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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 18.09.2003
Aktenzeichen: 3 U 70/02
Rechtsgebiete: HWG, UWG


Vorschriften:

HWG § 3
UWG vor § 1
UWG § 1
UWG § 3
1. Zum Verbot von Einzeläußerungen aus einer Schlankheitsmittel-Werbeanzeige.

2. Eine gesundheitsbezogene Werbeaussage ist irreführend, wenn sie auf nicht tragfähige Studien gestützt wird.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

3 U 70/02

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 18. September 2003

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, v. Franqué, Spannuth nach der am 4. September 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 1. März 2002 abgeändert. Unter Abweisung der Klage im übrigen erhält der Urteilsausspruch folgende Fassung:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise festzusetzender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder primär festzusetzender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - die Ordnungshaft zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer -

zu unterlassen

im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben:

1. "Ab sofort können Sie einfach das Fett auf natürlichem Wege ausscheiden! ... Lassen Sie Ihr Fett lieber 'aufsaugen'",

2. "... ist ein Fettbinder, der Ihren täglichen Mahlzeiten das Fett auf effektive Weise entzieht",

3. "Essen wie bisher - und doch fettreduziert ... kann ... bis zu 8 mal sein Eigengewicht an Nahrungsfetten binden.",

4. "Zusammen mit seinem unverdaulichen Ballaststoff wird das Fett ausgeschieden, so daß es nicht mehr aufgenommen und abgelagert werden kann",

5. "G.-xx-med bindet das Fett und läßt es nicht mehr los",

6. "Eine wissenschaftliche Studie hat es ganz deutlich gezeigt: Bei einer wissenschaftlichen Studie reduzierten 30 Männer und Frauen aller Altersgruppen innerhalb von einem Monat ihr Gewicht um durchschnittlich 2,6 kg ohne Ernährungsumstellung",

7. im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben:

a. "... ein effektives Mittel beim Kampf gegen das Übergewicht...",

b. "Machen Sie keine Diät mehr - nehmen Sie trotzdem ab",

c. "Bei gleichbleibender Ernährungsweise Körperfett verlieren",

d. mit der Abbildung sowie dem dazugehörigen Text wie die in der Anzeige unten rechts verwendete mit Punkten umrandete Darstellung, beginnend mit den Worten.

"Dieser Test macht es deutlich: ...",

wenn dies wie in der folgend abgebildeten Anzeige geschieht.

Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 30.000 € und der Kläger durch eine solche von 1.000 € abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht, ein Verein im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu sein.

Die Beklagte, ein pharmazeutisches Unternehmen, hat im September 2001 das die Substanz Chitosan enthaltende Mittel "G.-xx-med forte" in der Zeitschrift "Bild der Frau" mit folgender Anzeige beworben (vgl. Anlagen K 4):

Der Kläger, der dies für rechtswidrig hält, insbesondere weil es keine wissenschaftlichen Nachweise für die Chitosan zugesprochenen Wirkungen gebe, hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben:

a) "Ab sofort können Sie einfach das Fett auf natürlichem Wege ausscheiden!

... Lassen Sie Ihr Fett lieber 'aufsaugen'",

b) "... ein effektives Mittel beim Kampf gegen das Übergewicht...",

c) "Machen Sie keine Diät mehr - nehmen Sie trotzdem ab",

d) "... ist ein Fettbinder, der Ihren täglichen Mahlzeiten das Fett auf effektive Weise entzieht",

e) "Essen wie bisher - und doch fettreduziert ... kann ... bis zu 8 mal sein Eigengewicht an Nahrungsfetten binden.",

f) "Bei gleichbleibender Ernährungsweise Körperfett verlieren",

g) "Zusammen mit seinem unverdaulichen Ballaststoff wird das Fett ausgeschieden, so daß es nicht mehr aufgenommen und abgelagert werden kann",

h) "G.-xx-med bindet das Fett und läßt es nicht mehr los",

i) "Eine wissenschaftliche Studie hat es ganz deutlich gezeigt: Bei einer wissenschaftlichen Studie reduzierten 30 Männer und Frauen aller Altersgruppen innerhalb von einem Monat ihr Gewicht um durchschnittlich 2,6 kg ohne Ernährungsumstellung",

j) mit der nachstehend wiedergegebenen Abbildung sowie dem dazugehörigen Text [es folgt die in der Anzeige unten rechts verwendete Darstellung, beginnend mit den Worten. "Dieser Test macht es deutlich: ..."]

