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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 14.11.2001
Aktenzeichen: 4 U 100/01
Rechtsgebiete: BGB, ZwVerwVO, ZVG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 305
BGB § 125 Satz 2
BGB § 572 Satz 2 a.F.
BGB § 572 a.F.
BGB § 566 a
BGB § 1124 Abs. 2
BGB § 571 a.F.
BGB § 392
BGB § 1125
ZwVerwVO § 9
ZVG § 57
ZVG § 146 Abs. 1
ZVG § 152 Abs. 2
ZVG § 152 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 708 Ziff. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
"Der Zwangsverwalter hat dem Mieter auch dann die Kaution zurückzugewähren, wenn der Vermieter die vom Mieter an ihn geleistete Kaution nicht an den Zwangsverwalter abgeführt hat (im Anschluß an OLG Hamburg, WuM 1990, 10)."
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 100/01

Verkündet am: 14. November 2001

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 4. Zivilsenat, durch die Richter nach der an diesem Tage geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Ba-Bu.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 16, vom 30. April 2001 (Az.: 316 0 256/00) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert den Beklagten um DM 10.925,--.

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.

Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verwiesen wird, zur Zahlung von DM 10.925,00 nebst Zinsen an den Kläger verurteilt. Zu den dagegen mit der Berufung gerichteten Angriffen des Beklagten ist folgendes auszuführen:

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 305 BGB i.V.m. § 152 Abs. 2 ZVG einen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution in Höhe von DM 9.125,00.

a) Der ehemalige Vermieter des Klägers, Herr H, hat sich gegenüber dem Kläger gemäß § 305 BGB zur Rückzahlung der Kaution verpflichtet.

aa) Der Kläger und Herr H haben den zwischen ihnen schriftlich geschlossenen Mietvertrag vom 01.03.1999 gemäß § 305 BGB mündlich dahingehend geändert, daß die nach Ziff. 2 Abs. 1 der Anlage 1 vom 01.03.1999 zum Mietvertrag zu zahlende Kaution von DM 9.125,00 nicht erst - wie in Ziff. 2 Abs. 2 der Anlage 1 vorgesehen - nach erfolgter Beendigung des Mietverhältnisses von Herrn H an den Kläger zurückgezahlt werden sollte, sondern bereits Anfang Dezember 1999.

Das ergibt sich aus dem Schreiben des Herrn H an den Kläger vom 12.10.1999, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

bb) Die mündliche Vereinbarung ist nicht gemäß § 125 S. 2 BGB unwirksam.

Das in § 15 des Mietvertrags und Ziff. 19 der Anlage 1 zum Mietvertrag geregelte Schriftformerfordernis für mündliche Nebenabreden sowie Änderungen und Ergänzungen des Vertrags steht der Wirksamkeit der Vereinbarung nicht entgegen, da es durch die Parteien des Mietvertrags zulässigerweise (vgl. BGH NJW 1962, 1908; Palandt-Heinrichs, § 125 Rz. 14) durch die mündliche Vereinbarung abbedungen worden ist.

cc) Aus dem Schreiben des Herrn H an den Kläger vom 12.10.1999 folgt auch, daß Herr H die Kaution vom Kläger tatsächlich erhalten hat, so daß er zu dessen Rückzahlung an den Kläger verpflichtet ist (vgl. BGH WM 1978, 1326).

b) In diese Verpflichtung des Herrn H ist gemäß § 152 Abs. 2 ZVG der Beklagte eingetreten.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Herr H dem Beklagten die Kaution auch ausgehändigt hat. Denn der Beklagte ist dem Kläger gegenüber unabhängig davon zur Rückzahlung der Kaution verpflichtet. Der Verwalter hat dem Mieter nämlich auch dann die Kaution zurückzugewähren, wenn der Vermieter die Kaution nicht an den Verwalter abgeführt hat (vgl. LG Stuttgart NJW 1977, 1885; Bub/Treier-Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., V.B Rz. 309; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 7. Aufl., § 550b BGB Rz. 67; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., III Rz. 239).

Eine Einschränkung der Verpflichtung des Zwangsverwalters dahin, daß diese nur dann besteht, wenn er die Kaution auch vom Vermieter erhalten hat, läßt sich der maßgeblichen Vorschrift des § 152 Abs. 2 ZVG nicht entnehmen.

aa) Nach dem Wortlaut des § 152 Abs. 2 ZVG muß der Zwangsverwalter in gültige Mietverträge in vollem Umfang eintreten und sie erfüllen (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 08.11.1989, WuM 1990, 10, 11). Zu dieser Erfüllungsverpflichtung gehört auch die Rückzahlung der Kaution.

bb) Eine Beschränkung der Einstandspflicht des Zwangsverwalters im oben genannten Sinne läßt sich - entgegen der vom LG Berlin (NJW 1978, 1633) vertretenen Ansicht - nicht aus § 572 S. 2 BGB a.F. i.V.m. § 57 ZVG a.F. herleiten, da § 572 BGB a.F. im Verhältnis zwischen Zwangsverwalter und Mieter nicht herangezogen werden kann (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rz. 1534). § 146 Abs. 1 ZVG erklärt nur die Vorschriften über die Anordnung der Zwangsversteigerung für anwendbar, also die § 15-27 ZVG, nicht jedoch § 57 ZVG (vgl. BGH WM 1978, 1326, 1327). Daraus läßt sich entnehmen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Verpflichtung des Zwangsverwalters zur Rückgewähr der Kaution an den Mieter nicht davon abhängen sollte, ob die Kaution dem Zwangsverwalter auch ausgehändigt worden war.

