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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 22.05.2003
Aktenzeichen: 3 U 85/01
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
Zur Verwechslungsgefahr zwischen der Getränke-Marke RED BULL und der angegriffenen, ebenfalls für Getränke verwendeten Bezeichnung SITTING BULL.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

3 U 85/01

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 22. Mai 2003

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter von Franqué, Spannuth, Dr. Löffler nach der am 24. April 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, 15 Zivilkammer, vom 25. Januar 2001 (315 O 300/00) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Tenor zu I. 2. die Worte "in ihrer Firma" gestrichen werden.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/20 und die Beklagte 19/20.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von € 511.000,- abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von € 1.200,- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf € 511.219,88,- (= DM 1.000.000,-) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin, Inhaberin der prioritätsälteren eingetragenen Marke "RED BULL", nimmt die Beklagte, Inhaber der prioritätsjüngeren Wortmarke "Sitting Bull", auf Unterlassung der Benutzung der Bezeichnung und Einwilligung in die Löschung der Marke in Anspruch.

Die Klägerin, eine in Österreich unter ihrer derzeitigen geschäftlichen Bezeichnung seit 1987 ansässige Gesellschaft, ist Inhaberin der aus der Anlage K 2 ersichtlichen Marke "RED BULL". Die Marke ist am 21.01.1993 angemeldet und am 30.06.1993 für den Warenbereich

"Der Kräftigung und Stärkung dienende Erzeugnisse der Gesundheitspflege, nämlich Vitaminpräparate, Mineralpräparate, Tonika, Mineralien und/oder Vitamine und/oder Spurenelemente enthaltene Präparate und Zubereitungen für gesundheitliche Zwecke; alkoholfreie Getränke; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"

eingetragen worden. Die Klägerin vertrieb als Herstellerin unter der Marke "Red Bull" in Österreich einen coffein- und taurinhaltigen sog. "Energy Drink". Der Vertrieb dieses Getränks in der Bundesrepublik Deutschland war zunächst lebensmittelrechtlich nicht zulässig. Nachdem die Klägerin am 28.02.1994 eine Allgemeinverfügung des Bundesministeriums für Gesundheit gemäß § 47 a LMBG über die "Einfuhr und das Inverkehrbringen von koffeinhaltigen Erfrischungsgetränken mit mehr als 250 mg Koffein/l sowie mit Zusatz von Taurin, Inosit und Glucuronolacton" erwirkt hatte (Anlage K 3), vertrieb sie das Getränk "Red Bull" ab März 1994 auch in der Bundesrepublik Deutschland. Über die Produkteinführung wurde in der regionalen und überregionalen Presse in Deutschland berichtet. Auf die Anlagen K 4 und K 29 wird hinsichtlich der Einzelheiten der Berichterstattung Bezug genommen. Bereits 1986 wurde ins Handelsregister Wiesbaden eine mit der Klägerin verbundene "RED BULL TRADING GmbH" (Gegenstand: "Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Produkten der Marke RED BULL, insbesondere die Herstellung und Inverkehrbringung von "RED BULL-energy-drink" in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Schweiz und anderen Exportmärkten") eingetragen, die am 31.10.1995 aufgelöst wurde (Anlage K 16). Weiter betreibt die Klägerin in Deutschland die am 30.05.1994 ins Handelsregister Freilassing eingetragene "RED BULL GmbH" (Anlage K 17). Beide Gesellschaften waren mit der Vorbereitung des Vertriebs des Energy Drinks "Red Bull" in Deutschland befasst.

Die Beklagte betreibt unter der Bezeichnung "L." Verbrauchermärkte. Sie ist Inhaberin der Wortmarke "Sitting Bull", welche am 28.06.1994 für den Warenbereich

"Aromatisierte Mineralwässer und andere kohlensäurehaltige Wässer, alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare; Grundstoffe und Essenzen (soweit in Klasse 32 enthalten) für die Herstellung vorgenannter Getränke."

angemeldet und am 30.08.1994 eingetragen wurde (Anlage K 1). Die Beklagte vertreibt seit 1998 unter dieser Marke "Sitting Bull" ebenfalls einen "Energy-Drink, koffeinhaltige Brause mit Taurin" (Anlage B 11).

Am 16.04.1999 meldete die Klägerin beim Harmonisierungsamt in Alicante die Bezeichnung "Speedy Bull" als Gemeinschaftswortmarke an. Die Anmeldung wurde am 10.04.2000 im Gemeinschaftsmarkenblatt veröffentlicht. Gegen diese Markenanmeldung hat die Beklagte am 10.07.2000 Widerspruch aus der hier streitgegenständlichen nationalen Wortmarke "Sitting Bull" erhoben und zur Begründung auf eine Verwechslungsgefahr infolge des übereinstimmenden Wortbestandteils "Bull" verwiesen. Auf die Anlagen K 19 und K 20 wird Bezug genommen.

Am 13.09.2000 wurde die Wortmarke "Fire Bull", die am 30.11.1999 nach einer Anmeldung vom 24.07.1999 für ein anderes Unternehmen u.a. für alkoholfreie Getränke eingetragen worden war, auf die Klägerin umgeschrieben (Anlage K 22). Die Klägerin verlangt Löschung der Marke "Sitting Bull" sowie Unterlassung der Benutzung dieser Bezeichnung. Sie hat vorgetragen:

Zwischen den beiden Kennzeichen "RED BULL" und "Sitting Bull" bestehe Verwechslungsgefahr. Die Warenbereiche der beiden Marken seien identisch. Die Marke RED BULL sei originär kennzeichnungskräftig, zudem handele es sich um eine bekannte Marke. Die Markteinführung des Drinks "Red Bull" sei überaus erfolgreich gewesen. So sei das Produkt ausweislich der Anlage K 12 in der Periode April/Mai 1994 mit einem Umsatz von DM 596.000,- neu in den Markt gekommen. In der Folgeperiode Juni/Juli 1994 sei es zu einer Verzehnfachung des Umsatzes auf DM 6.545.000,- gekommen. In der Periode August/September 1994 sei der Umsatz dann nochmals auf DM 11.197.000,- nahezu verdoppelt worden. Bereits im Sommer 1994 sei "Red Bull" im Umsatz unter den Energy Drinks und Sportgetränken führend gewesen, und zwar sowohl an den Tankstellen als auch im klassischen Lebensmitteleinzelhandel (Anlage K 12, Bl. 1). Dabei sei der Vorsprung von "Red Bull" vor den Wettbewerbern von Juni/Juli 1994 bis August/September 1994 deutlich gewachsen (Anlage K 12). Auch die Distributionszahlen im Einzelhandel seien von numerisch 4 % bzw. gewichtet 7 % in der Periode April/Mai 1994 auf numerisch 18 % und gewichtet 42 % in der Periode Juni/Juli 1994 angestiegen (Anlage K 11, Bl. 3). An Tankstellen in Deutschland habe das Produkt "Red Bull" in der Periode Juni/Juli 1994 über eine numerische Distribution von 47 % und einer gewichteten von 55 % verfügt. Damit sei "Red Bull" im Juni/Juli 1994 an nahezu jeder zweiten Tankstelle und an mehr als der Hälfte der umsatzstarken Tankstellen vertrieben worden (Anlage K 11, Bl. 1). "Red Bull" sei bereits nach wenigen Monaten nach den Distributionszahlen Marktführer im Bereich der Energy Drinks und Sportgetränke gewesen und habe insgesamt einen Marktanteil von mehr als 33 % gehabt (Anlage K 11, Bl. 6). Über die erfolgreiche Markteinführung sei umfangreich in der Presse berichtet worden (Anlagen K 4, K 29). Die Markteinführung sei weiter durch erhebliche Werbeaufwendungen befördert worden. Im Jahr 1994 habe die Klägerin neben intensiver Radiowerbung 6 verschiedene Werbespots mit einer Länge zwischen 20 und 45 Sekunden im Fernsehen ausstrahlen lassen. Sie habe im ersten Halbjahr 1994 einen Etat von DM 7.200.000 für Fernseh- und Radiowerbung aufgewendet, wovon DM 5.200.000,- auf Fernsehwerbung entfallen sei (Anlage K 13). Mit der Radiowerbung sei im April 1994 begonnen worden, mit der TV-Werbung ab Mai 1994. Der Schwerpunkt der Werbung sei auf den Zeitraum April bis Juni 1994 gelegt worden (Anlage K 13). Neben diesen Werbemaßnahmen in den audiovisuellen Medien seien die Verbraucher auch mit den aus dem Anlagenkonvolut K 14 ersichtlichen Handzetteln und Tischkarten für die Gastronomie angesprochen worden. Schließlich habe sich die Klägerin bereits 1994 im Sponsoring betätigt. Insgesamt hätten diese Aktivitäten zu einer Verkehrsbekanntheit der Marke RED BULL geführt. So habe eine Verkehrsbefragung im Oktober/November 1994 ergeben, dass die Marke RED BULL schon 1994 bei der Zielgruppe für Energy Drinks, den 14 bis 19-jährigen Verbrauchern, einen Bekanntheitsgrad von 71 % und bei der Gesamtbevölkerung von 41 % gehabt habe (Anlagen K 5/K 10). Die Befragung zeige, dass es zwischen den dort ausgewiesenen regionalen sog. "Nielsen-Gebieten" kaum signifikante Unterschiede gegeben habe, mithin RED BULL nicht nur regional bekannt gewesen sei. Aktuell sei die Verkehrsbekanntheit des Gesamtzeichen bzw. auch des Stammbestandteils "Bull" noch größer, was Verkehrsbefragungen aus dem Oktober 1998 (Anlage K 7) bzw. Mai 2000 (Anlage K 30) belegen würden.

Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke sei nicht durch Drittzeichen geschwächt. Soweit die Beklagte mit der Anlage B 9 das Ergebnis einer Markenrecherche vorlege, seien keine Angaben zur Benutzung der dort aufgeführten Marken gemacht worden. Im Übrigen habe sie, die Klägerin, gegen nahezu alle Marken rechtliche Schritte eingeleitet, eine Reihe von Marken seien schon ganz oder teilweise gelöscht oder es seien Abgrenzungs- und Vorrangvereinbarungen getroffen worden.

Es bestehe unmittelbare Verwechslungsgefahr, weil die Zeichen in ihrem prägenden Bestandteil "Bull" identisch seien. Jedenfalls sei mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens gegeben. Davon gehe auch die Beklagte selbst aus, wie ihr Widerspruch vor dem Harmonisierungsamt gegen die Marke "Speedy Bull" zeige. Es lägen ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass es sich bei dem Bestandteil "Bull" um einen Stammbestandteil handele. Das Getränk "Red Bull" werde in der Gastronomie, insbesondere in Diskotheken häufig nur mit "Bull" bezeichnet. Auch in der Werbung der Klägerin (Anlage K 21) und in der Presseberichterstattung werde die Klägerin bzw. ihr Produkt regelmäßig mit "Bulle" bezeichnet. Durch dieses Abkürzen der Klagemarke zeige sich die herkunfts- und produktidentifizierende Qualität des Serienzeichens "Bull". "Red Bull" sei auch Bestandteil des Firmennamens der Klägerin und verweise damit zugleich auf die Betriebsstätte der Klägerin. Ausweislich einer Verkehrsbefragung aus dem Mai 2000 (Anlage K 30) würden zudem insgesamt 45 % und damit ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung davon ausgehen, dass ein "Bull" aus dem Hause der Klägerin stamme. Dieser Wert liege weit über den für eine Verkehrsbekanntheit erforderlichen 20-25 %. Auch diese Benutzungsmarke nach § 4 Nr. 2 MarkenG verletze die Beklagte.

Für die Verwechslungsgefahr sei es unerheblich, dass es einen bekannten historischen Häuptling der Hunkpapa-Sioux mit dem Namen "Sitting Bull" gegeben habe. Weder vertreibe dieser Häuptling einen Energy Drink noch vertreibe die Beklagte jenen Häuptling. Für das streitgegenständliche Produkt sei die Bezeichnung "Sitting Bull" nahezu unbekannt. Ausweislich einer Verkehrsbefragung aus dem Mai 2000 (Anlage K 18) würden lediglich 21 % der deutschen Verbraucher die Marke "Sitting Bull" kennen und nur 0,7 % hätten bei einer freien Antwort korrekt die Beklagte als Herstellerin angegeben, während die überwiegende Mehrheit, 2,3 %, die Klägerin als Herstellerin angegeben hätten. Bei gestützten Fragen habe sich die Quote der richtigen Antworten noch verschlechtert. Die Umfrage belege deutlich die Herkunftstäuschung.

Die Beklagte verletze auch das Recht der Klägerin aus ihrer ebenfalls prioritätsälteren geschäftlichen Bezeichnung.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen,

in die Löschung der für die Waren

"Aromatisierte Mineralwässer und andere kohlensäurehaltige Wässer, alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare; Grundstoffe und Essenzen (soweit in Klasse 32 enthalten) für die Herstellung vorgenannter Getränke"

am 30.08.1994 in die Warenzeichenrolle beim Deutschen Patent und Markenamt mit Priorität vom 28.06.1994 eingetragenen Wortmarke "Sitting Bull", Zeichennummer 2076516, gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen.

