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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.07.2001
Aktenzeichen: 3 U 294/00
Rechtsgebiete: MarkenG, EG


Vorschriften:

MarkenG § 14
EG Art. 28
EG Art. 30
1. Eine Zwangslage im Sinne der EuGH-Entscheidung vom 12.10.1999 (C-379/97 - Upjohn./.Paranova, GRUR Int. 2000, 159 ff.) ist für den Parallelimporteur, der in die Integrität der importierten Ware eingreifen will, jedenfalls dann nicht gegeben, wenn zum Zeitpunkt des Vertriebs die tatsächlichen Voraussetzungen, die zu einem früheren Zeitpunkt eine Zwangslage begründet haben, fortgefallen sind.

2. Zur Feststellung einer Zwangslage ist zwischen den widerstreitenden Interessen von freiem Warenverkehr und Markenrecht abzuwägen, wobei der Parallelimporteur auch von sich aus bemüht sein muß, im Rahmen des Zumutbaren bestehende Bedenken auszuräumen, indem er etwa klärt, ob mit Widerständen dritter Rechteinhaber zu rechnen ist. Läßt sich danach sagen, daß er aus seiner Sicht zwar nicht mit letzter Gewißheit, aber doch vernünftigerweise nicht erwarten kann, die Ware mit dem ursprünglichen Zeichen ohne Widerstand absetzen zu können, befindet er sich in einer Zwangslage.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 294/00

Verkündet am: 12. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

"Eprex"

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Rieger nach der am 31. Mai 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 12. Oktober 2000 abgeändert.

Die Antragsgegnerinnen werden im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000 - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das in Griechenland und Spanien unter dem Markennamen "EPREX" vertriebene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Epoetin Alpha unter der Marke "ERYPO" in der Packungsgröße mit 6 Fertigspritzen in Verkehr zu bringen oder in Verkehr bringen zu lassen.

Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits wie Gesamtschuldner.

und beschlossen:

Der Streitwert wird für die Rechtsmittelinstanz auf 500.000 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Antragstellerin vertreibt verschreibungspflichtige Arzneimittel mit dem Wirkstoff Epoetin in Deutschland unter der Marke Erypo. Das Mittel wird auch in Österreich unter dieser Marke, in den anderen Ländern der europäischen Union unter der Marke Eprex vertrieben. Diese zunächst auch in Deutschland für die Antragstellerin eingetragene Marke wurde am 09.06.1988 gelöscht, weil die Inhaber der Zeichen Epilex, Eurex, Hiprex, Östrex und Spherex Widerspruch angemeldet hatten und zu einer Einigung nicht bereit waren.

Die Antragstellerin verfügt auch über Rechte an der für das Konzernunternehmen J. Pharmaceutica NV eingetragenen und am 01.05.1992 auf ganz Deutschland erstreckten IR-Marke Nr. 517 517 Eprex, die hier aber fünf Jahre lang nicht benutzt wurde. Mit Priorität vom 28.04.1997 wurde für D. die deutsche Marke Eprex (im folgenden Drittmarke Eprex) für Arzneimittel mit hier nicht interessierenden Ausnahmen eingetragen (Anlage Ast 36).

Die Antragsgegnerinnen setzten die Antragstellerin am 29.05.2000 von ihrer Absicht in Kenntnis, aus Griechenland importiertes Eprex in Deutschland unter der Marke Erypo zu vertreiben. Im anschließenden Schriftwechsel erwähnten sie die Existenz der Drittmarke Eprex.

Die Antragstellerin erwirkte das Verbot gegen die Antragsgegnerinnen, im geschäftlichen Verkehr das in Griechenland unter dem Markennamen Eprex vertriebene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Epoetin alfa unter der Marke Erypo in der Packungsgröße mit 6 Fertigspritzen in Verkehr zu bringen oder in Verkehr bringen zu lassen.