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

weil der Kläger finanziell nicht hinreichend ausgestattet und die Anzeige überdies nicht rechtswidrig sei.

Das Landgericht, auf dessen Entscheidung zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird, hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, in den Tenor allerdings die Worte "zu unterlassen" nicht aufgenommen. Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Beide Parteien legen weiteres Material zur wissenschaftlichen Diskussion des Wirkstoffes Chitosan vor.

Ergänzend wird auf die vorbereitenden Schriftsätze mit ihren Anlagen und Beweisangeboten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nur zum Teil begründet.

I. Die Prozeßführungsbefugnis und damit auch die Aktivlegitimation (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG) des Klägers im Pharmabereich wird von den Hamburger Gerichten in ständiger Rechtsprechung auch des Senats seit Jahren bejaht. Auch der Bundesgerichtshof, der dies unter dem Gesichtspunkt der von Amts wegen zu berücksichtigenden Prozeßführungsbefugnis zu prüfen hatte, hat das getan (GRUR 2000, 438 - L-Carnitin; GRUR 2001, 176 - Myalgien). Die Beklagte trägt keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, daß sich an den tatsächlichen Grundlagen für diese Bewertung etwas geändert hätte. Es ist demgegenüber kein erheblicher Gesichtspunkt, daß sie selbst im Gegensatz zur Rechtsprechung die vom Kläger zu tragenden Risiken nicht für ausreichend abgesichert ansieht.

II. Der Kläger greift eine Werbung für "G.-xx-med Chitosan forte" an, ohne einen einzigen Beleg dafür vorzulegen, daß ein solches Mittel beworben worden ist, denn in den Anzeigen (Anlagen K 4) taucht das Wort "Chitosan" nicht auf. Dort wird "G.-xx-med forte plus C" und "G.-xx-med forte" beworben. Da die Beklagte aber die Werbung so verteidigt, wie sie angegriffen wird, begründet sie für die entsprechende Werbung für ein Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" mindestens Erstbegehungsgefahr, zumal sie mit der Anlage BB 1 eine äußere Verpackung vorlegt, auf der das Mittel als "G.-xx-med Chitosan forte plus C" bezeichnet wird.

Der Kläger hat nicht die Anzeige, in der die angegriffenen Formulierungen verwendet werden, sondern diese Formulierungen selbst als einzelne Aussagen zum Gegenstand der Klage gemacht. Wer eine Aussage aus dem Zusammenhang löst, in dem sie in einer Anzeige steht, und isoliert angreift, nimmt damit eine Verallgemeinerung vor.

Solche Verallgemeinerungen sind zulässig, wenn in ihnen das Charakteristische der Verletzungsform erhalten bleibt. Das trifft dann zu, wenn alles, was auf Grund der Verallgemeinerung entfällt, ohne Bedeutung für die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Aussage ist (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Auflage, 2002, Kap. 51, Rdnr. 14 mit Nachweisen).

Gewinnt ein - isoliert betrachtet - neutraler Satz, der als solcher nicht zu beanstanden ist, seinen rechtswidrigen Gehalt aus dem werblichen Umfeld der An zeige, weil dieser Zusammenhang ihm einen bestimmten Sinn gibt und zu einem entsprechenden Verständnis des Betrachters führt, dann trifft der Antrag, der diese Aussage isoliert zum Gegenstand macht, nicht das Charakteristische der konkreten Verletzungsform. Er kann keinen Erfolg haben, weil die Aussage nicht in jedem beliebigen Zusammenhang rechtswidrig ist, sondern nur dann, wenn ihm das werbliche Umfeld den rechtswidrigen Charakter verleiht. Deshalb muß in einem solchen Falle das werbliche Umfeld der Anzeige in das Verbot einbezogen werden. Hat hingegen die isolierte Aussage selbst einen rechtswidrigen Inhalt, ohne daß das werbliche Umfeld zu diesem Verständnis beiträgt, kann es als unerheblich fortgelassen werden. Nur so ist die Rechtsprechung des Senats zu verstehen, daß eine Aussage nicht isoliert verboten werden kann, wenn sie in bestimmten Zusammenhängen keinen rechtswidrigen Inhalt hat.

