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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 17.05.2001
Aktenzeichen: 3 U 40/00
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 14
MarkenG § 24
Unterläßt es ein Parallelimporteur von Markenware, den Markenrechtsinhaber von Veränderungen an der Ware vorab zu informieren, macht er sich auch dann schadensersatzpflichtig, wenn sich der Markenrechtsinhaber Veränderungen im übrigen nicht widersetzen kann.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 40/00

Verkündet am: 17. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter v. Franqué, Spannuth, Rieger nach der am 10. Mai 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 12. Januar 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß im Tenor zu 1 (Auskunft) zwischen den Worten "in welchem Umfang sie" und den Worten "mit 'S.-Simplex-Tropfen' bezeichnete Arzneimittel" das Datum eingefügt wird:

"bis zum 12.05.1999"

eingefügt wird.

Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 180.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagten sind um 300.000 DM beschwert.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für die Rechtsmittelinstanz auf 300.000 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Inhaberin der Marke "S." und stellt in Deutschland unter der Bezeichnung "S. Simplex-Tropfen" ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel her, das unliebsame Gasbildung bei der Verdauung verringern soll. Es wird in Österreich von einer Schwesterfirma vertrieben.

Die Beklagten importieren das Mittel. Sie haben seine Primär- und die Umverpackung teilweise überklebt, um es durch in Deutschland vorgeschriebene Angaben verkehrsfähig zu machen, einen Beipackzettel hinzugefügt und das Mittel in Packungsgrößen zu 30 ml und 4 x 30 ml (Bündelpackung) in den Verkehr gebracht, ohne die Klägerin vorab darüber zu informieren. Auf eine Abmahnung der Klägerin verpflichteten sich die Beklagten mit Schreiben vom 11.05.1999, das beanstandete Verhalten zu unterlassen, unterrichteten die Klägerin von dem Vertrieb und übersandten Muster der von ihnen verwendeten Packungen, lehnten darüber hinausgehende Ansprüche jedoch ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß ihr Schadensersatzansprüche zustehen, und hat beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie mit "S. Simplex-Tropfen" bezeichnete Arzneimittel aus Ländern der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes importiert haben und die äußere Originalverpackung und die das Präparat unmittelbar umhüllende Primärverpackung mit zusätzlichen deutschsprachigen Angaben versehen haben und die Gebrauchsinformation ausgetauscht haben und das Arzneimittel in solcher Form in Deutschland in Verkehr gebracht haben, ohne die Klägerin vorab von dem Inverkehrbringen zu unterrichten, durch Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses, aus dem sich ergeben müssen: Lieferzeitpunkt, Liefermenge, Abgabepreise gegenüber allen gewerblichen Abnehmern,

2. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den Handlungen gemäß Nr. 1 bis zum 12.05.1999 entstanden ist und noch entstehen wird. Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen,

und sich mit Rechtsgründen verteidigt.

Das Landgericht, auf dessen Entscheidung zur Vervollständigung des Tatbestandes Bezug genommen wird (§ 543 Abs. 2 ZPO), hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wenden sich diese mit ihrer Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und im wesentlichen mit rechtlichen Erwägungen begründet haben.

Die Beklagten beantragen,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin stellt den Gegenantrag,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt das Urteil hauptsächlich mit Rechtsgründen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien mit Anlagen und Beweisangeboten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Die Ergänzung des Tenors stellt inhaltlich keine Änderung dar. Wie die Klägerin im Senatstermin klargestellt hat, ist sie als selbstverständlich davon ausgegangen, daß die Korrespondenz von Auskunft und Feststellung eine Erwähnung des Datums im Auskunftsanspruch nicht erfordert. Nachdem den Beklagten aber nach anderthalbjähriger Verfahrensdauer insoweit Bedenken gekommen sind, erscheint eine Klarstellung geboten.

