gilt, nicht überschreitet.

2.) Unter der Voraussetzung, dass der Vorschrift des Art. 50 Abs. 6 TRIPS unmittelbare Wirkung zukäme und demgemäß eine unmittelbar geltende Verfahrensvorschrift wäre, müsste die einstweilige Verfügung des Landgerichts allerdings aufgehoben werden.

Bei der Beschlussverfügung des Landgerichts handelt es sich um eine einstweilige Maßnahme im Sinne des Art. 50 Abs. 6 TRIPS. Es geht um die Verletzung von Sortenschutzrechten, die vom TRIPS-Abkommen geschützt und erfasst werden. Wider spruchs- und Berufungsverfahren nach Erlass der einstweiligen Verfügung gehören zum Verfahren der einstweiligen Maßnahme (vgl. Art. 50 Abs. 4 TRIPS) und ersetzen nicht etwa das in Art. 50 Abs. 6 TRIPS als "Verfahren, das zu einer Sachentscheidung führt" bezeichnete Hauptsacheverfahren.

3.) Art. 50 Abs. 6 TRIPS ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des EuGH kein unmittelbar von den nationalen Gerichten anzuwendendes Recht.

Das Gemeinschaftsrecht schließt es zwar nicht aus, gebietet es aber jedenfalls nicht, dass die Rechtsordnung eines Mitgliedsstaats dem Einzelnen das Recht zuerkennt, sich unmittelbar auf die Bestimmung des Art. 50 Abs. 6 TRIPS zu berufen, oder die Gerichte verpflichtet, von Amts wegen diese Bestimmung anzuwenden (EuGH GRUR 2001, 235 Rz. 48 verb. Rs. C-300/98 - Parfums Christian Dior SA/TUK Consultancy BV pp. - TRIPS-Abkommen). Der mithin maßgebliche deutsche Gesetzgeber hat von der Regelungsmöglichkeit aber keinen Gebrauch gemacht. Eine mit Art. 50 Abs. 6 TRIPS übereinstimmende Vorschrift gibt es auch in der zuletzt geänderten ZPO nicht.

(a) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist eine Bestimmung eines von der Gemeinschaft mit Drittländern geschlossenen Abkommens als unmittelbar anwendbar anzusehen, wenn aus dem Wortlaut, dem Gegenstand und der Art des Abkommens zu schließen ist, dass sie eine klare, eindeutige und unbedingte Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen (EuGH, a. a. O. Rz. 42 - TRIPSAbkommen).

Die WTO-Übereinkünfte und ihre Anhänge - und damit auch das TRIPS-Abkommen im Anhang I C WTO-Übereinkommen - gehören wegen ihrer Natur und ihrer Systematik grundsätzlich nicht zu den Vorschriften, an denen der EuGH die Handlungen der Gemeinschaftsorgane gemäß Art. 173 Abs. 1 EGV (jetzt: Art. 230 EG) misst (EuGH, a. a. O. Rz. 43 - TRIPS-Abkommen unter Hinweise auf EuGH EuZW 2000, 276 - Portugal/Rat). Demgemäß begründen die Bestimmungen des dem WTOÜbereinkommen als Anhang beigefügten TRIPS-Abkommens für den Einzelnen keine Rechte, auf die er sich nach dem Gemeinschaftsrecht unmittelbar vor den Gerichten berufen könnte (so zutreffend EuGH, a. a. O. Rz. 44 - TRIPSAbkommen unter Hinweis auf EuGH, a. a. O. Rz. 42-46 - Portu gal/Rat).

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin aus der von ihr herangezogenen EuGH-Entscheidung (EuGH NJW 1999, 2103 - Hermès Internatio nal/FHT Marketing Choice BV) nicht. Vielmehr hat der EuGH in dieser Entscheidung die Frage der unmittelbaren Wirkung des Art. 50 TRIPS nicht beantwortet, sondern ausdrücklich offen gelassen (EuGH, a. a. O. Rz. 35 - Hermès).