2. Die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen,

es zu unterlassen, Getränke und die für ihre Herstellung notwendigen Grundstoffe und Essenzen oder ihre Verpackung oder Umhüllung mit der Bezeichnung "Sitting Bull" zu versehen, die so bezeichneten Waren in den Verkehr zu bringen oder auf Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefen, Empfehlungen, in ihrer Firma oder sonst im geschäftlichen Verkehr das Zeichen oder die Bezeichnung "Sitting Bull" anzubringen oder zu verwenden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Eine Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben. Die Marke "RED BULL" sei zum rechtlich relevanten Kollisionszeitpunkt der Marken, mithin dem Anmeldetag 28.06.1994 der Marke "Sitting Bull, nicht verkehrsbekannt gewesen. Die von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragungen seien unerheblich, weil sie nach dem Kollisionszeitpunkt stattgefunden hätten und zudem nicht lege artis durchgeführt worden seien. Eine Verkehrsbekanntheit folge auch nicht aus den Presseberichten, den Werbeaufwendungen sowie den von der Klägerin geltend gemachten Umsatz- und Vertriebszahlen, die bestritten würden. Distributionszahlen an Tankstellen würden nichts über eine überragende Verkehrsgeltung aussagen, eine angebliche Marktführerschaft im neu geschaffenen Segment der Energy Drinks habe nichts mit der Gesamtbekanntheit der Marke zu tun. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben. Der Verkehr würde bei Wahrnehmung der angegriffenen Marke "Sitting Bull" auch nicht die Klagemarke RED BULL assoziieren. Die Bezeichnung "Sitting Bull" genieße vielmehr einen erheblich höheren Bekanntheitsgrad als "Red Bull". Sitting Bull (sitzender Stier) mit dem Lakota-Namen Tatanka Yotanka sei nämlich, was zwischen den Parteien unstreitig ist, Häuptling der Hunkpapa-Sioux gewesen. Seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts sei Sitting Bull einer der Führer der indianischen Freiheitskämpfe gewesen und sei für seinen mit Crazy Horse errungenen Sieg am Little Bighorn River über General Custer am 25.06.1876 weltberühmt geworden. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr gebe es nicht. Der Markenbestandteil "Bull" könne nicht als Serienzeichen angesehen werden. Die Klägerin selbst verwende in ihrer Werbung und ihren sonstigen Aktivitäten stets die Gesamtbezeichnung "Red Bull". Der Umstand, dass "Red Bull" auch in der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin benutzt werde, sei unerheblich, da dies in Österreich geschehen sei. In Deutschland sei die Klägerin erst seit 1994 auf dem Markt. Die Klagemarke sei durch Drittmarken geschwächt. Es existierten drei "Red Bull"-Marken der Alois Pöschl GmbH & Co. KG (Anlage B 6), die älteste datiere vom 27.01.1989, also deutlich vor der Klagemarke. Diese Marken würden auch benutzt (Anlage B 7). Weiter existierten ausweislich der Markenrecherche gemäß Anlage B 9 eine Fülle weiterer "....Bull"- Zeichen. Die Existenz all dieser Marken habe die Klägerin hingenommen, wolle aber der Beklagten den Gebrauch einer Marke untersagen lassen, die seit 1994 existiere.

Der Hinweis der Klägerin auf den Vortrag der Beklagten beim Harmonisierungsamt in Alicante im Hinblick auf den Widerspruch gegen die Eintragung der Marke "Speedy Bull" sei für diesen Rechtsstreit ohne jede Bedeutung, da es der Beklagten völlig frei stehe, vor dem Amt in Alicante eine Argumentation zu benutzen, die möglicherweise mit der Argumentation in diesem Rechtsstreit kollidiere. Allerdings könne diese Kollision dadurch aufgelöst werden dass die Klägerin auf ihre Angriffe gegenüber "Sitting Bull" verzichte und andererseits die Beklagte der Klägerin gestatte, die Marke "Speedy Bull" eintragen zu lassen.

Durch Urteil vom 25. Januar 2001 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt,

1. in die Löschung der für die Waren

"Aromatisierte Mineralwässer und andere kohlensäurehaltige Wässer, alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare; Grundstoffe und Essenzen (soweit in Klasse 32 enthalten) für die Herstellung vorgenannter Getränke"

am 30.08.1994 in die Warenzeichenrolle beim Deutschen Patent und Markenamt mit Priorität vom 28.06.1994 eingetragenen Wortmarke "Sitting Bull", Zeichennummer 2076516, gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen.

2. es zu unterlassen,

die unter I.1. bezeichneten Getränke und die für ihre Herstellung notwendigen Grundstoffe und Essenzen oder ihre Verpackung oder Umhüllung mit der Bezeichnung "Sitting Bull" zu versehen, die so bezeichneten Waren in den Verkehr zu bringen oder auf Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefen, Empfehlungen, in ihrer Firma oder sonst im geschäftlichen Verkehr das Zeichen oder die Bezeichnung "Sitting Bull" anzubringen oder zu verwenden.

Das Landgericht hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, es bestehe zwischen den streitgegenständlichen Zeichen zwar keine unmittelbare, wohl aber eine zumindest mittelbare Verwechslungsgefahr. Der Klagemarke komme überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Die Marke habe zum Kollisionszeitpunkt eine beachtliche Bekanntheit erreicht, was sich aus dem Presseecho auf die Markteinführung, die Umsatzzahlen und tendenziell auch aus der Verkehrsbefragung gemäß Anlage K 10 ergebe. Der auf die Drittzeichen gemäß Anlagen B 6, 7 und 9 gestützte Schwächungseinwand sei unerheblich, da insbesondere zur Benutzung nichts näheres vorgetragen sei. Der Markenbestandteil "Bull" sei hinreichender Anknüpfungspunkt für ein Serienzeichen. Die berühmte Figur des Indianerhäuptlings "Sitting Bull" führe aus der Verwechslungsgefahr nicht heraus, da die Vorstellungen des Verkehrs von der historischen Figur, nämlich Stärke, Energie und Mut, mit denjenigen übereinstimmten, die durch die Klagemarke hervorgerufen würden. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend führt sie aus:

Zu Unrecht habe das Landgericht in der Verkehrsbefragung vom Oktober/November 1994 einen Beleg für die Verkehrsbekanntheit von "Red Bull" zum Kollisionszeitpunkt im Juni 1994 gesehen. Wie sich aus der ebenfalls von der Klägerin vorgelegten Auswertung der Umsatzzahlen gemäß Anlage K 12 ergebe, habe das Produkt Red Bull gerade in den ersten Monaten nach Markteinführung, nämlich in der Zeit von April bis Juli 1994, einen besonders starken Umsatzanstieg verzeichnet. Der Zeitpunkt der Markenanmeldung durch die Beklagte liege an irgendeiner Stelle der Steigungskurve des Umsatzes. Es obliege der Klägerin, vorzutragen, welche Stelle dies genau sei. Die dürfte sich jedoch kaum mehr ermitteln lassen. Gehe man davon aus, dass Ende Juli 1994 das Umsatzmaximum erreicht worden sei und dieser Wert zum Zeitpunkt der Befragung durch das Sample-Institut im Oktober/November 1994 noch unverändert vorgelegen habe (was sich aufgrund des von der Klägerin vorgelegten Zahlenmaterials jedoch ebenfalls nicht verifizieren lasse), stehe fest, dass der Umsatz der Klägerin zur Zeit der Markenanmeldung durch die Beklagte im Juni 1994 jedenfalls deutlich niedriger gewesen sein müsse als zum Befragungszeitpunkt. Wie hoch er tatsächlich gewesen sei, lasse sich anhand der vorliegenden Daten nicht beurteilen. Gerade der sprunghafte Anstieg der Umsatzzahlen bis Juli 1994 lasse einen Rückschluss auf die Bekanntheit im Juni 1994 nicht zu. Gleiches gelte für die übrigen von der Klägerin vorgelegten Umfragen, die allesamt zumindest Monate, teilweise auch Jahre nach dem maßgeblichen Kollisionszeitpunkt durchgeführt worden seien. Im Übrigen würde selbst eine Zugrundelegung des Umfrageergebnisses des Sample-Institutes gemäß Anlage K 10 keine Erhöhung der Kennzeichnungskraft rechtfertigen, da selbst zum Befragungszeitpunkt, also etwa vier Monate nach Markenanmeldung durch die Beklagte, die ungestützte Befragung des Publikums nur einen Bekanntheitsgrad von 18 % insgesamt bzw. 35 % in der Altersgruppe von 14 - 29 Jahren ergeben habe. Dies entspreche nicht den Anforderungen, die an die Verkehrsbekanntheit für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft zu stellen seien. Hinsichtlich des maßgeblichen Verkehrskreises dürfe nicht allein auf die Altersgruppe der 14 - 29 Jahre alten Konsumenten, sondern auch auf ältere Verbraucher zurückzugreifen sein, da es keinen Erfahrungswert gebe, wonach nur junge Menschen "Energy Drinks" konsumierten. Auch die vorgelegte Werbung sei nicht vorwiegend auf jüngere Verbraucher zugeschnitten, sondern habe einen bieder-humorvollen Charakter und richte sich an alle Altersgruppen. Da selbst bei gestützter Umfrage in der somit maßgeblichen Gruppe der Verbraucher jeder Altersstufe nur ein Bekanntheitsgrad von 41 % festgestellt worden sei, sei insgesamt nicht von einer Stärkung der Kennzeichnungskraft der klägerischen Marke durch Verkehrsbekanntheit auszugehen. Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus den von der Klägerin vorgelegten Presseartikeln, aus denen sich keinerlei Rückschlüsse auf den Bekanntheitsgrad im Verkehr ziehen ließen.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, komme eine unmittelbare Verwechslungsgefahr angesichts der Unterschiede der Zeichen nicht in Betracht. Es fehle aber auch an einer mittelbaren Verwechslungsgefahr. An die Bejahung einer mittelbaren Verwechslungsgefahr seien strenge Anforderungen zu stellen, da ansonsten eine nicht zu rechtfertigende Umgehung der Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks des Zeichens im Sinne eines unzulässigen Elementenschutzes drohe. Anders als im Rahmen der unmittelbaren Verwechslungsgefahr sei bei der Frage der mittelbaren Verwechslungsgefahr die Kennzeichnungskraft des als Serien- Stammbestandteils in Betracht kommenden übereinstimmenden Markenbestandteils selbst zu prüfen. Dem Zeichenbestandteil "Bull" komme jedoch nur eine geringe Kennzeichnungskraft zu. Dies ergebe sich daraus, dass "Bull" hinsichtlich des damit gekennzeichneten Produkts einen stark beschreibenden Charakter habe. Inhaltsstoff der von beiden Parteien vertriebenen Erfrischungsgetränke sei - was zwischen den Parteien unstreitig ist - Taurin (abgeleitet von lat. Taurus = Stier), eine in der Natur insbesondere in der Gallenflüssigkeit von männlichen Rindern vorkommende und früher aus dieser gewonnenen Aminosäure. Gerade dieser (heute künstlich synthetisierte) Zusatzstoff mache die Besonderheit der von den Parteien vertriebenen Brausen aus, da ihm nachgesagt werde, die Entgiftung des Körpers zu beschleunigen und damit belebende Wirkung zu haben. Auf das Vorhandensein von Taurin in den streitgegenständlichen Produkten der Parteien solle durch die Verwendung des Markenbestandteils "Bull" hingewiesen werden. Den angesprochenen Verkehrskreisen, die die Produkte der Parteien gerade wegen des Inhaltsstoffes Taurin schätzten, sei der genannte Zusammenhang auch zumindest sinngemäß bekannt.

Die geringe Kennzeichnungskraft werde weiter durch die bereits in erster Instanz vorgetragenen Drittzeichen gemäß Anlage B 9 sowie durch das aus der Anlage B 10 ersichtliche bekannte IT- und Consultingunternehmen "Bull" geschwächt.

Es fehle zudem an einem für die mittelbare Verwechslungsgefahr erforderlichen selbständigen Hinweischarakter des Zeichenbestandteils "Bull". Die Klägerin habe den Verkehr nicht bereits an mehrere Zeichen mit demselben Wortstamm gewöhnt, sondern ausschließlich das Produkt "Red Bull" unter Verwendung des Zeichenbestandteils "Bull" vermarktet. Auch sei der übereinstimmende Zeichenbestandteil nicht besonders charakteristisch hervorstechend bzw. im Verkehr bereits als Herkunftshinweis durchgesetzt oder als Firmenabkürzung verwendet worden.

Gegen die Annahme, der Verkehr werde die Marke "Sitting Bull" als Teil der Zeichenserie der Klägerin missverstehen, spreche überdies die Tatsache, dass die Marke der Beklagten in für den Verkehr unschwer erkennbarer Weise auf die Person des bekannten gleichnamigen Indianerhäuptlings Bezug nehme, was sich auch in der der konkreten Ausgestaltung der Verpackung (Abbildung eines Indianerkopfes) niederschlage. Der Verkehr assoziiere mit der angegriffenen Bezeichnung nicht das Produkt der Klägerin, sondern in erster Linie die berühmte historische Person gleichen Namens. Hierdurch entfalle jedoch jede denkbare gedankliche Verbindung, die der Verkehr zwischen dem Produkt der Beklagten und dem Haus der Klägerin ziehen könnte. Eine gedankliche Verbindung über den Bestandteil "Bull" werde nicht gezogen, da der Begriff "Sitting Bull" als Name einer Person und damit als untrennbare Einheit aufgefasst werde. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr liege daher nicht vor, weil die Marke der Beklagten einen allgemein verständlichen und von der Marke der Klägerin klar trennbaren eigenständigen Sinngehalt habe. Zu Unrecht habe das Landgericht ausgeführt, die mit dem Namen "Sitting Bull" ausgelösten Assoziationen - Stärke, Energie, Mut - seien dieselben wie diejenigen, die die Marke der Klägerin hervorrufe. Die sei schon tatsächlich unzutreffend, da der partizipische Zusatz "Sitting" eher einen statischen als einen energiegeladenen und aggressiven Eindruck vermittele. Jedenfalls aber sei nach der Rechtsprechung eine nur durch komplizierte Gedankenoperation herstellbare Verbindung zwischen zwei Marken etwa in der Art, dass beide ähnliche Assoziationen beim Verbraucher hervorrufen würden, nicht ausreichend, um dem Verkehr einen falschen Eindruck vermitteln zu können, es lägen verschiedene Produkte aus derselben Serie eines Unternehmens vor. Im Übrigen spreche gegen die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr auch der Umstand, dass es sich bei dem gemeinsamen Markenbestandteil "Bull" um einen Sachhinweis auf das Vorhandensein von Taurin in den Produkten handele.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 25.1.2001 - 315 O 300/00 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass in dem Klageantrag zu 2) die Worte "in ihrer Firma" gestrichen werden.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.04.2003 klargestellt, dass sie im Hinblick auf den Klageantrag zu 2) die Begriffe "das Zeichen" und "die Bezeichnung" synomym gebraucht habe. Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz.