Im Widerspruchsverfahren machte die Antragstellerin geltend, sie vertreibe seit dem 15.08.2000 das streitige Arzneimittel mit der Wirkstärke 1000 in Deutschland als Eprex 1000.

Das Landgericht hob sein Verbot auf, weil sich die Antragsgegnerinnen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in einer objektiven Zwangslage befänden. Für sie bestehe das gleiche naheliegende und ernsthafte Risiko wie seinerzeit für die Antragstellerin, aus eingetragenen Marken auf Unterlassen in Anspruch genommen zu werden, wenn sie Eprex verwendeten. Es würde den freien Warenverkehr unangemessen einschränken, wolle man ihnen zumuten, sich langwierigen rechtlichen Streitigkeiten mit hohem Kostenrisiko und ungewissem Erfolg aussetzen zu müssen.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Berufung. Sie trägt vor, ihr Konzern benutze die IR-Marke Eprex seit 1988 in der Schweiz, nach dem Deutsch-Schweizerischen Staatsvertrag von 13.04.1892 sei das als Benutzung in Deutschland anzusehen, so daß sie gegenüber der Drittmarke Eprex prioritätsältere Rechte habe. Zudem habe sie die Marke Eprex auch in Deutschland selbst in Benutzung genommen. Dem habe der konzerninterne Beschluß zugrunde gelegen, die Zulassung europaweit zu harmonisieren; mit der Firma S.-S. als Inhaberin der Marke Eurex sei deshalb die Koexistenzvereinbarung vom 30.05./06.07.2000 (Anlage Ast 35) abgeschlossen und die Einführung von Eprex 1000 IU/ml vorangetrieben worden. Die Lage sei für die Antragsgegnerinnen nicht die gleiche wie 1988 für sie selbst. Epilex, Östrex und Hiprex würden nicht benutzt und seien nach heutiger Rechtsprechung ebensowenig wie Spherex mit Eprex verwechselbar. Gegen die Drittmarke Eprex sei Widerspruch eingelegt, während aus den Zeichen Epilex, Eurex, Hiprex, Östrex und Spherex niemand gegen diese Drittmarke vorgegangen sei. Deren Inhaber seinerseits habe ebenfalls niemals Rechte geltend gemacht. Ohnehin könne bestenfalls ein Zwischenrecht entstanden sein, das hinter der Bezeichnung Eprex für Originalprodukte zurücktrete. Weil die Rechtslage geklärt sei, verwende sie selbst nunmehr Eprex in Deutschland.

Da die Antragsgegnerinnen unstreitig auch aus Spanien importiertes Eprex in Deutschland mit der Marke Erypo versehen und vertreiben, beantragt die Antragstellerin,

das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, daß die Antragsgegnerinnen verurteilt werden,

es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000 - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr das in Griechenland und Spanien unter dem Markennamen "EPREX" vertriebene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Epoetin Alpha unter der Marke "ERYPO" in der Packungsgröße mit 6 Fertigspritzen in Verkehr zu bringen oder in Verkehr bringen zu lassen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

die Berufung und den erweiterten Antrag zurückzuweisen.

Sie bestreiten, daß Eprex in der Schweiz benutzt worden sei und eine ernsthafte Benutzungsabsicht für Deutschland bestehe. Eprex 1000 sei vielmehr überstürzt eingeführt worden, als die Antragstellerin aus ihrem Schreiben vom 15.06.2000 erfahren habe, daß die Drittmarke Eprex bestehe, während die eigene IR-Marke löschungsreif sei. Deshalb sei für die Drittmarke nur ein Zwischenrecht entstanden, das im Verhältnis zur Antragstellerin zur Koexistenz führe, während sie selbst - die Antragsgegnerinnen - es respektieren müßten. Auch seien sie Widersprüchen aus den Marken Eurex und Spherex ausgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragstellerin hat Erfolg. Die Klageänderung ist zulässig (§§ 523, 263 ZPO).

