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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 13.06.2007
Aktenzeichen: 3 Vollz(Ws) 26/07
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 6
StVollzG § 7
StVollzG § 10
StVollzG § 11
StVollzG § 159
1. Ein Vollzugsplan bzw. dessen Fortschreibung sind unter zwei Gesichtspunkten gerichtlich überprüfbar:

a) Der Vollzugsplan kann insgesamt mit der Behauptung angefochten werden, das Aufstellungsverfahren sei fehlerhaft durchgeführt worden bzw. der Vollzugsplan genüge nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen.

b) Der Vollzugsplan kann ferner angefochten werden, wenn und soweit er konkrete Regelungen im Einzelfall enthält.

2. Der Antrag auf gerichtliche Überprüfung eines Vollzugsplans erledigt sich nicht durch die Rechtshängigkeit der Klage gegen die Vollzugsplanfortschreibung. Die Fortschreibung ersetzt den Vollzugsplan nicht, sondern baut auf ihm auf und modifiziert ihn. Es handelt sich um einen identischen Streitgegenstand, über den in ein und demselben gerichtlichen Verfahren zu befinden ist.

3. Das Rechtsschutzbedürfnis zur Überprüfung der im Vollzugsplan und seinen Fortschreibungen getroffenen konkreten Maßnahmen (hier: Unterbringung im geschlossenen Vollzug, Versagung von Lockerungen, Rückstufung in die Entwicklungsgruppe) entfällt nicht dadurch, dass diese Maßnahmen bereits Gegenstand anderer gerichtlicher Verfahren sind. Die Bestimmungen über den Vollzugsplan begründen eigenständige Rechte und Pflichten, die gegenüber den einzelne Vollzugsmaßnahmen betreffenden Rechte und Pflichten verselbständigt sind (Anschluss an BVerfG, Beschl. v. 03.07.06).

4. Die Behandlungsuntersuchung erfordert nicht in jedem Fall die Mitwirkung von psychologischen Fachkräften. Vielmehr hat die Anstalt bei der Durchführung der Behandlungsuntersuchung insoweit einen Beurteilungsspielraum.

5. Zur Rüge der Verletzung des § 159 StVollzG (Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplans durch eine Konferenz mit an der Behandlung maßgeblich Beteiligten).

6. Zu den Anforderungen an die Begründung der Missbrauchsgefahr i.S.d. §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 2 StVollzG.


Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss

3 Vollz(Ws) 26/07 3 Vollz(Ws) 27/07 3 Vollz(Ws) 28/07 3 Vollz(Ws) 36/07

In der Strafvollzugssache

hat der 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 13.06.2007 durch die Richter Dr. Rühle, Dr. Mohr und Sakuth beschlossen:

Tenor:

1. Die Verfahren 3 Vollz(Ws) 27/07 (605 Vollz 217/05), 3 Vollz(Ws) 26/07 (605 Vollz 199/05), 3 Vollz(Ws) 28/07 (605 Vollz 98/06) und 3 Vollz(Ws) 36/07 (605 Vollz 246/06) werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2. Auf die Rechtsbeschwerden werden die Beschlüsse des Landgerichts, Große Strafkammer 5 als Strafvollstreckungskammer vom 28.02.07 (605 Vollz 199/05, 217/05 und 98/06) sowie vom 26.03.07 (605 Vollz 246/06) aufgehoben.

3. Der Vollzugsplan vom 30.11.04, geändert durch die 1. Vollzugsplanfortschreibung vom 02.09.05, die 2. Vollzugsplanfortschreibung vom 15.05.06 und die 3. Vollzugsplanfortschreibung vom 06.11.06 sowie die Widerspruchsbescheide vom 20.09.05, 05.10.05, 17.05.06 und 08.11.06 werden aufgehoben, soweit die Gewährung von Vollzugslockerungen und die Verlegung in eine Anstalt des offenen Vollzugs abgelehnt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts an die JVA Fuhlsbüttel zurückverwiesen.

4. Der weitergehende Antrag wird verworfen.

5. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens, jedoch wird die Gebühr um 3/4 ermäßigt. Die Staatskasse trägt 3/4 der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers. Der Streitwert wird auf 2.500 EURO festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller/Beschwerdeführer begehrt Aufhebung und Neuerstellung seines Vollzugsplans. Am 27.11.2001 festgenommen, verbüßt er seit Februar 2002 Strafhaft in der JVA Fuhlsbüttel, und zwar zunächst den Rest einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren u.a. wegen Raubüberfällen mit Waffen, und danach eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen Einbruchsdiebstahls in vier Fällen. 2/3-Zeitpunkt war der 01.03.07, Entlassungszeitpunkt ist der 02.07.08.

1. Auf seinen Antrag vom 22.03.04 erstellte die JVA, nachdem der Gefangene erfolgreich eine Vornahmeklage erhoben hatte, den Vollzugsplan vom 30.11.04. Er enthält in Teil III Buchstabe B Ausführungen zur Behandlungsbedürftigkeit des Gefangenen. So wird mitgeteilt, dass die Sozialtherapeutische Anstalt in Altengamme, in der er während der vorangegangenen Strafverbüßung eine Therapie absolviert hatte, eine erneute Aufnahme im März 2004 abgelehnt hatte, weil "die mangelnde Zusammenarbeit während ihrer Zeit in Altengamme und die schnelle Rückfälligkeit nach der Entlassungen zeigen, dass wir nicht die richtige Anstalt sind." Im Gegensatz dazu wird im Folgenden ausgeführt, der Gefangene habe nach den damaligen Beurteilungen und Berichten der Anstalt in der Sozialtherapie in Altengamme gut mitgearbeitet. Ferner heißt es im Vollzugsplan:

"Die Tatsache, dass Herr H. in der jetzigen Verbüßung anstaltsinterne Möglichkeiten zur Straftataufarbeitung nicht genutzt hat, führt - wie bereits geschehen - dazu, dass eine Missbrauchsgefahr nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann und dass Zweifel an einem ernsthaften Veränderungswillen aufkommen. Allerdings hat die Anstalt Herrn H. dieses Erfordernis bisher nicht deutlich gemacht. Eine Behandlungsuntersuchung erfolgte nicht und diese Vollzugsplanung ist die erste in dieser Verbüßungszeit. ...