Ergänzend trägt sie vor:

Zu Unrecht meine die Beklagte, das Zeichen "Bull" werde als ein Sachhinweis auf die Zutat Taurin gesehen. Stelle man auf den Kollisionszeitpunkt ab, sei kaum einem durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher diese Zutat bekannt gewesen. Für Getränke sei sie in Deutschland noch nicht einmal zugelassen gewesen. Ferner könne das Zeichen "Bull" allenfalls für ein vierbeiniges, männliches Tier und nicht für eine Aminosäure beschreibend sein. Die Beklagte verwickele sich mit ihrer Argumentation auch in unlösbare Widersprüche. Wenn die Marke "Sitting Bull" für den Verkehr erkennbar nur auf einen Indianerhäuptling hinweise, könne der Markenbestandteil "Bull" nicht zugleich ein Sachhinweis auf eine Aminosäure sein. Im Übrigen komme es auf die Ausstattung des Produkts der Beklagten mit einem Indianerkopf nicht an, weil sich vorliegend nur die Wortmarken gegenüberstünden. Wenn die Beklagte mit den Anlagen B 6 und B 7 die Wort-/Bildmarken der Fa. P.-xxx GmbH vorlege, bestätige sie die Argumentation des Landgerichts, zwischen "Bull" und einem Indianer, nämlich "Sitting Bull" bestehe ein assoziativer Zusammenhang, denn bei dieser Wort- /Bildmarke (Red Bull und Indianerkopf) werde eben genau dieser Zusammenhang hergestellt.

Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft durch die Anlage 10 (Unternehmen "Bull") sei nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass diese Marke für Getränke oder gar für coffein- und taurinhaltige Erfrischungsgetränke Verwendung finde.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht und mit zutreffender Begründung verurteilt. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG sowie ein Löschungsanspruch aus §§ 51 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG gegen die Beklagte zu.

I. Gegenstand des Unterlassungsantrags sind die im Verbotsausspruch zu 2. aufgeführten Handlungen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Begriffe "Zeichen" und "Bezeichnung" synonym zu verstehen sind. Außerdem ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin, dass die Handlungsalternativen "anzubringen" und "verwenden" sich ebenfalls auf die zuvor im Antrag bezeichneten Waren sowie Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefe und Empfehlungen beziehen. Handlungsalternativen in Bezug auf die Firma der Beklagten sind nach der entsprechenden Einschränkung des Antrags nicht mehr Gegenstand des Unterlassungsantrags.

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfaßten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu erfolgen hat, ist von einer Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Klagemarke auszugehen. Danach kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 890, 891 - IMMUNINE/IMUKIN; BGH GRUR 1999, 995, 997- HONKA, mit weiteren Nachw.).

Nach diesen Grundsätzen besteht hier Verwechslungsgefahr.

1. Zu Recht hat das Landgericht der prioritätsälteren Klagemarke überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft beigemessen.

a) Kennzeichnungs- bzw. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden.

Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist gegeben, wenn einer Marke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2002, 816, 817 - Bonus II m.w.N.). Auszugehen ist zunächst auf die dem Zeichen selbst innewohnende originäre Kennzeichnungskraft. Zu berücksichtigen sind aber auch nachträgliche Veränderungen der Kennzeichnungskraft, d.h. eine Steigerung durch intensive Benutzung oder eine Schwächung durch Drittzeichen (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 181). Maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für die Frage, ob dem älteren Klagezeichen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zukommt, ist der für den Zeitrang des jüngeren Zeichens maßgebenden Tag (vgl. BGH GRUR 2002, 544, 546 f. - Bank 24; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 184 m.w.N.), mithin hier der Anmeldetag 28.06.1994. Dagegen ist eine mögliche Schwächung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 184 m.w.N.).

b) Die Marke RED BULL verfügt von Haus aus über eine jedenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Im Hinblick auf den hier maßgebenden Warenbereich der alkoholfreien Getränke handelt es sich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, um eine originelle Bezeichnung. Das Zeichen bzw. der Zeichenbestandteil "Bull" enthält entgegen der Auffassung der Beklagten keine beschreibenden Hinweis auf einen im unter der Klagemarke vertriebenen Getränk enthaltenen Inhaltsstoff Taurin. Abgesehen davon, dass der Warenbereich der Marke nicht auf ein Getränk mit dem Inhaltsstoff Taurin beschränkt ist, hält es der Senat für ausgeschlossen, dass der angesprochene Verkehrskreis, zu dem auch die Mitglieder des Senats zählen, weiß, dass Taurin eine Aminosäure ist, die in der Natur insbesondere in der Gallenflüssigkeit von männlichen Rindern vorkommt. Es ist deshalb fernliegend, dass der Verkehr unter Zuhilfenahme griechischer bzw. lateinischer Sprachkenntnisse eine gedankliche Brücke von "Bull" über "Taurin" zu "Taurus", von "Taurus" zu "Stier" und von "Stier" zu der ursprünglichen, jetzt wegen der modernen synthetischen Gewinnung zudem gar nicht mehr relevanten ursprünglichen Herkunft des Inhaltsstoffes, nämlich der "Gallenflüssigkeit von männlichen Rindern", spannen wird.

b) Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, kam dem Klagezeichen zum Zeitpunkt der für den Zeitrang des jüngeren Zeichens maßgebenden Anmeldetag 28.06.1994 eine durch intensive Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft zu.

Es ist anerkannt, dass eine Kennzeichnungskraft durch den Gesichtspunkt der Verkehrsbekanntheit gesteigert werden kann (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 181; Althammer/Ströbele/Klaka, MarkenG, 6. Aufl. 2000, § 14 Rn. 18; Schultz, Markenrecht, § 14 Rn. 133). Der für die gesteigerte Kennzeichnungskraft erforderliche Bekanntheitsgrad des Zeichens ist keine feste Größe, sondern von der jeweiligen Marktbedeutung der Marke für die tatsächlich benutzten Waren abhängig (Althammer/Ströbele/Klaka, MarkenG, 6. Aufl. 2000, § 14 Rn. 18). Maßgebend sind die Einzelfallumstände (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 222), namentlich der Marktanteil der Marke, die Intensität, die geographische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zur Förderung der Marke getätigt hat (vgl. zu Art. 5 Abs. 2 MarkenRL EuGH, Urt. vom 14.09.1999 - Rs. C-375/97, EuZW 2000, 56, 57 f. - Chevy; zu § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG BGH GRUR 2002, 340, 341 - Fabergé; BGH WRP 2003, 647, 653 - BIG BERTHA).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände lag hier zum Eintragungszeitpunkt der angegriffenen Marke eine für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft hinreichende Bekanntheit der Klagemarke vor. Zwar erfolgte die Markteinführung des unter der Marke RED BULL vertriebenen Getränks erst im März 1994, also ca. 4 Monate vor dem maßgebenden Kollisionszeitpunkt. Die Klägerin hat jedoch besondere Umstände vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Marke im relevanten Zeitraum von der Markteinführung bis zur Eintragung der angegriffenen Marke besonders intensiv benutzt wurde.