Das Landgericht hat dargelegt, daß nach §§ 14, 19 MarkenG, 421 BGB, 256 ZPO ein Auskunftsanspruch der Klägerin besteht und ihr Interesse an der begehrten Feststellung zu bejahen ist, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Markeninhaber allein bestimmen darf, in welcher Form sein Produkt auf den Markt kommt, und dem Importeur zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs nur ausnahmsweise eine grundsätzlich dem Markeninhaber vorbehaltene Befugnis eingeräumt wird, wenn kumulativ bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, zu denen eine Vorabinformation zählt. Diese Ausführungen macht sich der Senat zu eigen (§ 543 Abs. 1 ZPO), weil sie in Übereinstimmung mit seiner ständigen Rechtsprechung stehen. Zu weiteren Vertiefungen besteht um so weniger Anlaß, als der Bundesgerichtshof jüngst (Urteil vom 19.10.2000 - I ZR 89/98 - Zocor - WRP 2001, 549 ff.) zum gleichen Ergebnis gekommen ist.

Deshalb ist zur Berufungsbegründung nur in gebotener Kürze (§ 313 Abs. 3 ZPO) zu ergänzen:

1. Die Auffassung des Europäischen Gerichtshofes läßt sich weder mit allgemeinen Erwägungen zur Bedeutung der freien Warenverkehrs in Europa noch mit älteren Entscheidungen des Gerichts (etwa EuGH, GRUR 1978, 599 - Hoffmann-La Roche ./. Centrafarm) widerlegen, denn seine jüngsten Entscheidungen sind in Kenntnis des Problems und speziell zum Markenrecht auf der Grundlage der Markenrechtsrichtlinie ergangen. Soweit der englische Richter Laddie in seiner Entscheidung vom 28.02.2000 (Anlage B 7) eine abweichende Auffassung vertreten sollte, vermag der Senat dem aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen.

2. Es läßt den Grundsatz, daß der Importeur, der den Markeninhaber nicht vorab informiert, unbefugt handelt, unberührt, daß der Sachverhalt in den vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fällen in Einzelheiten anders gelegen hat, weil es um jeweils verschiedene Eingriffe in die grundsätzlich dem Markeninhaber vorbehaltene Befugnis ging. Auch der "Phyteron/Bourdon"-Entscheidung (GRUR Int. 1997, 627) läßt sich nicht entnehmen, daß das Gericht von seiner Auffassung hat abrücken wollen. Die Vorabinformation spielte dort keine Rolle, weil das vorlegende Gericht die Frage nicht aufgeworfen hat, während der Gerichtshof unter Ziffer (23) ohne Einschränkung auf sein Urteil "Bristol-Myers Squibb" verwiesen hat, auf dem die Rechtsprechung des Senats beruht.

3. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob gerade der Importeur selbst den Markeninhaber informieren muß und ob dieser, falls es so sein sollte, im Einzelfall rechtsmißbräuchlich handelt, wenn er darauf besteht, vom Importeur informiert zu werden, obwohl er über alle erforderlichen Informationen verfügt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Es läßt sich nur an Hand der konkreten Muster entscheiden, ob der Importeur bei der Änderung der Originalware seine Ausnahmebefugnis nicht überschritten hat. Aus der Nachricht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-produkte konnte die Klägerin nur entnehmen, daß ein Parallelimport geplant war. In welcher Form das geschehen werde, blieb offen, denn das Institut hat der Klägerin keine Muster übersandt.

4. Die Beklagten mögen die Pflicht, den Markeninhaber vorab zu informieren, als "Hilfspflicht" des Importeurs charakterisieren, weil sich bei ihrer Erfüllung möglicherweise zeigt, daß sich der Markeninhaber dem Import aus weiteren Gründen nicht widersetzen kann (es wird keine Abschottung bezweckt - die Originalware bleibt unversehrt - Parallelimporteur und Hersteller werden genannt - die Veränderungen dürfen den Ruf des Markeninhabers nicht schädigen). Das ändert aber nichts daran, daß der Importeur nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs die grundsätzlich dem Markeninhaber zustehende Befugnis, in die Integrität der Ware einzugreifen, erst dann erwirbt, wenn er diesen zuvor benachrichtigt hat. Daß "das Unterbleiben der Vorabinformation keine Markenverletzung darstellt," ist belanglos. Markenverletzend ist der Vertrieb der Ware, die durch Überkleben der Verpackung verändert worden ist. Dieser grundsätzlich rechtswidrige Eingriff ist ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn der Markeninhaber zuvor unterrichtet wurde und dem keine weiteren Gründe entgegenstehen.

