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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 11.09.2003
Aktenzeichen: 3 U 217/02
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
Das Anbieten eines Computerprogramms für Arztpraxen in Zusammenarbeit mit einem Generikahersteller (G.), das dazu führt, dass bei der Rezepterstellung nach der Eingabe eines Generikums oder Original-Arzneimittels das preisgünstigere G.-Arzneimittel auf dem Bildschirm erscheint und das G. Arzneimittel für das auszudruckende Rezept durch Bestätigen mit der Eingabetaste ausgetauscht werden kann, ist wettbewerbswidrig nicht zu beanstanden, wenn bei der Programminstallation das Ersetzungsprogramm erst auf entsprechende Nachfrage vom Verwender aktiviert werden muss (Abgrenzung zur Vorentscheidung des Senats vom 15. Februar 2001 - 3 U 126/99).
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 217/02

Verkündet am: 11. September 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, v. Franqué, Spannuth nach der am 21. August 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufungen der beiden Antragsgegnerinnen wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 2. Oktober 2002 abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 11. September 2002 wird aufgehoben und die auf ihren Erlass gerichtete Anträge sowie der in der Berufungsverhandlung vom 21. August 2003 gestellte Hilfsantrag werden zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Gründe:

A.

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1) sind konkurrierende pharmazeutische Unternehmen, die sog. Generika herstellen und vertreiben. Die Antragsgegnerin zu 2) bietet in Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin zu 1) für Arztpraxen das EDV-Programm "U.-xxMed" an, mit dem u. a. Rezepte erstellt werden können.

Mit der "U.-xxMed"-Software kann man aus einer Datenbank ein Arzneimittel (Original-Arzneimittel oder Generika) auswählen und entsprechende Rezeptformulare mit den beigefügten Patientendaten ausdrucken, das Rezept muss dann nur noch vom Arzt unterschrieben werden. Die Software ist mit einer vom Programmverwender (vom Arzt bzw. seinen Praxisangestellten) zu aktivierenden Austauschfunktion zu Gunsten von Generika der Antragsgegnerin zu 1) versehen.

Die Antragstellerin beanstandet das als wettbewerbswidrig und nimmt die Antragsgegnerinnen im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

Die "U.-xxMed"-Software enthält Schnittstellen zu Datenbanken, in denen die in Deutschland auf dem Markt befindlichen Arzneimittel u. a. mit Bezeichnungen, Verordnungsformen und Preisen gelistet sind.

Ruft z. B. ein Arzt "Dr. Theodor von Osterberg" zum ersten Mal - nach der Neuinstallation der "U.-xxMed"-Software oder nach dem Einspielen des "U.-xxMed-Update 2/2002" - aus den Listen ein Medikament auf (vgl. dazu den Bildschirmausdruck Anlage AG 1), so wird auf dem Bildschirm die Eingangsfrage eingeblendet:

"Für 'Dr. med. Theodor von Osterberg' ist die Art des Ersatzes von Medikamenten durch Generika bisher nicht festgelegt. Wollen Sie, dass Ihnen in Zukunft bei der Rezeptierung Generika vorgeschlagen werden?";

unter dieser Frage sind die Schaltfelder "Ja" und "Nein" angeordnet (Anlage AG 2). Wird daraufhin das "Nein"-Schaltfeld betätigt, wird die Austauschfunktion deaktiviert, so dass der Arzt bei jeder Eingabe ohne nochmalige Zwischenabfrage das Rezept mit dem von ihm eingegebenen Medikament ausgedruckt erhält.