So läßt sich der Anlage K 4 und teilweise auch Anlage K 29 entnehmen, dass die bundesweite Markteinführung des Produkts "Red Bull" Gegenstand einer Vielzahl von umfangreichen redaktionellen Beiträgen in der regionalen, aber auch überregionalen Presse (Bild Hamburg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Forbes) gewesen ist. Durchgehend wurde in den im März, April, Mai und Juni 1994 erschienenen Artikeln die Marke genannt und ganz überwiegend auch das Produkt mit dem erkennbaren Bezeichnung "Red Bull" abgebildet. Gegenstand der Berichterstattung war zum einen der offenbar ungewöhnliche Erfolg der Markteinführung von Red Bull, zum anderen die dem Getränk zugeschriebene aufputschende Wirkung als der wesentliche Grund des Kaufinteresses. Weiter ist vom "Red-Bull-Fieber" und vom angeblichen Kultcharakter bzw. "Mythos" des Produkts die Rede, was darauf schließen läßt, dass sich das öffentliche Interesse nicht allein auf die Markteinführung eines neuen Produkts als solche gerichtet hat, sondern das Getränk für die öffentliche Meinung von darüber hinausgehendem Interesse war. Redaktionelle Berichterstattung in der Tagespresse, zumal in auflagenstarken Zeitungen wie der Bildzeitung oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, erreicht hunderttausende Menschen und bewirkt infolge der erhöhten Glaubwürdigkeit redaktioneller und damit (manchmal nur vermeintlich) objektiver Berichterstattung einen erheblichen Aufmerksamkeitseffekt für das Produkt. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass die Markteinführung von Red Bull durch erhebliche klassische Werbeaufwendungen befördert worden ist. Aus der von der Klägerin eingereichten Übersicht gemäß Anlage K 13 ergibt sich, dass sie im ersten Halbjahr 1994 einen Etat von DM 7.200.000 für Fernseh- und Radiowerbung aufgewendet hat, wovon DM 5.200.000,- auf Fernsehwerbung entfallen sind. Im gleichen Zeitraum sind für das Konkurrenzprodukt COCA COLA, gerichtsbekannt ein allgegenwärtig und intensiv beworbenes Produkt, lediglich DM 6.700.000,- aufgewendet worden (DM 4.500.000,- davon für TV-Werbung). Anlage K 13 ist weiter zu entnehmen, dass Schwerpunkte der TV - Werbung die Monate Mai und Juni, der Radiowerbung die Monate April bis Mitte Juni gewesen sind. Daraus ergibt sich insgesamt, dass die Marke dem Publikum bereits vor dem Eintragungstag der angegriffenen Marke auch in intensiven Werbemaßnahmen gegenübergetreten ist. Die Beklagte hat den durch die Anlage K 13 belegten Vortrag der Klägerin zunächst nur pauschal bestritten und ist ihm nach Vorlage der Anlage K 13 nicht mehr entgegengetreten.

Für eine für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft hinreichende Bekanntheit des Klagezeichens spricht auch der durch die Vorlage der Anlagen K 11 und K 12 konkretisierte Vortrag der Klägerin zu den Umsatz- und Vertriebszahlen des Produkts Red Bull im ersten Halbjahr 1994. So verfügte das Produkt Red Bull in der Periode Juni/Juli 1994 in Bezug auf Tankstellen über eine numerische Distribution von 47 % und eine gewichtete Distribution von 55 %, in Bezug auf den Lebensmitteleinzelhandel lag die numerische Distributionsanteil bei 18 % und der gewichtete Anteil bei 42 % (Anlage K 11). Zwar umfasst die dort ausgewiesene Periode auch den Juli 1994. Außerdem ergibt sich im Vergleich zur Periode April/Mai 1994, wo die numerische Distribution im Einzelhandel noch bei 4 % und die gewichtete bei 7 % lag, eine rasante Zunahme der Vertriebszahlen, so dass davon ausgegangen werden muß, dass innerhalb der Periode Juni/Juli ein erheblicher Teil der Zunahme im Juli 1994, also nach Eintragung des angegriffenen Zeichens, erfolgt ist. Dennoch haben die Zahlen einen hinreichenden indiziellen Aussagewert dahingehend, dass bereits bis Ende Juni das Produkt Red Bull eine erhebliche Bedeutung beim Umsatz von Getränken, jedenfalls bei den Energy Drinks erlangt hat. Dass die Zahlen regionale Unterschiede aufweisen, ist dabei zu vernachlässigen, da es im Hinblick auf die Verkehrsbekanntheit ausreichend ist, wenn sie in einem wesentlichen Teil eines Staates gegeben ist (EuGH EuZW 2000, 56, 58). Im Übrigen bestätigt der nachgewiesene rasante Anstieg der Umsatzzahlen die Annahme, dass die Werbeaufwendungen und die redaktionelle Berichterstattung in den Monaten März, April, Mai und Juni 1994 eine kontinuierlich stark ansteigende Kaufnachfrage ausgelöst, mithin beim Publikum Wirkung gezeigt haben.

Entsprechendes gilt für die vorgetragenen und durch die Anlage K 12 belegten Umsatzzahlen, die von DM 596.000,- im April/Mai 1994 auf DM 6.545.000,- im Juni/Juli 1994 angestiegen sind. Auch diese haben eine in der Gesamtschau mit den übrigen genannten Indizien für eine Bekanntheit indizielle und betätigende Bedeutung. Die Beklagte hat die Umsatz- und Vertriebszahlen zwar zunächst bestritten. Nachdem die Klägerin diese durch die Anlagen K 11 und K 12 näher belegt hat, ist dieses Bestreiten nicht wiederholt worden. Vielmehr hat die Beklagte sich die Umsatzzahlen in der Berufungsbegründung zu eigen gemacht.

Das Landgericht hat bei der Beurteilung der Verkehrsbekanntheit tendenziell auch auf die Verkehrsbefragung gemäß Anlage K 10 abgestellt, die allerdings aus der Zeit Oktober/November 1994, also nach dem Kollisionszeitpunkt der streitgegenständlichen Zeichen stammt. Allein dieser Umstand steht einer vom Landgericht vorgenommen jedenfalls indiziellen Berücksichtigung noch nicht entgegen. Denn inwieweit sich aus einer späteren Bekanntheit Rückschlüsse auf die Vergangenheit ziehen lassen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von Dauer und Umfang der Markenbenutzung vor dem fraglichen Zeitpunkt, den zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen und der Frage, wie weit der maßgebende Zeitpunkt zurückliegt (Schultz, Markenrecht, § 14 Rn. 136). Vorliegend spricht der Umstand, dass die Umfrage nur wenige Monate nach dem Eintragungszeitpunkt vorgenommen wurde, für eine indizielle Berücksichtigung, während der sich aus den Anlage K 11 und K 12 ergebende starke Anstieg der Umsatz- und Vertriebszahlen gerade in der Periode Juni/Juli und den Folgeperioden gegen eine Berücksichtigung sprechen. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, da der Senat bereits aus den erörterten Umständen wie Werbeaufwendungen, redaktionelle Berichterstattung sowie bestätigend Umsatzund Vertriebszahlen die Überzeugung gewonnen hat, dass die Klägerin die Marke RED BULL vor dem 28.06.1994 intensiv benutzt hat und die Marke damit nach dem insoweit geltenden normativen Bewertungsansatz (vgl. dazu Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 182) einen erhöhten Schutz unter dem Gesichtspunkt der gesteigerten Kennzeichnungskraft genießt.

c) Die Kennzeichnungskraft der Marke RED BULL ist auch nicht durch die Benutzung von Drittzeichen geschwächt. Eine solche Schwächung, die einen Ausnahmetatbestand darstellt, setzt voraus, dass die Drittkennzeichen im Bereich der gleichen oder eng benachbarten Branchen oder Waren und in einem Umfang in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Kennzeichnungen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken (vgl. BGH, GRUR 2001, 1161, 1162 - CompuNet m.w.N.). Vorliegend ergibt sich eine Schwächung des Klagezeichens aber weder aus dem von der Klägerin vorgetragenen Registerstand noch aus dem in den Anlagen B 6, B 7 eingereichten Zeichen "Red Bull" bzw. dem Zeichen "Bull" gemäß Anlage B 10.

Bereits das Landgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte zum Benutzungsstand der in dem Rollenauszug Anlage B 9 aufgeführten Marken nichts ausgeführt hat. Weiter hat die Klägerin unwidersprochen geltend gemacht, dass eine Reihe von dort aufgeführten Marken angegriffen und teilweise bereits gelöscht sind, sie selbst Inhaberin der Marke "Fire Bull" ist, die Marke "Black Bull", Zeichennummer 394 04 7869 von ihrem spanischen Vertriebspartner benutzt wird und mit den Inhabern der Marken "Crazy Bull", "Bull", "Black Bull" und "Red Bull" (Stroh Brewery) Abgrenzungs- und Vorrangvereinbarungen bestünden. Weiter ist keine größere Zahl von ähnlichen eingetragenen Zeichen vorgetragen worden, denen auch ohne deren Benutzung eine gewisse Indizwirkung dafür zukommen würde, dass das in Frage stehende Zeichen in seiner Kennzeichnungskraft geschwächt sein könnte.

Im Übrigen kommen als schwächende Drittzeichen nur solche für gleiche oder benachbarte Produkte in Betracht (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 230).

Daran fehlt es bei den Zeichen gemäß Anlagen B 6/B 7 und B 10, für die die Beklagte eine Benutzung näher vorgetragen hat. Das Zeichen "Red Bull" gemäß Anlage B 6 ist nicht für den hier maßgebenden Warenbereich, sondern für Tabakwaren eingetragen worden und wird auch entsprechend benutzt (Anlage B 7).

Das Zeichen "Bull" gemäß Anlage B 10 betrifft ebenfalls einen anderen Waren- bzw. Dienstleistungsbereich, da es sich um die Bezeichnung eines Unternehmens und dessen Produkte handelt, welches im Bereich der Informationstechnologie tätig ist. 2. Zwischen dem Klagezeichen RED BULL und dem Verletzungszeichen SITTING BULL besteht weiter im Hinblick auf "alkoholfreie Getränke" Warenidentität, hinsichtlich "aromatisierte Mineralwässer und andere kohlensärehaltige Wässer, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare" sowie Grundstoffe und Essenzen für die Herstellung dieser Getränke jedenfalls Warenähnlichkeit.

3. Auch die erforderliche Zeichenähnlichkeit ist gegeben.

a) Zwar hat das Landgericht mit zutreffenden Gründen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr verneint, weil die einander gegenüberstehenden Zeichen nach ihrem Gesamteindruck trotz des gemeinsamen Bestandteils "Bull" nicht hinreichend ähnlich sind, um miteinander verwechselt zu werden. Auch der Senat geht davon aus, dass der Gesamteindruck der Zeichen durch die Gesamtheit, also RED BULL und SITTING BULL, geprägt wird.

b) Zwischen den Zeichen besteht jedoch eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt eines gedanklichen Inverbindungbringens. Allerdings reicht insoweit nicht schon jegliche, wie auch immer geartete gedankliche Assoziation aus, um Verwechslungsgefahr unter diesem Kriterium zu begründen (BGH GRUR 96, 406, 407 - JUWEL; BGH GRUR 96, 200 - Innovadiclophlont). Erforderlich ist vielmehr (im Anschluß an Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 428 ff.) entweder die Vermutung einer Zeichenabwandlung desselben Unternehmens (mittelbare Verwechslungsgefahr) oder die Vermutung von Unternehmensverbindungen (Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne). Vorliegend ist eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens gegeben. Die Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens hat unter dem Begriff des gedanklichen Inverbindungbringens der jüngeren mit der älteren Marke Eingang in die Markenrechtsrichtlinie und das Markengesetz gefunden. Diese Verwechslungsgefahr, die erst zu prüfen ist, wenn die einander gegenüberstehenden Zeichen - wie im Streitfall - nach ihrem Gesamteindruck nicht unmittelbar miteinander verwechselbar sind, greift dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet. Die Rechtsprechung zum Serienzeichen beruht auf der dem Verkehr bekannten Übung mancher Unternehmen, sich eines Stammzeichens für alle ihre Waren zu bedienen und dieses - dabei als solches erkennbar bleibende - Stammzeichen für einzelne Warenarten zu deren Kennzeichnung abzuwandeln (vgl. zum Ganzen BGH GRUR 2002, 542, 544 - BIG m.w.N.). Voraussetzung für die Annahme einer Markenverletzung infolge Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens ist ein Kennzeichenrecht an dem Stammbestandteil, sei es, dass dieses in einem oder mehreren Zeichen der Serie besteht, sei es, dass der Stammbestandteil für sich kennzeichenrechtlichen Schutz genießt und der Markeninhaber des Weiteren eine Zeichenserie mit diesem Bestandteil gebildet hat, insbesondere wenn er den Stammbestandteil auch als Firmenschlagwort benutzt, oder geltend macht, der fragliche Bestandteil werde vom Verkehr als geeignet für die Bildung einer Zeichenserie angesehen BGH GRUR 2002, 542, 544 - BIG m.w.N.)

Zwar hat die Klägerin vorliegend - unter Verwendung des Bestandteils "Bull" - eine weitere Marke, nämlich "Speedy Bull" als Gemeinschaftsmarke angemeldet. Weiter hat die Klägerin die Marke "Fire Bull" erworben. Dies geschah jedoch am 16.04.1999 bzw. am 13.09.2000, also nach dem hier maßgebenden Kollisionszeitpunkt und muß daher ausser Betracht bleiben.

Allerdings ist für die Annahme einer Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens nicht zwingende Voraussetzung, dass der Verkehr eine Übung des Zeicheninhabers kennt, neben dem Stammzeichen weitere das Stammzeichen enthaltene abgewandelte Zeichen zu verwenden. Dies ist nur eine Möglichkeit, dem Verkehr die Annahme nahezulegen, ein Stammzeichen sei abgewandelt. Selbst wenn der Inhaber des älteren Zeichens nur ein Einzelzeichen benutzt hat, kann gleichwohl der Eindruck eines Serienzeichens entstehen, wenn die sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen den gleichen Wortstamm aufweisen und der Stammbestandteil für die Betriebsstätte des rangbesseren Benutzers Hinweischarakter besitzt. Dabei sind, um einen erweiterten Elementenschutz ohne das Erfordernis einer Verwechslungsgefahr im Gesamteindruck zu verhindern, strenge Anforderungen an die Wesensgleichheit der Zeichen bzw. an die Prüfung zu stellen, ob trotz abweichenden Gesamteindrucks der einander gegenüberstehenden Zeichen die Gefahr besteht, sie könnten als Serienzeichen aufgefasst werden (BGH GRUR 75, 312, 313 - BiBa; BGH GRUR 96, 200, 202 - Innovadiclophlont; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rn. 428). Insgesamt ist die Feststellung erforderlich, dass eine beanstandete Kennzeichnung einen Bestandteil enthält, der für die Betriebsstätte eines rangbesseren Benutzers Hinweischarakter besitzt, dieser Bestandteil in der angegriffenen Kennzeichnung nicht untergeht und darin als selbständiger Bestandteil erhalten bleibt (BGH GRUR 75, 312, 313 - BiBa).

