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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.04.2007
Aktenzeichen: 3 U 261/06
Rechtsgebiete: HWG, UWG


Vorschriften:

HWG § 3 a
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8
1. Ist das Anwendungsgebiet eines (gemeinschaftlich zugelassenen) Arzneimittels laut Fachinformation unter Weglassen einer Einschränkung jedenfalls sprachlich geändert worden (hier in: "Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko"; demgegenüber zuvor: "zur Reduktion des Risikos von vertebralen Frakturen"), so verstößt eine generalisierend zu verstehende Werbung nicht gegen § 3 a Satz 2 HWG, wenn nicht (mehr) überwiegend wahrscheinlich ist, dass es insoweit an einer Zulassung (hier: für den mitbeworbenen Bereich der Oberschenkelhalsfrakturen) fehlt.

2. Auch ein differenzierender Zusatz innerhalb der Anwendungsgebiete (hier: "Eine Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen wurde gezeigt, eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht ermittelt worden") muss keine insoweit eingeschränkte Zulassung bedeuten, auch wenn die Fachinformation unter den "pharmakodynamischen Eigenschaften" über entsprechende Unterschiede in der Studienlage berichtet. Entsprechendes gilt für eine nicht eindeutige Entscheidung der Kommission auf die "Typ-II-Änderungsanzeige" unter Anwendung der geltenden EMEA-Leitlinien im Bereich der Osteoporose-Therapie.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 261/06

Verkündet am: 12. April 2007

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler nach der am 1. März 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 24. Oktober 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Urteilsausspruch des Landgerichts am Ende von Ziffer 1.) angefügt wird: "und der auf ihren Erlass gerichtete Verfügungsantrag wird zurückgewiesen".

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

A.

Die Parteien sind Pharmaunternehmen, sie vertreiben verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung der Osteoporose bei Frauen nach der Menopause und stehen miteinander im Wettbewerb.

Das vorliegende Verfahren betrifft die Aufhebung einer gegen die Antragsgegnerinnen ergangenen einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände (§§ 936, 927 ZPO).

Die Antragstellerin hatte eine Werbeanzeige für das gemeinschaftlich (EG-Zulassung) zugelassene Arzneimittel "Vaaaaa(r) " als wettbewerbswidrig beanstandet und im Anordnungsverfahren deswegen die Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hatte im Anordnungsverfahren mit Urteil vom 29. November 2005 seine Beschlussverfügung vom 11. Oktober 2005, mit der den beiden Antragsgegnerinnen unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten worden war, im Wettbewerb das Fertigarzneimittel "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" (Wirkstoff: Ibrandronsäure) uneingeschränkt mit der Angabe "Die Monatstablette zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose" zu bewerben, wie in der diesem Beschluss beigefügten Anlage A geschehen (es folgt die Beschlussanlage A = Kopie der Anzeige gemäß Anlage ASt EV 3); aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.

Auf die dagegen gerichtete Berufung der Antragstellerin hatte der Senat mit Urteil vom 24. August 2006 (HansOLG Hamburg 3 U 22/06 - PharmR 2007, 127) das landgerichtliche Urteil abgeändert und die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 11. Oktober 2005 mit der Maßgabe erneut erlassen,

dass dem Verbotsausspruch vorangestellt wird: "innerhalb der Fachkreise" und dass es im Verbotsausspruch in der Klammer richtig heißt: "Wirkstoff: Ibandronsäure".

Auf die Entscheidungen im Anordnungsverfahren wird Bezug genommen.

Im vorliegenden Aufhebungsverfahren hat das Landgericht auf Antrag der Antragsgegnerinnen durch Urteil vom 24. Oktober 2006 die einstweilige Verfügung in der Fassung des Senatsurteils vom 24. August 2006 aufgehoben. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich vorliegend die Berufung der Antragstellerin, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung in der Fassung des Senatsurteils vom 24. August 2006 erneut zu erlassen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass

1.) dem Urteilsauspruch des Landgerichts angefügt wird: "und den auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrag zurückzuweisen";

2.) der Antragstellerin auch die Kosten des vorangegangenen Anordnungsverfahrens auferlegt werden.

