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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.04.2007
Aktenzeichen: 3 U 256/06
Rechtsgebiete: HWG, UWG


Vorschriften:

HWG § 3 a
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8
1. Wird ein Osteoporose-Arzneimittel einschränkungslos beworben mit "Bei postmenopausaler Osteoporose" oder mit "Reduktion des Frakturrisikos", so bezieht man das (selbstverständlich) auch auf den Bereich z. B. des Oberschenkelhalses, so dass sich auch hierauf die Zulassung beziehen muss (§ 3 a Satz 2 HWG).

2. Zur Bedeutung einer sprachlich abgeänderten Fachinformation im "Anwendungsgebiet" eines gemeinschaftlich zugelassenen Arzneimittels auf eine "Typ-II-Änderungsanzeige", wenn beim Anwendungsgebiet einerseits eine Einschränkung gestrichen und andererseits der differenzierende Zusatz zur "nicht ermittelten Wirksamkeit" verdeutlicht wird.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 256/06

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 12. April 2007

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler nach der am 1. März 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 24. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

A.

Die Parteien sind Pharmaunternehmen, sie vertreiben verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung der Osteoporose bei Frauen nach der Menopause und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Antragsgegnerinnen haben für ihr gemeinschaftlich (EG-Zulassung) zugelassenes Arzneimittel "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" mit einem Werbefolder gegenüber Ärzten geworben (Anlage ASt EV 6, in Fotokopie 2 Seiten).

Die Antragstellerin beanstandet die Werbung als wettbewerbswidrig und nimmt deswegen die Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Das Landgericht hatte mit Beschluss vom 22. Juni 2006 den Verfügungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hatte der Senat mit Beschluss vom 24. August 2006 den Beschluss des Landgerichts abgeändert und den beiden Antragsgegnerinnen unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten (HansOLG Hamburg 3 W 128/06), im Wettbewerb für das Fertigarzneimittel Vaaaaa(r) 3 mg/3 ml Injektionslösung in einer Fertigspritze (Wirkstoff: Ibandronsäure) folgendes innerhalb der Fachkreise anzugeben:

1. "Bei postmenopausaler Osteoporose" und/oder

2. "Reduktion des Frakturrisikos" jeweils wie im Folder gemäß der beigefügten Anlage A geschehen (es folgt die zweiseitige Kopie der Anlage ASt EV 6 als Anlage A).

Im Widerspruchsverfahren hat das Landgericht durch Urteil vom 24. Oktober 2006 die einstweilige Verfügung vom 24. August 2006 aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.

Gegen das Urteil richtet sich vorliegend die Berufung der Antragstellerin, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Sie beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung des Senats vom 24. August 2006 erneut zu erlassen.

Die Antragsgegnerinnen bitten um Zurückweisung der Berufung.

In dem beanstandeten Vaaaaa-Folder der Antragsgegnerinnen ist unter der stilisierten Darstellung der vier Jahres-Quartale mit dazu passenden Landschaftseinblendungen angegeben:

"Bei postmenopausaler Osteoporose - Die Quartalsspritze Vaaaaa(r)" (in den Fotokopien der Anlage ASt EV 6: 1. Seite rechts).

An anderer Stelle des Folders heißt es neben der abgebildeten Faltschachtel des Arzneimittels u. a.:

"Zuverlässige Applikation, Reduktion des Frakturrisikos..." (Anlage ASt EV 6, 1. Seite links).

Das beworbene Arzneimittel "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" (Wirkstoff Ibandronsäure) war zur Zeit des Erlassverfahrens gemäß der Fachinformation für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:

"Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen, zur Reduktion des Risikos von vertebralen Frakturen. Eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht belegt worden" (Anlage ASt EV 2, dort unter Ziffer "4.1").

Außerdem war in der Fachinformation unter "Ziffer 5.1 Pharmakodynamische Eigenschaften" zur Studie Mo 2322 Mo 2322 angegeben:

"In dieser Studie wurde keine Reduktion der nicht-vertebralen Frakturen oder Oberschenkelhalsfrakturen beobachtet, jedoch war die Studie nicht spezifisch dafür angelegt, dies zu belegen" (Anlage ASt EV 2, dort unter Ziffer "5.1").