Wird dagegen auf die Eingangsfrage:

"Für 'Dr. med. Theodor von Osterberg' ist die Art des Ersatzes von Medikamenten durch Generika bisher nicht festgelegt. Wollen Sie, dass Ihnen in Zukunft bei der Rezeptierung Generika vorgeschlagen werden?";

das "Ja"-Schaltfeld (oder die "Enter"-Taste) betätigt, so wird daraufhin die zweite Frage:

"Soll der Ersatz durch Generika ohne Nachfrage erfolgen?"

mit den Schaltfeldern "Ja" - "Nein" eingeblendet (Anlage AG 3). Wird daraufhin das "Nein"-Schaltfeld betätigt, so fragt das System zukünftig jeden austauschbaren Präparate-Vorschlag einzeln nach (vgl. Anlagen AG 4-5). Die so aktivierte Austauschfunktion (auf einzelne Nachfrage) führt dann zu folgendem Programmablauf:

Gibt man bei der Rezepterstellung ein ausgewähltes Arzneimittel (im Bildschirmausdruck gemäß Anlage ASt 2 ist es das Mittel "Acc 200 ttt 100 ST N3") ein, so wird auf dem Bildschirm die Frage:

"Wollen Sie statt des ausgewählten Präparates 'ACC 200 ttt 100 ST N3' das wirkstoffgleiche Generikum 'NAC TA.-XXX 200 BTA 100ST N3' verordnen?"

mit den Schaltfeldern "Ja" und "Nein" eingeblendet (Anlage ASt 3; vgl. auch Anlage AG 5). Betätigt man nun das "Ja"-Schaltfeld (oder die "Enter"-Taste), so erscheint auf dem ausgedruckten Rezept nicht das zuvor eingegebene Arzneimittel, sondern das der Antragsgegnerin zu 1) (Anlage ASt 4). Betätigt man dagegen das "Nein"-Schaltfeld, so wird das ursprünglich eingegebene Arzneimittel im Rezept ausgedruckt (Anlage ASt 5). Nach Abschluss der Rezepterstellung wird das fertige Rezeptformular zur Kontrolle auf dem Bildschirm dargestellt (Anlage AG 6 - vgl. wegen des gesamten Programmablaufs auch Bl. 129 ff. mit den Bildschirmeinblendungen).

Die Austausch-Einblendung gibt nur Präparate der Antragsgegnerin zu 1) an und erfolgt auch nur, wenn das anzubietende Mittel der Antragsgegnerin zu 1) billiger ist als das zunächst eingegebene Arzneimittel (Original-Arzneimittel oder Generikum). Der Kostenvergleich basiert auf Preisen, die durch vierteljährlich erscheinende Updates in der Software aktualisiert werden. Die Arzneimittelpreise ändern sich allerdings entsprechend der Erscheinungsweise der maßgeblichen LAUER-Taxe vierzehntägig.

Wird im Übrigen nach der Eingangsfrage die zweite Frage (Anlage AG 3):

"Soll der Ersatz durch Generika ohne Nachfrage erfolgen?"

mit dem Betätigen des "Ja"-Schaltfeldes (oder der "Enter"-Taste) beantwortet, so wird auch bei allen künftigen Eingaben das eingegebene Präparat automatisch ersetzt, und zwar entsprechend dem Ablauf bei der Einzelnachfrage, aber ohne Zwischenabfragen.

Mit der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 11. September 2002 ist verboten worden,

1. der Antragsgegnerin zu 1) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ihre Arzneimittel in der Weise zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, dass sie in EDV-Programmen für Arztpraxen mit entsprechenden Arzneimitteln der Antragstellerin derart verknüpft werden, dass im Rahmen der Rezepterstellung bei Eingabe von Fertigarzneimitteln der Antragstellerin auf dem Bildschirm das entsprechende Konkurrenzprodukt der Antragsgegnerin zu 1) erscheint mit der Frage, ob der Arzt entsprechend einer bestehenden Voreinstellung dieses oder das von ihm ursprünglich ausgewählte Arzneimittel der Antragstellerin verschreiben will, wobei eine schlichte Betätigung der Entertaste einen automatischen Austausch bewirkt;

2. der Antragsgegnerin zu 2) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken EDV-Programme für Arztpraxen anzubieten und/oder zu verbreiten bzw. anbieten und/oder verbreiten zu lassen, die bewirken, dass im Rahmen der Rezepterstellung bei Eingabe von Fertigarzneimitteln der Antragstellerin auf dem Bildschirm das entsprechende Konkurrenzprodukt der Antragsgegnerin zu 1) erscheint und der Arzt sich zu entscheiden hat, ob er entsprechend einer bestehenden Voreinstellung dieses oder das von ihm ursprünglich ausgewählte Arzneimittel der Antragstellerin verschreiben will, wobei eine schlichte Betätigung der Entertaste einen automatischen Austausch bewirkt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht seine Beschlussverfügung bestätigt. Hiergegen richten sich die Berufungen der beiden Antragsgegnerinnen, sie verfolgen - jeweils soweit sie betroffen sind - die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und die Zurückweisung der auf ihren Erlass gerichteten Anträge.