I. Gegenstand des Antrages ist allerdings nur die Verwendung der Marke "Erypo" für das importierte Arzneimittel, nicht die fehlende Vorabinformation, bevor der Vertrieb aufgenommen worden ist, so daß auf die Ausführungen der Antragstellerin zu diesem Punkte nicht eingegangen werden muß.

II. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aus den §§ 3, 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3-5 MarkenG begründet.

1. Die Antragstellerin verfügt über die Rechte an der Marke "Erypo". Das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerinnen verletzt diese Rechte, denn ohne ihre Zustimmung darf kein Dritter Arzneimittelpackungen mit "Erypo" versehen und so gekennzeichnet anbieten und/oder vertreiben (§ 14 Abs. 2-4 MarkenG).

Die Antragsgegnerinnen verwenden bei der Umkennzeichnung neu hergestellte Verpackungen mit der Bezeichnung "Erypo"; insoweit liegt der markenrechtliche Verletzungstatbestand des "Versehens" mit der Bezeichnung "Erypo" vor.

2. Gemeinschaftsrechtlichen Erwägungen stehen dem nicht entgegen. Die Antragstellerin darf sich der Benutzung ihrer Marke aus berechtigten Gründen widersetzen (§ 24 Abs. 2 MarkenG). Die Antragsgegnerinnen nehmen mit dem Umpacken in neu hergestellte "Erypo"-Verpackungen einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Rechte aus der Klagemarke vor.

Der Europäische Gerichtshof geht grundsätzlich davon aus, daß dem Importeur, der fremde Markenware wegen des gemäß Art. 28, 30 EG (früher 30, 36 EG-Vertrag) zu gewährleistenden freien Warenverkehrs innerhalb der Europäischen Union trotz der fehlenden Zustimmung des Markeninhabers zulässigerweise verändert, damit eine "bestimmte Befugnis eingeräumt wird, die unter normalen Umständen dem Markeninhaber selbst vorbehalten ist" (EuGH WRP 1996, 874, 879, Ziffer 40 - MPA Pharma). Diese Befugnis besteht ausnahmsweise und nur dann mit der Folge, daß sich der Markeninhaber nicht auf sein ausschließliches Benutzungsrecht berufen darf, wenn alle vom Europäischen Gerichtshof genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. So darf der Hersteller zum Beispiel keine Abschottung der Märkte bezwecken. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, so bleibt es bei dem Ausgangspunkt der EuGH-Rechtsprechung, nach der der Markeninhaber den Importeur daran hindern kann, das vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in einem anderen EU-Mitgliedstaat in den Verkehr gebrachte Arzneimittel in eine neue Verpackung umzupacken und die Marke wieder darauf anzubringen (EuGH a. a. O., Ziffer 49 - MPA Pharma; ebenso EuGH WRP 1996, 867, 873, 874, Ziffern 59, 70 - Eurim Pharm, WRP 1996, 880, 887, 888, Ziffern 68, 79 - Bristol-Myers Squibb). Das bedeutet, daß der Parallelimporteur grundsätzlich gehalten ist, in das Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers so wenig wie möglich einzugreifen. Das braucht um so weniger vertieft zu werden, als der Bundesgerichtshof jüngst (Urteil vom 19.10.2000 - I ZR 89/98 - Zocor - WRP 2001, 549 ff.) zum gleichen Ergebnis gekommen ist.

Nichts anderes gilt, wenn die für die Ware im Herkunftsland verwendeten Marke erstmalig durch ein andere Marke des Herstellers ersetzt wird (EuGH-Entscheidung vom 12.10.1999 - C-379/97 - Upjohn./.Paranova, Rdnr. 37 ff., GRUR Int. 2000, 159 ff.; PharmR 2000, 77 ff.). Es macht also keinen Unterschied, daß die Antragsgegnerinnen aus Griechenland oder Spanien importierte "Eprex"-Originalarzneimittel mit der Marke "Erypo" versehen.

3. Daß die Antragstellerin ihr Recht aus der Klagemarke Erypo gegen den Parallelimport durchsetzt, obwohl mit ihr in Deutschland das gleiche Arzneimittel bezeichnet wird, für das der Konzern in Griechenland und Spanien die Marke Eprex verwendet, führt zu keiner gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Beschränkung des freien Warenverkehrs in der Europäischen Union. Nur wenn der Markeninhaber zwei unterschiedliche Warenzeichen für die gleiche Ware mit dem Ziel verwendet, die Märkte künstlich abzuschotten, liegt eine verschleierte Beschränkung des Warenverkehrs vor (so schon EuGH GRUR Int. 1979, 99 - Centrafarm/American Home Products, Rdnr. 19, 21, 22). Der EuGH hat aber bereits in jener Entscheidung anerkannt, daß es legitime Gründe für den Hersteller einer Ware geben könne, in mehreren Mitgliedstaaten unterschiedliche Marken für die gleiche Ware zu verwenden (EuGH a. a. O., Ziffer 20 - Centrafarm/American Home Products).

Der Senat hat eine Abschottung für den Fall verneint, daß einer Verwendung der in Österreich und in den meisten Ländern der Welt eingetragenen Marke "Zantac" in Deutschland ältere Rechte aus der Marke "Santax" entgegenstanden und das Unternehmen in Deutschland auf die Marke "Zantic" ausgewichen ist (Urteil vom 29.07.1999, 3 U 181/98 - Leitsatz Magazindienst 2000, 29). Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig (Aktenzeichen des Revisionsverfahrens: I ZR 219/99). Auch der Konzern der Antragstellerin konnte 1988 Eprex wegen der Widersprüche nicht etablieren und hat aus diesem Grunde für Deutschland "Erypo" eintragen lassen.

4. Der Senat hat in der genannten Entscheidung nicht auf Absichten des Rechteinhabers abgestellt, sondern auf die objektive Lage, die die unterschiedliche Markensituation habe entstehen lassen, während es nicht darauf ankomme, inwieweit die Spaltung künftig durch übereinstimmende Marken beseitigt werden könne, denn der damit regelmäßig einhergehende erhebliche Prioritätsverlust wäre einem Markeninhaber nicht zuzumuten. Danach wären spätere Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die es erlauben würden, die Markenspaltung aufzuheben, unerheblich.

Ob daran festgehalten werden kann, ist nach der EuGH-Entscheidung vom 12.10.1999 (C-379/97 - Upjohn./.Paranova, GRUR Int. 2000, 159 ff.; PharmR 2000, 77 ff.) zweifelhaft. Auch der EuGH sieht im Hinblick auf die Frage der Marktabschottung keinen Unterschied darin, ob eine geänderte Packung mit der ursprünglichen Marke versehen oder diese erstmalig durch die für die Ware im Herkunftsland verwendeten Marke ersetzt wird (Rdnr. 37 ff.), und will auch davon absehen, die subjektiven Absichten des Rechteinhabers festzustellen (Rdnr. 41). Ihm kommt es aber nicht darauf an, daß der Markeninhaber bei Schaffung der unterschiedlichen Markenlage nicht anders handeln konnte und der Importeur deshalb die sich aus dieser Lage ergebende Abschottung hinzunehmen habe, sondern er verlangt eine Prüfung, ob "im Zeitpunkt des Vertriebes bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv dazu zwingen, die ursprüngliche Marke durch die des Einfuhrmitgliedstaates zu ersetzen, um die betreffende Ware in diesem Mitgliedstaat in den Verkehr bringen zu können. Dieses Tatbestandsmerkmal der Zwangslage ist gegeben, wenn im Einzelfall der tatsächliche Zugang des Parallelimporteurs zu den Märkten des Einfuhrmitgliedstaates behindert wäre, falls ihm die Ersetzung der Marke verboten wäre. Das ist dann der Fall, wenn Regelungen oder Praktiken im Einfuhrmitgliedstaat den Vertrieb der betreffenden Ware auf dem Markt dieses Staates unter der Marke, die sie im Ausfuhrmitgliedstaat trägt, verhindern, ..." (Rdnr. 43). Der EuGH fordert also nicht wie der Senat eine Betrachtung "ex tunc", sondern eine Betrachtung "ex nunc".

5. Auch bei einer solchen Betrachtungsweise ist indessen ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin zu bejahen.

Das Landgericht hat eine Zwangslage angenommen, weil für die Antragsgegnerinnen - ebenso wie seinerzeit für die Antragstellerseite - das naheliegende und ernsthafte Risiko bestehe, wegen prioritätsälterer Marken auf Unterlassen in Anspruch genommen zu werden. Es komme nicht darauf an, ob solche Ansprüche wirklich gegeben seien. Es genüge das hohe Kosten- und Schadensersatzrisiko zum Zeitpunkt der Vertriebsaufnahme, was aus Gründen der Praktikabilität Zeitpunkt der Vertriebsanzeige bedeute.

Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Der EuGH spricht nicht vom Zeitpunkt der Vertriebsaufnahme, sondern vom Zeitpunkt des Vertriebs, und das heißt, daß die Zwangslage in jedem Zeitpunkt während des Vertriebs fortbestehen muß, so daß der Parallelimporteur bei nachträglichem Fortfall der Zwangslage von einer Benutzung abstehen muß. Anders kann es nicht sein, weil der EuGH das Verhalten des Parallelimporteurs als Eingriff in das Markenrecht ansieht, der ausnahmsweise gerechtfertigt sein muß. Wenn die rechtfertigenden Gründe entfallen, braucht der Markeninhaber den Eingriff nicht (mehr) hinzunehmen.

Das Landgericht hat ferner nicht die objektive Rechtslage entscheiden, sondern das für die Antragsgegnerinnen bestehende Risiko genügen lassen. Die Ausführungen des EuGH sind nicht eindeutig. Wenn er auf den "objektiven Zwang" abstellt, spricht das eher für objektive Rechtslage, während "Praktiken im Einfuhrmitgliedstaat, die den Vertrieb ... verhindern," mehr die tatsächlichen Gegebenheiten in den Vordergrund stellen. Auch hier muß man beachten, daß der Importeur einen grundsätzlich rechtswidrigen Eingriff beabsichtigt, der gerechtfertigt (und nicht nur "möglicherweise" gerechtfertigt) sein muß. Deshalb kann der Gesichtspunkt nicht überzeugen, daß die Klärung der Rechtslage mit einem Kostenrisiko belastet ist. Andrerseits erscheint es als echte Behinderung des Warenverkehrs, wenn der Importeur darauf verwiesen würde, zunächst in langwierigen Prozessen die Rechtslage auszuloten.

Den Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von freiem Warenverkehr und Markenrecht kann nur eine Abwägung bringen, wobei der Parallelimporteur auch von sich aus bemüht sein muß, im Rahmen des Zumutbaren bestehende Bedenken auszuräumen, indem er etwa klärt, ob mit Widerständen dritter Rechteinhaber zu rechnen ist. Läßt sich danach sagen, daß er aus seiner Sicht zwar nicht mit letzter Gewißheit, aber doch vernünftigerweise nicht erwarten kann, die Ware mit dem ursprünglichen Zeichen ohne Widerstand absetzen zu können, befindet er sich in einer Zwangslage. So läßt sich verhindern, daß der Importeur angesichts formaler Rechtspositionen Dritter die Hände in den Schoß legt, obwohl tatsächlich keine Widerstände zu befürchten sind. Sollte sich später herausstellen, daß die Abwägung zu einem falschen Ergebnis geführt hat, so könnte daran möglicherweise ein Verschulden scheitern, auf das es für den auf die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch nicht ankommt. So gesehen, ist es gleichgültig, daß die Antragstellerin die rechtserhaltende Benutzung der Marke Eprex in der Schweiz erst im Berufungsverfahren geltend gemacht hat.

