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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 08.11.2001
Aktenzeichen: 3 U 175/01
Rechtsgebiete: HWG, UWG, EU-Richtlinie, GG


Vorschriften:

HWG § 3 a
HWG § 8
UWG § 1
EU-Richtlinie 92/28/EWG
GG Art. 5
GG Art. 12
§ 3 a HWG stellt auf die fehlende Zulassung des Arzneimittels im Inland ab, auf eine etwaige Zulassung des Mittels im Ausland kommt es nicht an. Das Übersenden der "Basisinformation" über das Mittel durch den Pharmahersteller ist objektiv und subjektiv Werbung (§ 3 a HWG). Hierfür ist es unerheblich, ob der Empfänger schon bereit gewesen ist, das Arzneimittel zu beziehen oder nicht.

§ 3 a HWG steht den Grundrechten (Art. 5, 12) und EG-Recht nicht entgegen.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 175/01

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 08. November 2001

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, Spannuth, Dr. Koch ach der am 18. Oktober 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 3. April 2001 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 250.000.- DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien vertreiben Arzneimittel und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Antragstellerin vertreibt das in Deutschland zugelassene Arzneimittel TXXXXX mit dem Wirkstoff Paclitaxel zur Behandlung von Krebserkrankungen.

Die Antragsgegnerin ist die deutsche Tochtergesellschaft der australischen Fxxxxxxxxxxxxxx & Co. Ltd., Adelaide, South Australia 5001 (im folgenden: Firma FFFFFFFFFFFFFF-Ltd.). Die Firma FFFFFFFFFFFFFF-Ltd. stellt in Australien das Arzneimittel AXXXXXXX (ebenfalls mit dem Wirkstoff Paclitaxel) her und vertreibt es dort; das Arzneimittel AXXXXXXX ist in Australien zugelassen, nicht aber in Deutschland.

Die Antragstellerin beanstandet, die Antragsgegnerin übersende Informationsmaterial über AXXXXXXX auf Anfrage an Ärzte; sie sieht hierin einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 3 a und § 8 Abs. 2 HWG und nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragsgegnerin hatte mit ihrem Begleitschreiben vom 14. Dezember 2000 dem Adressaten auf dessen "Anfrage zur Fachinformation betreffend Axxxxxxx( (Paclitaxel)" das "geltende Summary of Product Characteristics (SPC) als Basisinformation" (im folgenden: Basisinformation SUMMARY) übersandt. In dem Begleitschreiben heißt es weiter:

"Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass " Axxxxxxx(" kein Txxxxxderivat sondern ein Paclitaxel-Präparat ist, welches im Januar 1995 in Australien von der Therapeutic Goods Administration (TGA) zugelassen wurde.

Gerne stehen wir Ihnen für weitere Fragen bzw. wissenschaftliche Informationen zur Verfügung" (Anlage ASt 1).

Das Begleitschreiben, das von der Antragstellerin als Anlage ASt 1 in anonymisierter Form vorgelegt worden ist, ist an Prof. Dr. med. W. Wxxxxx, Pxxxxxxxx-Klinik, xyxyxyxyxy, gerichtet gewesen (Anlage AG A 4), der seinerseits nach einem Besuch des Außendienstmitarbeiters der Antragsgegnerin (xxxxx Wxxxxx) sich mit Schreiben vom 6. Dezember 2000 wegen des "in Australien zugelassenen Txxxxxderivats" an die Antragsgegnerin gewandt hatte (Anlage ASt BfASt 3).

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil seine einstweilige Verfügung vom 29. Januar 2001 bestätigt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist, Anfragen von Ärzten nach Informationen über AXXXXXXX bzw. den Wirkstoff Paclitaxel in Arzneimitteln, die in Deutschland nicht zugelassen sind, mit der Übersendung der Basisinformation "Summary of Product Characteristics (SPC)" betreffend AXXXXXXX aus Australien zu beantworten.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil seine einstweilige Verfügung vom 29. Januar 2001 bestätigt.

I.