Die Antragstellerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt hilfsweise,

den Antragsgegnerinnen zu untersagen, mit Hilfe von EDV-Programmen für Arztpraxen einen Austausch von vom Arzt ausgewählten Generika-Präparaten der Antragstellerin durch entsprechende Konkurrenz-Produkte der Antragsgegnerin zu 1) vorzunehmen, solange der Arzt bei der Installation der Software nur mit folgenden Fragen über den Austausch informiert worden ist: "Für Dr. med ... ist die Art des Ersatzes von Medikamenten durch Generika bisher nicht festgelegt. Wollen Sie, dass Ihnen in Zukunft bei der Rezeptierung Generika vorgeschlagen werden?".

Die Antragsgegnerinnen beantragen auch insoweit die Zurückweisung des Verfügungsantrages.

B.

Die zulässigen Berufungen der Antragsgegnerinnen haben in der Sache Erfolg.

Der in der Berufungsinstanz als Hauptantrag gestellte Unterlassungsantrag gegen die Antragsgegnerin zu 2) gemäß dem Verbotsausspruch zu 2) der Beschlussverfügung ist unbegründet (vgl. unter III.), ebenso der Haupt-Unterlassungsantrag gegen die Antragsgegnerin zu 1) gemäß dem Verbotsausspruch zu 1) der Beschlussverfügung (IV.). Der in der Berufungsverhandlung außerdem gestellte Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet (V.).

Demgemäß ist unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die einstweilige Verfügung des Landgerichts aufzuheben und die auf ihren Erlass gerichteten Anträge sowie der in der Berufungsverhandlung gestellte Hilfsantrag sind zurückzuweisen.

I.

1.) Gegenstand des Haupt-Unterlassungsantrages betreffend die Antragsgegnerin zu 2) ist das Anbieten von EDV-Programmen für Arztpraxen, die bewirken, dass im Rahmen der Rezept-Erstellung bei Eingabe von Fertigarzneimitteln der Antragstellerin auf dem Bildschirm das entsprechende Konkurrenzprodukt der Antragsgegnerin zu 1) erscheint und der Arzt sich zu entscheiden hat, ob er - entsprechend einer bestehenden Voreinstellung - dieses oder das von ihm ursprünglich ausgewählte Arzneimittel der Antragstellerin verschreiben will, wobei die bloße Betätigung der "Enter"-Taste den automatischen Austausch bewirkt.

Mit der "bestehenden Voreinstellung" ist verallgemeinert eine Programm-Grundeinstellung gemeint, bei der durch bloßes Betätigen der "Enter"-Taste der Austausch zu Gunsten des alternativ gezeigten Arzneimittels der Antragsgegnerin zu 1) erfolgt. Das hat die Antragstellerin bereits in der Antragsschrift deutlich gemacht (Bl. 5).

Der Unterlassungsantrag bezieht sich allerdings nicht speziell auf das Anbieten der "U.-xxMed"-Software der Antragsgegnerin zu 2). Deswegen kann der mit dem Antrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht auf die Besonderheiten des "U.-xxMed"-Programms und seiner Bildschirmdarstellung gestützt werden, die im Antrag keinen Niederschlag gefunden haben: Demgemäß gehören z. B. nicht zum Streitgegenstand die konkrete Formulierung und/oder Darstellung der Eingangsfrage und der zweiten Frage, mit deren entsprechenden Beantwortung beim "U.-xxMed"-Programm die beanstandete Austauschfunktion aktiviert werden kann und z. B. auch nicht der Umstand, dass die Updates der "U.-xxMed"-Software nur vierteljährlich erscheinen, die Preisänderungen in der LAUER-Taxe aber vierzehntäglich.