(b) Von dem Grundsatz, dass Art. 50 Abs. 6 TRIPS in diesem Sinne keine unmittelbare Wirkung hat, gibt es nach der EuGHRechtsprechung keine Ausnahme, obwohl in Bereichen, in denen "die Gemeinschaft bereits Rechtsvorschriften erlassen hat, wie es beim Markenrecht der Fall ist" der Umstand Bedeutung gewinnt, dass Art. 50 Abs. 6 TRIPS eine Verfahrensbestimmung ist, die die Gemeinschafts- und die nationalen Gerichte auf Grund von Verpflichtungen durchzuführen haben, die sowohl von der Gemeinschaft als auch von den Mitgliedstaaten übernommen worden sind (EuGH, a. a. O. Rz. 45-47 -TRIPS-Abkommen). Demgemäß kann offen bleiben, ob das Recht des Sortenschutzes insoweit mit dem Markenrecht vergleichbar gemeinschaftsrechtlich geregelt ist und deswegen in diesen besonderen Bereich im Sinne der EuGH-Rechtsprechung gehört.

Für einen solchen Bereich, auf den das TRIPS-Abkommen anwendbar ist und in dem die Gemeinschaft bereits Rechtsvorschriften erlassen hat, sind die Gerichte der Mit gliedstaaten nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, bei der Anwendung ihrer nationalen Rechtsvorschriften im Rahmen der Anordnung einstweiliger Maßnahmen zum Schutz von Rechten, die zu diesem Bereich gehören, soweit wie möglich den Wortlaut und Zweck von Art. 50 TRIPS zu berücksichtigen (EuGH, a. a. O. Rz. 47 -TRIPS-Abkommen unter Hinweis auf EuGH NJW 1999, 2103 Rz. 28 - Hermès International/FHT Marketing Choice BV). Damit bleiben auch insoweit die deutschen Rechtsvorschriften maßgebend, die im übrigen in § 926 ZPO eine dem Sinn und Zweck des Art. 50 TRIPS entsprechende, in der Praxis seit vielen Jahrzehnten im Gewerblichen Rechtsschutz bewährte Regelung enthalten.

(c) In Übereinstimmung damit hat der deutsche Gesetzgeber anlässlich der Ratifizierung und Umsetzung des TRIPSAbkommens zutreffend festgestellt, alle Vorschriften im Teil III ("Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums") des TRIPS-Abkommens seien so gestaltet, dass sie nicht unmittelbar anwendbar seien, sondern lediglich Verpflichtungen ("nur ansatzweise Mindestverpflichtungen") für die Mitgliedstaaten enthielten, bestimmte Regelungen einzuführen oder vorzusehen; das deutsche Recht stehe mit diesen Regelungen - zu den auch Art. 50 TRIPS gehört "voll in Einklang" (BT-Drucksache 12/7655 S. 346-347). Auch im Schrifttum wird überwiegend angenommen, dass die Vorschriften des TRIPS-Abkommens nicht unmittelbar anwendbar sind (Dreier GRUR Int. 1996, 205, 215; Krieger GRUR Int. 1997, 421, 422; Schäfers GRUR Int. 1996, 763, 774 m. w. Nw.). Den gegenteiligen Stimmen ist nicht zu folgen (vgl. Groh/Wündisch GRUR Int. 2001, 497; v. Bogdandy NJW 1999, 2088, 2090).

4.) Aus § 926 ZPO ergibt sich im übrigen vorliegend nichts anderes. Die Antragsgegnerin hatte zwar bereits mit Schriftsatz vom 26. Juni 2001 den Fristsetzungsantrag nach § 926 ZPO gestellt. Dass dem Antragsteller aber eine Frist zur Erhebung der Klage gesetzt worden wäre, ergibt sich aus der Akte nicht. Demgemäß käme eine Aufhebung nach § 926 Abs. 2 ZPO (Nichtbefolgen der Anordnung) ohnehin nicht in Betracht. Die Berufung ist auch nicht auf § 926 Abs. 2 ZPO gestützt.

III.