In der beanstandeten "Vaaaaa"-Anzeige der Antragsgegnerinnen (veröffentlicht in der ÄrzteZeitung Nr. xxx vom xxxx 2005 - Anlage ASt EV 3) steht über der Darstellung eines 12-Monate-Bildkalenders mit zwölf Tabletten die Angabe: "12 statt 52 Tabletten im Jahr: Was bevorzugen Ihre Patienten?" Unter dem Bildkalender stehen im Blickfang die Hinweise "Neu" und:

"Die Monatstablette zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose".

Das beworbene Arzneimittel "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" (Wirkstoff Ibandronsäure) war zur Zeit des Anordnungsverfahrens gemäß der Fachinformation für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:

"Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zur Reduktion des Risikos von vertebralen Frakturen. Eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht belegt worden" (Anlage ASt EV 2, unter Ziffer "4.1").

Außerdem war in der Fachinformation unter "Ziffer 5. 1 Pharmakodynamische Eigenschaften" zur Studie Mo 2322 angegeben:

"In dieser Studie wurde keine Reduktion der nicht-vertebralen Frakturen oder Oberschenkelhalsfrakturen beobachtet, jedoch war die Studie nicht spezifisch dafür angelegt, dies zu belegen" (Anlage ASt EV 2, unter Ziffer "5.1").

Inzwischen ist die Fachinformation für "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" geändert worden; demgemäß ist das Arzneimittel für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:

"Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko (siehe Abschnitt 5. 1). Eine Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen wurde gezeigt, eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht ermittelt worden" (Anlage AG ASt 3, unter Ziffer "4.1").

Unter Ziffer "5.1 Pharmakodynamische Eigenschaften" heißt es nunmehr u. a.:

"Unabhängige Risikofaktoren, z. B. Knochenmineraldichte, Alter, Frakturen in der Anamnese, Frakturen in der Familiengeschichte, hoher Knochenumbau und niedriger BMI (body mass index) sollten bei der Identifizierung von Frauen mit einem erhöhten Risiko für osteoporotische Frakturen in Betracht gezogen werden....

In der Gesamtpopulation der Studie Mo 2322 wurde keine Reduktion des nicht-vertebralen Frakturrisikos beobachtet. Jedoch zeigte die tägliche Gabe von Ibandronat bei einer Subpopulation mit hohem peripheren Frakturrisiko (BMD-T-Score des Oberschenkelhalses <-3,0) eine Wirksamkeit, wobei eine Reduktion des Risikos von nicht-vertebralen Frakturen um 69 % beobachtet wurde" (Anlage AG ASt 3, unter Ziffer "5.1").

B.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das landgerichtliche Urteil ist allerdings um den dort fehlenden Ausspruch der Zurückweisung des auf den Erlass der einstweiligen Verfügung gerichteten Verfügungsantrages zu ergänzen. Die Berufung ist demgemäß mit der aus dem Urteilsausspruch des Senats ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.

I.

1.) Der Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Neuerlass der einstweiligen Verfügung in der Fassung des Senatsurteils vom 24. August 2006 aus dem Anordnungsverfahren, die das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil wegen veränderter Umstände (§§ 936, 927 ZPO) aufgehoben hat.

2.) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch betrifft das einschränkungslose Bewerben des Fertigarzneimittels "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" (Wirkstoff: Ibandronsäure) gegenüber Fachkreisen mit der Angabe: "Die Monatstablette zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose", wie in der Verbotsanlage A zur Beschlussverfügung des Landgerichts vom 11. Oktober 2005, d. h. wie in der Anzeige gemäß Anlage ASt EV 3 geschehen.

Der Unterlassungsantrag ist nicht nur auf einen Verstoß gegen § 3 a HWG in Verbindung mit §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG gestützt (hierzu unter Ziffer II.), sondern auch - und das bestimmt den Streitgegenstand wesentlich mit - auf Irreführung betreffend die fehlende wissenschaftliche Absicherung der Werbeaussage gemäß § 3 HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG (vgl. unter Ziffer III.).

3.) Über die Kostenentscheidung des Landgerichts betreffend die Kosten des Anordnungsverfahrens, die die Antragsgegnerinnen zu ihren Gunsten abgeändert haben möchten, ist auch ohne Anschlussberufung der Antragsgegnerinnen von Amts wegen zu entscheiden (§ 308 Abs. 2 ZPO - vgl. hierzu unter Ziffer IV.).

II.