2.) Gegenstand des Haupt-Unterlassungsantrages betreffend die Antragsgegnerin zu 1) ist das Bewerben ihrer Arzneimittel durch Verknüpfen mit entsprechenden Arzneimitteln der Antragstellerin in EDV-Programmen für Arztpraxen, so dass im Rahmen der Rezept-Erstellung bei Eingabe von Fertigarzneimitteln der Antragstellerin auf dem Bildschirm das entsprechende Konkurrenzprodukt der Antragsgegnerin zu 1) mit der Frage erscheint, ob der Arzt entsprechend einer bestehenden Voreinstellung dieses oder das von ihm ursprünglich ausgewählte Arzneimittel der Antragstellerin verschreiben will, wobei die bloße Betätigung der "Enter"-Taste den automatischen Austausch bewirkt.

Dieser Antrag bezieht sich demgemäß auf das Verhalten der Antragsgegnerin zu 1) im Zusammenwirken mit der Antragsgegnerin zu 2), im Übrigen stimmt der Antrag in seiner Verallgemeinerung mit demjenigen gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) überein. Insoweit wird - auch wegen der Bestimmung der "bestehenden Voreinstellung" im Verbotsausspruch - auf die obigen Ausführungen unter I. 1. entsprechend Bezug genommen.

3.) Gegenstand des in der Berufungsverhandlung noch hilfsweise gestellten Unterlassungsantrages betreffend die beiden Antragsgegnerinnen ist die Vornahme des dort geschilderten Austausches von Generika-Präparaten mit Hilfe von EDV-Programmen für Arztpraxen, solange der Arzt bei der Softwareinstallation nur mit der im Antrag zitierten Frage (es ist die oben geschilderte Eingangsfrage aus dem "U.-xxMed"-Programm) über den Austausch informiert worden ist. Im Übrigen bezieht sich dieser Antrag ebenfalls nicht speziell auf das "U.-xxMed"-Programm.

II.

Die als Hauptanträge gestellten Unterlassungsanträge gegen die beiden Antragsgegnerinnen sind hinreichend bestimmt und demgemäß zulässig.

Die in den Anträgen jeweils benutzte Wendung "entsprechend einer bestehenden Voreinstellung" betrifft die oben unter I. 1. geschilderte Austauschfunktion über die "Enter"-Taste. Der Bereich des beantragten Verbots ist damit klar umrissen, obwohl der Verbotsausspruch eine definierte Schaltung bzw. den Quellcode eines Programms nicht anführt, sondern jede Programmgestaltung erfasst, die diesen Vorgang bewirkt, der als solcher allerdings - und das ist für die Bestimmtheit des Antrags maßgeblich - im Verbot konkret beschrieben ist.

III.

Der Haupt-Unterlassungsantrag gegen die Antragsgegnerin zu 2) gemäß Ziffer 2. der Beschlussverfügung ist nach Auffassung des Senats unbegründet.

Das Anbieten eines in der beanstandeten Weise voreingestellten EDV-Programms durch die Antragsgegnerin zu 2) ist nicht als unlautere Behinderung (§ 1 UWG) zu verbieten. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

1.) Wie oben unter I. 1. ausgeführt, betrifft der Verbotsgegenstand des Antrages allgemein das Anbieten eines (im Antrag näher beschriebenen) EDV-Programms, bei dem durch bloßes Betätigen der "Enter"-Taste der beanstandete Austausch der Arzneimittel zu Gunsten des Mittels der Antragsgegnerin zu 1) erfolgt. Dass der Unterlassungsantrag in dieser Verallgemeinerung unbegründet ist, ergibt sich schon daraus, dass das Anbieten des "U.-xxMed"-Programm der Antragsgegnerin zu 2) jedenfalls im Hinblick auf den Austausch der Arzneimittel über die "Enter"-Taste nach Auffassung des Senats keine unlautere Behinderung darstellt; ob das "U.-xxMed"-Programm aus anderen Gründen zu beanstanden wäre, kann offen bleiben, weil diese Gesichtspunkte - wie ausgeführt - nicht Streitgegenstand sind:

(a) Das gezielte Abfangen von Kunden eines Konkurrenten in der Absicht, sie zum Kauf der eigenen Produkte an Stelle des beabsichtigten Geschäftsabschlusses zu verleiten, ist in der Rechtsprechung allerdings wiederholt als unlautere unmittelbare Behinderung des Mitbewerbers angesehen worden. Der Werbende schiebt sich dabei gleichsam zwischen den Kaufinteressenten und den Konkurrenten, um den Kunden vor dem beabsichtigten Geschäftsabschluss abzufangen und ihm eine Änderung seines Kaufentschlusses zu Gunsten des Abfangenden aufzudrängen (BGH GRUR 1960, 431 - Kfz-Nummernschilder, GRUR 1986, 547 - Handzettelwerbung).

(b) Der behandelnde Arzt, an den sich das Angebot der "U.-xxMed"-Software richtet, ist zwar nicht selbst der Käufer des zu verordnenden Medikaments, aber er trifft durch seine Verordnung die eigentliche Entscheidung, welches Medikament der Patient schließlich erwerben wird. Denn der Patient wird der Verordnung des Arztes regelmäßig folgen. Entsprechendes gilt bei Kassenpatienten, bei denen der Arzt durch die Verordnung eines Arzneimittels die betreffende Sachleistung der Kasse bestimmt.

Die Entschließung des Arztes, ein bestimmtes Medikament zu verordnen, ist demgemäß für die Pharmahersteller von sensibler wettbewerblicher Bedeutung. Wird in diesen Vorgang z. B. bei der Rezepterstellung durch ein EDV-Programm mit Alternativangeboten eingegriffen, so kann das den Hersteller des ausgetauschten Arzneimittels unlauter behindern. Der Senat hat nach diesen Grundsätzen in seiner Entscheidung vom 15. Februar 2001 das Anbieten eines Arzneimittel-Austausch-EDV-Programm wegen dessen Besonderheiten als unlautere Behinderung im Sinne des § 1 UWG untersagt (OLG Hamburg MagazinDienst 2001, 713, GRUR 2002, 278, NJW 2002, 1808 - 3 U 126/99).

(c) Entsprechend diesen Grundsätzen ist aber das Anbieten des "U.-xxMed"-Programms im Hinblick auf den Austausch über die "Enter"-Taste nach Auffassung des Senats keine unlautere Behinderung.

(aa) Für die Bewertung eines wettbewerblichen Sachverhalts als unlautere Behinderung sind alle besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen zu berücksichtigen und insgesamt zu betrachten. Hierzu gehört im vorliegenden Fall die entscheidungserhebliche Besonderheit, dass die beanstandete Austauschfunktion über die "Enter"-Taste nicht von vornherein mit der Installation der "U.-xxMed"-Software oder des Updates aktiviert ist, sondern erst dann, wenn der Programmverwender (insbesondere der Arzt) eine Vorab-Aktivierung der Austauschfunktion vorgenommen hat.

Beim "U.-xxMed"-Programm erfolgt die Vorab-Aktivierung - wie oben dargestellt - durch entsprechendes Beantworten der Eingangsfrage (Austauschfunktion: "Ja" - "Nein") und der zweiten Frage (Austausch auf einzelne Nachfrage oder ohne Nachfrage). Diese Fragen in ihrem konkreten Wortlaut sind allerdings vorliegend - wie ausgeführt - nicht Streitgegenstand, deswegen können sie nicht zur Begründung des Verbots herangezogen werden.