Schon zur Zeit des Widerspruchsverfahrens ist die Fachinformation "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" geändert worden; demgemäß ist das Arzneimittel für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:

"Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko (siehe Abschnitt 5. 1). Eine Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen wurde gezeigt, eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht ermittelt worden" (Anlage AG 10, dort unter Ziffer "4.1").

Unter Ziffer "5.1 Pharmakodynamische Eigenschaften" heißt es nunmehr u. a.:

"Unabhängige Risikofaktoren, z. B. Knochenmineraldichte, Alter, Frakturen in der Anamnese, Frakturen in der Familiengeschichte, hoher Knochenumbau und niedriger BMI (body mass index) sollten bei der Identifizierung von Frauen mit einem erhöhten Risiko für osteoporotische Frakturen in Betracht gezogen werden....

In der Gesamtpopulation der Studie Mo 2322 wurde keine Reduktion des nicht-vertebralen Frakturrisikos beobachtet. Jedoch zeigte die tägliche Gabe von Ibandronat bei einer Subpopulation mit hohem peripheren Frakturrisiko (BMD-T-Score des Oberschenkelhalses <-3,0) eine Wirksamkeit, wobei eine Reduktion des Risikos von nicht-vertebralen Frakturen um 69 % beobachtet wurde" (Anlage AG 10, dort unter Ziffer "5.1").

Die Parteien haben zur Ergänzung ihres Vorbringen auf die in dem Parallelverfahren gleichen Rubrums HansOLG Hamburg 3 U 261/06 (= Landgericht Hamburg 312 O 745/05) zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen (im folgenden: Beiakte).

B.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Berufung ist demgemäß zurückzuweisen.

I.

1.) Der Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Neuerlass der einstweiligen Verfügung in der Fassung des Senatsbeschlusses vom 24. August 2006, die das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil unter Zurückweisung des Verfügungsantrages aufgehoben hat.

2.) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch betrifft das einschränkungslose Bewerben des Fertigarzneimittels "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" (Wirkstoff: Ibandronsäure) gegenüber Fachkreisen mit den Angaben: (1.) "Bei postmenopausaler Osteoporose" und/oder (2.) "Reduktion des Frakturrisikos", jeweils wie in der Verbotsanlage A zum Senatsbeschluss vom 24. August 2006 , d. h. wie in dem Folder gemäß Anlage ASt EV 6 geschehen.

Der Unterlassungsantrag zu 1.) betreffend die Werbeaussage: "Bei postmenopausaler Osteoporose" ist nicht nur auf einen Verstoß gegen § 3 a HWG in Verbindung mit §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG gestützt (hierzu unter Ziffer II.), sondern auch - und das bestimmt den Streitgegenstand wesentlich mit - auf Irreführung gemäß § 3 HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG (vgl. unter Ziffer III.). Das gilt ebenso für den Unterlassungsantrag zu 2.) bezüglich der Werbeangabe: "Reduktion des Frakturrisikos" (vgl. unter IV.).

II.

Der Unterlassungsantrag zu 1.) betreffend die Werbeaussage: "Bei postmenopausaler Osteoporose" ist aus § 3 a HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG nicht begründet. Hiervon ist im Ergebnis zutreffend auch das Landgericht ausgegangen.

Es besteht die für ein Unterlassungsgebot im einstweiligen Verfügungsverfahren erforderliche, zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht mehr dafür, dass die beanstandete uneingeschränkte Werbeaussage ("Bei postmenopausaler Osteoporose") in dem Folder gemäß Anlage EV ASt 6 sich auf Anwendungsgebiete bezieht, die nicht von der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfasst sind (§ 3 a HWG).

1.) Nach § 3 a Satz 1 HWG ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten, unzulässig. Nach § 3 a Satz 2 HWG findet Satz 1 auch Anwendung, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.