Diese beiden Konstellationen dürfen nicht vermengt werden. Das geschieht, wenn das Verbot der isolierten Aussage mit der Begründung angegriffen wird, es sei zu weit, denn die Aussage sei in einem Zusammenhang denkbar, der ihr einen anderen Sinn verleihe, so daß sie nicht als rechtsverletzend verstanden werden könne. Diese Möglichkeit besteht zwar, tritt der Satz aber in einem solchen Zusammenhang auf, dann hat er einen anderen Sinn als in der konkreten Verletzungsform und wird dementsprechend von dem Verbot überhaupt nicht erfaßt.

Deshalb ist bei jedem einzelnen Antrag zu erwägen, ob die angegriffene Aussage für sich gesehen "neutral" ist und einen rechtswidrigen Inhalt erst aus dem werblichen Umfeld gewinnt oder ob sie bereits für sich betrachtet einen rechtswidrigen Inhalt hat.

III. Die einzelnen Anträge des Klägers sind überwiegend begründet.

1. Das Verbot, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben: "Ab sofort können Sie einfach das Fett auf natürlichem Wege ausscheiden! ... Lassen Sie Ihr Fett lieber 'aufsaugen'", ist nach §§ 1, 3 UWG, 3 HWG berechtigt.

a. Die Aussage ist isoliert gesehen fraglos irreführend, denn "Ihr Fett" kann nur das bedeuten, was als Fett bei dem Angesprochenen vorhanden ist, also Körperfett, denn in der Nahrung gebundenes Fett, das man erst zu sich nehmen muß, kann nicht als "Ihr Fett" bezeichnet werden. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten bindet Chitosan aber nur in der Nahrung enthaltenes Fett.

Im konkreten werblichen Umfeld wird aber erkennbar, daß nicht das Körperfett mit "Ihr Fett" gemeint ist, denn durch die folgenden Ausführungen, insbesondere die Angabe "G.-xx-med forte ist ein Fettbinder, der Ihren täglichen Mahlzeiten das Fett auf effektive Weise entzieht," wird jeder Zweifel ausgeschlossen. Daß diese Angabe erst im Fließtext folgt, ist unerheblich, denn der Kläger hat den Umstand, daß die mit diesem Antrag angegriffene Aussage blickfangartig hervorgehoben wird, nicht zum Gegenstand des Antrages gemacht. Läge also die Irreführung in der Behauptung, es werde Körperfett "aufgesaugt", hätte der Kläger eine Behauptung zum Gegenstand seines Angriffs gemacht, die die Beklagte so nicht aufgestellt hat.

Umgekehrt ist es unerheblich, ob man entgegen dem Inhalt der gesamten Anzeige mit dem beworbenen Mittel sein Körpergewicht nicht reduzieren kann, denn eine solche Behauptung hat der Kläger nicht zum Gegenstand seines Antrages gemacht. Isoliert kann die Aussage deshalb nur rechtswidrig sein, wenn Chitosan auch in der Nahrung vorhandenes Fett nicht "aufsaugt" und dieses auf natürlichem Wege auch nicht ausgeschieden wird, unabhängig davon, was dies für Folgen für das Körpergewicht hat.

b. Eben diese Behauptung des Klägers bestreitet die Beklagte. Nach gesicherten Grundsätzen der Rechtsprechung, wie sie der Senat ständig anwendet, obliegt dem Kläger der Nachweis, daß ihm als Unterlassungsgläubiger Ansprüche wegen der Irreführung des Verkehrs (§§ 3 UWG, 3 HWG) zustehen, und eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast bei gesundheitsbezogenen Aussagen nur dann in Betracht kommt, wenn es sich um wissenschaftlich umstrittene Aussagen handelt, was aber auch vom Kläger zunächst dargelegt und bewiesen werden muß. Steht dies aber fest und ist eine Behauptung wissenschaftlich umstritten, so sie ist nur möglicherweise richtig und dem Werbenden fällt wegen der besonderen Verhältnisse auf dem Heilmittelmarkt die Aufgabe zu, die Möglichkeit, daß die Aussage falsch ist, auszuschließen.