Der mit der einstweiligen Verfügung gemäß Senatsurteil vom 24. August 2006 geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aus § 3 a HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG nicht mehr begründet. Hiervon ist im Ergebnis zutreffend auch das Landgericht ausgegangen.

Es besteht die für ein Unterlassungsgebot im einstweiligen Verfügungsverfahren erforderliche, zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht mehr dafür, dass die beanstandete uneingeschränkte Werbeaussage ("Die Monatstablette zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose") in der Anzeige gemäß Anlage EV ASt 3 sich auf Anwendungsgebiete bezieht, die nicht von der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfasst sind (§ 3 a HWG).

1.) Nach § 3 a Satz 1 HWG ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten, unzulässig. Nach § 3 a Satz 2 HWG findet Satz 1 auch Anwendung, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.

Der Wortlaut der in der Zulassung wiedergegebenen Anwendungsgebiete bestimmt insoweit den rechtlichen Rahmen der Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels, für nicht zugelassene Indikationen darf nicht geworben werden. Mit § 3 a HWG soll potentiellen Irreführungsgefahren auch hinsichtlich des Umfangs der medizinisch-pharmakologischen Überprüfung der Verkehrsfähigkeit und daraus resultierender Gesundheitsgefahren vorgebeugt werden.

Der Begriff "Anwendungsgebiete" - sie gehören zu den vorgeschriebenen Pflichtangaben in der Werbung (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 HWG) - ist gleichbedeutend mit dem in der medizinischen Wissenschaft gebräuchlichen Begriff der Indikation. Er bezeichnet die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung, insbesondere die körperlichen und seelischen Zustände, die durch das betreffende Arzneimittel beeinflusst werden sollen (Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, § 4 HWG Rz. 36 m. w. Nw.).

Die Anwendungsgebiete ergeben sich aus den Zulassungsunterlagen (§ 22 Abs. 1 Nr. 6 AMG) und dem hieran anknüpfenden Zulassungsbescheid. Die angegebenen Indikationen müssen mit denjenigen übereinstimmen, die für das betreffende Präparat durch die zuständige Bundesoberbehörde registriert oder zugelassen sind (Doepner, a. a. O.). Entsprechendes gilt für Arzneimittel, die - wie vorliegend das beworbene Arzneimittel "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" - eine sog. zentrale EG-Zulassung besitzen und bei denen die Zulassungsanträge demgemäß durch den Ausschuss für Arzneimittelspezialitäten der European Medicins Evaluations Agency (EMEA) geprüft worden sind.

2.) Die beanstandete Werbeaussage ("Die Monatstablette zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose") in der Anzeige gemäß Anlage EV ASt 3 bezieht sich allerdings generell auf die Anwendung in der Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen. Von einer nur eingeschränkten Anwendung, etwa nicht im Bereich des Oberschenkelhalses, ist nicht die Rede.

Ein derart eingeschränktes Verständnis liegt schon nach aller Lebenserfahrung fern. Dass im Bereich der osteoporotischen Frakturen insbesondere auch die Schenkelhalsfrakturen und demgemäß auch insoweit die Therapie zur Risikoverminderung bei postmenopausalen Frauen von ganz erheblicher Bedeutung sind, hat die Antragstellerin schon im Anordnungsverfahren glaubhaft gemacht (Anlage ASt EV 8). Zudem gibt es konkurrierende Mittel mit der Therapiebestimmung sogar ausdrücklich für diesen Bereich, so z. B. Seeeeee 70 mg mit der Indikation zur "Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen, um das Risiko für Wirbel- und Hüftfrakturen zu vermindern" (Anlage EV ASt 1).

3.) Die zur Zeit der Senatsentscheidung im Anordnungsverfahren noch nicht vorgelegene, nunmehr aber zu berücksichtigende Abänderung der Fachinformation für "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" bei Ziffer "4. 1 Anwendungsgebiete" lässt die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme entfallen, dass das Arzneimittel nicht generell zur Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko zugelassen ist. Damit haben die Antragsgegnerinnen glaubhaft gemacht, dass veränderte Umstände im Sinne der §§ 936, 927 ZPO vorliegen, nach denen die Anspruchsvoraussetzung für das Unterlassungsgebot aus § 3 a HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG bezüglich der fehlenden Zulassung für das - wie oben ausgeführt - auch beworbene Anwendungsgebiet nicht mehr besteht.