Noch einmal: Ich halte eine Aufarbeitung der Defizite mithilfe der Sozialtherapie für erforderlich und Herrn H. für therapiewillig; eine Entlassung scheint zwischen 2/3 und Endstrafe ab August 07 möglich, sollte eine Veränderung und Erlernen von Strategien für Problemlösungen nachvollziehbar sein."

Unter Buchstabe I (Vollzugslockerungen) heißt es, die Therapie stehe im Vordergrund, eine Entscheidung über die - noch zu beantragende - Aufnahme bleibe abzuwarten.

Der Gefangene legte gegen den Vollzugsplan zunächst keinen Widerspruch ein, sondern erhob Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit, die das Landgericht mit Beschluss vom 25.05.05 als unzulässig verwarf. Am 30.05.05 beantragte er die Neuerstellung des Vollzugsplans mit der Begründung, der Vollzugsplan sei ab

"III. Maßnahmen" unvollständig und nicht nachprüfbar bzw. einseitig negativ. Dieser Antrag war zunächst bei der JVA nicht auffindbar. Nachdem ihn der Gefangene am 05.09.05 erneut eingereicht hatte, lehnte die Anstalt ihn am 12.09.05 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.05 als unzulässig, hilfsweise unbegründet zurück. Die JVA führte zur Begründung aus, der Vollzugsplan sei als Ganzes nicht anfechtbar, da er keine unmittelbaren Rechtswirkungen für den Gefangenen beinhalte. Der Gefangene habe nicht angegeben, was in der Vollzugsplanung vom 30.11.04 unrichtig dargestellt worden sein soll. Eine Behandlungsuntersuchung durch den psychologischen Dienst, deren Fehlen der Gefangene mehrfach moniert habe, sei nicht geboten gewesen.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Gefangene am 19.10.05 Klage (605 Vollz 217/05) und beantragte,

den Vollzugsplan vom 30.11.04 nebst Widerspruchsbescheid vom 05.10.05 aufzuheben und die JVA zu verpflichten, die Teile des Vollzugsplans neu zu erstellen, die der Erhebung einer Behandlungsuntersuchung bedürfen, sowie die Teile III. Buchstabe B. und I., in denen Behandlungsmaßnahmen vorgeschlagen werden.

2. Bereits zuvor, nämlich am 02.09.05, erstellte die JVA die 1. Vollzugsplanfortschreibung, die in der Konferenz vom 05.09.05 beschlossen wurde. Sie enthält zur Person, zur Kriminalität und zum vollzuglichen Verhalten keine neuen Erkenntnisse. Unter IV.B (Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen) wird beanstandet, dass der Gefangene nur teilweise mitarbeitet und die Möglichkeiten des psychologischen Dienstes nicht für sich genutzt hat, da auch Bewerbungsverfahren für die Sozialtherapeutische Anstalt Altengamme anhängig waren. Diese Bewerbungsverfahren seien aber mittlerweile negativ abgeschlossen, Herr H. müsse eigenständig Kontakt zum psychologischen Dienst des Hauses herstellen, um mit der Aufarbeitung seiner Delinquenz zu beginnen.

Gegen die Vollzugsplanfortschreibung erhob der Gefangene Widerspruch mit der Begründung, sie erfülle nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen und enthalte unvollständige Sachverhalte. Diesen Widerspruch wies die Anstalt mit Bescheid vom 20.09.05 zurück. Hiergegen richtet sich der Klagantrag vom 27.09.05 (605 Vollz 199/05), mit dem der Gefangene beantragt,

die Vollzugsplanfortschreibung vom 02.09.05 nebst Widerspruchsbescheid vom 20.09.05 aufzuheben und die JVA zu verpflichten, eine Vollzugsplanung unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen neu zu erstellen.

3. Am 12./15.05.06 erging die 2. Vollzugsplanfortschreibung. Der Bescheid enthält - teils als Text, teils mit vorgefertigten Auswahlantworten - Angaben u.a. zum Verhalten im Vollzug, eine Sozial- und Verhaltensanalyse sowie unter 4. Kriterien für Lockerungen des Vollzugs. In einer Tabelle 4.1 werden alle der dort aufgeführten 22 besonderen "Aspekte für die Nichteignung für Lockerungen des Vollzuges" verneint, in einer weiteren Tabelle 4.2 einzelner Risikofaktoren für die Kriminalprognose Standardfragen teils bejaht, teils verneint oder unbeantwortet gelassen und unter 4.3 (Einschätzung des Missbrauchsrisikos insgesamt) die zweitschlechteste Möglichkeit "hoch" angekreuzt. Unter 4.5. (Ermessengesichtspunkte für Lockerungsentscheidungen) heißt es dann:

" Herr H. setzt sich nicht erkennbar mit seiner Straftat auseinander und verweigert jeglichen Gesprächskontakt zur Abteilungsleitung ... Als Prognosekriterien sind daher das beobachtete Verhalten im Vollzug, die prädeliktische Persönlichkeit, die postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung sowie der soziale Empfangsraum zu betrachten.

In der Bewertung des beobachteten Verhaltens im Vollzug ist das bereits geschilderte allgemein positive Verhalten im Vollzug nachrangig. Regelkonformes Verhalten, im Besonderen in einer Anstalt des geschlossenen Vollzuges mit hohem Sicherheitsstandard, ist lediglich ein Mindestkriterium und korreliert nicht mit einem zukünftigen Leben ohne Straftaten. ...

Herr H. beging die Straftaten aus finanzieller Not und einer entsprechenden Erwartungshaltung bezüglich seines Lebensstandards. Als Lösungsmöglichkeit sah er offensichtlich lediglich die Begehung von massiven Straftaten und hat dieses Verhaltenschema als akzeptable Problemlösungsstrategie internalisiert. Eine entsprechende Verhaltensänderung konnte bei Herrn H. im Verlauf der Inhaftierung nicht beobachtet werden. Nach wie vor ist er weder in der Lage, sich bei Problemen kompetenten Rat zu holen, noch Probleme kontrovers zu diskutieren; er weicht in ihm bekannte Verhaltensmuster aus. Auch die letzte langfristige Inhaftierung hat den Insassen nicht von der erneuten Begehung von massiven Straftaten schon frühzeitig in der laufenden Bewährungszeit abhalten können. Hier ist folglich von einer grundlegenden Verhaltensdisposition auszugehen woraus folgt, dass Herr H. bei der Gewährung von Lockerungsmaßnahmen oder der Verlegung in eine Anstalt des offenen Vollzuges diese Maßnahmen zur Begehung weiterer Straftaten begehen wird."

Beanstandet wird, dass der Gefangene bei sehr gutem Arbeitseinsatz eine mangelnde Mitarbeitsbereitschaft, was die Tataufarbeitung angeht, zeigt. So habe er jede Beteiligung an der Vollzugsplanung mit Hinweis auf die laufenden gerichtlichen Verfahren abgelehnt, keinerlei Kontakt zu anderen Behandlungsinstitutionen des Hauses, etwa dem psychologischen Dienst, aufgenommen. Der Verbleib in der Bewährungsgruppe - der höchsten Behandlungsgruppe - erfolge mit Blick auf die Bearbeitung seiner Delinquenz nur noch zur Probe, sollte sich bis August 2006 das Gesprächsverhalten des Insassen nicht positiv ändern, sei die Rückstufung in die Entwicklungsgruppe unvermeidlich.

Den Widerspruch wies die Anstalt mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.06 zurück. Hiergegen erhob der Gefangene am 01.06.06 Klage (605 Vollz 98/06) und beantragte,

die Vollzugsplanfortschreibung vom 12.05.06 nebst Widerspruchsbescheid vom 17.05.06 aufzuheben.

4. Am 02./06.11.06 erging die 3. Vollzugsplanfortschreibung. Der Gefangene, der inzwischen in die Entwicklungsgruppe herabgestuft worden war, lehnte mit Schreiben vom 30.10.06 die ihm angebotenen Gespräche zur Vorbereitung der Vollzugsplanfortschreibung ab und bot lediglich an, an ihn gerichtete "präzise" Fragen schriftlich zu beantworten. In dieser Vollzugsplanfortschreibung heißt es unter anderem:

" 2.2. Betriebseinschätzung:

... Die Arbeitsleistungen von H. sind nach wie vor außergewöhnlich gut, seine Fachkompetenz ist hervorragend, es gibt nichts, was er nicht kann. H. ist der absolute Leistungsträger in der Schlosserei.

...

2.5. Mitarbeitsbereitschaft

... Noch immer hat Herr H. nicht internalisiert, dass von ihm eine hinreichende Motivation zur Behandlung seiner Delinquenz ausgehen muss. ... Solange der Insasse aber lediglich Forderungen an das Behandlungsteam stellt, ohne selbst mehr zur Behandlung beizutragen, als regelkonformes, angepasstes Verhalten, ist eine authentische Delinquenzbearbeitung und eine daraus folgende Verhaltensänderung kaum möglich. ...

4. Kriterien für Lockerungen des Vollzuges

Aus der Sicht des Insassen ist das hiesige Behandlungsteam ihm gegenüber lediglich negativ eingestellt und handelt vorsätzlich in der Art, dass ihm Behandlungsmaßnahmen verweigert werden und alles dafür getan wird, um seinen Vollzugsverlauf möglichst negativ darzustellen. Diese bei ihm internalisierte, behandlungskontraindizierte Anschauung verhindert auch, dass sich Herr H. mit seiner Delinquenz hinreichend auseinandersetzen kann. Hier ist folglich noch von einer grundlegenden, derzeit noch nicht internalisierten Verhaltensdisposition auszugehen, woraus folgt, dass Herr H bei der Gewährung von Lockerungsmaßnahmen oder der Verlegung in eine Anstalt des offenen Vollzugs diese Maßnahmen zur Begehung weiterer Straftaten missbrauchen wird.

..."

Unter 5.9. (Zielvereinbarung) wird von dem Gefangenen nicht nur erwartet, seine Verweigerungshaltung aufzugeben und mit der Bearbeitung seines delinquenten Verhaltens durch Aufnahme von Gesprächen mit den "hiesigen Behandlungsinstanzen" zu beginnen, sondern erstmals auch die Forderung erhoben, er möge einen Nachweis erbringen, ob und in welcher Form er den von ihm bei seinen Straftaten verursachten Schaden reguliert hat.

Der nicht näher begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.06 zurückgewiesen. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer am 22.11.06 Klage (605 Vollz 246/06) mit dem Antrag,

die Vollzugsplanfortschreibung vom 02.11.06 nebst Widerspruchsbescheid vom 08.11.06 aufzuheben.

5. Mit Beschlüssen vom 16.02.07 lehnte die Strafvollstreckungskammer die in den ersten drei Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeanträge ab, weil die Klagen unzulässig bzw. durch Erhebung der Klage im Verfahren 605 Vollz 246/06 erledigt seien. Im Verfahren 605 Vollz 246/06 erteilte die Strafvollstreckungskammer am 17.02.07 den rechtlichen Hinweis, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags bestünden, weil alle im Klagantrag konkret angesprochenen Maßnahmen bereits Gegenstand anderer gerichtlicher Verfahren seien, und gewährte dem Antragsteller eine Frist zur Stellungnahme von drei Monaten. Der Antragsteller nahm kurzfristig Stellung und bestand auf einer gerichtlichen Entscheidung in allen Verfahren.

6. Mit Beschluss vom 28.02.07 wies die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 19.10.05 als unzulässig zurück mit der Begründung, die Klage gegen den Vollzugsplan vom 30.11.04 sei bereits bei Klagerhebung dadurch erledigt gewesen, dass zuvor die Klage gegen die 1. Vollzugsplanfortschreibung vom 05.09.05 erhoben worden sei.

Mit Beschlüssen vom selben Tag erklärte die Strafvollstreckungskammer die Anträge auf gerichtliche Entscheidung vom 27.09.05 und 01.06.06 für erledigt mit der Begründung, die Klagen gegen die 1. und 2. Vollzugsplanfortschreibung sei mit der Erhebung der Klage gegen die 3. Vollzugsplanfortschreibung erledigt gewesen.

Mit Beschluss vom 26.03.07 wies die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung betreffend die 3. Vollzugsplanfortschreibung zurück und führte zur Begründung aus: Alle in der Vollzugsplanfortschreibung vom 02.11.06 angesprochenen konkreten Maßnahmen seien bereits Gegenstand anderer Verfahren.

