Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 3 U 310/00
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 14
Hat ein Parallelimporteur Eingriffe in die Rechte des Markenrechtsinhabers vorgenommen, die nicht erforderlich sind, um die Ware in Deutschland verkehrsfähig zu machen, kann er sich nicht auf die Grundsätze berufen, die die Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit von Eingriffen in Markenrechte zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs entwickelt hat.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 310/00

Verkündet am: 31. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

Xenical

nach der am 26. September 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 14. November 2000 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 36.300 € abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird für die Rechtsmittelinstanz auf 51.129 € (100.000 DM) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beklagten importieren und vertreiben das Arzneimittel "Xenical 120 mg", an dessen Marke und Originalverpackung der Klägerin Rechte nach dem MarkenG zustehen, weil sie für die von ihr verwendeten Hexagone in unterschiedlichen Farben Schutz genießt. An dieser Verpackung haben die Beklagten Veränderungen vorgenommen, indem sie sie abweichend von der Originalverpackung - mit grünen und blauen Hexagonen versehen haben, was - wie die Beklagten nunmehr nicht mehr in Zweifel ziehen - grundsätzlich nur der Rechteinhaber tun darf.

Bevor sie den Vertrieb aufnahmen, unterrichteten sie die Klägerin mit Schreiben vom 24.03.1999 von ihrer Absicht. Die Klägerin erhielt auf ihre Bitte vom 01.04.1999 am 08.04.1999 ein Muster übersandt.

Mit Schreiben vom 27.06.2000 beanstandete die Klägerin die von den Beklagten verwendete Packung und forderte eine Unterlassungsverpflichtung. In ihrer Antwort vom 03.07.2000 erklärten die Beklagten, sie würden davon Abstand nehmen, die beanstandete Verpackung zu verwenden, und eine neue drucken lassen, und übersandten am 03.08.2000 ein Muster der geänderten Verpackung.

Die Klägerin erhob daraufhin Klage mit den Anträgen,

1. den Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, das aus Großbritannien importierte Arzneimittel "Xenical" (120 mg) in der Darreichungsform N 2 (42 Kapseln) für den Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland mit neuen äußeren Umverpackungen - wie in der Anlage 1 wiedergegeben - zu versehen, auf denen eine Reihe von elf grünen bzw. blauen Hexagonen angebracht ist und/oder in dieser Ausstattung feilzuhalten oder in den Verkehr zu bringen,

2. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die unter Ziffer 1 genannten Handlungen begangen worden sind, und zwar durch Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses, aus dem sich ergeben müssen: Lieferzeitpunkt, Liefermenge und Abgabepreise gegen über allen gewerblichen Abnehmern.

3. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist oder noch entstehen wird.

Nachdem sich die Beklagten strafbewehrt zum Unterlassen verpflichtet hatten, erklärten die Parteien den Unterlassungsantrag übereinstimmend für erledigt, und die Klägerin hat die übrigen Anträge gestellt.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen,

und entgegnet, die Klägerin habe dem Vertrieb in der beanstandeten Packung konkludent zugestimmt und ihre Rechte verwirkt.

Das Landgericht, auf dessen Entscheidung zur Vervollständigung des Tatbestandes Bezug genommen wird (§ 543 Abs. 2 ZPO a. F.), hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt und ihnen alle Kosten als Gesamtschuldner auferlegt. Hiergegen wenden sich diese mit ihrer Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet haben.

Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragen,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsgründen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien mit Anlagen und Beweisangeboten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat seine Entscheidung überzeugend auf §§ 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3-6, 19 MarkenG, 242 BGB, 256 ZPO gestützt, wie es bei Markenrechtsverletzungen gefestigten Rechtsgrundsätzen entspricht. Die Beklagten haben die Markenrechte der Klägerin vorsätzlich verletzt. Ein Schaden ist nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entstanden, ohne daß die Klägerin ihn ohne die verlangte Auskunft beziffern kann. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen, der Senat macht sie sich zu eigen.

Auch die Beklagten verkennen nicht, daß sie die streitgegenständlichen Verpackungen nur mit Zustimmung der Klägerin verwenden durften, sie sind aber der Auffassung, deren Schweigen von 14 Monaten sei als Zustimmung zu werten oder habe zur Verwirkung der Rechte geführt.

Dem kann sich der Senat ebensowenig wie das Landgericht anschließen.

Schweigen kommt nur dann als konkludente Willenserklärung in Betracht, wenn der Erklärungsempfänger nach den Umständen mit einer solchen rechnen kann. Den Beklagten ist aber bekannt, daß ihre Importe den Herstellern und Markenrechtsinhabern grundsätzlich unwillkommen sind und daß die Hersteller Eingriffe in ihre Markenrechte nicht dulden. Sie nehmen sie allenfalls gezwungenermaßen hin, wenn der Grundsatz des freien Warenverkehrs sie hindert, sich den Eingriffen zu widersetzen. Die Beklagten sind deshalb bei im übrigen rechtmäßigem Verhalten auf eine Zustimmung nicht angewiesen. Muß der Markenrechtsinhaber den Eingriff dulden, weil alle sonstigen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des EuGH erfüllt sind, beseitigt die Vorabinformation die Rechtswidrigkeit im Handeln des Importeurs, ohne daß es einer Mitwirkung des Markeninhabers bedarf. Deshalb konnten die Beklagten aus dem Schweigen der Klägerin nicht auf eine konkludent erteilte Zustimmung schließen.

