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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 20.06.2002
Aktenzeichen: 3 U 368/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
Haftung des Presseverlages für irreführende Blickfangbewerbung eines schlankheitsfördernden Medizinprodukts
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUß

3 U 368/01

Verkündet am: 20. Juni 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, Spannuth, Terschlüssen am 20. Juni 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte, mit Ausnahme der Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstanden sind. Diese Kosten trägt die Antragstellerin allein.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € 25.564,00

(= 50.000,00 DM) festgesetzt. Der Streitwert entfällt je zur Hälfte auf das Verbot der konkreten Verletzungsform (Anlage K 1) und die geltend gemachte Verallgemeinerung dieses Verbots.

Tatbestand:

Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die Antragstellerin ist mit der Anzeigenwerbung und -verwaltung der in Regensburg erscheinenden "M... Zeitung" befaßt. Die Antragsgegnerin ist ein großes deutsches Verlagshaus und gibt u.a. die Zeitung "B... " heraus.

Am 16. September 2001 erschien in der "B..." eine großflächige

Anzeige, mit welcher für ein als Medizinprodukt zugelassenes Präparat namens "St." geworben wurde. Die Anzeige war überschrieben mit

"Der neue Fettfresser aus der Apotheke:

Die Pille, die das Fett aufsaugt!

Abnehmen ohne hungern, ohne Diät!"

In der Anzeige wurde näher ausgeführt, daß das Präparat "AntiFett-Moleküle" enthalte, welche in der Lage seien, überflüssige Fettmoleküle aus der Nahrung zu binden. Nachfolgend werde diese Verbindung unverdaut ausgeschieden. Der Verwender könne weiter essen wie gewohnt, müsse sich an keine entbehrungsreiche Diät halten und nehme trotzdem ab (Anlage K 1 = Anlage AG 1).

Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin auf Unterlassung in Anspruch genommen und dazu die Ansicht vertreten, die Veröffentlichung der Werbeanzeige stelle einen Verstoß gegen § 3 UWG, §§ 3 a, 4, 11 Nrn. 2 und 5 b HWG i.V.m. § 2 Abs. 1 Ziffer 5 AMG, § 6 Abs. 1 NKV sowie § 17 Abs. 1 Nr. 5 a LMBG dar. Sie vertrat diesbezüglich die Meinung, die in der Anzeige enthaltenen Wirkungsaussagen seien nicht nur offensichtlich übertrieben, sondern widersprächen bereits im Ansatz allgemein bekannten wissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach eine nachhaltige Reduzierung des Körpergewichts nur dadurch möglich sei, daß die Kalorienzufuhr durch Diätmaßnahmen nachhaltig eingeschränkt bzw. durch besondere körperliche Aktivitäten ein erhöhter Kalorienverbrauch ausgelöst werde. Aufgrund eines Rundschreibens des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e.V. vom 24. Mai 2000 zur Wettbewerbswidrigkeit von Anzeigen für Schlankheitspräparate habe die Antragsgegnerin die Rechtslage auch kennen müssen.

Die Antragsgegnerin hat demgegenüber ausgeführt, zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehe kein Wettbewerbsverhältnis. Bei Erteilung des Anzeigenauftrages sei ihr zudem ein Zertifikat vorgelegt worden, wonach es sich bei den St.-Tabletten um ein Medizinprodukt zur Behandlung bei Übergewicht und zur Gewichtskontrolle sowie zur Behandlung bei erhöhten Blutfettwerten handele (Anlagen AG 3 und AG 7). Da ein Medizinprodukt vorgelegen habe, seien die werberechtlichen Regelungen betreffend Lebens- und Arzneimittel nicht anwendbar. Die beworbenen schlankheitsfördernden Wirkungen des Produkts "St." seien zudem im Anzeigentext zutreffend beschrieben (Anlage AG 6). Die Anzeige sei deshalb nicht zu beanstanden, jedenfalls liege kein grober und unschwer zu erkennender Verstoß vor.

Mit Urteil vom 23. November 2001 verurteilte das Landgericht Hamburg die Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in periodisch erscheinenden Druckwerken Anzeigen zu veröffentlichen, in denen zur Einnahme durch den Menschen bestimmte Mittel mit dem Hinweis auf ihre schlankmachende Wirkung beworben werden, wenn dies wie in dem Inserat

"Der neue Fett-Fresser aus der Apotheke: Die Pille, die das Fett aufsaugt! Abnehmen ohne hungern, ohne Diät!"

gemäß "B..." vom 16. September 2001, Seite 51, wie nachstehend wiedergegeben oder sinngemäß geschieht.

Gegen dieses Urteil wendete sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung, die sie frist- und formgerecht eingelegt und begründet hat. Die Antragsgegnerin wiederholte und vertiefte ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen. Sie machte darüber hinaus geltend, das ausgesprochene Verbot sei zu weit gefaßt und zu unbestimmt.

In der Berufungsinstanz hat die Antragsgegnerin zunächst beantragt,

das Verfügungsurteil des Landgerichts Hamburg vom 23. November 2001 (Geschäftsnummer: 416 O 172/01) abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im weiteren Verlauf der Berufungsverhandlung vom 2. Mai 2002 hat sich die Antragsgegnerin dann hinsichtlich der konkreten Verletzungsform (= Anlage K 1) strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen in der Zeitung "B..." mit solchen Anzeigen zu werben. Die Antragstellerin hat diese Verpflichtungserklärung angenommen und das Verfügungsverfahren insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dem hat sich die Antragsgegnerin angeschlossen. Insoweit stellen die Parteien wechselseitig Kostenanträge.