Nach diesen Grundsätzen liegt hier auch unter Beachtung des gebotenen strengen Maßstabs eine mittelbare Verwechslungsgefahr vor. Der Verkehr wird angesichts der teilweise identischen und im übrigen ähnlichen Warenbereiche und der erhöhten Kennzeichnungskraft der Klagemarke annehmen, die unter der Kennzeichnung RED BULL und SITTING BULL vertriebenen Produkte stammten aus demselben Unternehmen.

Im Klagezeichen wird "Bull" als Substantiv verwendet, dem durch den weiteren Zeichenbestandteil "Red" eine Eigenschaft zugewiesen wird. Der Bestandteil "Bull" ist der zentrale Bezugspunkt des Gesamtzeichens "Red Bull", der Bestandteil "Red" ein auf "Bull" bezogener beschreibender Zusatz. Dem übereinstimmenden Zeichenbestandteil "Bull", der als Beschreibung für alkoholfreie Getränke originell ist, kommt damit das Hauptgewicht und eine hinreichende Eigenständigkeit innerhalb des Gesamtzeichens zu, um ihn als den charakteristischen Wortstamm des Gesamtzeichens anzusehen. Der Stammbestandteil "Bull" besitzt auch eine Hinweisfunktion auf den prioritätsälteren Zeicheninhaber. Den von der Klägerin zur Akte gereichten Zeitungsartikeln gemäß Anlagen K 4 und K 29 läßt sich entnehmen, dass die Presse das Produkt Red Bull häufig abgekürzt mit "Bulle" bezeichnet. So heißt es in der Bildunterschrift im Münchner Merkur vom 30.03.94 "Prost Bulle", es ist dort weiter von den "im Landkreis gehandelten Bullen" die Rede (vgl. auch Woche v. 10.4.94: "Das Bullen-Bräu aus Österreich"; AZ 16.4.94: "Bullen, so stark wie eine Tasse Kaffee"; Chemnitzer Morgenpost v. 14.5.94: "Pferde und Bullen als Trendgetränk"). Der Artikel "Bulle im Höhenflug" der WirtschaftsWoche vom 30.06.1994 spricht wiederholt von "Bulle", auch weitere, zwar nach dem Anmeldetag erschienene, dennoch für das Verkehrsverständnis jedenfalls indiziell bedeutsame Artikel bezeichnen das Produkt der Klägerin verkürzt mit "Bulle" (DM 8/95: "An der Tankstelle ist der Bulle los"; NGZ 8/94: "Flying Horse jagt dem Bullen hinterher"; Rundschau für den Lebensmittelhandel 10/94: "Von Bullen und Pferden"; Lebensmittelreport 12/94: "Ein Bulle auf Höhenflug"; Bunte vom 14.7.94: "Bulle aus der Dose"). Zudem wird dort auch der Inhaber der Klägerin und "geistiger Vater" des Brauseprodukts "Red Bull" als "Bulle" tituliert ("Dietrich Mateschitz, Bulle mit Flügeln", Forbes, Ausgabe Mai 1994; Petra 9/94: "Dietrich Mateschitz, Echt bullenstark!"). Aus alledem ergibt sich, dass der Begriff "Bulle" als verkürzte Bezeichnung für das Produkt der Klägerin bereits im Juni 1994 verkehrsbekannt war. Denn wenn in der Presseberichterstattung verbreitet das gemeinte Produkt bzw. dessen Fabrikant durch das Substantiv "Bulle" bezeichnet wird, läßt sich dem hinreichend deutlich entnehmen, dass auch die angesprochenen Verkehrskreise zu einer entsprechenden Kennzeichnung neigen werden. Dass insoweit nicht "Bull", sondern "Bulle" verwendet wird, ist angesichts der ohne weiteres ersichtlichen Bedeutungsidentität der Begriffe für die Frage des Hinweischarakters des Stammbestandteils ohne Bedeutung.

Der Verkehr, dem die Übung mancher Unternehmen bekannt ist, sich eines Stammzeichens für alle ihre Waren zu bedienen, wird nach alledem in Rechnung stellen, dass es verschiedene "Bull"-Produkte des rangälteren Zeicheninhabers geben kann, die durch eine Abweichung in dem auf "Bull" bezogenen Eigenschaftswort beschrieben und unterschieden werden können. Jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs wird deshalb in dem Zeichen "SITTING BULL" eine weitere Bezeichnung einer "Bull"-Zeichenserie des rangälteren Zeicheninhabers erblicken.

Dem steht nicht entgegen, dass Teile des Verkehrs die historische Figur "Sitting Bull" als Indianerhäuptling kennen werden. Zwar kann das Verkehrsverständnis eines Zeichens als Name die Vorstellung von einem Namensbestandteil als Serienzeichen als eher fernliegend erscheinen lassen (BGH GRUR 1999, 155, 156 - DRIEBECKŽs LIGHT). Hier liegt der Fall jedoch anders. Denn nach den Umständen wird der insoweit relevante Teil des Verkehrs das Zeichen SITTING BULL gedanklich unmittelbar mit RED BULL in Verbindung bringen. Sitting Bull ist ein Indianerhäuptling. Indianer werden in der Tradition einer Vielzahl von Büchern und Filmen herkömmlich als "Rote" bezeichnet, so dass eine unmittelbare Assoziation von Sitting Bull zu RED BULL erfolgen wird. Dies zeigt nicht zuletzt das von der Beklagten eingewandte Drittzeichen "RED BULL" gemäß Anlage B 6/B7, das einen gestalteten Indianerkopf beinhaltet. Im Übrigen wird jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs die historische Figur Sitting Bull nicht kennen und das angegriffene Zeichen deshalb von vornherein nicht als Name verstehen.

4. Das Landgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch unter Geltung der vor dem 1. Januar 1995 bestehenden Rechtslage stattzugeben war. Auf diese Darlegung wird Bezug genommen.

III. Wegen der bestehenden Verwechslungsgefahr ist die Beklagte auch verpflichtet, gegenüber der Klägerin als Inhaberin der prioritätsbesseren Marke gem. §§ 51 Abs. 1, 9 Abs. 1 Ziff. 2 MarkenG in eine Löschung ihres Zeichens einzuwilligen.

IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Soweit die Klägerin den Antrag auf Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe gestellt hat, dass in dem Klageantrag zu 2) die Worte "in ihrer Firma" gestrichen werden, ist darin eine teilweise Klagerücknahme zu sehen, welche gemäß § 269 Abs. 3 ZPO die tenorierte Kostenfolge auslöst

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache geht, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, über die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt nicht hinaus. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Zulassung der Revision ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.



Ende der Entscheidung

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