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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 19.09.2002
Aktenzeichen: 3 U 175/00
Rechtsgebiete: UrhG, VerlagsG, AGBG, ZPO


Vorschriften:

UrhG § 97
UrhG § 51 Nr. 2
VerlagsG § 9 Abs. 2
AGBG § 9
ZPO § 91
ZPO § 91a
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Die 2. Auflage des "Handbuchs zur Insolvenzordnung" ist gegenüber dem Kommentar zur GesO, der Gegenstand des Verlagsvertrages zwischen den Parteien ist, kein "Werk über den gleichen Gegenstand ..., das geeignet wäre, mit dem in diesem Vertrag genannten in Wettbewerb zu treten".
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 175/00

Verkündet am: 19. September 2002

In dem Rechtsstreit

Verlagsvertrag

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 11. Juli 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg,Zivilkammer 8, vom 9. Juni 2000 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen, soweit die Parteien nicht

den vom Landgericht zuerkannten Unterlassungsantrag für erledigt erklärt haben.

Die Klägerin trägt die gesamten Kosten des Rechtstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Von der Erledigungserklärung an beträgt der Streitwert nur noch 10.000 DM = 5.113 €.

Tatbestand:

Die Parteien haben am 25. Januar 1991 einen Verlagsvertrag geschlossen über einen Kommentar, den die Beklagten verfassen sollten, und zwar zur Gesamtvollstreckungsordnung ( GesO ), die in den neuen Bundesländern galt und am 31. Dezember 1998 ( abgesehen von Altverfahren ) außer Kraft getretenen ist. Sie streiten darüber, ob die Beklagten Textpassagen aus diesem Kommentar in ihr Handbuch zur ab 1. Januar 1999 geltenden, die frühere Konkursordnung ablösenden Insolvenzordnung ( InsO ) übernehmen durften, das in einem anderen Verlag erschienen ist.

§ 3 des Verlagsvertrages lautet unter der Überschrift "Gewährleistung, Konkurrenzklausel":

"(1) Der Verfasser gewährleistet, ...

(2) Der Verfasser verpflichtet sich, ohne Einwilligung des Verlages weder größere Auszüge aus seinem Werk zu veröffentlichen noch ein Werk über den gleichen Gegenstand in einem anderen Verlag erscheinen zu lassen oder daran mitzuarbeiten, das geeignet wäre, mit dem in diesem Vertrag genannten in Wettbewerb zu treten.".

Wegen des weiteren Vertragsinhalts wird auf Anlage K 2 Bezug genommen.

Der Kommentar zur GesO ist 1995 in 3. Auflage und im Herbst 1998 in 4. Auflage erschienen.

Die Beklagten verfaßten ein "Handbuch zur Insolvenzordnung", das im März 1997 in 1. Auflage bei der Verlagsgruppe xxxxx-xxxx erschien. Die Klägerin sah in der Übernahme bestimmter Textstellen aus dem Kommentar zur GesO eine Verletzung des Verlagsvertrages und erhob eine Unterlassungsklage. Am 27. Januar 1998 kam es zu einem gerichtlichen Vergleich ( vgl. im einzelnen Anlage K 1 ), in dem sich die Verlagsgruppe xxxxx-xxxx verpflichtete, an die Klägerin 6.000 DM zu zahlen und die beanstandeten Textpassagen in einer Neuauflage abzuändern.

Eine - "durchgesehene" - 2. Auflage des Handbuchs zur Insolvenzordnung ( InsO ) erschien im August 1998 im x.x. xxxx Verlag. Inzwischen ist Anfang April 2001 eine 3. Auflage erschienen.

Die Klägerin beanstandet, daß auch in der 2. Auflage des Handbuchs Textstellen aus dem Kommentar zur GesO enthalten seien, deshalb eine Verletzung des Verlagsvertrages vorliege und außerdem § 9 Abs. 2 VerlagsG in Verbindung mit § 97 UrhG eingreife. Zum einen handelt es sich um Textstellen, die in der 3. Auflage des Kommentars zur GesO und schon der 1. Auflage des Handbuchs enthalten waren und im Vorverfahren zum Teil noch nicht angegriffen, zum Teil bereits angegriffen worden waren und dann in der 2. Auflage des Handbuchs entweder verändert oder nicht verändert worden sind. Zum anderen geht es um Textstellen, die noch nicht in der 3. Auflage des Kommentars zur GesO, sondern erst in dessen 4. Auflage, vorher aber bereits in der 1. oder 2. Auflage des Handbuchs enthalten waren.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Etwa ein Drittel der beiden Werke sei identisch, wie sich aus der Gegenüberstellung Anlage K 3 ergebe ( vgl. ferner Anlagen K 5 und 6 ). Die schon im Vorprozeß beanstandeten Textstellen seien nicht oder nicht wesentlich geändert worden ( vgl. Anlagen K 4 und 5 ).