Der Gegenstand des Unterlassungsantrages ist das Beantworten von Anfragen von Ärzten nach Informationen über AXXXXXXX bzw. den Wirkstoff Paclitaxel in Arzneimitteln, die in Deutschland nicht zugelassen sind, in der Weise, dass die Antragsgegnerin mit der Übersendung der in der Beschlussverfügung zitierten Basisinformation SUMMARY betreffend AXXXXXXX aus Australien reagiert, d. h. das Übersenden der Basisinformation SUMMARY auf Anfragen von Ärzten an diese. Auf inhaltliche Besonderheiten der Anfrage stellt der Unterlassungsantrag nicht ab; er erfasst verallgemeinert jede Anfrage von Ärzten und demgemäß z. B. auch eine solche, bei der der Arzt ausdrücklich die Übersendung der Basisinformation SUMMARY verlangt oder bei dieser angibt, an einem Einzelbezug von AXXXXXXX interessiert zu sein.

Nach dem Streitgegenstand geht es nicht um das Beantworten von einzelnen bestimmten Fragen nach dem Arzneimittel AXXXXXXX allein in entsprechend konkreter Form, sondern - wie ausgeführt - um die Zusendung der Basisinformation SUMMARY auf Anfrage.

II.

Der Verfügungsantrag ist auch nach Auffassung des Senats aus § 1 UWG, § 3 a HWG begründet.

1.) Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Prof. Wxxxxx, der Chefarzt von der xyxyxyxyxy Pxxxxx-Klinik, xyxyxyxyx, hatte sich - wie ausgeführt - nach dem Besuch des Außendienstmitarbeiters Wxxxx von der Antragsgegnerin sich an diese schriftlich wegen des "in Australien zugelassenen Txxxxxderivats" gewandt (Anlage ASt BfASt 3).

Zuvor hatte - nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin - Prof. Wxxxxx den Apotheker Pxxx von der mit seiner Klinik verbundenen Pxxxxxxxxx-Apotheke von sich aus beauftragt, Fachinformationen über AXXXXXXX zu besorgen, Pxxx habe sich deswegen an die Firma FFFFFFFFFFFFFF-Ltd. (die australische Muttergesellschaft der Antragsgegnerin) gewandt, die Firma FFFFFFFFFFFFFF-Ltd. habe die Anfrage an sie (Antragsgegnerin) übermittelt. Ihr (Antragsgegnerin) Geschäftsführer habe schließlich den Außendienstmitarbeiter Wxxxx zu Prof. Wxxxxx geschickt. Wxxxx habe mit Prof. Wxxxxx vereinbart, dass dieser schriftlich bei der Antragsgegnerin anfrage. Die Antragstellerin behauptet unter Hinweis auf das Anschreiben von Prof. Wxxxxx demgegenüber, der Außendienstmitarbeiter habe bei dem Besuch das Arzneimittel AXXXXXXX angeboten und auf einen billigen Bezugspreis hingewiesen (Anlage ASt BfASt 3); das bestreitet die Antragsgegnerin.

Jedenfalls hat die Antragsgegnerin auf die Anfrage von Prof. Wxxxxx (Anlage ASt BfASt 3) mit der Übersendung der Basisinformation SUMMARY nebst Begleitschreiben vom 14. Dezember 2000 geantwortet (Anlagen ASt 1 und AG A 4). Auf das unterschiedliche Datum der beiden Anlagen kommt es für den hier in Rede stehenden Vorfall als solchen nicht an.

2.) Das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin verstößt gegen § 3 a HWG.

(a) Für die Anwendung des § 3 a HWG ist vorliegend maßgebend, dass das Arzneimittel AXXXXXXX in Deutschland nicht zugelassen ist. Nach § 3 a HWG ist eine Werbung für Arzneimittel unzulässig, die - wie vorliegend das Arzneimittel AXXXXXXX - der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Die Vorschrift stellt auf eine fehlende Zulassung im Inland ab, auf die arzneimittelrechtliche Zulassung von AXXXXXXX in Australien kommt es insoweit nicht an (vgl. § 73 Abs. 1 AMG).

Bei dem Präparat AXXXXXXX handelt es sich unstreitig um ein Arzneimittel, das ergibt sich im übrigen auch aus dem Umstand, dass es in Australien als Arzneimittel zugelassen ist.

(b) Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass es sich bei der Basisinformation SUMMARY inhaltlich objektiv um Werbung im Sinne des § 3 a HWG handelt.

Werbung im Sinne der Vorschriften des HWG sind alle informationsvermittelnden oder meinungsbildenden Aussagen, die darauf abzielen, die Aufmerksamkeit der Adressaten zu erwecken und deren Entschlüsse mit dem Ziel der Förderung des Absatzes von Waren im Sinne von § 1 HWG zu beeinflussen. Diese Definition der Absatzwerbung steht im Einklang mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 84/450/EG über irreführende Werbung vom 10. September 1984 und Art. 1 Abs. 3 Richtlinie 92/28/EWG; vgl. Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, § 1 HWG Rz. 11 m. w. Nw.).