Der Wortlaut der in der Zulassung wiedergegebenen Anwendungsgebiete bestimmt insoweit den rechtlichen Rahmen der Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels, für nicht zugelassene Indikationen darf nicht geworben werden. Mit § 3 a HWG soll potentiellen Irreführungsgefahren auch hinsichtlich des Umfangs der medizinisch-pharmakologischen Überprüfung der Verkehrsfähigkeit und daraus resultierender Gesundheitsgefahren vorgebeugt werden.

Der Begriff "Anwendungsgebiete" - sie gehören zu den vorgeschriebenen Pflichtangaben in der Werbung (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 HWG) - ist gleichbedeutend mit dem in der medizinischen Wissenschaft gebräuchlichen Begriff der Indikation. Er bezeichnet die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung, insbesondere die körperlichen und seelischen Zustände, die durch das betreffende Arzneimittel beeinflusst werden sollen (Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, § 4 HWG Rz. 36 m. w. Nw.).

Die Anwendungsgebiete ergeben sich aus den Zulassungsunterlagen (§ 22 Abs. 1 Nr. 6 AMG) und dem hieran anknüpfenden Zulassungsbescheid. Die angegebenen Indikationen müssen mit denjenigen übereinstimmen, die für das betreffende Präparat durch die zuständige Bundesoberbehörde registriert oder zugelassen sind (Doepner, a. a. O.). Entsprechendes gilt für Arzneimittel, die - wie vorliegend das beworbene Arzneimittel "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" - eine sog. zentrale EG-Zulassung besitzen und bei denen die Zulassungsanträge demgemäß durch den Ausschuss für Arzneimittelspezialitäten der European Medicins Evaluations Agency (EMEA) geprüft worden sind.

2.) Die beanstandete Werbeaussage ("Bei postmenopausaler Osteoporose") in der Anzeige gemäß Anlage ASt EV 6 bezieht sich allerdings generell auf die Anwendung in der Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen. Von einer nur eingeschränkten Anwendung, etwa nicht im Bereich des Oberschenkelhalses, ist nicht die Rede.

Ein derart eingeschränktes Verständnis liegt schon nach aller Lebenserfahrung fern. Dass im Bereich der osteoporotischen Frakturen insbesondere auch die Schenkelhalsfrakturen und demgemäß auch insoweit die Therapie zur Risikoverminderung bei postmenopausalen Frauen von ganz erheblicher Bedeutung sind, hat die Antragstellerin schon im Erlassverfahren glaubhaft gemacht (Anlage ASt EV 15). Zudem gibt es konkurrierende Mittel mit der Therapiebestimmung sogar ausdrücklich für diesen Bereich, so z. B. Seeeeee 70 mg mit der Indikation zur "Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen, um das Risiko für Wirbel- und Hüftfrakturen zu vermindern" (Anlage EV ASt 1).

3.) Die zur Zeit der Senatsentscheidung im Erlassverfahren noch nicht vorgelegene, nunmehr aber zu berücksichtigende Abänderung der Fachinformation für "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" bei Ziffer "4. 1 Anwendungsgebiete" lässt die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme entfallen, dass das Arzneimittel nicht generell zur Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko zugelassen ist. Demgemäß besteht die Anspruchsvoraussetzung für das Unterlassungsgebot aus § 3 a HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG bezüglich der fehlenden Zulassung für das - wie oben ausgeführt - auch beworbene Anwendungsgebiet nicht mehr.

(a) Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Landgerichts, wegen der geänderten Fachinformation stehe nunmehr fest, dass "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" uneingeschränkt zugelassen sei, d. h. generell zur Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko (Urteil des Landgerichts Seite 8).

(aa) Zöge man nur jeweils den ersten Satz (in Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete") der geänderten und der ursprünglichen Fachinformation heran, so ließe das die Schlussfolgerung des Landgerichts zu, die frühere Einschränkung in der Zulassung ("... zur Reduktion des Risikos von vertebralen Frakturen") sei nunmehr entfallen ("mit erhöhtem Frakturrisiko").