Insofern ist die Rüge der Beklagten folgerichtig, daß das Landgericht ihr Angebot, die Richtigkeit der Werbeaussage durch Einholen eines Sachverständigengutachtens nachzuweisen, übergangen hat.

Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit der Irreführung, die darin liegt, daß eine Aussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen. Dann liegt die Irreführung nicht darin, daß die Aussage falsch ist (denn möglicherweise ist sie ja richtig), sondern daß sie jeder Grundlage entbehrt, während der Verkehr annimmt, niemand werde ohne qualifizierte Grundlage eine derartige Behauptung aufstellen. Das gilt, wenn die in Bezug genommenen Studien als Erkenntnisquelle nicht in Betracht kommen, weil die aus ihr gezogenen Schlüsse unvertretbar sind. Allerdings genügen bloße Zweifel, die der jeweilige Unterlassungsgläubiger selbst an der Richtigkeit der aus den Studien gezogenen Schlüsse äußert, noch nicht, um die Aussage als irreführend zu verbieten, denn es fehlt in einem solchen Falle nicht an einer Grundlage für sie. Sähe man es anders, würde sich die Beweislast zum Nachteil des Werbenden vollständig umkehren, denn der Wettbewerber bräuchte nur Zweifel zu äußern, um die Nachweislast dem Werbenden zuzuschieben. Im Heilmittelwerberecht gibt es zwar Besonderheiten im Hinblick auf die Irreführung (vgl. Doepner, HWG, 2. Auflage, § 3, Rdnr. 34), die vollständige Umkehr der Beweislast gehört aber nicht dazu.

Anders steht es aber, wenn der Unterlassungsgläubiger darlegt und nachweist, daß nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen, denn damit hat er den Nachweis erbracht, daß die Aussage einer ausreichenden Grundlage entbehrt und deshalb irreführend ist.

Bei dieser Sachlage hilft es dem Unterlassungsschuldner nicht, sich für die Richtigkeit seiner Aussage auf das Gutachten eines Sachverständigen zu berufen, denn damit trifft er den Kern des Vorwurfs nicht, den Verkehr durch eine Behauptung, für deren Richtigkeit er keine hinreichenden Anhaltspunkte hat, irregeführt zu haben. Er hat nicht das Recht, haltlose Behauptungen nur deshalb aufzustellen, weil sie sich als möglicherweise richtig herausstellen könnten, wenn ein Sachverständiger die Behauptung auf ihre Richtigkeit hin überprüft.

c. So liegt der Fall hier.

Mit den Untersuchungen von Guerciolini et al. (Anlage BBK 3) und Gades/Stern (Anlage BKK 4) hat der Kläger dargelegt, daß sich bei klinischen Untersuchungen nach der Einnahme von Chitosan keine erhöhten Fettmengen im Stuhl der Probanden haben nachweisen lassen, das Fett in der Nahrung also keineswegs 'aufgesaugt' wird, um einfach auf natürlichem Wege ausgeschieden werden zu können.

Das Material, auf das sich die Beklagte für ihre gegenteilige Behauptung stützt, trägt diese nicht. Dr. C. bietet in der Anlage B 2 lediglich eine "Literaturzusammenfassung", die nicht einmal zu eigenen Schlüssen führt, die als Argument verwendbar wären.

Soweit in der Anlage B 3 auf weitere Untersuchungen verwiesen wird, so wird deren Anlage und Versuchsanordnung nicht dargestellt und auch von der Beklagten nicht näher substantiiert. Es ist nicht erkennbar, daß sie sich überhaupt mit der Untersuchung von erhöhten Fettwerten im Stuhl befaßt haben. Wertlos ist in diesem Zusammenhang deshalb auch die Studie "Bindung von Micellen-Lipiden an Chitosan" (Anlage BB 4), denn unbeschadet der Frage, inwieweit Ergebnisse von in-vitro- Untersuchungen auf die Vorgänge im menschlichen Körper übertragen werden können, zeigen die Studien von Guerciolini et al. (Anlage BBK 3) und Gades/Stern (Anlage BKK 4), daß diese etwaige Lipidbindung jedenfalls keine Auswirkungen auf die Fettwerte im Stuhl hat, worauf immer auch das im einzelnen beruhen mag.