(a) Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Landgerichts, wegen der geänderten Fachinformation stehe nunmehr fest, dass "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" uneingeschränkt zugelassen sei, d. h. generell zur Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko (Urteil des Landgerichts Seite 7).

(aa) Zöge man nur jeweils den ersten Satz (in Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete") der geänderten und der ursprünglichen Fachinformation heran, so ließe das die Schlussfolgerung des Landgerichts zu, die frühere Einschränkung in der Zulassung ("... zur Reduktion des Risikos von vertebralen Frakturen") sei nunmehr entfallen ("mit erhöhtem Frakturrisiko").

Nach der geänderten Fachinformation für "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" ist das Arzneimittel, wie oben ausgeführt für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:

"Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko (siehe Abschnitt 5. 1). Eine Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen wurde gezeigt, eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht ermittelt worden" (Anlage AG ASt 3, unter Ziffer "4.1").

Demgegenüber lautete die Fachinformation für "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" ursprünglich bei Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete", wie oben zitiert, folgendermaßen:

"Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zur Reduktion des Risikos von vertebralen Frakturen. Eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht belegt worden" (Anlage ASt EV 2).

(bb) Eine isolierte, nur auf den ersten Satz in Ziffer "4. 1" fokussierte Betrachtungsweise würde aber den dort zum Ausdruck gebrachten Zulassungsstatus nicht ausschöpfen. Auch in der geänderten Fachinformation steht innerhalb der Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" nach dem ersten Satz ein zweiter, der sich ausdrücklich zur der Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen verhält und eben diese nunmehr als "nicht ermittelt" angibt (Anlage AG ASt 3), während sie ursprünglich als "nicht belegt" beschrieben worden ist (Anlage ASt EV 2).

Die vom Landgericht ausgedrückte Gewissheit, dass der zweite Satz jeweils in Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" lediglich den Stand der durchgeführten Untersuchungen wiedergebe und keine Zulassungseinschränkung bedeute, teilt der Senat nicht. Denn die Arzneimittelzulassung dürfte gerade einen Wirksamkeitsnachweis voraussetzen, der aber für den in Rede stehenden Bereich als fehlend bezeichnet wird.

Zudem sollte der erste Satz unter Ziffer 4.1 gemäß der ursprünglichen Änderungsanzeige des Zulassungsinhabers gegenüber der Kommission bzw. gegenüber der EMEA lauten: "Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Patientinnen mit hohem Frakturrisiko", und zwar ohne jenen zweiten, nunmehr von der Kommission aber dort eingefügten Satz (vgl. Anlage AG ASt 4 mit den Übersetzungsanlagen dazu). Gerade die Verortung des zweiten Satzes in Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" spricht eher gegen als für die Schlussfolgerung des Landgerichts.

(cc) Auch im Hinblick auf die Abänderung der Fachinformation unter Ziffer "5.1 Pharmakodynamische Eigenschaften", die sich zu der Studienlage verhält, lässt nicht sicher feststellen, dass die Einschränkung der Zulassung von "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" nunmehr entfallen wäre.

So war, wie ausgeführt, in der Fachinformation ursprünglich unter "Ziffer 5. 1 Pharmakodynamische Eigenschaften" zur Studie Mo 2322 angegeben:

"In dieser Studie wurde keine Reduktion der nicht-vertebralen Frakturen oder Oberschenkelhalsfrakturen beobachtet, jedoch war die Studie nicht spezifisch dafür angelegt, dies zu belegen" (Anlage ASt EV 2);

während es in der geänderten Fachinformation nunmehr dort u. a. heißt.:

"Unabhängige Risikofaktoren, z. B. Knochenmineraldichte, Alter, Frakturen in der Anamnese, Frakturen in der Familiengeschichte, hoher Knochenumbau und niedriger BMI (body mass index) sollten bei der Identifizierung von Frauen mit einem erhöhten Risiko für osteoporotische Frakturen in Betracht gezogen werden....

In der Gesamtpopulation der Studie Mo 2322 wurde keine Reduktion des nicht-vertebralen Frakturrisikos beobachtet. Jedoch zeigte die tägliche Gabe von Ibandronat bei einer Subpopulation mit hohem peripheren Frakturrisiko (BMD-T-Score des Oberschenkelhalses <-3,0) eine Wirksamkeit, wobei eine Reduktion des Risikos von nicht-vertebralen Frakturen um 69 % beobachtet wurde" (Anlage AG ASt 3, unter Ziffer "5.1").

Diese Änderungen - sie beruhen unstreitig nicht etwa auf neuen Studien - erklären wiederum jedenfalls nicht zwingend, weshalb gleichwohl in Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" der zweite Satz ("Eine Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen wurde gezeigt, eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht ermittelt worden") dort steht und nicht - wenn er keine Einschränkung der Anwendung bedeuten soll - unter Ziffer "5.1".

(b) Die aufgezeigten Umstände der geänderten Fachinformation führen aber dazu, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme einer beschränkten, für den (Risiko-)Bereich der Oberschenkelhalsfrakturen fehlenden Zulassung und demgemäß die Anspruchsvoraussetzung für einen Verstoß gegen § 3 a Satz 2 HWG nicht mehr gegeben ist. Denn es ist immerhin möglich und durchaus vertretbar, dass mit der geänderten Fassung des ersten Satzes in Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" generell die Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko gemeint sein soll.

4.) In eben diese Richtung geht auch die Abänderung der Gebrauchsinformation für "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" (Anlage ASt EV 24), die ebenfalls Bestandteil der Zulassung ist.

Während zunächst in der Gebrauchsinformation insoweit vermerkt war: "Vaaaaa wurde Ihnen zur Behandlung der Osteoporose verschrieben" (Anlage AG 12), heißt es dort nunmehr folgendermaßen:

"Vaaaaa wurde Ihnen zur Behandlung der Osteoporose verschrieben, weil Sie ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche haben. Es zeigte sich eine Abnahme des Risikos für Lendenwirbelbrüche, aber nicht für Oberschenkelhalsbrüche. Die Osteoporose ..." (Anlage ASt EV 24).

Es ist dort immerhin allgemein von "Behandlung der Osteoporose" und generell von dem erhöhten "Risiko für Knochenbrüche" die Rede. Der Nachsatz ("Es zeigte sich ... aber nicht für Oberschenkelhalsbrüche") beseitigt die Zweifel an der unbeschränkten Zulassung zwar nicht, deren Bestehen ist aber - entsprechend den obigen Ausführungen - in der Zusammenschau mit der geänderten Fachinformation nunmehr durchaus möglich.

5.) Ebenfalls mehrdeutig im obigen Sinne sind die Ausführungen der Kommission zu deren Entscheidung vom 28. August 2006 betreffend die Änderungsanzeige ("Type II Variation") des Zulassungsinhabers, auf der die aufgezeigten Änderungen der Fachinformation und der Gebrauchsinformation für "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" beruhen (vgl. Anlage AG ASt 4 mit den Übersetzungen).

So heißt es dort zur "Wissenschaftliche Diskussion" unter "3.1 Einleitung" in der Übersetzung u. a.:

"Das Ziel dieser Typ II Änderungsanzeige ist es, die Formulierungen der Behandlungsindikation in Abschnitt 4.1 der SPC (Summary of Product Characteristics) zu revidieren, da die gegenwärtige Formulierung, dem Antragsteller zufolge, unter den verantwortlichen Stellen für Preisgestaltung und Rückerstattung, bei Krankenkassen und Verschreibern, Verwirrung stiftete..."

Unter dem Punkt "3.2 Klinische Aspekte" wird unter "3.2.1 Begründung der vorgeschlagenen Änderung" ausgeführt:

"Der Zulassungsinhaber argumentiert, dass eine Verbesserung des Verständnisses der in der SPC (Summary of Product Characteristics) niedergelegten gegenwärtig zugelassenen Indikationen notwendig ist.

Es bestehen Bedenken, die Formulierungen in Abschnitt 4. 1 der SPC könnten dahingehend missverstanden werden, dass die Indikation zur Behandlung der Osteoporose postmenopausaler Frauen eingeschränkt sei nur auf die Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen. Im Hinblick auf diese Bedenken entschied der Zulassungsinhaber das Verständnis der therapeutischen Indikation von Vaaaaa innerhalb einer Gruppe von 200 Ärzten in Deutschland und Großbritannien (Allgemeinmediziner und Spezialisten) zu beurteilen. Die Auswertung dieses Lesbarkeitstests war, dass nur ein Drittel der Ärzte die Indikationsformulierung korrekt interpretiert hatte, d. h. dass Vaaaaa indiziert ist zur Behandlung von Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose bei bestehendem Frakturrisiko. Die Mehrheit der Ärzte, insgesamt 67 %, glaubte, die gegenwärtige Formulierung bedeute, dass Vaaaaa speziell zur Behandlung von Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose und bestehendem Risiko für vertebrale Frakturen eingesetzt werden sollte ..."

Bei der vom Zulassungsinhaber demgemäß gewünschten Klarstellung im Sinne einer unbeschränkten Zulassung ("Vaaaaa - ist - indiziert ... zur Behandlung von Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose bei bestehendem Frakturrisiko" und eben nicht: "mit bestehendem Risiko - nur - für vertebrale Frakturen) hätte es für die EMEA nahe gelegen, unter Ziffer 4.1 der Fachinformation nur den ersten, vom Zulassungsinhaber in der Änderungsanzeige auch so gewünschten Satz (wie ausgeführt: "Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Patientinnen mit hohem Frakturrisiko") an Stelle der bisherigen zwei Sätze einzufügen.

Das hat aber, wie schon die geänderte Fachinformation zeigt, bei der Kommission keine Zustimmung gefunden. In den Ausführungen der Kommission heißt es hierzu im Punkt "3.2.2 Diskussion" u. a.:

Der CHMP (Ausschuss für Humanarzneimittel der EMEA) diskutierte die Vorschläge des Zulassungsinhabers und stimmte den Kommentaren des Begutachters zu, dass die Absicht des gegenwärtigen Leitlinienentwurfs zur Osteoporose eine Verschiebung des Fokus in Richtung einer Bewertung des zukünftigen Frakturrisikos ist, die es erlauben würde, die Frauen zu identifizieren, welche am meisten von einer Behandlung zur Frakturprävention profitieren würden. Folglich wird erwartet, dass die Unterscheidung zwischen Prävention und Therapie der Osteoporose wegfallen wird.

In der weiteren Diskussion innerhalb des CHMP zum Leitlinienentwurf zur Osteoporose wurde klar festgehalten, dass es notwendig ist, Informationen über die Wirkung des Produkts auf Frakturen, die mit den Ergebnisses klinischer Studien korrespondieren, im Indikationsabschnitt zu erwähnen ..." (Anlage AG St 4).

Es fällt auf, dass der Ausschuss der EMEA einerseits schon die im Entwurf vorliegenden, aber bei der Zulassungsänderung noch nicht gültigen Leitlinien im Blick hatte, andererseits es aber gleichwohl für notwendig gehalten hat, die Aufnahme der "Informationen über die Wirkung" des Arzneimittels im "Indikationsabschnitt zu erwähnen".

6.) Die bei der Änderung der Fachinformation geltenden EMEA-Leitlinien im Bereich der Osteoporose-Therapie ("Note for Guidance on postmenopausal osteoporosis in women") hatte der Senat schon in seinem Urteil vom 24. August 2006 herangezogen, aus ihnen ergibt sich in der Zusammenschau mit der geänderten Fachinformation ebenfalls kein in sich geschlossenes Bild.

In den EMEA-Leitlinien heißt es hierzu (vgl. Bl. 273-274):

The applicant will be requested to study the effect of the investigated drug on both spinal and femoral (not all non-vertebral) fractures. This should be done in properly designed and adequately powered studies. The indication will be granted only if anti-fracture efficacy has been demonstrated at, at least, one site and no deleterious effect has been shown at the other site.

In the "indication" part of the SPC (summary of product characteristics), it will be clearly specified if antifracture efficacy has been shown at the spine and/or at the hip. Failure to demonstrate anti-fracture efficacy at the second site will also appear in this section of the SPC...

und in der deutschen Übersetzung:

Der Antragsteller wird ersucht, die Wirkung des zuzulassenden Arzneimittels sowohl bezüglich spinaler als auch femoraler (nicht aller non-vertebraler) Frakturen zu untersuchen. Dies muss anhand ordnungsgemäß geplanter Studien mit adäquater statistischer Trennschärfe geschehen. Die Indikation wird nur zugelassen werden, wenn eine frakturmindernde Wirkung zumindest in einem Skelettbereich nachgewiesen wurde und keine schädigenden Effekte im anderen Bereich festgestellt wurden.

Im Teil "Anwendungsbereich" der Fachinformation wird klar spezifiziert werden, ob eine frakturmindernde Wirkung an der Wirbelsäule und/oder an der Hüfte gezeigt wurde. Eine nicht nachgewiesene risikoreduzierte Wirkung im zweiten Bereich wird ebenfalls in diesem Abschnitt der Fachinformation aufgeführt.

Demgemäß setzt eine Indikation den Nachweis einer "frakturmindernden Wirkung zumindest in einem Skelettbereich" voraus und dass "keine schädigenden Effekte im anderen Bereich festgestellt wurden". Über die Reichweite der dann auszusprechenden Zulassung ist damit aber noch nichts Abschließendes gesagt.

Die geänderte Fachinformation für "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" trägt der in den EMEA-Leitlinien geforderten Spezifizierung ("ob eine frakturmindernde Wirkung an der Wirbelsäule und/oder an der Hüfte gezeigt wurde") unter Ziffer "4.1 Anwendungsgebiete" zwar Rechnung, verhält sich aber im Ergebnis zu dem Umfang der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht eindeutig.

Die Annahme einer unbeschränkten Zulassung dürfte aber eher stützen als widerlegen, dass die EMEA den Ausführungen des Zulassungsinhabers zum Missverständnis der Ärzte über die (vermeintlich) beschränkte Zulassung von "Vaaaaa" insoweit jedenfalls nicht widersprochen hat.

7.) Ob und inwieweit zukünftig die EMEA ihre Zulassungspraxis für die Osteoporose-Therapie ändern wird, ist für die vorliegend zu treffende Entscheidung ohne Belang.

III.

Der Unterlassungsantrag gemäß dem Senatsurteil vom 24. August 2006 ist auch aus § 3 HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG nicht begründet.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch war von Anfang an auch auf den Vorwurf der irreführenden Werbung gestützt, und zwar im Hinblick auf die fehlende wissenschaftliche Gesichertheit der Wirksamkeit von "Vaaaaa(r) 150 mg Filmtabletten" für die Risikoreduktion im Bereich der Oberschenkelhalsfrakturen.

Dieser Gesichtspunkt kann es aber entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht durchgreifen. Der Werbeanzeige der Antragsgegnerinnen ist auch nicht mittelbar zu entnehmen, es lägen bei dem Arzneimittel gerade für die Risikoreduktion im Bereich der Oberschenkelhalsfrakturen gesicherte Erkenntnisse vor. Vielmehr hält sich die Werbung im Rahmen der Indikation; hiervon ist entsprechend den obigen Ausführungen auszugehen. Insoweit kommt aber auch keine Irreführung von Relevanz in Betracht.

IV.

Nach alledem war die Berufung der Antragstellerin nicht begründet und demgemäß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auch nach Auffassung des Senats ist die Kostenentscheidung betreffend das Anordnungsverfahren aus dem Urteil des Senats vom 24. August 2006 nicht abzuändern.

Die Kostenentscheidung im Aufhebungsverfahren (§§ 936, 927 ZPO) betrifft grundsätzlich nur dieses. Die Entscheidung des Senats vom 24. August 2006 ist rechtskräftig und das Aufhebungsverfahren wegen veränderter Umstände kann nicht gleichsam als "nächster Instanzenzug" noch einmal die Entscheidungen im Anordnungsverfahren überprüfen. Insoweit steht auch die Kostenentscheidung des Anordnungsverfahrens nicht zur Disposition.

Nach zutreffender herrschender Meinung ist allerdings ausnahmsweise auch über die Kosten des Anordnungsverfahrens neu zu entscheiden und diese dem Verfügungskläger aufzuerlegen, wenn die veränderten Umstände die Verfügung rückwirkend beseitigen, so bei fehlender Vollziehung der einstweiligen Verfügung oder bei rechtskräftiger Klageabweisung in der Hauptsache als anfänglich unbegründet (BGH WRP 1993, 764 - Verfügungskosten m. w. Nw.). Um so eine Fallgestaltung geht es vorliegend nicht, sondern - wie ausgeführt - um die veränderte Lage bezüglich der überwiegenden Wahrscheinlichkeit aufgrund der inzwischen geänderten Fachinformation.

Ende der Entscheidung

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