Der mit dem Verfügungsantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Antragstellers ist, soweit er die im Antrag aufgeführten Handlungen der Antragsgegnerin außerhalb des Weser-Ems-Gebietes betrifft, mangels Begehungsgefahr nicht begründet.

1.) Zwischen dem Antragsteller und dem Institut KXXXX, dem Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin (Anlage AG W 13), war am 1. Oktober 1991 ein Lizenzvertrag über die "Alleinvertretung von Kartoffelsorten des Zuchtbetriebes KXXXX in Deutschland" geschlossen worden (Anlage AG W 1; im folgenden: Grund-Vertrag).

Nach Maßgabe des Grund-Vertrages hatte der Antragsteller nach seinem Vorbringen die Alleinvertretung einer Vielzahl von Kartoffelsorten der Antragsgegnerin übernommen, u. a. auch die im Verbotsausspruch der einstweiligen Verfügung aufgeführten Sorten "Karakter", "Kardent", "Kanjer", "Kantara" und "Katinka", für die das Institut KXXXX als Inhaber eingetragen ist (Anlagen ASt 1.2-1.6, ASt 2.2 und 2.4). Entsprechendes gilt für die weiteren, zum Streitgegenstand gehörenden Sorten "Feska", "Mercator" und "Mercury", die für die Inhaber F. bzw. M. eingetragen sind (Anlagen ASt 1.1, 1.7-1.8, ASt 2.1 und 2.3, ASt 15-16) und bei deren Nutzungsrechtsübertragung auf den Antragsteller nach dessen Vorbringen das Institut KXXXX die betreffenden Sortenschutzinhaber vertreten hat.

2.) Die Antragsgegnerin hatte den Grund-Vertrag mit Schreiben vom 14. März 2001 "mit Wirkung zum 30. Juni 2001" gekündigt (Anlage AG W 3).

Auf Grund der außerordentlichen Kündigung des Grund-Vertrages war zunächst ernsthaft zu befürchten, dass die Antragsgegnerin künftig das Vermehrungsmaterial der im Verbotsausspruch genannten Kartoffelsorten selbst in Deutschland anbieten, verkaufen und vertreiben wird, zumal die Antragsgegnerin im Kündigungsschreiben vom 14. März 2001 ausgeführt hat, ihre Kündigung habe zur Folge, dass der Antragsteller ab 1. Juli 2001 nicht mehr als Alleinvertreter tätig sei und insbesondere nicht mehr zur Vertretung der ihm in der Vergangenheit übertragenen Sorten berechtigt sei (Anlage AG W 3).

Damit drohte naheliegend und ernsthaft die Aufnahme eigener Verkaufsaktivitäten durch die Antragsgegnerin, die sich hierfür offensichtlich für berechtigt hielt. Hierzu passt auch der Umstand, dass die niederländische Antragsgegnerin inzwischen eine in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft (die es GmbH) gegründet hat, um Pflanzgut direkt in Deutschland und nicht nur aus den Niederlanden anbieten zu können.

3.) Die demgemäß entstandene Erstbegehungsgefahr dafür, dass sich die Antragsgegnerin in der im Verbotsausspruch der einstweiligen Verfügung beschriebenen Weise künftig verhalten wird, und zwar außerhalb des Weser-Ems-Gebietes, ist durch die "ausdrückliche und verbindliche" Erklärung der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 2. Juli 2002 (dort Seite 4, Bl. 225) beseitigt worden.

(a) Nach dieser Erklärung wird die Antragsgegnerin keine Lieferungen der streitgegenständlichen Kartoffelsorten (sog. A- und C-Material) an außerhalb des Weser-EmsGebietes ansässige Abnehmer in Deutschland durchführen, solange "festgestellt ist, dass dem Antragsteller das ausschließliche Nutzungsrecht für die Bundesrepublik Deutschland ... zusteht", d. h. bis zur gerichtlichen Klärung dieser zwischen den Parteien streitigen Frage.