Nach der geänderten Fachinformation für "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" ist das Arzneimittel, wie oben ausgeführt für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:

"Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko (siehe Abschnitt 5. 1). Eine Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen wurde gezeigt, eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht ermittelt worden" (Anlage AG 10, unter Ziffer "4.1").

Demgegenüber lautete die Fachinformation für "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" ursprünglich bei Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete", wie oben zitiert, folgendermaßen:

"Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zur Reduktion des Risikos von vertebralen Frakturen. Eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht belegt worden" (Anlage ASt EV 2).

(bb) Eine isolierte, nur auf den ersten Satz in Ziffer "4. 1" fokussierte Betrachtungsweise würde aber den dort zum Ausdruck gebrachten Zulassungsstatus nicht ausschöpfen. Auch in der geänderten Fachinformation steht innerhalb der Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" nach dem ersten Satz ein zweiter, der sich ausdrücklich zur der Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen verhält und eben diese nunmehr als "nicht ermittelt" angibt (Anlage AG 10), während sie ursprünglich als "nicht belegt" beschrieben worden ist (Anlage ASt EV 2).

Die vom Landgericht ausgedrückte Gewissheit, dass der zweite Satz jeweils in Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" lediglich den Stand der durchgeführten Untersuchungen wiedergebe und keine Zulassungseinschränkung bedeute, teilt der Senat nicht. Denn die Arzneimittelzulassung dürfte gerade einen Wirksamkeitsnachweis voraussetzen, der aber für den in Rede stehenden Bereich als fehlend bezeichnet wird.

Zudem sollte der erste Satz unter Ziffer 4.1 gemäß der ursprünglichen Änderungsanzeige des Zulassungsinhabers gegenüber der Kommission bzw. gegenüber der EMEA lauten: "Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Patientinnen mit hohem Frakturrisiko", und zwar ohne jenen zweiten, nunmehr von der Kommission aber dort eingefügten Satz (vgl. Beiakte, dort Anlage AG ASt 4 mit den Übersetzungsanlagen dazu). Gerade die Verortung des zweiten Satzes in Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" spricht eher gegen als für die Schlussfolgerung des Landgerichts.

(cc) Auch im Hinblick auf die Abänderung der Fachinformation unter Ziffer "5.1 Pharmakodynamische Eigenschaften", die sich zu der Studienlage verhält, lässt nicht sicher feststellen, dass die Einschränkung der Zulassung von "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" nunmehr entfallen wäre.

So war, wie ausgeführt, in der Fachinformation ursprünglich unter "Ziffer 5. 1 Pharmakodynamische Eigenschaften" zur Studie Mo 2322 angegeben:

"In dieser Studie wurde keine Reduktion der nicht-vertebralen Frakturen oder Oberschenkelhalsfrakturen beobachtet, jedoch war die Studie nicht spezifisch dafür angelegt, dies zu belegen" (Anlage ASt EV 2); während es in der geänderten Fachinformation nunmehr dort u. a. heißt.:

"Unabhängige Risikofaktoren, z. B. Knochenmineraldichte, Alter, Frakturen in der Anamnese, Frakturen in der Familiengeschichte, hoher Knochenumbau und niedriger BMI (body mass index) sollten bei der Identifizierung von Frauen mit einem erhöhten Risiko für osteoporotische Frakturen in Betracht gezogen werden....

In der Gesamtpopulation der Studie Mo 2322 wurde keine Reduktion des nicht-vertebralen Frakturrisikos beobachtet. Jedoch zeigte die tägliche Gabe von Ibandronat bei einer Subpopulation mit hohem peripheren Frakturrisiko (BMD-T-Score des Oberschenkelhalses <-3,0) eine Wirksamkeit, wobei eine Reduktion des Risikos von nicht-vertebralen Frakturen um 69 % beobachtet wurde" (Anlage AG 10, unter Ziffer "5.1").