Mit Begriffen allein läßt sich dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. Die Beklagten stellen darauf ab, daß nur die vier weiteren Kriterien darüber entschieden, ob eine "Erschöpfung" des Markenrechts eingetreten sei, und für diese Rechtsfolge sei es belanglos, ob sich auch der Markeninhaber von ihr habe überzeugen können. Diese Sicht entspricht nicht den Regelungen der Richtlinie und des deutschen Markenrechts. Es tritt nicht nach § 24 Abs. 1 MarkenG zunächst eine "Erschöpfung" ein, von der § 24 Abs. 2 MarkenG Ausnahmen zuläßt. Vielmehr verliert der Markeninhaber die ihm zugeordnete Befugnis, Dritten die Benutzung der Marke zu untersagen, überhaupt nicht, wenn er sich "dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt", denn dann ist Abs. 1 gar nicht erst anwendbar.

5. Ein Schaden ist bei der Klägerin dadurch eingetreten, daß die Beklagten in ihre Markenrechte eingegriffen haben, ohne daß ihnen ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stand. Diese Handlung macht sie schadenersatzpflichtig, denn so hätten sich die Beklagten nur verhalten dürfen, wenn sie sich zuvor eine Lizenz der Klägerin besorgt hätten. Die entsprechenden Gebühren sind der Klägerin vorenthalten worden. Es ist richtig, daß der Schutzzweck der Informationspflicht nicht darin besteht, Parallelimporte zu verhindern. Sie soll vielmehr die Rechte des Markeninhabers schützen. Solange dessen Belange aber nicht gewahrt sind, bleibt der Eingriff rechtswidrig. Deshalb hat die Klägerin ihre Anträge auf die Zeit bis zum 12.05.1999 begrenzt, denn mit Schreiben vom 11.05.1999 sind die Beklagten ihrer Informationspflicht nachgekommen.

Es gibt den Dingen eine falsche Wendung, wenn die Beklagten darauf abstellen, daß sie für Import und Vertrieb keine Genehmigung der Klägerin bedurft hätten und deshalb kein "vernünftiger" Importeur dafür einen Preis bezahlen würde. Die Vorabinformation ersetzt keine Genehmigung, die die Klägerin überhaupt nicht erteilen möchte. Sie läßt vielmehr die Rechtswidrigkeit der Markenverletzung entfallen. Bis die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, bleibt das Verhalten der Beklagten rechtswidrig, und sie hätten sich deshalb in der Tat eine Genehmigung der Klägerin besorgen müssen, um das Mittel vertreiben zu dürfen. Nur ein solches Alternativverhalten wäre rechtmäßig, aber nicht ohne Zahlung einer angemessenen Lizenz möglich gewesen. Die Rechtsprechung zum rechtmäßigen Alternativverhalten des Arztes, der mit dem Einwand gehört wird, der Patient hätte auch bei ausreichender Information in den Eingriff eingewilligt, stellt keine Parallele dar, weil eine Einwilligung der Klägerin gerade nicht in Betracht kommt.

6. Eine Klärung, von welchem Zeitpunkt an denn die Beklagten die Rechtslage mit hinreichender Sicherheit hätten beurteilen können, so daß es für davor liegende Handlungen am Verschulden fehlen würde, erübrigt sich, weil ein entsprechender Bereicherungsanspruch, der kein Verschulden erfordert, zum gleichen Ergebnis führen würde (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, vor §§ 14 - 19, Rdnr. 73)

7. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ist nicht geboten, weil die Rechtslage hinreichend geklärt erscheint. Eine Pflicht zur Vorlage besteht nicht, weil die Entscheidung des Senats rechtsmittelfähig ist (Art. 234 Abs. 3 EGV).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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