Nunmehr behauptet die Beklagte, dieser Effekt werde durch die Kombination von Chitosan mit Vitamin C (Ascorbinsäure) bewirkt, und legt dazu die Studie "Einnahme einer Chitosan-Ascorbinsäure-Mischung bei Morbus Crohn - Eine Pilotstudie" (Anlage BB 5) vor. Dort wird die fäkale Fettausscheidung bei elf Kranken mit Darmentzündung untersucht und eine signifikante Erhöhung festgestellt.

Damit genügt die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht. Zum einen geht es um eine sehr kleine und besondere Gruppe von Patienten, also Kranken, die sich zudem fettarm ernähren mußten, weil sich sonst das Krankheitsbild möglicherweise verschlechtert hätte. Die Werbung stellt die Behauptung aber für jedermann auf, obwohl es offensichtlich keine Feldversuche gibt, die eine solche Behauptung für Menschen belegen, die sich normal ernähren. Außerdem wird festgestellt: "Der Mechanismus, der durch die Verbindung von Chitosan und Ascorbinsäure zur Erhöhung der Fettausscheidung führt, bleibt unklar. Kanauchi und andere vermuten jedoch, daß sich das in der Magensäure lösliche Chitosan im Magen mit Nahrungsfett vermischt und diese Emulsion durch Ascorbinsäure effektiv verbunden wird." Es ist bereits irreführend, eine bloße Vermutung als gesicherte Erkenntnis zu verbreiten. Ob die Beklagte im übrigen nicht angesichts der vom Kläger vorgetragenen Stimmen mindestens auf die Umstrittenheit ihrer Behauptung hinweisen müßte, kann deshalb dahinstehen.

Auf die Bedeutung des Zertifikats (Anlage B 1) braucht in diesem Zusammenhang allein schon deshalb nicht eingegangen zu werden, weil es sich auf "Medizinprodukte zur Gewichtsreduktion durch den Ballaststoff Chitosan" bezieht, zur Wirkungsweise von Chitosan als Binder von Nahrungsfetten also nichts sagt.

In der Argumentation beider Parteien wird der Unterschied zwischen "Fettaufsaugen" und "Gewichtsreduzierung" oft vernachlässigt. "Fettaufsaugen" beschreibt den Mechanismus bei der Verwendung von "G.-xx-med Chitosan forte", während "Gewichtsreduzierung" das Ergebnis darstellt. Selbst wenn sich mit "G.-xx-med Chitosan forte" das Gewicht reduzieren läßt, bleibt die Aussage falsch, wenn das nicht durch "Aufsaugen" des Nahrungsfetts geschieht. Deshalb kommt es auf die Zertifizierung nicht an, denn dort wird nur von "Gewichtsreduktion durch den Ballaststoff Chitosan" ohne Angaben zum Wirkmechanismus gesprochen. Als Beleg kann die Zertifizierung also allein schon aus diesem Grunde nicht dienen. So hat der Senat eine Werbung für ein homöopathisches Mittel zum Abnehmen gebilligt, weil es für das Anwendungsgebiet alimentäre Fettsucht zugelassen war, die konkrete Werbung aber insoweit verboten, als dort ein "Fett verbrennen" behauptet wurde, denn aus der Zulassung ergab sich nicht, daß sich die alimentäre Fettsucht gerade durch "Fett verbrennen" bekämpfen läßt (PharmaR 2002, 287, LRE 43, 272).

d. Eine Verletzung von HWG-Vorschriften stellt eine unlautere Handlung dar und verpflichtet grundsätzlich nach § 1 UWG zum Unterlassen (Doepner, a.a.O., Einl., Rdnr. 41). Besondere Umstände, die ausnahmsweise zu einem anderen Ergebnis führen (BGH WRP 1999, 643 - Hormonpräparate), werden nicht vorgetragen.

Ein Verstoß gegen das die Allgemeinheit schützende HWG ist schon wegen der Nachahmungsgefahr wesentlich im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

2. Das Verbot, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben: "... ein effektives Mittel beim Kampf gegen das Übergewicht...", ist in dieser Allgemeinheit unbegründet.

a. Ein solches Verbot setzt voraus, daß das Mittel unter gar keinen Umständen eine Wirkung haben kann. Wenn aber sowohl unter Chitosan als auch unter Scheinmedikamenten (Placebo) "signifikante Gewichtsverluste" beobachtet werden können (vgl. Anlage BBK 1), so stehen psychisch vermittelte Wirkungen außer Frage. Eine solche Feststellung muß auch für "G.-xx-med Chitosan forte" möglich sein. Da eine Werbung denkbar ist, in der das Mittel in Verbindung mit einer Diät empfohlen wird, ist es nicht schlechthin irreführend, von einem effektiven Mittel beim Kampf gegen das Übergewicht zu sprechen, wenn dabei "signifikante Gewichtsverluste" beobachtet werden.

Ob der Verkehr fälschlich glauben würde, das Mittel allein habe die Wirkung, das Körpergewicht zu reduzieren, wenn der Satz in der Werbung isoliert verwendet würde, braucht nicht geprüft zu werden. Für eine solche isolierte Verwendung hat der Kläger keine Begehungsgefahr dargetan.

b. In der Verallgemeinerung ist allerdings die konkrete Verletzungsform als minus enthalten. Im Zusammenhang mit dem Text der gesamten Anzeige ist die angegriffene Aussage nach dem Gesagten falsch und irreführend, weil die Effektivität des Mittels vom Betrachter auf die Fähigkeit zurückgeführt wird, Nahrungsfett zu binden, so daß es auf natürlichem Wege ausgeschieden werden kann. Die angegriffene Behauptung ist im konkreten Zusammenhang unzulässig.

3. Das Verbot, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben: "Machen Sie keine Diät mehr - nehmen Sie trotzdem ab", ist in dieser Allgemeinheit unbegründet.

a. Ein solches Verbot setzt voraus, daß die Behauptung, man könne ohne Diät abnehmen, unter keinen Umständen richtig sein kann. Wer aber sein Körpergewicht reduziert, weil er sich körperlich verstärkt betätigt, nimmt ohne Diät ab. Wenn die Beklagte in ihrer Werbung auf diesen Zusammenhang hinweist, wirbt sie nicht irreführend.

Ob der Verkehr fälschlich glauben würde, das Mittel allein habe die Wirkung, das Körpergewicht zu reduzieren, wenn der Satz in der Werbung isoliert verwendet würde, braucht nicht geprüft zu werden. Für eine solche isolierte Verwendung hat der Kläger keine Begehungsgefahr dargetan.

b. Die angegriffene Behauptung ist im konkreten Zusammenhang der Werbung nach §§ 1, 3 UWG, 3 HWG unzulässig.

Das ergibt sich aus dem oben zu III. 1.) Gesagten. Allerdings ging es dort nicht um die Gewichtsabnahme ohne Diät, sondern um die Wirkungsweise des Mittels als Binder des Nahrungsfetts. Auf diesen Unterschied käme es aber nur an, wenn eine andere Wirkungsweise des Mittels in Betracht käme. Das behauptet die Beklagte nicht. Ist also die Begründung für die Wirkungsweise des Mittels haltlos, folgt daraus, daß das behauptete Ergebnis, nämlich Gewichtsabnahme ohne Diät, ebenfalls haltlos ist.

Das findet eine unmittelbare Bestätigung in den Untersuchungen von Pittler et alii, Wuolijoki et alii und Ho et alii (Anlagen BKK 2), wonach sich durch die Einnahme von Chitosan ohne Änderung der Ernährungsgewohnheiten keine Gewichtsreduktion erzielen läßt.

4. Das Verbot, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben: "... ist ein Fettbinder, der Ihren täglichen Mahlzeiten das Fett auf effektive Weise entzieht", ist nach §§ 1, 3 UWG, 3 HWG begründet.

Das ergibt sich aus den Ausführungen zu III. 1.).