Diese Änderungen - sie beruhen unstreitig nicht etwa auf neuen Studien - erklären wiederum jedenfalls nicht zwingend, weshalb gleichwohl in Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" der zweite Satz ("Eine Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen wurde gezeigt, eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht ermittelt worden") dort steht und nicht - wenn er keine Einschränkung der Anwendung bedeuten soll - unter Ziffer "5.1".

(b) Die aufgezeigten Umstände der geänderten Fachinformation führen aber dazu, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme einer beschränkten, für den (Risiko-)Bereich der Oberschenkelhalsfrakturen fehlenden Zulassung und demgemäß die Anspruchsvoraussetzung für einen Verstoß gegen § 3 a Satz 2 HWG nicht mehr gegeben ist. Denn es ist immerhin möglich und durchaus vertretbar, dass mit der geänderten Fassung des ersten Satzes in Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" generell die Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko gemeint sein soll.

4.) In eben diese Richtung geht auch die Abänderung der Gebrauchsinformation für "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" (Anlage ASt EV 21), die ebenfalls Bestandteil der Zulassung ist.

Während zunächst in der Gebrauchsinformation insoweit vermerkt war: "Vaaaaa wurde Ihnen zur Behandlung der Osteoporose verschrieben" (Anlage AG 3 in Schutzschrift Landgericht Hamburg 312 AR 132/06), heißt es dort nunmehr folgendermaßen:

"Vaaaaa wurde Ihnen zur Behandlung der Osteoporose verschrieben, weil Sie ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche haben. Es zeigte sich eine Abnahme des Risikos für Lendenwirbelbrüche, aber nicht für Oberschenkelhalsbrüche. Die Osteoporose ..." (Anlage ASt EV 21).

Es ist dort immerhin allgemein von "Behandlung der Osteoporose" und generell von dem erhöhten "Risiko für Knochenbrüche" die Rede. Der Nachsatz ("Es zeigte sich ... aber nicht für Oberschenkelhalsbrüche") beseitigt die Zweifel an der unbeschränkten Zulassung zwar nicht, deren Bestehen ist aber - entsprechend den obigen Ausführungen - in der Zusammenschau mit der geänderten Fachinformation nunmehr durchaus möglich.

5.) Ebenfalls mehrdeutig im obigen Sinne sind die Ausführungen der Kommission zu deren Entscheidung vom 28. August 2006 betreffend die Änderungsanzeige ("Type II Variation") des Zulassungsinhabers, auf der die aufgezeigten Änderungen der Fachinformation und der Gebrauchsinformation für "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" beruhen (vgl. Beiakte, Anlage AG ASt 4 mit den Übersetzungen).

So heißt es dort zur "Wissenschaftliche Diskussion" unter "3.1 Einleitung" in der Übersetzung u. a.:

"Das Ziel dieser Typ II Änderungsanzeige ist es, die Formulierungen der Behandlungsindikation in Abschnitt 4.1 der SPC (Summary of Product Characteristics) zu revidieren, da die gegenwärtige Formulierung, dem Antragsteller zufolge, unter den verantwortlichen Stellen für Preisgestaltung und Rückerstattung, bei Krankenkassen und Verschreibern, Verwirrung stiftete..."

Unter dem Punkt "3.2 Klinische Aspekte" wird unter "3.2.1 Begründung der vorgeschlagenen Änderung" ausgeführt:

"Der Zulassungsinhaber argumentiert, dass eine Verbesserung des Verständnisses der in der SPC (Summary of Product Characteristics) niedergelegten gegenwärtig zugelassenen Indikationen notwendig ist.

Es bestehen Bedenken, die Formulierungen in Abschnitt 4. 1 der SPC könnten dahingehend missverstanden werden, dass die Indikation zur Behandlung der Osteoporose postmenopausaler Frauen eingeschränkt sei nur auf die Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen. Im Hinblick auf diese Bedenken entschied der Zulassungsinhaber das Verständnis der therapeutischen Indikation von Vaaaaa innerhalb einer Gruppe von 200 Ärzten in Deutschland und Großbritannien (Allgemeinmediziner und Spezialisten) zu beurteilen. Die Auswertung dieses Lesbarkeitstests war, dass nur ein Drittel der Ärzte die Indikationsformulierung korrekt interpretiert hatte, d. h. dass Vaaaaa indiziert ist zur Behandlung von Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose bei bestehendem Frakturrisiko. Die Mehrheit der Ärzte, insgesamt 67 %, glaubte, die gegenwärtige Formulierung bedeute, dass Vaaaaa speziell zur Behandlung von Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose und bestehendem Risiko für vertebrale Frakturen eingesetzt werden sollte ..."