Danach hätten die Antragsgegnerinnen zu prüfen, ob vernünftigerweise zu erwarten ist, daß sie das Medikament mit der ursprünglichen Marke Eprex vertreiben können.

a. Von Seiten der Inhaber der Marke Spherex, deren Gebrauch unstreitig ist, war kein ernsthafter Widerstand zu befürchten, denn sie ist nicht mit Eprex zu verwechseln.

Im Schriftbild, auf das es bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in erster Linie ankommt, bestehen ausschlaggebende Unterschiede. Zwar ist beiden Marken das Wortende "-rex" gemeinsam, dem Betrachter drängt sich aber der Wortanfang auf, zumal ein auslautendes "-ex" in Zeichen sehr verbreitet ist und deshalb kaum besonders auffällig wirkt. Die Buchstabenfolgen "Sphe-" und "Ep-" sind aber deutlich anderer Art: Hier der Vokal "E", gefolgt von einem "p", dort die eher ungewöhnliche Konsonantengruppe "Sph", auf die der Vokal "e" folgt. Für eine Schreibweise in Versalien gilt nichts anderes. Klanglich ist der Unterschied noch größer, weil das labiale "p" von "Eprex" in "Spherex" nicht erscheint, sondern in dem wie "f" gesprochenen Reibelaut aufgeht und den scharfen Anlaut "S" hervortreten läßt, mit dem der anlautende Vokal "E" nichts gemein hat.

Es gibt keine durchgreifenden Anhaltspunkte, wonach die Antragsgegnerinnen gleichwohl von einer Verwechselbarkeit ausgehen mußten. Nach der eidesstattlichen Versicherung von Frau H. (Anlage EVB 3 in der Schutzschrift, die allerdings nur in Kopie vorliegt) haben beim BfArM Einsprüche aus den Zeichen Spherex und Eurex vorgelegen, die das BfArM zu der Bitte veranlaßten, die Bezeichnung Eprex zu ändern. Die Antragstellerin weist aber zu Recht darauf hin, daß diese Bitte überholt ist und sich auf ältere Zulassungen bezog. Es gibt nunmehr, wie den Antragsgegnerinnen bekannt ist, das Mittel Eprex 1000 der Antragstellerin, woraus erhellt, daß das BfArM keine Bedenken mehr hat. Das gilt unabhängig von der Frage, ob es der Antragstellerin ernst damit ist, auf die Dauer auch in Deutschland die Marke Erypo durch Eprex zu ersetzen.

b. Östrex, Hiprex und Epilex werden nach dem Vortrag der Antragstellerin nicht benutzt und sind löschungsreif. Das dürfte die Antragstellerin mit ihrer Recherche (Anlage AS 40) glaubhaft gemacht haben. Doch selbst wenn man das nicht ausreichen lassen wollte, käme es darauf nicht an, denn die Antragsgegnerinnen bestreiten die Nichtbenutzung mit Nichtwissen. Sie haben aber die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß sie sich in einer Zwangslage befinden und deshalb der Eingriff in das Markenrecht der Antragstellerin gerechtfertigt ist. Es genügt also nicht, die Nichtbenutzung mit Nichtwissen zu bestreiten.