5. Das gleiche gilt für das Verbot, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben: "Essen wie bisher - und doch fettreduziert ... kann ... bis zu 8 mal sein Eigengewicht an Nahrungsfetten binden".

Ob unter bestimmten Voraussetzungen Chitosan in der Lage ist, das Achtfache seines Eigengewichts an Nahrungsfetten zu binden, bedarf dabei keiner Prüfung, weil bereits die Behauptung, das Fett werde reduziert, ohne daß sich die Eßgewohnheiten ändern müssen, haltlos ist, wenn es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gibt, daß die behauptete Bindung von Nahrungsfetten in dieser Allgemeinheit beobachtet wurde.

6. Das Verbot, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben: "Bei gleichbleibender Ernährungsweise Körperfett verlieren" ist in dieser Verallgemeinerung unbegründet.

a. Es ist eine Werbung für "G.-xx-med Chitosan forte" denkbar, in der auf eine fettzehrende Tätigkeit hingewiesen wird, bei dem im Körper vorhandene Fettdepots abgebaut werden, auch wenn die Ernährungsweise nicht geändert wird. Das kann beispielsweise durch eine Empfehlung geschehen, mehr Sport zu treiben oder sich sonst körperlich zu betätigen.

Ob der Verkehr fälschlich glauben würde, das Mittel allein habe die Wirkung, das Körperfett zu reduzieren, wenn der Satz in der Werbung isoliert verwendet würde, braucht nicht geprüft zu werden. Für eine solche isolierte Verwendung hat der Kläger keine Begehungsgefahr dargetan. Ebenso unerheblich ist, daß die Aussage als Blickfang ein anderes Gewicht haben mag als im Fließtext, denn diesen Umstand hat der Kläger nicht zum Gegenstand des Antrages gemacht.

b. In der Verallgemeinerung ist die konkrete Verletzungsform als minus enthalten. Im Zusammenhang mit dem Text der gesamten Anzeige ist die angegriffene Aussage nach dem Gesagten falsch und irreführend, weil die Behauptung "bei gleichbleibender Ernährungsweise Körperfett verlieren" vom Betrachter auf die Fähigkeit von "G.-xxmed Chitosan forte" zurückgeführt wird, Nahrungsfett zu binden, so daß es auf natürlichem Wege ausgeschieden werden kann. Die angegriffene Behauptung ist im konkreten Zusammenhang unzulässig.

7. Die Verbote, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben: "Zusammen mit seinem unverdaulichen Ballaststoff wird das Fett ausgeschieden, so daß es nicht mehr aufgenommen und abgelagert werden kann" und "G.-xx-med bindet das Fett und läßt es nicht mehr los" sind nach §§ 1, 3 UWG, 3 HWG begründet.

Das ergibt sich aus den Ausführungen zu III. 1.).

8. Das Verbot, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben: "Eine wissenschaftliche Studie hat es ganz deutlich gezeigt: Bei einer wissenschaftlichen Studie reduzierten 30 Männer und Frauen aller Altersgruppen innerhalb von einem Monat ihr Gewicht um durchschnittlich 2,6 kg ohne Ernährungsumstellung" ist nach §§ 1, 3 UWG, 3 HWG begründet.

Allerdings genügt der Gesichtspunkt nicht, daß selbst die Beklagte nicht behauptet, die Studie sei gerade mit "G.-xx-med Chitosan forte" durchgeführt worden. Da die Aussage isoliert angegriffen worden ist, ist sie auch in einem Zusammenhang denkbar, in dem die Beklagte klarstellt, daß die Studie nicht mit ihrem Mittel durchgeführt worden ist.

Andrerseits geht die Verallgemeinerung nicht deshalb zu weit, weil in der vom Kläger isolierten Behauptung kein Zusammenhang zwischen der Gewichtsabnahme und der Einnahme von Chitosan hergestellt wird, denn es gibt selbst nach dem Vortrag der Beklagten keine wissenschaftliche Studie, wonach 30 Männer und Frauen aller Altersgruppen innerhalb von einem Monat ihr Gewicht um durchschnittlich 2,6 kg ohne Ernährungsumstellung reduzierten, ohne Chitosan eingenommen zu haben. Mit der wissenschaftlichen Studie ist unstreitig die als Beleg zitierte Studie von Macchi gemeint.

Aus dieser Studie kann sich die Behauptung aber nicht ergeben, denn wenn klinisch nachgewiesen ist, daß Chitosan keinen Einfluß auf den Anteil des ausgeschiedenen Fettes im Stuhl hat, läßt sich auf diesem Wege das Gewicht nicht beeinflussen.

Dem kann die Beklagte nicht mit dem Einwand begegnen, die Studie von Macchi komme eben zu anderen Ergebnissen als die Studien von Gades/Stern, Guercolini et al., Pittler et al., Wuolijoki et al. und Ho et al., so daß es Aufgabe eines gerichtlichen Sachverständigen wäre, die Richtigkeit der Behauptung zu überprüfen, denn die Beklagte hat nicht dargelegt, daß sich die Richtigkeit ihrer Behauptung aus der Studie von Macchi ergibt. Die Studie selbst wird nicht vorgelegt, sie wird lediglich in der Anlage B 3 erwähnt. Dort heißt es nur:

"MACCHI G. 1996

3 Gruppen, je Gruppe 10 Personen, vier Wochen

A= 1200 kcal am Tag, 4 Chitosan Kps (2 g am Tag), - 4 kg

B= 1200 kcal am Tag, 4 Placebo Kps., - 2,6 kg

C= keine Kalorieneinschränkung, 4 Kps. Chitosan, - 2,8 kg"

Mit derartig dürren Daten läßt sich nicht belegen, daß die Studie überhaupt zu dem genannten Ergebnis kommt, ganz abgesehen davon, daß ersichtlich bei zweien der drei Gruppen die Nahrungsaufnahme auf 1200 kcal am Tag beschränkt wurde, also bestenfalls 10 Männer oder Frauen und nicht 30 ohne Ernährungsumstellung ihr Gewicht reduziert haben. Nicht nachzuvollziehen ist auch, warum sich aus den Zahlen eine durchschnittliche Gewichtsabnahme um 2,6 kg ergeben soll. Danach ist allein schon aus diesen Gründen die angegriffene Aussage falsch und irreführend.

Entscheidend bleibt jedoch, daß die Beklagte angesichts des vom Kläger vorgelegten Materials die Studie von Macchi mißverstanden haben muß. So kann sich beispielsweise hinter der Angabe "keine Kalorieneinschränkung" die Tatsache verbergen, daß den zehn Probanden vom Versuchsleiter keine Kalorieneinschränkung auferlegt worden ist, was aber nicht ausschließt, daß sie von sich aus ihre Nahrungsaufnahme reduziert oder durch zusätzliche körperliche Betätigung vorhandene Fettdepots abgebaut haben.

9. Das Verbot, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "G.-xx-med Chitosan forte" zu werben mit der nachstehend wiedergegebenen Abbildung sowie dem dazugehörigen Text [es folgt die in der Anzeige unten rechts verwendete Darstellung, beginnend mit den Worten. "Dieser Test macht es deutlich: ..."] ist in dieser Verallgemeinerung unbegründet.

a. Die Unschlüssigkeit ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers, "Die hier bildlich beworbene Fettbindungswirkung des Mittels täuscht vor, daß diese angebliche Wirkung im Reagenzglas auch im menschlichen Körper gegeben ist. ... Durch die bildhafte Darstellung wird dem Betrachter vorgetäuscht, das Mittel wirke in gleicher Weise auch im menschlichen Körper." Einen solchen Schluß kann man nur ziehen, wenn man der Anzeige weitere Informationen entnimmt, die im Antrag nicht genannt werden, denn aus den isolierten Elementen ergibt sich keineswegs, daß irgendwelche Aussagen zur Fettbindungswirkung im menschlichen Körper gemacht werden.

b. Im Zusammenhang mit der Anzeige ist die Aussage falsch und irreführend. Auf die bisherigen Ausführungen wird Bezug genommen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlaßt (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.). Die Rechtssache geht, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, über die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt nicht hinaus. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Zulassung der Revision ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.



Ende der Entscheidung

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