Die Übersendung der Musterpackung hat auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich die Beklagten in Anwendung der Rechtsprechung des EuGH berufen können. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf die Randnummer 62 im Urteil vom 23.04.2002 in der Rechtssache C - 143/00 Boehringer./. Swingward u.a., wonach "das System der Unterrichtung nur dann angemessen funktionieren (kann), wenn alle Beteiligten sich in redlicher Weise bemühen, die berechtigten Interessen des anderen zu achten." Die berechtigten Interessen sind einerseits die des Markenrechtsinhabers, vermeidbare Eingriffe in sein Recht zu verhindern, andrerseits die des Parallelimporteurs, Eingriffe vorzunehmen, soweit sie unvermeidbar sind, um den freien Warenverkehr zu gewährleisten. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Beklagten haben die farbigen Hexagone nicht verwendet, um das Medikament in Deutschland verkehrsfähig zu machen. Die Markenverletzung hat mit dem Parallelimport selbst nichts zu tun, sondern ist nur anläßlich eines solchen vorgenommen worden. Sie wäre in gleicher Weise auch bei einem aus Deutschland stammenden Produkt rechtswidrig gewesen, ohne daß sich die Frage des freien Warenverkehrs gestellt hätte. Es geht also überhaupt nicht um die den EuGH beschäftigende Frage, ob eine Erschöpfung des Markenrechts ausscheidet, weil sich der Markenrechtsinhaber im Sinne von § 24 MarkenG und Art. 7 der Markenrichtlinie dem Vertrieb der Ware aus berechtigten Gründen widersetzen kann. Wie es wäre, wenn die Klägerin erst nach 14 Monaten ihre Rechte im Hinblick auf Eingriffe geltend gemacht hätte, die die Beklagten vorgenommen hätten, um die importierte Ware in Deutschland verkehrsfähig zu machen, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Die Klägerin hat auch ihre Rechte nicht verwirkt. Die Beklagten, die für die Voraussetzungen einer Verwirkung darlegungs- und beweispflichtig sind, haben keinen "Vertrauenstatbestand" vorgetragen, auf Grund dessen sie hätten glauben können, die Klägerin werde bestehende Rechte ihnen gegenüber nicht wahrnehmen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 242, Rdnr. 95; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 21, Rdnr. 24). Das Vertrauen, ein Recht werde nicht in Anspruch genommen, muß sich in irgendeiner Weise aus dem Verhalten der Klägerin herleiten lassen, weil sie einen bestimmten Eindruck durch positives Tun oder durch ein Unterlassen erweckt hat, obwohl sie nach den Umständen aus der Sicht der Beklagten in einer bestimmten Weise hätte handeln müssen. Mit Übersenden der Packung haben die Beklagten nur ihre Pflicht zur Vorabinformation erfüllt, die auch dann besteht, wenn die Packung in keiner Weise zu beanstanden ist. Insoweit kam es auf eine Reaktion der Klägerin nicht an. Die von der Vorabinformation unabhängige Frage, ob und inwieweit die übersandte Packung rechtmäßig war, wurde davon nicht berührt, so daß die Beklagten aus dem Schweigen der Klägerin nicht auf irgend etwas schließen konnten, was nichts mit der Vorabinformation, sondern mit der Rechtmäßigkeit der Packung zu tun hatte.

Die Beklagten können sich nicht auf die BGH-Entscheidung "Cranpool" (WRP 1992, 29) berufen, denn dort ergab sich der "Vertrauenstatbestand" daraus, daß der Verletzerin mit Billigung des Zeichenberechtigten Prospekte mit dem Zeichen zur Weiterverwendung verkauft worden waren, und dieses Vertrauen war später noch durch ein Rundschreiben verstärkt worden (a.a.O., S. 31). Im übrigen stehen die einzelnen Voraussetzungen des Verwirkungstatbestandes bzw. die Anforderungen daran in enger (Wechselwirkungs-)Beziehung zueinander (a.a.O., p. 32). Die Klägerin hat nicht durch positives Tun den Eindruck hervorgerufen, sie werde weitere Beeinträchtigungen ihres Markenrechtes hinnehmen. Sie hat schlimmstenfalls geschwiegen, wo sie zu ihrem eigenen Besten hätte reden sollen, um etwaige Ungewißheiten zu beseitigen. Damit hat sie allenfalls zu erkennen gegeben, daß sie keine Möglichkeit sehe, gegen die Beklagten vorzugehen, nicht aber, sie werde etwaige Beeinträchtigungen hinnehmen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO a. F., denn aus dem Gesagten ergibt sich ohne weiteres, daß es billigem Ermessen (§ 91 a ZPO) entsprach, den Beklagten auch die Kosten für den erledigten Unterlassungsanspruch aufzuerlegen. Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO kann hier nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Zwar haben die Beklagten die Packung nach der Abmahnung geändert, damit aber nicht die durch den Rechtsverstoß begründete Vermutung widerlegt, er werde sich nicht wiederholen. Dazu wäre nach anerkannten Rechtsgrundsätzen nur eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung geeignet gewesen, die die Beklagten nicht vor der Klageerhebung abgegeben haben. Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.), denn es ist aus tatsächlichen Gründen zu verneinen, daß die Klägerin der Verwendung der Packung zugestimmt oder ihre Rechte verwirkt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück