Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 3 U 371/01
Rechtsgebiete: UWG, HWG


Vorschriften:

UWG § 2
UWG § 3
HWG § 3
Die gegenüber Fachkreisen gemachte Werbeaussage, ein Arzneimittel und ein Referenzmittel seien bioäquivalent, ist nicht irreführend, wenn die Bioäquivalenz im Sinne einer statistischen Beziehung nach anerkannten Regeln festgestellt worden ist und der Begriff nicht im Sinne einer Substituierbarkeit mißverstanden werden kann, weil sich aus weiteren Angaben in der Werbung ergibt, daß die Bioäquivalenz von der therapeutischen Äquivalenz zu unterscheiden ist.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 371/01

Verkündet am: 31. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

"Bioäquivalenz"

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 19. September 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin und die Anschlußberufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 27. November 2001 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Antragstellerin 45 % und die Antragsgegnerin 55 %.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für die Rechtsmittelinstanz auf 1.022.584 € (2.000.000 DM) festgesetzt, und zwar für die Anträge zu a) und c) auf je 409.034 € (800.000 DM), für den Antrag zu b) auf 153388 € (300.000 DM) und für den Antrag zu d) auf 51.129 € (100.000 DM).

Tatbestand:

Die Antragsgegnerin hat gegenüber Ärzten in einem Faltblatt für das von ihr vertriebene Generikum "C" geworben, das wie das Originalprodukt S-O der Antragstellerin den Wirkstoff "Ciclosporin" enthält und vom Bundesinstitut für Arznei mittel und Medizinprodukte (BfArM) nach § 24 c AMG unter Verwertung der von der Antragstellerin stammenden Unterlagen zugelassen worden ist. Die Medikamente dienen der Immunsuppression nach der Transplantation von Organen und Knochenmark.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin verboten,

in der Werbung für das Produkt "C" folgende Aussagen zu verwenden:

a) "C: Therapeutisch äquivalent, Phase-III-Studie an stabilen nierentransplantierten Patienten"

und/oder

b) "C-Kapseln sind genauso wirksam und verträglich wie das Referenzpräparat (nämlich S-O)"

und/oder

c) "C-Kapseln und S-O-Kapseln sind bioäquivalent"

und/oder

d) "die Einnahme einer Mahlzeit hat keinen Einfluß auf das Ausmaß der Bioverfügbarkeit von C" wie geschehen in dem sechsseitigen C-Werbe-Folder "Zur Immunsuppression", der dem Beschluß als Anlage beigefügt ist.

Das Landgericht hat seine Verbote zu a) und b) aufrechterhalten, weil sich die Antragsgegnerin insoweit zum Unterlassen verpflichtet habe. Die Angabe zu c) sei nicht irreführend, denn das BfArM habe die Bioäquivalenz bei der Zulassung bejaht, die Angabe zu d) werde im Zusammenhang richtig verstanden.

Von der Darstellung weiterer Einzelheiten wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

I. Berufung der Antragstellerin ist unbegründet.

1. Die im Antrag zu c) angegriffene Aussage, "C-Kapseln und S-O-Kapseln sind bioäquivalent", ist nicht nach §§ 2, 3 UWG, 3 HWG als irreführend zu beanstanden. Es ist nach dem Sach- und Streitstand überwiegend wahrscheinlich, daß sie zutrifft und von den angesprochenen Adressaten nicht mißverstanden werden kann.

Das Landgericht hat eine Irreführung verneint, weil die mit Transplantationen und entsprechender Nachsorge befaßten Ärzte zu Recht schlössen, daß das BfArM als Zulassungsbehörde die Bioäquivalenz bejaht habe. Wenn die Antragstellerin gleichwohl meine, die Bioäquivalenz sei nicht gegeben, müsse sie das darlegen und glaubhaft machen, was ihr nicht gelungen sei. Damit hat das Landgericht keine Beweislastentscheidung getroffen, und auch der Senat braucht das nicht zu tun, denn es hat die Zulassung durch das BfArM als ausreichenden Nachweis der behaupteten Bioäquivalenz angesehen, den die Antragstellerin nicht habe erschüttern können. Der Senat sieht das - auch angesichts des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug - nicht anders.

Das BfArM hat mit der Zulassung die Bioäquivalenz von C und S O bejaht. Davon geht auch die Antragstellerin aus. Nur wendet sie ein, sie wisse nicht - und könne auch nicht wissen - nach welchen Kriterien das BfArM die für die Zulassung nach § 24 a AMG erforderliche wesentliche Gleichheit bejaht habe. Was ihr seitens der Antragsgegnerin bekannt geworden sei, nämlich die im Faltblatt in der Fußnote (3) erwähnte Studie, genüge nicht, um die Bioäquivalenz bejahen zu können. In ihr seien die Befunde von zwölf gesunden Männern erhoben, was keine Rückschlüsse auf Kranke erlaube. Der von der Antragsgegnerin ermittelte Wert von 92,1 % für die Bioverfügbarkeit (untere Tabelle auf Seite 3 des Faltblattes) liege zwar innerhalb der im Regelfall anerkannten Grenzwerte (0,8 - 1,25). Das könne aber nicht für Medikamente gegen Immunsuppression mit engem Wirkungsbereich gelten, die zudem eine individuelle Einstellung auf jeden Patienten verlangten.

Legt man die Definitionen zugrunde, die beispielsweise Petersen in dem von der Antragstellerin als Anlage 28 überreichten Aufsatz "Originale und Nachahmer" gibt, dann liegt bei im Rahmen vorgegebener Toleranzgrenzen gleicher Bioverfügbarkeit und gleicher pharmazeutischer Äquivalenz (die hier unstreitig gegeben ist) Bioäquivalenz vor. Diese Toleranzgrenzen müssen gleich oder kleiner als 20 % sein, so daß sich die Grenzen von 0,8 bis 1,25 ergeben. Die Antragstellerin legt nicht dar, daß das Verständnis der angesprochenen Ärzte ein anderes ist.

Ob die Skepsis, die Prof. W. in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 19.09.2002 gegenüber Nachsorge-Ärzten zum Ausdruck bringt, überhaupt angebracht ist, und ob diese Ärzte, wenn ihnen "gesagt wird, das Produkt sei 'bioäquivalent', wie das z.B. in der ... Anzeige vom Februar 2002 aus der Ärztezeitung geschehen ist, dann ... davon aus(gehen), sie könnten absolut sicher sein, daß sie mit diesem Medikament das S-O durch C substituieren können," kann dahinstehen. Der Senat hat nicht den Fall zu entscheiden, daß den Ärzten nur gesagt wird, die beiden Produkte seien bioäquivalent, so daß auch offen bleiben kann, ob die Überzeugung von Prof. W. hinreichend begründet erscheint.

Die Antragstellerin hat vielmehr die Aussage "C-Kapseln und S-O-Kapseln sind bioäquivalent" so angegriffen, wie sie sich in dem Faltblatt findet. Dort wird unmißverständlich zwischen therapeutischer Äquivalenz (und so versteht der Senat den von Prof. W. verwendeten Begriff der Substituierbarkeit) und Bioäquivalenz unterschieden. Der Arzt erkennt also, daß beides nicht dasselbe ist, zumal die beiden Aussagen mit ganz unterschiedlichen Graphiken und Tabellen belegt werden. Deshalb kann er nicht allein deshalb, weil der Begriff "bioäquivalent" verwendet wird, die Substituierbarkeit annehmen. Ist er mit den Zusammenhängen zwischen therapeutischer Äquivalenz, Bioäquivalenz und Bioverfügbarkeit wirklich nicht vertraut, dann bleibt ihm nichts übrig als sich kundig zu machen, um zu begreifen, warum in dem Faltblatt Unterschiede gemacht werden und worin sie bestehen. Er wird als durchschnittlich verständiger, aufmerksamer und informierter Arzt alsbald feststellen, daß der Begriff der Bioäquivalenz nur eine nach bestimmten Kriterien ermittelte rein statistische Beziehung zwischen zwei Medikamenten wiedergibt, die für den Einzelfall nichts besagt.

Es sei an dieser Stelle in aller Deutlichkeit wiederholt, daß es bei dem Antrag zu c) nicht darum gehen kann, ob ein Arzt im allgemeinen aus der Bioäquivalenz auf therapeutische Äquivalenz und Substituierbarkeit schließt oder schließen darf, sondern ob es irreführend ist, ihm mit dem der Definition nach zutreffenden Begriff "bioäquivalent" eine statistische Beziehung zwischen zwei Medikamenten anzugeben, wenn er gleichzeitig aus dem Zusammenhang erfährt, daß dieser Begriff inhaltlich etwas anderes bedeutet als therapeutische Äquivalenz und Substituierbarkeit.

Das ist zu verneinen, denn der so verwendete Begriff trifft nach wissenschaftlichem Sprachgebrauch den gemeinten sachlichen Zusammenhang und ist nicht mißzuverstehen. Dabei ist nicht entscheidend, daß sich - wie Prof. W. meint - die Ärzte "darüber, wie die Bioäquivalenz ausgemessen wird, vielmehr gar keine Gedanken" machen. Das kann ohne weiteres als richtig unterstellt werden, denn dieses "Wie" ist unerheblich. Wesentlich ist allein: Dem Arzt wird in zutreffender Weise die Erkenntnis vermittelt, daß die beiden Medikamente nach wissenschaftlich anerkannten Kriterien in einem statistischen Zusammenhang stehen, der in der Fachwelt mit dem Begriff "bioäquivalent" zum Ausdruck gebracht wird, ohne daß es darauf ankommt, wie dieser Zusammenhang ermittelt wird und ob dies an gesunden oder kranken Probanden geschieht, denn daraus lassen sich für den konkreten Einzelfall und seine Behandlung ohnehin keine gesicherten Erkenntnisse gewinnen.

Daß die Aussage, die beiden Medikamente seien bioäquivalent, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutrifft, ergibt sich aus dem Umstand, daß das BfArM die Bioäquivalenz bejaht hat. Die Antragstellerin hält dem entgegen, daß sie die Studie, aus der sich das ergeben soll, ja nicht kenne und deshalb nicht beurteilen könne, ob das BfArM zu den richtigen Erkenntnissen gelangt sei. Eine solche Ungewißheit begründet keine Zweifel, denn für die vom BfArM gewonnenen Ergebnisse ist es gleichgültig, ob die Antragstellerin sie prüfen kann oder billigen möchte. Es ist fast selbstverständlich, scheint von der Antragstellerin auch nicht ernsthaft bezweifelt und ist jedenfalls überwiegend wahrscheinlich, daß das BfArM den international gültigen wissenschaftlichen Standard angewendet hat, wie er dem allgemein anerkannten Regelwerk der "Note for guidance on the investigation of bioavailability and bioequivalence" ("CPMP-Guidelines" - Anlage AG 5, Ast 27) entspricht. Die "CPMP-Guidelines" stellen allerdings fest: "In case of an especially narrow therapeutic range the acceptance range may need to be tightened." (Appendix III). Wenn die "CPMP-Guidelines" für Ausnahmefälle engere Grenzwerte für möglich halten, sind sie im Einzelfall ergänzungsbedürftig. Der Vortrag der Antragstellerin bietet aber keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, das BfArM habe sich über diesen Gesichtspunkt hinweggesetzt.

Die Antragstellerin verweist zwar darauf, daß die "CPMP-Guidelines" keinen Normencharakter haben und nur verwaltungsintern die Beamten der EMEA binden, sie trägt aber nicht vor, daß irgend jemand andere Maßstäbe entwickelt hätte, um die Bioäquivalenz auszudrücken. Wenn die Antragstellerin mit Johnston et al. (Anlage Ast 26) die Grenzwerte der "CPMP-Guidelines" von 80 und 125 % für "set arbitrarily", also willkürlich gesetzt, hält, dann wird damit lediglich auf die Relativität der gewonnenen Ergebnisse hingewiesen, was nicht bedeutet, die danach ermittelten Werte seien falsch und irreführend, sondern nur, daß die Aussagekraft der ermittelten Werte begrenzt sei.

Auch die kritischen Äußerungen von Petersen (Anlage Ast 28) greifen nicht die Ermittlung der Bioverfügbarkeit nach den heute üblichen Kriterien an, er weist nur darauf hin, daß die tolerierten Abweichungen zu Unzuträglichkeiten führen können. Er kommt ja gerade zu dem Schluß, daß "die heutigen ausgefeilten Regelungen nicht alle Eventualitäten abdecken können", und rät bei Wirkstoffen mit geringer therapeutischer Breite zu sorgfältiger Abwägung. Das heißt, die "ausgefeilten Regelungen" werden akzeptiert, und es heißt sogar ausdrücklich: "Durch die Zulassung eines Generikums wird seine Austauschbarkeit mit wirkstoffgleichen Präparaten festgestellt." Das schließt nach seiner Auffassung "Überraschungen" nicht aus, und solche Überraschungen erörtert Petersen anhand verschiedener namentlich genannter Präparate bzw. Wirkstoffe. "C" bzw. "Ciclosporin" befinden sich nicht darunter.

Es würde im übrigen für die nach den "CPMP-Guidelines" ermittelte Bioäquivalenz von S O und C nichts besagen, denn mit keinem Wort deutet Petersen an, daß die von ihm behandelten Stoffe und Medikamente nicht im Sinne der "CPMP-Guidelines" bioäquivalent sind. Er ist vielmehr der Auffassung, daß trotz ihrer Bioäquivalenz eine besonders sorgfältige Abwägung bei einer etwaigen Umstellung walten müsse. Deshalb sind auch die Feststellungen von Prof. Opelz (Anlage Ast 20) für den vorliegenden Fall nicht entscheidend, wobei ganz davon abgesehen werden soll, daß er seine Ergebnisse als "preliminary" und "not conclusive" bezeichnet. Er stellt fest, daß eine Organabstoßung bei 397 Patienten, die mit generischem Ciclosporin behandelt worden sind, häufiger beobachtet worden ist, als es bei Patienten der Fall war, die das Originalpräparat Neoral (= S O) erhalten haben. Sieht man davon ab, daß sich nicht abschätzen läßt, wie viele der umgestellten 397 Patienten C bekommen haben (die Antragstellerin nennt beispielsweise auch Sangcya als Generikum), so läßt sich auch mit dieser Aussage allenfalls belegen, daß die Mittel therapeutisch nicht ohne weiteres austauschbar sind und ein Schluß aus der Bioäquivalenz auf die therapeutische Äquivalenz nur mit Vorsicht zu ziehen ist, nicht aber, daß es an der Bioäquivalenz fehlt.

Es wäre Aufgabe der Antragstellerin gewesen, im einzelnen darzulegen, warum die Bioäquivalenz von C und S O nicht besteht, obwohl sie nach den allgemein angewandten Kriterien zu bejahen ist. Generelle Zweifel, "Eventualitäten" und "Überraschungen", die die therapeutische Äquivalenz betreffen, besagen für die Bioäquivalenz nichts, sondern mahnen nur zur Vorsicht gegenüber Schlüssen, die aus der Bioäquivalenz zu ziehen sind. Dadurch wird nicht ausgeschlossen, daß C bioäquivalent ist. Nicht einmal die geringe therapeutische Breite von Ciclosporin ist in diesem Zusammenhang erheblich, unbeschadet der Tatsache, daß die Antragsgegnerin in zweiter Instanz auch diesen Punkt in Zweifel gezogen hat. Selbst wenn die Grenzwerte für Ciclosporin die Regelwerte von 0,8 und 1,25 nicht ausschöpfen dürfen, so fehlt jeder Vortrag der Antragstellerin, wo genau diese Grenzwerte liegen, daß C mit 92,1 % sie nicht einhält und vor allen Dingen, daß sich das BfArM bei der Zulassung über diesen Punkt hinweggesetzt hat.

Gegenüber dem für das Verfügungsverfahren ausreichenden Nachweis der Bioäquivalenz sind um so weniger Zweifel angebracht, als die Antragsgegnerin mit den Anlagen 9 und 15 weitere Bioäquivalenz-Studie vom 25.03.2002 und vom September 2002 an jeweils 24 Probanden vorgelegt hat, die die Ergebnisse der im Faltblatt wiedergegebenen Studie bestätigen. Auch gegenüber der Bioäquivalenz-Studie vom 25.03.2002 wendet die Antragstellerin nur ein, daß sie die Ergebnisse nicht nachprüfen könne und sie "dasjenige noch einmal belegen, was die Antragsgegnerin offenbar dem BfArM gegenüber ohnehin schon belegt hat," ohne im einzelnen Gesichtspunkte aufzuzeigen, die die Beweiskraft schmälern könnten.