Die von der Antragsgegnerin übersandte Basisinformation SUMMARY fällt unter diesen weitgefassten Werbebegriff. Die heilmittelwerberechtlich relevante Absatzwerbung umfasst sowohl die (eher reklamehafte, einseitige) Anpreisung wie auch eine nüchterne, objektiv gehaltene Sachinformation. Das entspricht h. M. in Rechtsprechung und Literatur (BGH GRUR 1991, 860 - Katovit, GRUR 1999, 179 - Patientenwerbung; Doepner, a. a. O., § 1 HWG, Rz. 12 m. w. Nw.). Dieser ist zu folgen, gerade im Bereich der Heilmittelwerbung erwartet der Verkehr sachlich gehaltene, informative Werbung. Es wäre demgemäß verfehlt und würde dem Schutzzweck des Heimittelwerbegesetzes zuwider laufen, wenn gerade dieser inhaltlich besonders wirksame Bereich der Werbung von dessen Anwendungsbereich ausgenommen würde.

Der Senat verkennt nicht, dass bei wissenschaftlichen Informationen in Monographien, Aufsätzen und sonstigen fachlichen Darstellungen es sich allerdings grundsätzlich nicht um Maßnahmen der Absatzwerbung handelt, soweit ein Autor oder der mit ihm zusammenarbeitende Verlag die Publikation verbreitet. Das gilt auch dann, wenn im wissenschaftlichen Schrifttum ein Arzneimittel oder der maßgebliche Wirkstoff eine namentliche Erwähnung findet und die positive Darstellung objektiv dem Absatzinteresse eines Marktteilnehmers dient. Denn in solchen Fällen steht die Verbreitung der wissenschaftlichen Publikation und die Teilhabe an der wissenschaftlichen Diskussion im Vordergrund.

Wenn sich aber ein Pharmahersteller - und das ist ein grundlegend anderer Sachverhalt - solcher wissenschaftlichen oder sonst fachlichen Äußerungen mit einem Produkt- oder Leistungsbezug zu Wettbewerbszwecken bedient, so handelt er dabei gemäß seinen geschäftlichen Interessen jedenfalls auch zur Förderung des Markterfolgs der von ihm angebotenen Produkte; in solchen Fällen macht er sich dabei solche wissenschaftlichen Angaben zu eigen und damit zum Bestandteil seiner eigenen Absatzwerbung (Doepner, a. a. O., § 1 HWG, Rz. 22 m. w. Nw.). Auch insoweit besteht kein durchgreifender Grund, wissenschaftliche Äußerungen eines Pharmaherstellers etwa prinzipiell nicht dem Werbebegriff unterfallen zu lassen.

Dass die Basisinformation SUMMARY nicht etwa als bloß informative Angaben von der Werbung im Sinne des § 3 a HWG ausgenommen sind, zeigt sich im übrigen in der heilmittelwerberechtlichen Einordnung von Packungsbeilagen und Patienteninformation in Arzneimittelpackungen. Nach zutreffender Ansicht ist die postalische Versendung von Packungsbeilagen und Patienteninformationen separat zu Informationszwecken Werbung; nur soweit sich diese Unterlagen in der Arzneimittelpackung befinden, handelt es sich um Maßnahmen, die bloß dem Gebrauch des Arzneimittels dienen (vgl. Doepner, a. a. O., § 1 HWG, Rz. 19, 21 m. w. Nw.).

(c) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin sind auch in subjektiver Hinsicht die Voraussetzungen für die Anwendung von § 3 a HWG gegeben.

(aa) Zum einen liegt auf Seiten der Antragsgegnerin subjektiv ein Werben für den Markterfolg von AXXXXXXX vor, wenn sie auf Anfrage von Ärzten diesen die Basisinformation SUMMARY übersendet. Denn auf Grund dieser Information kann die Entschließung, das Arzneimittel im Einzelbezug in Deutschland zu erwerben, befördert werden. Diese Eignung genügt für das Vorliegen des subjektiven Tatbestandsmerkmals.

Entsprechendes würde im übrigen auch gelten, wenn das in Deutschland noch nicht zugelassene Arzneimittel demnächst vor seiner arzneimittelrechtlichen Zulassung im Inland stehen würde. Denn es liegt auf der Hand, dass eine Übersendung der Basisinformation SUMMARY in solchen Fällen die spätere Markteinführung begünstigen würde.

Dass die Antragsgegnerin als Tochtergesellschaft der australischen Firma FFFFFFFFFFFFFF-Ltd. ein wirtschaftliches Interesse an dessen AXXXXXXX-Absatz hat, liegt schon nach der Lebenserfahrung auf der Hand. Dieses Interesse tritt hinter anderen Interessen, wie z. B. der Teilhabe an wissenschaftlicher "Diskussion", jedenfalls nicht durchgreifend zurück.

(bb) Zum anderen ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin das Übersenden der Basisinformation SUMMARY an Ärzte generell als Werbung einzustufen, und zwar in subjektiver Hinsicht auch dann, wenn im Einzelfall ein Arzt bereits "fest" entschlossen sein sollte, das Arzneimittel AXXXXXXX anschließend zu beziehen oder es bereits bezogen hat.

Der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Differenzierung der Werbeadressaten nach Entschlossenen und noch Unentschlossenen vermag der Senat nicht zu folgen. Nach den allgemeinen Grundsätzen im Wettbewerbsrecht kommt es auf die tatsächliche Entschlussbildung durch eine Werbemaßnahme für deren Einordnung als "Werbung" nicht an. Das entspricht nicht nur der Lebenswirklichkeit sondern auch den Bedürfnissen der Praxis. Diesen würde es widersprechen, etwa zwischen mehr oder weniger "fest" zum Kauf entschlossenen Adressaten zu differenzieren und ein- und dieselbe Maßnahme in der Einordnung als Werbung insoweit unterschiedlich zu bewerten. Für die Frage der Werbung im Sinne des § 3 a HWG kann insoweit nichts anderes gelten.

(d) Der Umstand, dass die Basisinformation SUMMARY dem Interessenten erst auf Nachfrage zu dem Mittel AXXXXXXX übersandt worden ist, steht der Anwendung von § 3 a HWG nicht entgegen.

Auch nur auf Aufforderung zugeschicktes oder überlassenes wissenschaftliches Informationsmaterial, z. B. Sonderdrucke von klinischen Studien, wissenschaftlichen Vorträgen und Publikationen, die als solche keine Absatzwerbung darstellen, gehört hierzu, wenn es von einem Pharmaunternehmen in seine produktbezogene Absatzwerbung aufgenommen wird (Doepner, a. a. O., § 3 a HWG, Rz. 9 m. w. Nw.).

§ 3 a HWG dient der werberechtlichen Flankierung der Arzeimittelsicherheit. Die Vorschrift soll u. a. - neben dem Schutz der Patienten vor Arzneimitteln, die mangels einer medizinisch-pharmakologischen Prüfung auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht verkehrsfähig sind - verhindern, dass Fachkreise in der Phase vor der Zulassung eines Arzneimittels in der Ausübung ihrer Therapiefreiheit werblich beeinflusst werden, sei es zur Veranlassung eines Einzelbezugs gemäß § 73 AMG, sei es zwecks vorzeitiger werblicher Fixierung auf das zur Markteinführung anstehende Präparat (Doepner, a. a. O., § 3 a HWG, Rz. 2).

Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Die Zusendung der Basisinformation SUMMARY auf Anfrage lässt zwar ein gewisses Interesse des Arztes an Informationen über AXXXXXXX voraussetzen, gleichwohl ist eine Werbung im oben dargestellten Sinne gegeben

(e) § 8 Abs. 2, 2. Alternative HWG steht dem aufgezeigten Ergebnis bezüglich § 3 a HWG nicht entgegen.

Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2, 2. Alternative HWG ist die Werbung unzulässig, bestimmte Arzneimittel im Wege der Einzeleinfuhr nach § 73 Abs. 2 Nr. 6 a oder 73 Abs. 3 AMG zu beziehen. Das Werbeverbot bezieht sich nur auf zulässigerweise im Einzelimport eingeführte Arzneimittel (Doepner, a. a. O., § 8 HWG, Rz. 49). Konkrete Anfragen und Antworten im Zusammenhang mit einer solchen zulässigen Einzeleinfuhr sind zwar keine nach § 8 Abs. 2, 2. Alternative HWG unzulässige Werbemaßnahmen (Doepner, a. a. O., § 8 HWG, Rz. 50), einzelne Antworten der Antragsgegnerin auf konkrete Anfragen - ohne Übersendung der Basisinformation SUMMARY - sind aber ohnehin nicht Streitgegenstand.

(f) Zutreffend hat das Landgericht auch in § 11 a AMG keine der Anwendung des § 3 a HWG entgegenstehende Regelung gesehen.

Der Umstand, dass der pharmazeutische Unternehmer eines zugelassenen Arzneimittels nach Maßgabe des § 11 a AMG eine Fachinformation zur Verfügung zu stellen hat, modifiziert nicht etwa das Werbeverbot betreffend ein nicht zugelassenes Arzneimittel gemäß § 3 a HWG.

(g) Aus den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ergibt sich für die Anwendung des § 3 a HWG nichts anderes.

§ 3 a HWG wurde in adäquater Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/28/EWG des Rates über die Werbung für Humanarzneimittel vom 31. März 1992 (ABl. EG Nr. L 113 vom 30. April 1992, Seite 13 ff) eingefügt (Doepner, a. a. O., § 3 a HWG, Rz. 13).

Gemäß Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 92/28/EWG gelten als "Werbung für Arzneimittel" im Sinne dieser Richtlinie alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern; sie umfasst u. a. insbesondere die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel und die Arzneimittelwerbung bei Personen, die zur Verschreibung oder zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind.

Allerdings betrifft diese Richtlinie nicht den Schriftwechsel und gegebenenfalls alle Unterlagen, die nicht Werbezwecken dienen und die zur Beantwortung einer konkreten Anfrage über ein bestimmtes Arzneimittel erforderlich sind (Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 92/28/EWG). Diese Vorschrift bezieht sich in erster Linie auf den Schriftverkehr mit den Arzneimittelgenehmigungsbehörden, und sonst allgemein auf konkrete Anfragen, die entsprechend konkret zu beantworten sind (Gröning, Heilmittelwerberecht, Kommentar, Band II, Art. 1 Richtlinie 92/28/EWG Rz. 20). Um solche Fragen und Antworten im Einzelfall geht es nach dem Streitgegenstand nicht; entsprechendes gilt für das Prüfverfahren im Rahmen einer arzneimittelrechtlichen Zulassung.

Die Hergabe der Basisinformation SUMMARY auf Anfrage von Ärzten ist davon zu unterscheiden und auch insoweit nicht gerechtfertigt. Sie dient - wie ausgeführt - maßgeblich Werbezwecken, auch wenn sie - nach dem Streitgegenstand - nur auf Anforderung an Ärzte geschickt wird.

(h) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ergibt sich verfassungsrechtlich für die vorliegend vorgenommene Anwendung von § 3 a HWG nichts anderes.

Nach zutreffender Ansicht führt eine die aktive und passive Informationsfreiheit sowie die Gewerbefreiheit berücksichtigende verfassungskonforme Auslegung (Art. 5 und 12 GG) von § 3 a HWG allerdings dazu, dass bei einer Kommunikation, die vorrangig international oder primär auf den ausländischen Markt ausgerichtet ist, in dem bereits eine arzneimittelrechtliche Zulassung existiert, werbliche Nebeneffekte hinsichtlich des potentiellen Absatzmarktes, in dem noch keine arzneimittelrechtliche Zulassung vorliegt, hingenommen werden müssen (Doepner, a. a. O., § 3 a HWG, Rz. 8).

So darf nach dieser Stimme im Schrifttum z. B. anlässlich eines in Deutschland stattfindenden internationalen Kongresses ein in Großbritannien zugelassenes Arzneimittel dem internationalen Publikum in englischer Sprache präsentiert werden, wenn gleichzeitig deutlich gemacht wird, dass in Deutschland keine Zulassung vorliegt. Die international ausgerichtete werbliche Kommunikation für ein national noch nicht zugelassenes Arzneimittel kann jedoch - so dieselbe Auffassung im Schrifttum - bei verfassungskonformer Auslegung nur insoweit hingenommen werden, als die Kommunikation mit dem deutschen Publikum eine unvermeidbare Folge der internationalen Ausrichtung der werblichen Darstellung ist. Jede Form der werblichen Akzentuierung in Richtung potentieller deutscher Klientel, etwa die Herausgabe von Sonderdrucken, auch in englischer Sprache, hat aber zu unterbleiben (Doepner, a. a. O., § 3 a HWG, Rz. 8).