Soweit der Vollzugsplan weiterhin geschlossenen Vollzug vorsieht, sei die JVA in einem Verfahren 605 Vollz 137/05 durch Beschluss vom 22.12.06 verurteilt worden, über den Antrag auf Verlegung in den offenen Vollzug neu zu entscheiden. Der daraufhin ergangene (abermals ablehnende) Widerspruchsbescheid vom 06.03.07 sei Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens 605 Vollz 64/07.

Die Verweigerung von Vollzugslockerungen sei bereits Gegenstand eines Verfahrens 605 Vollz 150/05. Dort habe die JVA ihren Widerspruchsbescheid vom 07.07.05 inzwischen aufgehoben und durch einen neuen (abermals ablehnenden) Widerspruchsbescheid vom 19.03.07 ersetzt.

Die Rückstufung des Gefangenen aus der Bewährungs- in die Entwicklungsgruppe sei bereits Gegenstand des Verfahrens 605 Vollz 194/06.

Die Rüge der fehlenden vorherigen Behandlungsuntersuchung sei ebenfalls Gegenstand des zuvor genannten anderen Verfahrens 605 Vollz 64/07. Die Anstalt habe, wie in dem dortigen Widerspruchsbescheid vom 06.03.07 ausgeführt, im Februar 2007 zahlreiche Bemühungen unternommen, mit dem Gefangenen die zur Behandlungsuntersuchung erforderlichen Gespräche durchzuführen, die aber im Ergebnis an der Weigerung des Gefangenen gescheitert seien.

7. Der Beschwerdeführer hat in allen vier Verfahren fristgerecht über den Rechtsantragsdienst Rechtsbeschwerde eingelegt. Er beruft sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und beanstandet mit der allgemeinen Sachrüge, dass mit der praktizierten Vorgehensweise der Vollstreckungsplan einer gerichtlichen Überprüfung entzogen wird. Er beantragt,

die Beschlüsse des Landgerichts Hamburg vom 28.02.07 und 26.03.07 aufzuheben und zu neuer Entscheidung an das Landgericht Hamburg zurückzuverweisen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Rechtsbeschwerden zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, es handele sich um selbständige Verfahren. Gleichwohl habe nicht die Erledigung festgestellt bzw. der Antrag als unzulässig zurückgewiesen werden dürfen, weil in den drei ersten Verfahren ein Feststellungsantrag wegen Wiederholungsgefahr zu prüfen gewesen wäre. Im Ergebnis sei die Zurückweisung aller Anträge aus den Gründen des Beschlusses vom 26.03.07 aber zu Recht erfolgt.

II.

1. Die form- und fristgerecht erhobenen Rechtsbeschwerden sind auch gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig. Die Überprüfung der Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer ist zur Fortbildung des Rechts geboten. Es sind grundlegende Fragen des Rechtsschutzes bei der Überprüfung eines Vollzugsplans und seiner Fortschreibungen zu klären.

2. Zu Unrecht bzw. mit fehlerhafter Begründung hat die Strafvollstreckungskammer die gegen den Vollzugsplan bzw. die 1. bis 3. Vollzugsplanfortschreibung gerichteten Anträge auf gerichtliche Entscheidung als erledigt bzw. wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig verworfen.

a) Richtig ist zunächst der Ausgangspunkt des Landgerichts, dass der Vollzugsplan bzw. dessen Fortschreibungen gerichtlich überprüfbar sind. Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind dabei unter zwei Gesichtspunkten statthaft:

aa) Der Vollzugsplan kann insgesamt mit der Behauptung angefochten werden, das Aufstellungsverfahren sei fehlerhaft durchgeführt worden bzw. der Vollzugsplan genüge nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen, weil in diesem Fall der Anspruch des Gefangenen auf Aufstellung eines gesetzmäßigen Vollzugsplans nicht erfüllt ist (BVerfG, NStZ 1993, 301; vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.09.06 - 2 BvR 2132/05, Abs. 19 - juris m.w.N.; siehe auch Callies/Müller-Dietz, 10. Aufl. 2005, Rdz. 2 zu § 7 StVollzG; Feest/Joster in AKStVollzG, 5. Aufl. 2006, Rdz. 33 zu § 7 StVollzG; Mey/Wischka in Schwind/Böhm/Jehle, 4. Aufl 2005, Rdz. 5 zu § 7 StVollzG).

Der Beschwerdeführer rügt in allen Verfahren das Fehlen einer Behandlungsuntersuchung (§ 6 StVollzG), die gemäß § 7 Abs. 1 StVollzG grundsätzlich Voraussetzung für die Erstellung des Vollzugsplans ist.

bb) Der Vollzugsplan kann ferner angefochten werden, wenn und soweit er konkrete Regelungen im Einzelfall enthält (Callies/Müller-Dietz, Rdz. 2 zu § 7 StVollzG m.w.N.). Dabei unterliegen die die Gewährung oder Versagung von Lockerungen betreffenden Teile des Vollzugsplans einer selbständigen rechtlichen Überprüfung auch dann, wenn der Gefangene einen Antrag auf Gewährung von Lockerungen noch nicht gestellt hat (BVerfG, Beschluss v. 03.07.06 - 2 BvR 1383/03, Abs. 20 - juris).

Zutreffend hat das Landgericht im Beschluss vom 26.03.07 dargelegt, dass der Vollzugsplan bzw. seine Fortschreibungen die Unterbringung in den geschlossenen Vollzug anordnet, Vollzugslockerungen versagt und - in den beiden letzten Vollzugsplanfortschreibungen - die Rückstufung des Gefangenen konkret ankündigt bzw. bestätigt.

Entgegen der von der Anstalt in den Widerspruchsbescheiden vertretenen Auffassung hat der Gefangene mit seinen Widersprüchen noch hinreichend deutlich gemacht, dass er sich gegen alle drei der vorstehend genannten Regelungsbereiche wendet. Dabei ist der Umfang des Widerspruchs durch Auslegung zu ermitteln und dabei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Strafgefangenen regelmäßig um juristische Laien handelt. Ergibt sich aus dem Widerspruch nicht eine Beschränkung auf einzelne Regelungsbereiche des Vollzugsplans, so ist davon auszugehen, dass der Gefangene eine Überprüfung aller Regelungsbereiche wünscht. Einer weitergehenden Begründung bedarf der Widerspruch zu seiner Zulässigkeit nicht, mag die Darstellung dessen, was inhaltlich bemängelt werden soll, auch zweckmäßig sein. Denn die Widerspruchsbehörde wird auf einen ohne Begründung eingelegten Widerspruch hin die angefochtene Entscheidung regelmäßig nur nach Aktenlage auf ihre Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit hin überprüfen.

Im Widerspruch vom 15.09.05 (betreffend den Vollzugsplans vom 30.11.04) hat der Gefangene Bezug auf einen Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 03.05.05 genommen, mit dem die Anstalt zur Neubescheidung seines Antrags auf Verlegung in den offenen Vollzug verpflichtet wurde. Hieraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass der Gefangene seine Unterbringung im geschlossenen Vollzug bemängelt. Es ist bei dieser Sachlage nicht davon auszugehen, dass er die Versagung von Lockerungen und die dazu getroffenen Feststellungen des Vollzugsplans von der Überprüfung ausnehmen will. Die Widersprüche gegen die Vollzugsplanfortschreibungen enthalten zwar keine oder nur eine ganz allgemein gehaltene Begründungen. Ihnen ist aber, insbesondere auch vor dem Hintergrund des laufenden Streits über die Rechtmäßigkeit des Vollzugsplans nicht zu entnehmen, dass der Gefangene einzelne anfechtbare Regelungen der jeweiligen Vollzugsplanfortschreibung von seinem Widerspruch ausnehmen will.

b) Rechtsfehlerhaft hat die Strafvollstreckungskammer angenommen, der Rechtsstreit über die 1. und 2. Vollzugsplanfortschreibung habe sich durch die Rechtshängigkeit der Klage zur 3. Vollzugsplanfortschreibung erledigt. Wie das vorliegende Verfahren eindrucksvoll zeigt, würde diese Auffassung dazu führen, dass bei der gemäß § 7 Abs. 3 StVollzG gebotenen regelmäßigen Vollzugsplanfortschreibung und der Dauer der gerichtlichen Verfahren der Vollzugsplan einer gerichtlichen Überprüfung insgesamt entzogen ist. Das aber ist mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar.

Der Vollzugsplan ist vom Strafvollzugsgesetz als zentrales Element und Orientierungsrahmen für einen dem Resozialisierungsziel verpflichteten Vollzug vorgesehen (BVerfG, Beschl. v. 03.07.06, a.a.O. Abs. 16; Callies/Müller-Dietz, Rdz. 2 zu § 7 StVollzG). Auf die Einhaltung der den Vollzugsplan betreffenden gesetzlichen Bestimmungen hat der Gefangene, der Funktion des Strafvollzugsgesetzes entsprechend, einen einklagbaren Anspruch (BVerfG, a.a.O. Abs. 18 m.w.N.).

Bei den vorliegenden vier Klaganträgen handelt es sich vielmehr, wie das Landgericht selbst zutreffend ausgeführt hat, um identische Streitgegenstände. Die Erstellung des Vollzugsplans und seine Fortschreibung ist ein dynamischer, die gesamte Dauer des Strafvollzuges begleitender Prozess. Die Fortschreibungen ersetzen den Vollzugsplan nicht, sondern bauen auf ihm auf, modifizieren ihn unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung des Gefangenen. Da es sich um denselben Streitgegenstand handelt, hätten alle vier Anträge auf gerichtliche Entscheidung zu einem Verfahren zusammengefasst und inhaltlich beschieden werden müssen.

c) Rechtsfehlerhaft ist die Abweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung zur Überprüfung des Vollzugsplans vom 30.11.04 als unzulässig. Richtig ist zwar, dass bereits vor Erhebung dieses Klagantrags der Antrag auf gerichtliche Überprüfung der 1. Vollzugsplanfortschreibung rechtshängig war, der auf den Vollzugsplan vom 30.11.04 weitgehend verwies, so dass im Rahmen dieses Verfahrens auch der ursprüngliche Vollzugplan inhaltlich zu prüfen war. Die Anstalt hatte aber noch nach Erlass der 1. Vollzugsplanfortschreibung (02.09.05) den Widerspruch betreffend den Vollzugsplan vom 30.11.04 durch Widerspruchsbescheid vom 05.10.05 mit Rechtsmittelbelehrung zurückgewiesen. Bei dieser Sachlage musste der Gefangene befürchten, dass ihm, sollte dieser Widerspruchsbescheid rechtskräftig werden, Nachteile entstehen und durfte daher Klage erheben. Es war Sache des Landgerichts, die Identität des Streitgegenstandes zu erkennen und beide Anträge in einem Verfahren zu führen.

d) Schließlich ist auch die Ansicht des Landgerichts, das Rechtsschutzbedürfnis zur Überprüfung der 3. Vollzugsplanfortschreibung sei entfallen, weil alle konkret angesprochenen Maßnahmen bereits Gegenstand anderer Verfahren seien, rechtlich nicht haltbar.

aa) Soweit der Beschwerdeführer rügt, der Vollzugsplan sei ohne vorherige Behandlungsuntersuchung erstellt worden, reicht die Wiedergabe des Inhalts eines Widerspruchsbescheids vom 06.03.07 in einem anderen Verfahren, nach dem der Gefangene im Februar 2007 Gesprächsangebote ausgeschlagen haben soll, und der Hinweis, die Frage, ob die Anstalt alles zur Durchführung einer Behandlungsuntersuchung Erforderliche getan habe, werde in einem anderen gerichtlichen Verfahren (605 Vollz 64/07) zu entscheiden sein, nicht aus, das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers im vorliegenden Verfahren entfallen zu lassen. Das Landgericht hat die Frage, ob der Vollzugsplan und dessen Fortschreibungen verfahrensfehlerfrei zustande gekommen bzw. ob etwaige Verfahrensfehler nachträglich geheilt worden sind, im vorliegenden Verfahren zu prüfen. Den Gründen des Beschlusses vom 26.03.07 lässt sich nicht entnehmen, ob das im Widerspruchsbescheid vom 06.03.07 geschilderte Geschehen unstreitig oder erwiesen ist.

bb) Das Interesse an einer gerichtlichen Überprüfung der im Vollzugsplan und seinen Fortschreibungen getroffenen konkreten Maßnahmen - Unterbringung im geschlossenen Vollzug, Versagung von Lockerungen, Rückstufung in die Entwicklungsgruppe - ist nicht dadurch entfallen, dass diese Maßnahmen bereits Gegenstand anderer gerichtlicher Verfahren sind, denn der Verfahrensgegenstand ist nicht identisch. Gegenstand des durch einen Antrag des Gefangenen - etwa auf Gewährung von Lockerungen - in Gang gesetzten Verfahrens ist die Prüfung, ob die Anstalt auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides gegebenen Sachverhalts die Voraussetzungen des § 11 StVollzG zutreffend geprüft und von ihrem Beurteilungs- und Ermessensspielraum rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Das Ergebnis ist die Gewährung oder Versagung der beantragten Lockerung. Demgegenüber hat der Vollzugsplan einen gänzlich anderen Ansatzpunkt. Er ist Ausdruck eines dynamischen, die gesamte Haftzeit umfassenden Prozesses, beschränkt sich gerade nicht auf die Beurteilung eines bestimmten Zeitpunktes, sondern gibt die bisherige Entwicklung des Gefangenen wieder und entwirft Perspektiven zur Erreichung des Vollzugsziels, ein Leben in Freiheit ohne Begehung von Straftaten. Dabei erschöpft sich der Vollzugsplan gerade nicht in der Anordnung der zum gegenwärtigen Zeitpunkt erforderlichen Maßnahmen, sondern enthält Überlegungen über zukünftige Maßnahmen. Eine im Vollzugsplan enthaltene Planung etwa von Lockerungen verbessert die Aussichten für den Gefangenen erheblich (BVerfG, Beschl. v. 03.07.06, Abs. 16).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 03.07.06 (a.a.O., Abs. 20) ausgeführt: "Das Strafvollzugsgesetz hat den Vollzugsplan als eigenständiges Instrument eines auf Resozialisierung ausgerichteten Vollzuges konzipiert. Die Bestimmungen über den Vollzugsplan begründen dementsprechend eigenständige Rechte und Pflichten, die gegenüber den einzelne Vollzugsmaßnahmen betreffenden Rechte und Pflichten verselbständigt sind. Die Frage, ob lockerungsbezogene Lücken oder positive Inhalte des Vollzugsplanes (§ 7 Abs. 2 Nr. 7 StVollzG) Rechte des Gefangenen verletzen, ist daher von der Frage einer Rechtsverletzung durch konkrete Entscheidungen über Vollzugslockerungen (§ 11 StVollzG) zu trennen." Diese Ausführungen, denen der Senat folgt (zustimmend auch OLG Karlsruhe, StV 2007, 200), gelten in gleicher Weise für die Regelungsbereiche der Unterbringungen (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StVollzG) und der Zuordnung zu einer Behandlungsgruppe (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG).

Nach alledem waren alle vier Beschlüsse des Landgerichts aufzuheben.

3. Der Senat entscheidet gemäß § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG in der Sache selbst, weil die Sache spruchreif ist. Die Strafvollstreckungskammer hat den Senat durch gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG zulässige Verweisung auf die entscheidungserheblichen Schriftstücke in die Lage versetzt, die Rechtmäßigkeit des Vollzugsplans und seiner Fortschreibungen selbständig zu prüfen.

Die Rechtsbeschwerden haben gemäß § 115 Abs. 4 Satz 2 StVollzG Erfolg, soweit der Beschwerdeführer beantragt, den Vollzugsplan und seine 1. bis 3. Fortschreibung sowie die entsprechenden Widerspruchsbescheide hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung von Vollzugslockerungen und der Verlegung in eine Anstalt des offenen Vollzugs aufzuheben und die Sache zu erneuter Entscheidung an die Anstalt zurückzuverweisen. Im Übrigen bleiben die Rechtsbeschwerden ohne Erfolg.

a) Die Rüge der fehlenden Behandlungsuntersuchung geht fehl. Die Anstalt hat den Vollzugsplan vom 30.11.04 auf Grund einer den Anforderungen des § 6 StVollzG genügenden Behandlungsuntersuchung erstellt.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 StVollzG wird nach dem Aufnahmeverfahren damit begonnen, die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse des Gefangenen zu erforschen. Dabei erstreckt sich die Untersuchung auf alle Umstände, deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung des Gefangenen im Vollzug und für die Eingliederung nach seiner Entlassung notwendig sind (§ 6 Abs. 2 Satz 1 StVollzG). Wie sich aus dem 7-seitigen Vollzugsplan vom 30.11.04 ergibt, hat die dafür zuständige Abteilungsleiterin die nach § 6 Abs. 2 StVollzG erforderlichen Umstände anhand der ihr vorliegenden Akten und aufgrund umfangreicher Gespräche mit dem Gefangenen zusammengetragen und bewertet. Dies nimmt auch der Gefangene nicht in Abrede, trägt vielmehr selbst in seiner Klagschrift (S. 3) vor, es hätten über vier Monate hinweg Gespräche mit der Abteilungsleiterin über den Vollzugsplan stattgefunden.

Rechtsfehlerfrei hat die Anstalt davon abgesehen, den Gefangenen durch einen Mitarbeiter des psychologischen Dienstes untersuchen zu lassen, weil konkrete Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung oder andere Besonderheiten, die die fachliche Kompetenz der Abteilungsleiterin überschreiten und die Hinzuziehung eines Psychologen erfordern, nicht ersichtlich sind. Die Behandlungsuntersuchung erfordert nicht in jedem Fall die Mitwirkung von Fachkräften. Vielmehr hat die Anstalt bei der Durchführung der Behandlungsuntersuchung einen Beurteilungsspielraum (Callies/Müller-Dietz, Rdz. 1 zu § 6 StVollzG; Senatsbeschluss vom 24.02.05 - 3 Vollz(Ws) 11/05). Die Anstalt hat hierzu, wie sich aus dem Widerspruchsbescheid vom 05.10.05 ergibt, die Stellungnahme des psychologischen Dienstes eingeholt, der - was ausreicht - anhand der Aktenlage die Einschätzung der Anstalt bestätigt hat.