(bb) Ausgangspunkt des unlauteren Abfangens von Kunden als unlautere unmittelbare Behinderung ist das gezielte Kundenabfangen durch Aktivitäten des Verletzers, so z. B. das gezielte Ansprechen von Kaufinteressenten in unmittelbarer Nähe des Geschäftslokals des Mitbewerbers (BGH, a. a. O. -Kfz-Nummernschilder). An einer solchen unlauteren, unsachlich beeinflussenden Aktivität des Verletzers fehlt es z. B., wenn mit Handzetteln zwar in der räumlichen Nähe des Konkurrenten geworben wird, dem Kunden aber die Möglichkeit verbleibt, in Ruhe und unübereilt die Angebote zu vergleichen (BGH, a. a. O. - Handzettelwerbung); dann kann von einem Abfangen vor dem beabsichtigten Geschäftsabschluss und einer aufgedrängten Änderung des Kaufentschlusses keine Rede sein.

(cc) In eine solche, insoweit nicht unlauter beeinflusste Situation sieht sich der Verwender des "U.-xxMed"-Programms gestellt.

Es ist für die wettbewerbliche Beurteilung davon auszugehen, dass der Arzt die Vorab-Aktivierung der Austauschfunktion nach der Installation des Programms entweder selbst vorgenommen hat oder hat vornehmen lassen und demgemäß Kenntnis von der durchgeführten Vorab-Aktivierung hat. Besonderheiten des Sachverhalts etwa dahingehend, dass dem Arzt das Programm von dritter Seite - etwa von Mitarbeitern der Antragsgegnerin zu 2) - entsprechend vorinstalliert untergeschoben worden ist, sind nicht Streitgegenstand.

Das vom Landgericht aufgezeigte Bild vom Ablauf des "U.-xxMed"-Programms, bei dem sich das Alternativangebot der Antragsgegnerin zu 1) in die mit der Eingabe eines Arzneimittels der Antragstellerin angebahnte Geschäftsbeziehung zu dieser schiebt, um über die "Enter"-Taste gleichsam automatisch eine Verordnung des ausgetauschten Arzneimittels der Antragsgegnerin zu 1) zu erreichen, wird den tatsächlichen Verhältnissen insgesamt nicht gerecht.

Vielmehr ist sich der Arzt, der ein Mittel der Antragstellerin (oder irgend ein anderes Mittel) in das "U.-xxMed"-Programm eingibt, wegen seiner Kenntnis von der vorgenommenen Vorab-Aktivierung der Austauschfunktion jedenfalls darüber im Klaren, dass auf die Eingabe des Mittels ein Alternativangebot der Antragsgegnerin zu 1) folgen kann, wenn es preisgünstiger als das zunächst eingegebene Arzneimittel ist. Es ist dem durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Arzt als Werbeadressaten selbstverständlich auch bewusst, dass das billigere Austauschangebot - soweit vorhanden - stets bei einer Arzneimitteleingabe erscheint, d. h. nicht nur bei einer Eingabe zur unverbindlichen Orientierung sondern ebenso, wenn der Arzt bereits "fest" entschlossen sein sollte, eben dieses Mittel und kein alternativ angebotenes zu rezeptieren. Denn dem Arzt ist klar, dass das Programm in dieser Phase noch nicht die Rezepterstellung festlegt, sondern erst ein Alternativangebot der Antragsgegnerin zu 1) vorsieht.

(dd) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kommt es im Rahmen des Streitgegenstandes dieses Unterlassungsantrages nicht darauf an, ob die Eingangsfrage des "U.-xxMed"-Programms zur Vorab-Aktivierung der Austauschfunktion (vgl. Anlage AG 2) ausreichend deutlich macht, dass mit den auszutauschenden "Medikamenten" sowohl Original-Arzneimittel als auch Generika wie die der Antragstellerin gemeint sind und dass bei den zum Austausch angebotenen "Generika" stets nur die der Antragsgegnerin zu 1) erscheinen.

Der Streitgegenstand erfasst, wie ausgeführt, diese Besonderheiten nicht, schließt aber den besonderen Umstand, dass es eine vom Programmverwender vorzunehmende Vorab-Aktivierung der Austauschfunktion gibt, nicht etwa aus.