Inwieweit dieser Ansicht in allen damit angesprochenen Fragestellungen zu folgen ist, bedarf keiner Stellungnahme und kann dahinstehen. Jedenfalls wird damit aufgezeigt, dass das Werbeverbot gemäß § 3 a HWG auf Grund der Informationsfreiheit des Pharmaunternehmens nur insoweit eingeschränkt werden darf, soweit dies zur angemessenen Wahrung der kommunikativen Belange erforderlich ist.

Nach diesen Grundsätzen ergibt sich vorliegend jedenfalls für die Anwendbarkeit von § 3 a HWG keine durchgreifende Einschränkung. Das bei wissenschaftlichen Kongressen der Gedankenaustausch im Vordergrund steht und dieser Umstand zu einer anderen Bewertung bestimmter Maßnahmen mit (auch) werblicher Wirkung führen kann, liegt auf der Hand. Wird dagegen ein Pharmaunternehmen nach einem im Inland nicht zugelassenen Arzneimittel befragt, so ist insoweit die unmittelbare Nähe zum Produktabsatz unverkennbar. In solchen Fällen ist es dem Pharmaunternehmen wegen der mit § 3 a HWG geschützten Interessen der Allgemeinheit zuzumuten, sich auf das Beantworten nur einzelner Fragen zu beschränken. Demgemäß ist vorliegend auch ein solches Verhalten betreffend das Arzneimittel AXXXXXXX (Anworten im konkreten Einzelfall) ohne Übersenden der Basisinformation SUMMARY nicht Streitgegenstand.

Dagegen ist das Übersenden der Basisinformation SUMMARY, auch wenn es auf Nachfrage geschieht, entsprechend den obigen Ausführungen als Werbung einzustufen; verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. Bei § 3 a HWG handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, d. h. der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Werbung für ein nicht verkehrsfähiges Arzneimittel typischerweise konkrete Gefahren für die Gesundheitsbelange des Verbrauchers und der Allgemeinheit innewohnen (Doepner, a. a. O., § 3 a HWG, Rz. 8). Diesen besonders schutzwürdigen Belangen ist bei der Abwägung der in Rede stehenden Grundrechte durchgreifend Rechnung zu tragen. Dem steht auch nicht entgegen, dass das in Australien zugelassene Arzneimittel AXXXXXXX über den Einzelimport zu beziehen und insoweit verkehrsfähig ist.

3.) Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind gegeben.

(a) Der Unterlassungsantrag erfasst die konkrete Verletzungsform. Die Antragsgegnerin hat auf Nachfrage die Basisinformation SUMMARY - wie sie selbst eingeräumt hat - an einen Arzt auf Nachfrage übersandt.

Es ist nach den obigen Ausführungen nicht erheblich, ob dieser Arzt um die Übersendung der Basisinformation SUMMARY gebeten hat oder nicht; es reicht aus, dass die Übersendung allgemein auf Anfrage des Arztes erfolgt, das ist unstreitig geschehen.

(b) Schon im Hinblick auf diesen einen Vorfall besteht Wiederholungsgefahr. Es ist nicht von Bedeutung, ob die Antragsgegnerin schon mehrfach die Basisinformation SUMMARY verschickt hat oder nicht. Die Wiederholungsgefahr wird vermutet und ist nicht widerlegt.

Deswegen kann dahingestellt bleiben, ob die Antragsgegnerin bisher sonst keine Basisinformation SUMMARY an anfragende Ärzte übersandt hat oder nicht. Daher ist es auch unerheblich, ob das Schreiben vom 15. Dezember 2000, das die Antragsgegnerin vorgelegt hat (Anlage AG A 4), denselben Adressaten (Prof. Wxxxxx) betrifft wie das anonymisierte Schreiben vom 14. Dezember 2000 (Anlage ASt 1).

(c) Der Verstoß gegen § 3 a HWG als wertbezogene Norm zum Schutz der Volksgesundheit ist zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG. Ein Ausnahmefall, bei dem kein Verstoß gegen § 1 UWG anzunehmen wäre (vgl. BGH WRP 1998, 306 - Hormonpräparate) ist vorliegend nicht gegeben. Es handelt sich nicht etwa um ein Grenzfall des § 3 a HWG.

III.

Nach alledem ist die Berufung der Antragsgegnerin unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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