Die Anstalt hat dem Gefangenen auch ausreichend Gelegenheit gegeben, sich an den Vollzugsplanfortschreibungen inhaltlich zu beteiligen. Vor der Erstellung der 1. Vollzugsplanfortschreibung führte der zuständige Abteilungsleiter am 01.09.05 ein mehrstündiges Gespräch mit dem Gefangenen, auf ein für den 02.09.05 vorgesehenes weiteres Gespräch "verzichtete" der Gefangene. Eine Beteiligung an der 2. Vollzugsplanfortschreibung lehnte der Gefangene mit Schreiben vom 27.04.06 wegen der laufenden Auseinandersetzung ausdrücklich ab. Auch die ihm vor der Erstellung der 3. Vollzugsplanfortschreibung angebotenen Gesprächtermine lehnte der Gefangene mit Schreiben vom 30.10.06 ab und bot lediglich an, schriftlich an ihn gestellte Fragen zu beantworten. Auf dieses Angebot brauchte sich die Anstalt nicht einzulassen.

b) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 159 StVollzG (Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplans durch eine Konferenz mit an der Behandlung maßgeblich Beteiligten) rügt, bleibt seine Beanstandung im Ergebnis ohne Erfolg.

aa) Der Vollzugsplan vom 30.11.04 ist, wie sich aus Ziff. L ergibt, in der Ebenenkonferenz am 15.11.04 erörtert und offensichtlich auch beschlossen worden. Der Beschwerdeführer selbst erwähnt in seinem Schreiben vom 16.11.04, dass "die vorliegende Fassung des Vollzugsplans", gemeint ist offensichtlich ein von der Abteilungsleiterin erstellter Entwurf, durch die Ebenenkonferenz weitreichend geändert worden ist. Seine im Klagantrag (S. 9) aufgestellte Mutmaßung, eine Konferenz sei tatsächlich nicht durchgeführt worden, ist bei dieser Sachlage unsubstantiiert.

Die Teilnehmer an der Konferenz sind allerdings nicht aktenkundig gemacht worden, wie dies das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 25.09.06 (a.a.O. Abs. 19) beiläufig fordert. Nach Auskunft der Anstalt, deren Richtigkeit nicht bestritten worden ist, haben an der Konferenz aber "alle dienstlich anwesenden Abteilungsleiter" teilgenommen. Der Senat hält diese Auskunft für ausreichend. Dass die Konferenz durch den Anstaltsleiter oder einen von ihm gemäß § 156 Abs. 2 StVollzG beauftragten Bediensteten geleitet worden ist und dass die Abteilungsleiterin, die den Vollzugsplanentwurf erstellt hat, teilgenommen hat, ist nicht ernsthaft zweifelhaft. Damit aber steht fest, dass eine Konferenz i.S.d. § 159 StVollzG stattgefunden hat. Es ist nicht, wie der Beschwerdeführer meint, erforderlich, dass alle Konferenzteilnehmer an der Behandlung des Beschwerdeführers beteiligt gewesen und mit ihm persönlichen Kontakt gehabt haben müssen.

bb) Auch hinsichtlich der 1. Vollzugsplanfortschreibung vom 02.11.05 hält der Senat es für nicht ernsthaft zweifelhaft, dass die entsprechende Konferenz am 05.11.05 stattgefunden hat. Der Widerspruch des Gefangenen vom 07.09.05 richtet sich gegen die "Vollzugsplanfortschreibung vom 05.09.2005", was dafür spricht, dass ihm die Vollzugsplanfortschreibung vom 02.11.05 erst an diesem Tag ausgehändigt worden ist. Das aber spricht für eine zuvor stattgefundene Konferenz. Der Senat hält auch in diesem Fall die Angaben der Anstalt in der Klagerwiderung zur personellen Zusammensetzung noch für ausreichend.

cc) In der 2. und 3. Vollzugsplanfortschreibung sind die Beteiligten der Konferenz namentlich benannt worden.

c) Der Vollzugsplan vom 30.11.04 und die 1. bis 3. Vollzugsplanfortschreibung sind allerdings rechtsfehlerhaft, soweit sie wegen Missbrauchsgefahr die Voraussetzungen der Verlegung in den offenen Vollzug (§ 10 Abs. 1 StVollzG) sowie die Gewährung von Lockerungen (§ 11 Abs. 2 StVollzG) verneinen. Die Begründung zum Bestehen der Missbrauchsgefahr lässt befürchten, dass die Anstalt die Voraussetzungen dieses Begriffs verkannt hat.

Gemäß § 10 Abs. 1 StVollzG kommt die Verlegung eines Strafgefangenen in eine Anstalt des offenen Vollzugs nicht in Betracht, wenn zu befürchten ist, dass er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten missbrauchen wird. Bei der Prüfung der Flucht- und Missbrauchsgefahr steht der Vollzugsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu, den die Strafvollstreckungskammer nur dahingehend zu überprüfen hat, ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt und ob sie dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat (BGHSt 30, 320 ff). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gehören zu der im Rahmen der Prüfung einer Flucht- und Missbrauchsgefahr zu ermittelnden und bei der Abwägung zu berücksichtigen Umständen vor allem die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, etwaige frühere Straftaten, die Umstände und das Gewicht der Tat sowie die Tatmotivation, sein Verhalten und seine Persönlichkeitsentwicklung im Vollzug. Dabei muss eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr positiv festgestellt werden. Es reicht nicht aus, dass eine derartige Gefahr nicht sicher ausgeschlossen werden kann (ständige Rspr., vgl. Senatsbeschl. vom 16.03.05 - 3 Vollz(Ws) 20/05). Fehlende Mitarbeit an der Behandlung reicht für sich allein zur positiven Feststellung der Missbrauchsgefahr ebenso wenig aus wie das Fehlen einer günstigen Sozialprognose (vgl. Senatsbeschl. v. 10.01.02 - 3 Vollz(Ws) 101/01 m.w.N.). Für die Versagung von Lockerungen gemäß § 11 Abs. 2 StVollzG wegen Flucht- und Missbrauchsgefahr gilt vergleichbares.