(ee) Wegen dieser Besonderheit der vom Programmverwender selbst vorzunehmenden "Vorab-Aktivierung" der Austauschfunktion ist es nach § 1 UWG nicht zu beanstanden, dass der eigentliche Austausch der Arzneimittel durch Betätigen der "Enter"-Taste erfolgt.

Wenn der Arzt das Mittel der Antragstellerin eingegeben haben sollte, um sich gegebenenfalls das Alternativangebot der Antragsgegnerin zu 1) zeigen zu lassen, kann von einem "Kundenabfangen" oder Verleiten zu einer ungewollten Rezeptierung ohnehin nicht ausgegangen werden.

Soweit der Arzt das betreffende Mittel der Antragstellerin mit konkret gefasstem Rezeptierungsentschluss ausgesucht hat und das - entsprechend seiner verantwortungsvollen Stellung - insbesondere unter Berücksichtigung des Wirkstoffes, der Anwendungsgebiete, der Nebenwirkungen, Darreichungsform, Packungsgröße und Dosierung des Arzneimittels, aber auch wegen des Preises - schon wegen der Budgetierung unerlässlich - geschehen ist, so könnte der Arzneimittel-Austausch über die "Enter"-Taste nur dann "automatisch" und ungewollt zum Konkurrenzprodukt der Antragsgegnerin zu 2) führen, wenn der Arzt an die von ihm selbst vorab-aktivierte Austauschfunktion nicht denkt und zusätzlich die eingeblendete Abfrage übersieht und damit gleichsam blind oder nur aus Bequemlichkeit auf die "Enter"-Taste drückt, obwohl ihm doch deutlich aufgezeigt wird, dass er für die Rezeptierung des ursprünglich eingegebenen Arzneimittels das "Nein"-Schaltfeld betätigen muss. Solche unterstellte Geschehensabläufe passen nicht zum Bild des verantwortungsbewusst handelnden Arztes, von dem für die Lauterkeitsbewertung des angebotenen "U.-xxMed"-Programms jedenfalls auszugehen ist.

Die beanstandete Belegung der "Enter"-Taste bringt es zwar mit sich, dass für die Rezeptierung des ursprünglich eingegebenen Arzneimittels das nicht ganz so bequeme "Nein"-Schaltfeld über die "Maus" oder eine Buchstabeneingabe für das "Nein" bedient werden muss und nicht die etwas einfacher zu erreichende "Enter"-Taste (wenn die Hand nicht gerade über der "Maus" liegt). Dieser geringfügige Unterschied ist vorliegend in der Gesamtwürdigung aber nicht von Belang. Dass ein Softwareprogramm ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit erfordert, entspricht der Lebenserfahrung und wird vom Arzt berücksichtigt, der selbst das "U.-xxMed"-Programm mit der speziellen Austauschfunktion nach seinen Wünschen und Vorgaben eingerichtet hat und es entsprechend aufmerksam und richtig nutzen kann und wird.

(d) Etwas anderes ergibt sich nicht aus der früheren Senatsentscheidung vom 15. Februar 2001 (OLG Hamburg a. a. O.). Im dortigen Sachverhalt gab es eine programmseitig bereits eingerichtete Voreinstellung für die Austauschfunktion, die nicht wie vorliegend erst vorab vom Verwender aktiviert werden musste.

2.) Andere Gesichtspunkte betreffend das Anbieten des "U.-xxMed"-Programms, die gegebenenfalls einer gesonderten wettbewerbsrechtlichen Überprüfung bedürften, sind nicht Streitgegenstand.

So stellt der Streitgegenstand nicht auf den Gesichtspunkt ab, ob das eingeblendete Alternativangebot der Antragsgegnerin zu 1) tatsächlich jeweils billiger ist als das zuvor eingegebene Arzneimittel der Antragstellerin. Insoweit ist die vom Landgericht noch herangezogene unterschiedliche Erscheinungsweise des Software-Updates (vierteljährlich) und der LAUER-Taxe mit den aktuellen Preisänderungen (vierzehntägig) nicht von Belang. Entsprechendes gilt für die abweichenden Redaktionstermine der "IFA-Information".