Bei der vom Zulassungsinhaber demgemäß gewünschten Klarstellung im Sinne einer unbeschränkten Zulassung ("Vaaaaa - ist - indiziert ... zur Behandlung von Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose bei bestehendem Frakturrisiko" und eben nicht: "mit bestehendem Risiko - nur - für vertebrale Frakturen) hätte es für die EMEA nahe gelegen, unter Ziffer 4.1 der Fachinformation nur den ersten, vom Zulassungsinhaber in der Änderungsanzeige auch so gewünschten Satz (wie ausgeführt: "Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Patientinnen mit hohem Frakturrisiko") an Stelle der bisherigen zwei Sätze einzufügen.

Das hat aber, wie schon die geänderte Fachinformation zeigt, bei der Kommission keine Zustimmung gefunden. In den Ausführungen der Kommission heißt es hierzu im Punkt "3.2.2 Diskussion" u. a.:

Der CHMP (Ausschuss für Humanarzneimittel der EMEA) diskutierte die Vorschläge des Zulassungsinhabers und stimmte den Kommentaren des Begutachters zu, dass die Absicht des gegenwärtigen Leitlinienentwurfs zur Osteoporose eine Verschiebung des Fokus in Richtung einer Bewertung des zukünftigen Frakturrisikos ist, die es erlauben würde, die Frauen zu identifizieren, welche am meisten von einer Behandlung zur Frakturprävention profitieren würden. Folglich wird erwartet, dass die Unterscheidung zwischen Prävention und Therapie der Osteoporose wegfallen wird.

In der weiteren Diskussion innerhalb des CHMP zum Leitlinienentwurf zur Osteoporose wurde klar festgehalten, dass es notwendig ist, Informationen über die Wirkung des Produkts auf Frakturen, die mit den Ergebnisses klinischer Studien korrespondieren, im Indikationsabschnitt zu erwähnen ..." (Beiakte Anlage AG St 4).

Es fällt auf, dass der Ausschuss der EMEA einerseits schon die im Entwurf vorliegenden, aber bei der Zulassungsänderung noch nicht gültigen Leitlinien im Blick hatte, andererseits es aber gleichwohl für notwendig gehalten hat, die Aufnahme der "Informationen über die Wirkung" des Arzneimittels im "Indikationsabschnitt zu erwähnen".

6.) Die bei der Änderung der Fachinformation geltenden EMEA-Leitlinien im Bereich der Osteoporose-Therapie ("Note for Guidance on postmenopausal osteoporosis in women") hatte der Senat schon in seinem Urteil vom 24. August 2006 (HansOLG 3 U 22/06 - Beiakte) herangezogen, aus ihnen ergibt sich in der Zusammenschau mit der geänderten Fachinformation ebenfalls kein in sich geschlossenes Bild.

In den EMEA-Leitlinien heißt es hierzu (vgl. Beiakte Bl. 273-274):

The applicant will be requested to study the effect of the investigated drug on both spinal and femoral (not all non-vertebral) fractures. This should be done in properly designed and adequately powered studies. The indication will be granted only if anti-fracture efficacy has been demonstrated at, at least, one site and no deleterious effect has been shown at the other site.

In the "indication" part of the SPC (summary of product characteristics), it will be clearly specified if antifracture efficacy has been shown at the spine and/or at the hip. Failure to demonstrate anti-fracture efficacy at the second site will also appear in this section of the SPC...

und in der deutschen Übersetzung:

Der Antragsteller wird ersucht, die Wirkung des zuzulassenden Arzneimittels sowohl bezüglich spinaler als auch femoraler (nicht aller non-vertebraler) Frakturen zu untersuchen. Dies muss anhand ordnungsgemäß geplanter Studien mit adäquater statistischer Trennschärfe geschehen. Die Indikation wird nur zugelassen werden, wenn eine frakturmindernde Wirkung zumindest in einem Skelettbereich nachgewiesen wurde und keine schädigenden Effekte im anderen Bereich festgestellt wurden.

Im Teil "Anwendungsbereich" der Fachinformation wird klar spezifiziert werden, ob eine frakturmindernde Wirkung an der Wirbelsäule und/oder an der Hüfte gezeigt wurde. Eine nicht nachgewiesene risikoreduzierte Wirkung im zweiten Bereich wird ebenfalls in diesem Abschnitt der Fachinformation aufgeführt.

Demgemäß setzt eine Indikation den Nachweis einer "frakturmindernden Wirkung zumindest in einem Skelettbereich" voraus und dass "keine schädigenden Effekte im anderen Bereich festgestellt wurden". Über die Reichweite der dann auszusprechenden Zulassung ist damit aber noch nichts Abschließendes gesagt.

Die geänderte Fachinformation für "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" trägt der in den EMEA-Leitlinien geforderten Spezifizierung ("ob eine frakturmindernde Wirkung an der Wirbelsäule und/oder an der Hüfte gezeigt wurde") unter Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" zwar Rechnung, verhält sich aber im Ergebnis zu dem Umfang der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht eindeutig.

Die Annahme einer unbeschränkten Zulassung dürfte aber eher stützen als widerlegen, dass die EMEA den Ausführungen des Zulassungsinhabers zum Missverständnis der Ärzte über die (vermeintlich) beschränkte Zulassung von "Vaaaaa" insoweit jedenfalls nicht widersprochen hat.

7.) Ob und inwieweit zukünftig die EMEA ihre Zulassungspraxis für die Osteoporose-Therapie ändern wird, ist für die vorliegend zu treffende Entscheidung ohne Belang.

III.

Der Unterlassungsantrag zu 1.) bezüglich der Werbeaussage: "Bei postmenopausaler Osteoporose" ist auch aus § 3 HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG nicht begründet.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch war von Anfang an auch auf den Vorwurf der irreführenden Werbung gestützt, und zwar im Hinblick auf den Umfang der Zulassung und die fehlende wissenschaftliche Gesichertheit der Wirksamkeit von "Vaaaaa(r) 3 mg/3ml Injektionslösung in einer Fertigspritze" für die Risikoreduktion im Bereich der Oberschenkelhalsfrakturen.

Diese Gesichtspunkte können aber entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht durchgreifen. Der Werbeanzeige der Antragsgegnerinnen ist auch nicht mittelbar zu entnehmen, es lägen bei dem Arzneimittel gerade für die Risikoreduktion im Bereich der Oberschenkelhalsfrakturen gesicherte Erkenntnisse vor. Vielmehr hält sich die Werbung im Rahmen der Indikation; hiervon ist entsprechend den obigen Ausführungen auszugehen. Insoweit kommt aber auch keine Irreführung von Relevanz in Betracht.

IV.

Der Unterlassungsantrag zu 2.) betreffend die Werbeaussage: "Reduktion des Frakturrisikos" ist weder aus § 3 a HWG, noch aus § 3 HWG - jeweils in Verbindung mit §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG - begründet.

Die angegriffene Werbeaussage in der Anzeige gemäß Anlage ASt EV 6 bezieht sich allerdings ebenfalls generell auf die Anwendung in der Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen. Auf die obigen Ausführungen unter II. 2. wird entsprechend Bezug genommen.

Die Werbeaussage in dem Äußerungsumfeld verstößt aber nicht gegen § 3 a HWG und auch nicht gegen § 3 HWG. Auf die obigen Ausführungen unter II. 3.-6. und unter III. wird entsprechend Bezug genommen.

V.

Nach alledem war die Berufung der Antragstellerin nicht begründet und demgemäß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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