Statt dessen beruft sie sich auf die Studie von Prof. Grobecker an zwölf Probanden (Anlage Bf AST 3), die für die Bioverfügbarkeit von C einen Wert von 84 % gegenüber dem für S O gesetzten Wert von 100 % ergibt. Dieser Wert liegt in den Toleranzgrenzen von 80 % bis 125 %. Die Vorgaben der "CPMP-Guidelines" werden aber insofern verfehlt, als die ermittelte Untergrenze des 90%-Konfidenzintervalls mit 79 % unter den erforderlichen 80 % liegt. Ob diese marginale Abweichung überhaupt genügt, um die Beweiskraft der anderen Studien mit insgesamt 60 Probanden zu erschüttern, mag dahinstehen. Jedenfalls hat die Antragsgegnerin mit der "Gutachtlichen Stellungnahme" vom 21.08.2002 durch Dr. V. von Scope International (Anlage 10) methodische Schwächen der Studie aufgezeigt, die es auch für den Senat nachvollziehbar machen, daß die marginale Abweichung von 1 % nicht als wirklich so gesichert erscheint, daß die mit den übrigen Studien und der Entscheidung des BfArM glaubhaft gemachte Bioäquivalenz damit in Zweifel gezogen werden könnte. Wenn die Antragstellerin glaubt, die Vernachlässigung der Nahrungsaufnahme bei den Probanden mit dem Hinweis relativieren zu können, unterschiedliche Eßgewohnheiten entsprächen auch der Realität bei echten Transplantationspatienten, so berücksichtigt sie nicht hinreichend den Umstand, daß die Aussage zur Bioäquivalenz eine rein statistische ist, die nur dann verläßlich sein kann, wenn die Rahmenbedingungen bei allen Probanden in den Grenzen des Möglichen identisch sind.

2. Die im Antrag zu d) angegriffene Aussage, "die Einnahme einer Mahlzeit hat keinen Einfluß auf das Ausmaß der Bioverfügbarkeit von C" ist ebenfalls nicht als irreführend zu beanstanden.

Das Landgericht hat dargelegt, daß die Angabe im konkreten Zusammenhang nicht mißverstanden werden könne. Das sieht der Senat nicht anders, er macht sich die Ausführungen im angefochtenen Urteil zu eigen. Sie ist richtig, weil der AUC(area under the curve)-Wert für den Ciclosporin-Spiegel bei Probanden, die C nach einer Mahlzeit eingenommen haben, 93,2 % des Wertes erreicht, der für die Einnahme im nüchternen Zustand ermittelt worden ist, und dieser Unterschied in der Bioverfügbarkeit liegt innerhalb der allgemein akzeptierten Toleranzgrenzen.

Die Antragstellerin hält dem entgegen, daß die Toleranzgrenzen bei Ciclosporin enger zu bemessen seien und die beweisbelastete Antragsgegnerin nur eine eidesstattliche Versicherung von Frau Dr. Th., nicht aber ihre Studien vorgelegt habe, deren Ergebnisse im Faltblatt wiedergegeben sind. Auf das BfArM könne sich die Antragsgegnerin nicht berufen, weil es sich mit diesem Vergleich nicht befaßt habe.

Ob die Antragsgegnerin beweisbelastet ist, mag dahinstehen. Jedenfalls hat sie glaubhaft gemacht, daß ihre Angaben zutreffen. Sie hat zwar ihre Studie nicht vorgelegt, doch hat Frau Dr. Th. als Leiterin der Abteilung Klinische Forschung bei der Antragsgegnerin eidesstattlich versichert, daß sie über die durchgeführten Studien und deren Ergebnisse umfassend unterrichtet sei und die geltenden wissenschaftlichen Richtlinien und gesetzlichen Vorschriften für die Durchführung von Arzneimittelstudien kenne. Wenn Frau Dr. Th. in einer solchen Form die wissenschaftliche Verantwortung für die Studien übernimmt, dann müßte es schon irgendwelche Anhaltspunkte dafür geben, daß ihre Versicherung kein Vertrauen verdient. Wie sich aber gezeigt hat, ist eine vergleichbare Studie vom BfArM akzeptiert worden und hat demnach die Anforderungen erfüllt, die an die Anlage einer solchen Untersuchung zu stellen sind. Auch sonst haben sich die von ihr wissenschaftlich zu vertretenden Studien bestätigt oder mindestens gegenseitig in ihren Ergebnissen gestützt, so daß kein Anlaß besteht, den wiedergegebenen Aussagen der hier maßgeblichen Studie über den Einfluß von Mahlzeiten auf die Bioverfügbarkeit zu mißtrauen.

Es ist richtig, daß sich das BfArM mit diesem Vergleich nicht befaßt haben muß. Oben ergab sich aber, daß es keinen engeren Toleranzrahmen für Ciclosporin angenommen hat, so daß es glaubhaft erscheint, daß er auch nicht zugrunde zu legen ist. Im übrigen kommt es darauf nicht an, denn die Erhebungen zum Einfluß, den die Mahlzeiten auf den Blutspiegel haben, sind nicht davon abhängig, wie die Toleranzgrenzen bei Ciclosporin zu bemessen sind.

II. Die Anschlußberufung der Antragsgegnerin ist ebenfalls unbegründet.

1. Eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO kommt nicht in Betracht, weil das Landgericht sein Verbot hinsichtlich der Anträge zu a) und b) weder neu erlassen noch abgeändert hat (HansOLG OLGR 1999, 180, 181; OLG Köln WRP 2002, 738).