Beide Werke stünden im Wettbewerb zueinander. Die InsO, die noch in vielen Altfällen anwendbar sei, habe die GesO in weiten Teilen übernommen.

Die Klägerin hat beantragt,

1) die Beklagten zu verurteilen,

a) bei Vermeidung von Ordnungsmitteln es zu unterlassen, das von den Beklagten verfaßte und beim Verlag x.x. xxxx in 2. Auflage erschienene Handbuch der Insolvenzordnung vervielfältigen zu lassen und/oder verbreiten zu lassen, wenn und soweit darin die in der Anlage 1 zum Klagantrag näher bezeichneten Textstellen enthalten sind;

b) der Klägerin Auskunft zu erteilen, wie viele Exemplare des vom Verlag x.x. xxxx verlegten Handbuchs zur Insolvenzordnung hergestellt und verbreitet wurden;

2) festzustellen, daß die Beklagten der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen haben, der ihr auf Grund der Veröffentlichung und Verbreitung des unter 1) bezeichneten Handbuchs zur Insolvenzordnung entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen:

Die Klage sei, soweit sie auf Unterlassung und Auskunft gerichtet sei, auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Sie könnten nämlich das Begehren der Klägerin nicht erfüllen, weil sie sämtliche Rechte an den x.x. xxxx Verlag über tragen hätten.

Sie hätten nicht den Verlagsvertrag verletzt. Geringe Änderungen genügten, um in den Bereich einer freien Benutzung zu gelangen. Soweit - in geringem Umfange - keine Änderungen vorlägen, sei das durch das Zitatrecht nach § 51 Nr. 2 UrhG gedeckt.

Beide Werke stünden nicht in Wettbewerb zueinander.

Da die 2. Auflage verkauft worden sei, nicht mehr nachgedruckt werde und demnächst die 3. Auflage erscheine, bestehe keine Wiederholungsgefahr.

Soweit die Klägerin - weitgehend - Passagen beanstande, die sich bereits in der 1. Auflage befunden hätten, die sie aber nicht angegriffen habe, seien Ansprüche jedenfalls verwirkt.

Hilfsweise erhebe sie die Einrede der Verjährung ( § 15 des Verlagsvertrages ).

Durch Urteil vom 9. Juni 2000 hat das Landgericht die Klage abgewiesen, soweit es um Textstellen ging, die erstmals im Handbuch zur InsO enthalten waren. Wegen der Textstellen, die sich bereits in der 3. Auflage der GesO befanden, hat es der Klage stattgegeben. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Sie vertiefen ihr Vorbringen erster Instanz und tragen ergänzend vor:

Seit dem 1. Januar 1999 sei § 3 Abs. 2 des Verlagsvertrages wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG nicht mehr anwendbar. Jedenfalls sei das Außerkrafttreten der GesO ein Ereignis, das zur außerordentlichen Kündigung berechtige. Hilfsweise seien die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzuwenden.

Ferner hätten sie mit Schreiben vom 10. August 2002 (Anlage B 6 ) den Verlagsvertrag fristlos gekündigt, weil die Klägerin das Urteil des Landgerichts mit der ehrenrührigen Überschrift "Selbstplagiat" veröffentlicht hätten. Außerdem seien die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Verlagsvertrages nicht gegeben. Weder handele es sich um "größere Auszüge", was eine unveränderte Übernahme erfordere, noch sei das Handbuch zur InsO ein Konkurrenzprodukt zum Kommentar zur GesO ( vgl. dazu Anlage B 5 ).

Im Senatstermin hat die Klägerin erklärt, daß sich die Klaganträge ausschließlich auf die zweite Auflage des Handbuchs beziehen. Daraufhin haben die Parteien überein stimmend den zuerkannten Unterlassungsantrag wegen Zeitablaufs für erledigt erklärt und streiten insoweit nur noch über die Kosten.

Im übrigen beantragen die Beklagten,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

insoweit die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz.

Zur Ergänzung des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien und auf die überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts beziehen sich die Klaganträge ausschließlich auf die zweite Auflage des Handbuchs, dagegen nicht auf die Nutzung der beanstandeten Textstellen in allen, d.h. auch in zukünftigen Auflagen. Das hat die Klägerin im Senatstermin ausdrücklich klargestellt.

Nachdem die Parteien den zuerkannten Unterlassungsantrag übereinstimmend wegen Zeitablaufs für erledigt erklärt haben, geht es in der Sache nur noch um Auskunft und Schadensersatz, und zwar soweit das Landgericht der Klage stattgegeben hat.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin noch Schadensersatz und Auskunft verlangt.