Diesen Anforderungen wird die Begründung des Vollzugsplans und seiner Fortschreibungen zur Annahme von Missbrauchsgefahr nicht gerecht

Im Vollzugsplan vom 30.11.04 wird die Missbrauchsgefahr allein damit begründet, eine Missbrauchsgefahr könne nicht "mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Die 1. Vollzugsplanfortschreibung enthält insoweit keine Begründung, so dass nicht auszuschließen ist, dass die Versagung von Lockerung auf derselben fehlerhaften Auslegung des Missbrauchsbegriffs beruht. In der 2. Vollzugsplanfortschreibung wird die "hohe" Missbrauchsgefahr (4.3.) trotz Verneinung sämtlicher tabellarisch aufgeführten Aspekte für die Nichteignung von Lockerungen (4.1.) ersichtlich aus der tabellarischen Beurteilung einzelner Risikofaktoren für die Kriminalprognose (4.2.) gefolgert. Auch dass ist rechtsfehlerhaft. Missbrauchsgefahr im Sinne der §§ 10, 11 StVollzG besteht nicht bereits deshalb, weil die im Rahmen des § 57 I StGB anzustellende Kriminalprognose, d.h. die Fähigkeit, in Freiheit ein Leben ohne Begehung von Straftaten zu führen, negativ ist. Missbrauchsgefahr setzt vielmehr die auf konkreten Tatsachen beruhende Befürchtung voraus, dass der Gefangene sogar unter den Einschränkungen und Kontrollen, denen er bei der Gewährung von Lockerungen unterworfen ist, diese zur Begehung von Straftaten missbrauchen wird. In der 3. Vollzugsplanfortschreibung wird schließlich - auch das reicht nicht aus - die Missbrauchsgefahr wesentlich mit der weiterhin bestehenden Verweigerung von Behandlungsmaßnahmen begründet.

d) Die Androhung und nachfolgende Bestätigung der Rückstufung des Gefangenen von der Bewährungs- in die Entwicklungsgruppe ist ermessenfehlerfrei.

Ein differenzierter Strafvollzug, der die Behandlung auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gefangenen abstimmt, ist in §§ 141 Abs. 1, 143 StVollzG ausdrücklich vorgesehen. Die Kriterien für die Einordnung in die Bewährungsgruppe sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Es erscheint sachgerecht, die Gefangenen auch nach dem Maß ihrer Mitarbeitsbereitschaft am Vollzugsziel zusammenzufassen, um so das gebotene Instrumentarium an Behandlungsmöglichkeiten zielgerichtet einsetzen zu können.

Die Anstalt hat auf der Grundlage eines vollständig ermittelten Sachverhalts von ihrem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Anstalt in der Bewährungsgruppe diejenigen Strafgefangenen zusammenfasst, die eine aktive Mitarbeit auch hinsichtlich der Tataufarbeitung zeigen. Daran fehlt es derzeit bei dem Beschwerdeführer.

Die konkrete Ausgestaltung der Haftbedingungen in der Entwicklungsgruppe (Aufschlusszeiten etc.) ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

III.

Bei der erneuten Prüfung der Missbrauchsgefahr wird die Anstalt zunächst darzulegen haben, die Begehung welche Art von Straftaten sie befürchtet, wenn sie dem Gefangenen Lockerungen, etwa einen zeitlich begrenzten Ausgang, gewährt. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Gewalttaten (Raubüberfälle mit Waffen) nun etwa 14 Jahre zurückliegen und der Gefangene bei den zum erneuten Strafvollzug führenden Straftaten keine Gewalt gegen Personen angewandt hat. Ferner wird sorgfältig zu begründen sein, weshalb trotz des beanstandungsfreien Verhaltens, das der Gefangene im Vollzugsalltag über einen Zeitraum von nun mehr als fünf Jahren gezeigt hat, eine Missbrauchsgefahr im Sinne der § 10, 11 StVollzG weiterhin besteht. Der Gefangene hat sich nicht nur im Stationsalltag beanstandungsfrei geführt, sondern sich auch über Jahre hinweg als hoch leistungsfähiger und zuverlässiger Arbeiter im Betrieb erwiesen. Er hat sich jedenfalls in diesen Bereichen offenbar als zuverlässig und verabredungsfähig gezeigt.

Sollte die Anstalt eine Missbrauchsgefahr nicht mehr bejahen, wird zu überlegen sein, wie die noch verbleibende Vollstreckungszeit von maximal etwa einem Jahr zur möglichst effizienten Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit ohne erneute Straffälligkeit genutzt werden kann, selbst wenn sich der Gefangene weiterhin Gesprächen zur Tataufarbeitung verweigern sollte. Die bisherige Behandlung des Gefangenen im Strafvollzug ist nicht optimal verlaufen. In den ersten 2 1/2 Jahren fand der Strafvollzug ohne ersichtliches Konzept statt, die Erstellung des Vollzugsplans vom 30.11.04 musste der Beschwerdeführer erst einklagen. Wie sich aus einem Schreiben der Anstalt vom 03.05.05 (Bl. 68 der Akte 605 Vollz 217/05) ergibt, wurden die Anträge des Beschwerdeführers auf Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, die im Vollzugsplan ausdrücklich befürwortet worden waren, im Februar 2005 endgültig abgelehnt. Bedauerlicherweise war der Gefangene, der nach der Einschätzung des Vollzugsplans zuvor therapiewillig und - fähig gewesen war, dann nicht mehr bereit, Gespräche zur Tataufarbeitung zu führen. Bei dieser Sachlage erschiene es dem Senat wenig hilfreich, allein auf der bisherigen Forderung nach Aufnahme von Gesprächen zur Bearbeitung seines delinquenten Verhaltens zu beharren. Die in der 3. Vollzugsplanfortschreibung nach fünfjähriger Haftzeit erstmals erhobene Erwartung, der Gefangene möge einen Nachweis erbringen, "ob und in welcher Form er den von ihm bei seinen Straftaten verursachten Schaden reguliert hat", könnte als für den Gefangenen unerfüllbar missverstanden werden. So wichtig es für die Auseinandersetzung mit dem begangenen Unrecht auch ist, dass der Strafgefangene persönliche Verantwortung zur Schadenswiedergutmachung übernimmt, wird man vom Beschwerdeführer angesichts seiner Einkommensverhältnisse in den letzten Jahren eher nur symbolischen Wiedergutmachungsbeitrag erwarten können.

Es sollte vielmehr erwogen werden, an das in der nun fünfjährigen Haft gezeigte positive Verhalten des Gefangenen auf der Station und insbesondere bei seiner Berufsausübung anzuknüpfen und Überlegungen anstellen, wie der Gefangene durch schrittweise Gewährung von Lockerungen erprobt und auf ein Leben in Freiheit ohne Begehung von Straftaten vorbereitet werden kann. Allerdings wird alles dies nicht ohne die Mitwirkung des Gefangenen möglich sein.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1 StVollzG. Der Beschwerdeführer hat sein mit dem Klagantrag verfolgtes Ziel, teilweise Aufhebung des Vollzugsplans einschließlich der Vollzugsplanfortschreibungen und Zurückverweisung, überwiegend erreicht. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 60 GKG.

Ende der Entscheidung

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