IV.

Der Haupt-Unterlassungsantrag gegen die Antragsgegnerin zu 1) gemäß Ziffer 1. der Beschlussverfügung ist ebenfalls unbegründet.

Das Bewerben der Arzneimittel der Antragsgegnerin zu 1) durch Verknüpfen mit entsprechenden Arzneimitteln der Antragstellerin in EDV-Programmen mit der streitgegenständlichen Voreinstellung (mit dem Austausch über die "Enter"-Taste) ist nach Auffassung des Senats nicht als unlautere Behinderung (§ 1 UWG) zu verbieten. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Der Unterlassungsantrag entspricht dem Verfügungsantrag zu 2.), der sich gegen die Antragsgegnerin zu 2) richtet, soweit es um die Austauschfunktion im Softwareprogramm geht. Der Antrag stellt im Übrigen auf das Zusammenwirken der beiden Antragsgegnerinnen über das EDV-Programm für Arztpraxen ab, durch das die Antragsgegnerin zu 1) ihre Arzneimittel bewirbt. Auf die obigen Ausführungen unter Ziffer III. wird demgemäß entsprechend Bezug genommen.

V.

Der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist schon mangels Begehungsgefahr unbegründet. Es kann demgemäß offen bleiben, inwieweit ein solches Verhalten - einen entsprechenden Verletzungsfall als gegeben unterstellt - als wettbewerbswidrig zu verbieten wäre.

Der Streitgegenstand dieses Antrages stellt auf die Situation des Arztes bei der Installation des EDV-Programms ab, soweit er "nur" mit folgenden Fragen:

"Für Dr. med. ... ist die Art des Ersatzes von Medikamenten durch Generika bisher nicht festgelegt. Wollen Sie, dass Ihnen in Zukunft bei der Rezeptierung Generika vorgeschlagen werden?";

über den Austausch informiert worden ist. Diese Sätze entsprechen der oben geschilderten Eingangsfrage zur Vorab-Aktivierung der Austauschfunktion des "U.-xxMed"-Programms (Anlage AG 2).

Die Antragstellerin beanstandet die Eingangsfrage inhaltlich zum einen deswegen, weil - das ist unstreitig so - nicht nur bei der Eingabe von (sie nicht betreffenden) Original-Arzneimitteln, sondern auch bei eingegebenen Generika der Antragstellerin das Alternativangebot der Antragsgegnerin zu 1) bei aktivierter Austauschfunktion erfolgt, zum anderen deswegen, weil - auch das ist unstreitig der Fall - das Alternativangebot nur die Arzneimittel der Antragsgegnerin zu 1), nicht aber andere - gegebenenfalls noch billigere - Generika dritter Hersteller berücksichtigt.

Inwieweit der Wortlaut der Eingangsfrage beim "U.-xxMed"-Programm diesen tatsächlichen Gegebenheiten ausreichend Rechnung trägt oder Klarstellungen erforderlich macht, kann auch für den Hilfsantrag offen bleiben. Denn dass beim Angebot und/oder Überlassen des "U.-xxMed"-Programms dem Arzt keine weiteren Informationen etwa durch geeignetes Begleitmaterial gegeben werden, so dass er nur so von der Bedeutung und Reichweite der Austauschfunktion und des damit verbundenen Alternativangebots erfährt, ergibt das Vorbringen der Antragstellerin nicht.

Im Übrigen kommt es nach dem Streitgegenstand insoweit nur auf die zitierten Fragen selbst, nicht aber auf die sonstigen Besonderheiten des "U.-xxMed"-Programms an.

VI.

Nach alledem waren die Berufungen der beiden Antragsgegnerinnen begründet. Die einstweilige Verfügung war aufzuheben und die auf ihren Erlass gerichteten Haupt- und Hilfsanträge waren zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Durch den in der Berufungsverhandlung gestellten Hilfsantrag hat sich der Streitwert gegenüber dem der ersten Instanz nicht erhöht, denn der Hilfsantrag ist wertmäßig in den Hauptanträgen enthalten.

Ende der Entscheidung

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