(b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist diese verbindliche Erklärung der Antragsgegnerin ausreichend, um die Erstbegehungsgefahr zu beseitigen. Durchgreifende Gesichtspunkte, die gegen die Ernstlichkeit dieser Erklärung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Einer entsprechenden strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung bedarf es insoweit nicht.

(c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin - so die von der Gegenseite bestrittene Behauptung des Antragstellers - in der Widerspruchsverhandlung vor dem Landgericht durch ihre Prozessbevollmächtigten hat vortragen lassen, sie sei "jederzeit" berechtigt, die streitgegenständlichen Kartoffelsorten in Deutschland in Verkehr zu bringen (vgl. dazu Anlage ASt 17).

Auch diese Berühmung - unterstellt sie ist damals so geschehen, wie der Antragsteller behauptet - ist mit der schriftsätzlichen, verbindlichen Erklärung der Antragsgegnerin aufgegeben worden. Entsprechendes gilt für eine Berühmung, soweit sie den Schriftsätzen der Antragsgegnerin vor ihrem Schriftsatz vom 2. Juli 2002 zu entnehmen und dies nicht nur zur Rechtsverteidigung geschehen ist.

4.) Von einer Wiederholungsgefahr ist entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht auszugehen.

(a) Es ist unstreitig, dass die Antragsgegnerin bisher keine der streitgegenständlichen Kartoffelsorten in der Bundesrepublik Deutschland (ausgenommen das Weser-EmsGebiet) verkauft oder vertrieben hat. Insoweit gibt es bisher keinen Verletzungsfall, der die Wiederholungsgefahr hätte begründen können.

Zwar hat das Landgericht bei der Prüfung seiner örtlichen Zuständigkeit ausgeführt, durch "die Belieferung eines Betriebes in Mecklenburg-Vorpommern" sei die Wieder holungsgefahr begründet (Urteilsumdruck Seite 8). Das trifft aber nicht zu, auch in zweiter Instanz ist es vielmehr unstreitig geblieben, dass die Antragsgegnerin kein Vermehrungsmaterial dorthin geliefert hat. Nach Mecklenburg-Vorpommern, und zwar an Lieferanten und Mitglieder der Aaaaaa, ist nur das Magazin INFORMA, in dem - wie ausgeführt - die beanstandete Anzeige der Antragsgegnerin (Anlage ASt 3 = AG W 7) erschienen ist, bestimmungsgemäß verbreitet worden (Anlagen ASt 4-5).

(b) Ein die Wiederholungsgefahr begründender Verletzungsfall in Form des Anbietens der streitgegenständlichen Kartoffelsorten außerhalb des WeserEms-Gebietes ergibt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht aus der Anzeige der Antragsgegnerin (Anlage ASt 3).

In der Anzeige wird Pflanzgut der im Verbotsausspruch der einstweiligen Verfügung aufgeführten Kartoffelsorten zum Kauf angeboten. Im Fließtext heißt es u. a.: "Lieferraum: Weser-Ems-Gebiet und Niederländische Aaaaa-Bezirke ...". Ob damit trotz des ausdrücklich und allein genannten Weser-EmsGebietes ein Angebot zum Bezug im gesamten Bundesgebiet gemacht worden ist, lässt sich wegen der mehrdeutigen For mulierung nicht feststellen; der Anzeige kann durchaus der Hinweis entnommen werden, dass das Angebot nur für das Weser-Ems-Gebiet (und die niederländischen Aaaaa-Bezirke) gelten soll. Die weitere Angabe zu den Lieferkonditionen ("Franko Betrieb selbst abholen") gibt insoweit auch keine eindeutige Klarheit (Anlage ASt 3).

Gegenstand des Unterlassungsantrages ist aber insoweit das Anbieten von Kartoffelsorten auch außerhalb des Weser-EmsGebietes und nicht etwa das Verwenden von Angaben, die möglicherweise nur den irreführenden Eindruck eines bundesweiten Angebots erwecken können.