Nachfolgend hat die Antragstellerin den in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellten Antrag, soweit dieser über die abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung hinausging, mit Schriftsatz vom 6. Mai 2002 zurückgenommen. Dieser Rücknahme hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 18. Juni 2002 zugestimmt. Auch insoweit stellen die Parteien wechselseitig Kostenanträge.

Auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 2. Mai 2002 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Hinblick auf die abgegebenen Erledigungserklärung bzw. die Rücknahme des überschießenden Berufungsantrages hatte der Senat nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.

I.

Gegenstand des Unterlassungsantrages war im Berufungsverfahren der Verfügungsantrag, in der Fassung, in der das Landgericht ihm stattgegeben hatte. Hiervon war zum einen die konkrete Verletzungsform, d.h. die Anzeige in der B... vom 16. September 2001 (Anlage K 1) erfaßt, zum anderen eine entsprechende Verallgemeinerung, d.h. ein allgemeines Verbot des Veröffentlichens einer Anzeige in periodisch erscheinenden Druckwerken, in der Mittel, die zur Einnahme durch den Menschen bestimmt sind, mit dem Hinweis auf ihre schlankmachende Wirkung angepriesen werden. Der Antragstellerin war in gleicher Weise an dem Verbot der konkreten Verletzungsform wie an der geltend gemachten Verallgemeinerung gelegen.

II.

1. Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der konkreten Verletzungsform übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die darauf entfallenden Kosten gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Danach waren der Antragsgegnerin die diesbezüglichen Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, weil diese bei Fortsetzung des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes aller Voraussicht nach unterlegen wäre.

Die Antragstellerin ist aktiv legitimiert, denn die Parteien sind Wettbewerber hinsichtlich der bundesweiten Gewinnung von Anzeigenkunden der hier streitgegenständlichen Art.

Die veröffentlichte Anzeige war zudem irreführend und wettbewerbswidrig nach §§ 1, 3 UWG.

Gegenstand des Rechtsstreits war u.a. die konkrete Verletzungsform, d.h. die aus der Anlage K 1 ersichtliche Zeitungsanzeige der Antragsgegnerin für das Medizinprodukt St.. Diese Zeitungsanzeige erweist sich zumindest im Hinblick auf den Blickfang

"Der neue Fett-Fresser aus der Apotheke:

Die Pille, die das Fett aufsaugt!

Abnehmen ohne hungern, ohne Diät!"

als irreführend und wettbewerbswidrig. Durch diesen Blickfang wird der Eindruck erweckt, mit der Einnahme von "St." werde nicht nur das Fett aus der Nahrung "aufgesaugt" und ausgeschieden, sondern auch das Körperfett könne aufgenommen und ausgeschieden werden. Letzteres ist unstreitig nicht der Fall. Das Produkt "St." ist nicht in der Lage, Körperfett aufzunehmen und auszuscheiden.

Zwar ist bei Fällen der vorliegenden Art in besonderem Maße zu berücksichtigen, daß die Antragsgegnerin als Presseverlag für den wettbewerbswidrigen Inhalt von Werbeanzeigen, die sie für dritte Inserenten veröffentlicht, nur haftet, soweit sie ihre Prüfungspflicht verletzt. Eine Haftung des Presseverlage für solche Drittanzeigen ist deshalb grundsätzlich nur bei positiver Kenntnis der Wettbewerbswidrigkeit oder bei groben, leicht erkennbaren Verstößen gegeben. An die Prüfungspflicht der Presse bezüglich der zu veröffentlichenden Inserate sind nach ständiger Rechtsprechung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (BGH GRUR 1990, 1012 - Pressehaftung I, WRP 1999, 211 - Möbelklassiker). Denn der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst den gesamten Inhalt eines Presseorgans, mithin auch Werbeanzeigen (BVerfG WRP 2001, 129 - Benetton).

Vorliegend handelt sich jedoch um einen groben Wettbewerbsverstoß, der von dem zuständigen Anzeigenredakteur auch unschwer hätte erkannt werden können. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wäre mithin nach §§ 1, 3 UWG begründet gewesen.

Auf die weitere zwischen den Parteien streitige Frage, welche Vorschriften im Einzelnen anwendbar waren bzw. sind, wenn die Werbung für ein zugelassenes Medizinprodukt zur Beurteilung steht, kommt es daher nicht mehr an.

Die Antragsgegnerin wäre also hinsichtlich der konkreten Verletzungsform nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand bei Fortsetzung des Rechtsstreits voraussichtlich unterlegen. Somit fallen ihr die Kosten des Rechtsstreits insofern zur Last. Es ergeben sich auch keine sonstigen Gesichtspunkte, nach denen es billig wäre, ausnahmsweise der Antragstellerin diese Kosten aufzuerlegen.

2.

Soweit die Antragstellerin ihren Berufungsantrag hinsichtlich der geltend gemachten Verallgemeinerung des Verbots zurückgenommen hat, fallen ihr die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO zur Last.

Da das Verbot der konkreten Verletzungsform und die geltend gemachte Verallgemeinerung von gleichem Gewicht sind, fallen die Kosten des Rechtsstreits den Parteien je zur Hälfte zur Last. Zwar bemessen sich die Kosten der auf § 91 a ZPO beruhenden Entscheidung zum Teil nur noch nach den bis zu den übereinstimmenden Erledigungserklärungen angefallenen Kosten. Dieser Umstand fällt jedoch im Hinblick auf die Gesamtkosten des Rechtsstreits kaum ins Gewicht und gibt deshalb keinen Anlaß, von der hälftigen Teilung der Kosten des gesamten Rechtsstreits abzuweichen.

Die mit der Anrufung des unzuständigen Gerichts verbundenen Mehrkosten trägt die Antragstellerin nach § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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