c. Hinsichtlich Eurex hat die Antragstellerin mit der Rechteinhaberin S.S. am 06.07.2000 ein Abgrenzungsabkommen (Anlage AS 35) geschlossen. Können nachträgliche Ereignisse die Zwangslage beseitigen, dann kommen auch bei bestehender Verwechslungsgefahr Auswirkungen für die Antragsgegnerinnen in Betracht. Es ist zwar richtig - wie S.S. der Antragstellerin gegenüber erklärt (Anlage AS 46) -, daß das Abgrenzungsabkommen mit der Antragstellerin keine Rechte der Parallelimporteure begründet. Wenn es sich für S.S. aber "von selbst (versteht), daß sie gegen ein Verwendung der Marke 'EPREX' anläßlich von Parallelimporten nicht vorgehen wird, wenn die Verwendung im Rahmen des Vertrages vom 06.07.2000 erfolgt," dann führt bereits das die Antragsgegnerinnen aus der Zwangslage heraus. Sollten sie Zweifel haben, ob sich S.S. an seiner Erklärung festhalten lassen wolle, können sie sich die Stillhalte-Bereitschaft von S.S. ohne weiteres bestätigen lassen, um Sicherheit zu gewinnen.

d. Schließlich ist nicht zu besorgen, daß die Antragsgegnerinnen vom Inhaber der Drittmarke Eprex in Anspruch genommen werden.

Die Benutzung der IR-Marke durch den Konzern der Antragstellerin in der Schweiz ist als rechtserhaltende Benutzung in Deutschland anzusehen (GRUR 2000, 1035 - Playboy). Damit ist die IR-Marke Eprex nicht nur prioritätsälter als die eingetragene Drittmarke, sondern deren Inhaber D. hätte nicht einmal nach § 49 MarkenG ein Zwischenrecht erworben. Die Benutzung in der Schweiz wird zwar bestritten, ist mit der eidesstattlichen Versicherung der Zeugin B. (Anlage AS 42) aber glaubhaft gemacht und wird durch das vorgelegte Begleitmaterial zusätzlich erhärtet.

Offenbar betreibt die Antragstellerin die Löschung der Drittmarke Eprex. Solange diese aber noch eingetragen ist, sind Ansprüche des Rechteinhabers denkbar. Es ist nach dem derzeitigen Stand der Dinge aber nicht überwiegend wahrscheinlich, daß von dieser Seite Unterlassungsansprüche den Antragsgegnerinnen gegenüber geltend gemacht werden, denn wie die Antragstellerin mit der eidesstattlichen Versicherung von Frau B. (Anlage AS 41) glaubhaft gemacht hat, hat der Inhaber der Drittmarke auch gegen die Registrierung von Eprex durch die Antragstellerin keinen Widerspruch erhoben.

Aber es kommt nicht einmal darauf an. Sollten aus der Drittmarke Eprex Ansprüche geltend gemacht werden, könnten sich die Antragsgegnerinnen ohne weiteres von der Antragstellerin auf Grund von deren Rechten an der prioritätsälteren IR-Marke Eprex legitimieren lassen und dies in entsprechender Anwendung von § 986 BGB dem Anspruchsteller entgegenhalten (BGH GRUR 1994, 652, 653 - Virion).

III. Es besteht ein Verfügungsgrund.

Die Antragsgegnerinnen hatten erstinstanzlich die Dringlichkeit bezweifelt, sind in zweiter Instanz darauf aber zu Recht nicht zurückgekommen, denn sie wird auch in Markensachen entsprechend § 25 UWG vermutet (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, vor §§ 14 - 19, Rn. 49), ohne daß die Antragsgegnerinnen Tatsachen vorgetragen hätten, nach denen diese Vermutung widerlegt wäre. Bevor die Antragstellerin gerichtliche Schritte einleitete, hatte sie durchaus Anlaß, in einem vorbereitenden Schriftwechsel mit den Antragsgegnerinnen zu klären, in welcher konkreten Form diese das Arzneimittel absetzen wollten, nachdem sie Ende Mai 2000 ihre Absichten bekannt gegeben hatten. Bis zum Einreichen des Verfügungsantrages ist die Antragstellerin zu keiner Zeit so lange untätig geblieben, daß sich daraus herleiten ließe, es sei ihr mit ihrem Unterlassungsbegehren nicht ernst.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Antragsgegnerinnen nach § 91 ZPO, § 100 Abs. 4 ZPO analog zu tragen.

Ende der Entscheidung

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