Im Hinblick auf frühere Pflanzgut-Angebote im Magazin INFORMA vom Dezember 1999 und März 2000 (Anlage AG W 8, Seite 1-2), in denen vom Verkauf "an Landwirte aus dem Weser-Ems-Gebiet" die Rede ist, ergibt sich für die vorliegende Anzeige nichts anderes. Die Formulierungen unterscheiden sich nur unwesentlich von denen in der vorliegend angegriffenen Anzeige (Anlage ASt 3) und lassen daher auch insoweit keine zwingenden Rückschlüsse auf deren Verständnis zu.

IV.

Der Verfügungsantrag ist, soweit der damit geltend gemachte Unterlassungsanspruch die im Antrag aufgeführten Handlungen der Antragsgegnerin innerhalb des Weser-Ems-Gebietes betrifft, mangels Dringlichkeit unzulässig.

1.) Das Anbieten und Liefern der streitgegenständlichen Kartoffelsorten in das Weser-Ems-Gebiet durch die Antragsgegnerin hat es unstreitig schon früher gegeben (vgl. für die INFORMA-Anzeigen von Dezember 1999 und März 2000: Anlage AG W 8). Auch aus der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers vom 7. August 2001 ergibt sich das für die länger zurückliegende Zeit nach Abschluss des Grund-Vertrages, denn es ist dort davon die Rede, solche Lieferungen bzw. Angebote habe er (der An tragsteller) "regelmäßig, u. a. auf Tagungen mit KXXXXX oder mit Aaaaa, moniert" (Anlage ASt 6; vgl. Anlage AG W 14).

Demgemäß ist die Dringlichkeit im Hinblick auf die INFORMAAnzeige vom April 2001 (Anlage ASt 3) wegen des Angebotes der Antragsgegnerin für das Weser-Ems-Gebiet insoweit nicht gegeben. Denn die Eilbedürftigkeit entfällt, wenn der Verletzer die Verstöße längere Zeit hinnimmt, ohne im Wege der einstweiligen Verfügung dagegen vorzugehen.

2.) Die Dringlichkeit kann allerdings wieder aufleben, wenn sich die Intensität des Verletzungsgeschehens besonders schwerwiegend verstärkt, so auch in Folge wesentlicher Veränderungen in der Konkurrenzlage zwischen Verletzer und Verletztem. Für den vorliegenden Fall ergibt sich das aber insoweit nicht.

Die Antragsgegnerin hat zwar, wie ausgeführt, unter dem 14. März 2001 den Grund-Vertrag gekündigt und inzwischen eine deutsche Tochtergesellschaft gegründet. Durch diese Umstände hat sich die Situation zwischen den Parteien im Hinblick auf die künftige Konkurrenz zwischen ihnen grundlegend geändert, auch wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt der GrundVertrag beendet ist und welche Auswirkungen das für die übertragenen Sortennutzungsrechte hat.

Bezogen allein auf das Weser-Ems-Gebiet ergibt sich daraus aber keine so wesentliche Verstärkung der Verletzungshandlungen, dass deswegen die Dringlichkeit wieder aufleben könnte. Dafür gibt es keine hinreichend greifbare Anhaltspunkte, zumal es in der Vergangenheit unstreitig jahrelang Lieferungen in dieses Gebiet seitens der Antragsgegnerin gegeben hat.

Es wäre nicht sachgerecht, für die Frage des Wiederauflebens der Dringlichkeit nicht nur auf das spezielle Liefergebiet Weser-Ems abzustellen, sondern insoweit auch das gesamte Bundesgebiet einzubeziehen. Eine solche Einbeziehung würde unberücksichtigt lassen, dass speziell der Weser-Ems-Bereich von den Parteien im Laufe ihrer langen Vertragsbeziehung gesondert behandelt worden ist. Deswegen kommt es im Rahmen der Eilbedürftigkeit nicht darauf an, dass - wie ausgeführt - für die bundesweite Ausdehnung der Verletzungshandlungen der Antragsgegnerin zunächst Erstbegehungsgefahr bestand.

V.

Nach alledem ist die Berufung der Antragsgegnerin begründet. Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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