2. Unbeschadet der Frage, ob die zum Gegenstand der Anträge zu a) zu b) gemachten Aussagen, "C: Therapeutisch äquivalent, Phase-III-Studie an stabilen nierentrans plantierten Patienten," und "C-Kapseln sind genauso wirksam und verträglich wie das Referenzpräparat (nämlich S-O)", inhaltlich irreführend sind, ist die Antragsgegnerin vertraglich verpflichtet, sie zu unterlassen.

Die Antragsgegnerin hat zur Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht strafbewehrt versprochen, "es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Präparat C Kapseln mit den Aussagen 'therapeutisch äquivalent' sowie 'C Kapseln sind genauso wirksam und verträglich wie das Referenzpräparat' zu werben, solange sich dies nicht aus weiteren Studien, die in dem streitgegenständlichen Folder nicht enthalten sind, ergibt." (Anlage Ast 9). Sie glaubt, durch dieses Versprechen nicht mehr gebunden zu sein, weil die auflösende Bedingung eingetreten sei. Dazu beruft sie sich auf die beiden in dem auf den 24.08.2001 datierten Schreiben (Anlage Ast 10a) genannten Studien sowie eine weitere Studie mit 34 bzw. 35 Probanden "Two-way single dose fasting bioavailability of cyclosporine..."; schließlich hat sie in zweiter Instanz die Bioäquivalenzstudie vom 25.03.2002 (Anlage AG 9) vorgelegt. Alle diese Studien befassen sich aber schon nach dem Arbeitstitel nur mit der Bioverfügbarkeit und damit der Bioäquivalenz der untersuchten Präparate.

Wie sich bereits oben ergab, ist das begrifflich nicht mit der therapeutischen Äquivalenz gleichzusetzen. Auch in Ziffer 2.6 der "Guidelines" heißt es:

"A medical product is therapeutically equivalent with another product if it contains the same active substance or therapeutic molety and, clinically, shows the same efficacy and safety as that product whose efficacy and safety has been established.

In practice evidence of bioequivalence is generally the most appropriate proof to substantiate therapeutic equivalence between medicinal products which are pharmaceutical equivalents or alternatives, provided they contain excipients generally recognized as safe and carry the same labelling for use.."

Danach läßt sich - genau genommen - die therapeutische Äquivalenz ohne klinische Untersuchungen niemals bejahen. Wenn sich die Praxis mit Schlüssen aus der Bioäquivalenz auf die therapeutische Äquivalenz begnügen muß, so ist das ein Notbehelf, der beide Begriffe nicht austauschbar macht. Die Antragsgegnerin kann das in ihrer Unterwerfungserklärung so auch nicht gemeint haben, denn in dem Faltblatt, auf dem die Abmahnung der Antragstellerin beruht, wurde unmißverständlich zwischen der auf der Bioverfügbarkeit beruhenden Bioäquivalenz und der therapeutischen Äquivalenz im Sinne gleicher Wirksamkeit und Verträglichkeit unterschieden. Eben diese Unterscheidung in der konkreten Verletzungsform führt ja dazu, daß der Antragsgegnerin die Bezeichnung "bioäquivalent" so, wie er in dem Faltblatt verwendet wird, nicht verboten werden kann.

Die Antragsgegnerin hat auch kein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 242 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, weil das Bundesverfassungsgericht am 01.08.2001 (BVR 1188/92 - GRUR 2001, 1058 f. "therapeutische Äquivalenz") entschieden hat, daß im Rahmen einer Prüfung des § 1 UWG das Recht auf freie Meinungsäußerung angemessen berücksichtigt werden müsse. Der dort entschiedene Fall hat mit dem vorliegenden nichts zu tun, weil die therapeutische Äquivalenz dort nicht umstritten war. Es ging allein um die Frage, ob sie blickfangmäßig hervorgehoben werden dürfe, und das Bundesverfassungsgericht hat dies unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf freie Meinungsäußerung bejaht. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Grenzen lauterer Werbung, sondern um das Versprechen, solange nicht mit der therapeutischen Äquivalenz zu werben, bis die Richtigkeit dieser Behauptung durch neue Studien nachgewiesen und eine Irreführung des angesprochenen Verkehrs ausgeschlossen ist.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Parteien nach §§ 97, 92 ZPO zu tragen.

Ende der Entscheidung

Zurück