Mit der 2. Auflage des "Handbuch zur Insolvenzordnung" haben die Beklagten nicht den Verlagsvertrag vom 25. Januar 1991 ( Anlage K 1 ) verletzt, und zwar weder § 3 Abs. 2 Satz 2 ( 1 ) noch § 3 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages ( 2 ). Andere Ansprüche, insbesondere gemäß § 9 Abs. 2 VerlagsG, kommen über die insoweit abschließend geregelten Verpflichtungen der Beklagten des § 3 Abs. 2 des Verlagsvertrages hinaus nicht in Betracht.

1) Die 2. Auflage des Handbuchs zur InsO ist gegenüber dem Kommentar zur GesO kein "Werk über den gleichen Gegenstand ..., das geeignet wäre, mit dem in diesem Vertrag genannten in Wettbewerb zu treten". Demgemäß hat die Klägerin nicht etwa das Erscheinen des Handbuchs insgesamt angegriffen, sondern "nur" eine Übereinstimmung in zahlreichen Textstellen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages gerügt und ebenso im ersten Rechtstreit gemäß Nr. 3 des Vergleichs vom 27. Januar 1998 ( Anlage K 1 ) lediglich eine Abänderung der beanstandeten Stellen verlangt.

Im Hinblick auf die im August 1998 erschienene 2. Auflage des Handbuchs, um die allein es im vorliegenden Rechtstreit geht, scheiterte die notwendige Wettbewerbslage entgegen der Auffassung des Landgerichts an den besonderen Umständen des Falles, nämlich daran, daß die GesO zum 31. Dezember 1998 außer Kraft trat, während ab 1. Januar 1999 die InsO galt.

Die GesO blieb zwar weiterhin, gegebenenfalls noch für längere Zeit auf Altverfahren anwendbar. Gleichwohl bestand jedoch unmittelbar vor Inkrafttreten der Neuregelung - im Sommer/Herbst 1998 - nicht ( mehr ) die Gefahr, daß jemand, worauf es ankommt, statt des Kommentars zur GesO, die lediglich im Bereich der neuen Bundesländer galt bzw. für Altverfahren weiter gilt, die umstrittene 2. Auflage des Handbuchs zur InsO erwarb, die ab 1. Januar 1999 im gesamten Bundesgebiet anzuwenden ist. Die fachkundigen Interessenten benötigten auch für die neuen Bundesländer auf jeden Fall ein Werk gerade zur neuen InsO, unabhängig davon, in welchem Umfange die InsO Bestimmungen der GesO übernommen hatte. Demgemäß konkurrierte das Handbuch zur InsO nur mit anderen Werken zur InsO. Ein Kommentar zur GesO, wie die 4. Auflage der Klägerin, die ab 1. Januar 1999 nur noch für Altverfahren von Bedeutung war, vermochte Interessenten im Hinblick auf das neue Recht nicht zu helfen. Diesen Kommentar erwarben sie allenfalls zusätzlich, wenn sie angesichts des unmittelbar bevorstehenden Außerkrafttretens der GesO wegen länger dauernder Altverfahren überhaupt noch Wert auf den Erwerb der Neuauflage des Kommentars legten. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der behaupteten Übereinstimmung von Textpas sagen. Das hielt keinen Interessenten, der noch Wert auf die Neuauflage eines Kommentars zur GesO legen konnte, davon ab, diese nicht mehr anzuschaffen, sondern sich mit dem Handbuch zur InsO zu begnügen.

2) Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 des Verlagsvertrages sind ebenfalls nicht gegeben.

In Übereinstimmung mit dem Ausgangspunkt des Landgerichts ist die Bestimmung dahin einschränkend auszulegen, daß sie - bei einem ( juristischen ) Werk wie hier - dann nicht mehr eingreift, wenn eine Wettbewerbslage endgültig entfallen ist.

Der Wortlaut des § 3 Abs. 2, 1. Alt., enthält zwar keine solche Einschränkung. Sie ergibt sich jedoch aus der Überschrift der Bestimmung. Danach geht es im gesamten Absatz 2 um eine "Konkurrenzklausel". Die gesamte Klausel ist im Lichte dieser Überschrift zu verstehen. Sie setzt demgemäß auch in der ersten Alternative eine Konkurrenzsituation voraus und greift ausnahmsweise nicht ein, wenn eine solche Situation endgültig nicht mehr vorhanden ist.

Als die 2. Auflage des Handbuchs der InsO erschien, bestand wie unter 1) ausgeführt keine Wettbewerbslage ( mehr ) zwischen dem Handbuch und dem Kommentar zur GesO. Eine weitere Neuauflage des Kommentars war ohnehin nicht zu erwarten.

Die Klage ist demnach abzuweisen, soweit darüber noch zu entscheiden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a ZPO. Die Klägerin hat auch die Kosten zu tragen, die durch den erledigten Unterlassungsantrag entstanden sind. Der Unterlassungsanspruch war von vornherein unbegründet. Das folgt aus den vorstehenden Ausführungen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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