Für die Annahme, daß die Fassung des § 146 Abs. 1 ZVG auf einem Redaktionsversehen beruht, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich (vgl. Wolf/Eckert/Ball, a.a.0.). Im übrigen hätte es der Gesetzgeber in der Hand gehabt, ein solches Versehen durch das am 01.09.2001 in Kraft getretene Mietrechtsreformgesetz vom 19.06.2001 zu korrigieren. Das hat er jedoch nicht getan (vgl. Art. 8 Abs. 18 des Mietrechtsreformgesetzes, der sowohl die Vorschrift des § 146 ZVG als auch die Regelung des § 152 ZVG unberührt läßt), sondern vielmehr durch die Schaffung des § 566 a BGB, der die Verpflichtung des Erwerbers zur Rückgewähr der Sicherheit nicht mehr davon abhängig macht, ob sie ihm auch ausgehändigt worden ist oder er dem Vermieter gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernommen hat (so § 571 S. 2 BGB a.F.), die Rechtsstellung des Mieters sogar noch verbessert.

cc) Die Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters kann auch nicht auf die Gebrauchsgewährungspflicht begrenzt und bezüglich der weiteren Pflichten wegen der in den §§ 392, 1124 Abs. 2, 1125 BGB niedergelegten Grundsätze im Interesse der Gläubiger des Vermieters am Erhalt der Haftungsmasse dahin eingeschränkt werden, daß der Zwangsverwalter für die Rückgewähr der Kaution nur haftet, soweit dies nicht zu einer Verringerung der Haftungsmasse führt, also nur, wenn er die Kaution erhalten hat (so aber LG Köln WuM 1990, 500).

Die Eintritts- und Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters schließt die Kautionsabrede als Bestandteil des Mietverhältnisses ein (vgl. Bub/Treier-Scheuer, a.a.0.). Zwar bezieht der BGH (ZIP 1999, 970, 972) die Wirkungen des § 571 BGB a.F. nicht auf die Kautionsabrede mit der Begründung, nach Sinn und Zweck des § 571 BGB trete der Erwerber nur hinsichtlich solcher Verpflichtungen an die Stelle des Veräußerers, die sich auf das Grundstück bezögen und deshalb regelmäßig auch nur von dessen jeweiligem Eigentümer erfüllt werden könnten, namentlich hinsichtlich der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung und Erhaltung im vertragsgemäßem Zustand, hierzu zähle die Verpflichtung zur Rückgabe der vom Mieter geleisteten Sicherheit nicht, da diese nicht aus dem Mietverhältnis selbst, sondern aus der ergänzend getroffenen Sicherungsabrede folge, mit der Gewährung des Gebrauchs des Grundstücks in keinem inneren Zusammenhang stehe und keine Gegenleistung für den Mietzins darstelle, sondern allein durch die Hingabe der Sicherheit bedingt sei. Der Erwerber im Sinne des § 571 BGB a.F. kann jedoch mit dem Zwangsverwalter nicht gleichgesetzt werden. Der Zwangsverwalter handelt zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung des Schuldners/Vermieters. Das Vermögen gehört auch nach der Beschlagnahme weiterhin dem Vermieter, so daß gerade keine "Erwerbssituation" eingetreten ist (vgl. OLG Hamburg, WuM 1990, 10, 11).

Eine Einschränkung der Eintritts- und Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters ist auch nicht mit Rücksicht auf die §§ 392, 1124 Abs. 2, 1125 BGB geboten. Diese Vorschriften geben keine Antwort auf die Frage, ob der Zwangsverwalter auch dann für die Rückgewähr der Kaution haftet, wenn er die Kaution nicht erhalten hat, denn sie greifen auch dann ein, wenn dem Zwangsverwalter die Kaution ausgehändigt worden ist. Daraus ergibt sich, daß Zweck der §§ 392, 1124 Abs. 2, 1125 BGB lediglich der Erhalt der Haftungsmasse ist, diese Vorschriften aber nicht den Umfang der Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters gegenüber dem Mieter regeln.

Eine Begrenzung der Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters im Interesse der Gläubiger des Vermieters am Erhalt der Haftungsmasse folgt auch nicht aus der Entscheidung des OLG Hamburg vom 29.11.1989 (ZIP 1990, 115, 116).

Denn diese betrifft den Ausgleich einer Nebenpflichtverletzung, die der Gemeinschuldner etwa durch Unterlassen einer getrennten Anlage der Kaution begangen hat, durch Zugriff auf die Masse und nicht die Erfüllung einer Hauptpflicht wie den Anspruch auf Rückzahlung der Kaution.

Soweit mit einer Haftung des Zwangsverwalters für die Rückgewähr der Kaution auch dann, wenn er die Kaution nicht erhalten hat, eine Privilegierung des Mieters gegenüber anderen Gläubigern des Zwangsverwaltungsschuldners einhergeht, ist diese vom Gesetzgeber, der für Fälle der vorliegenden Art (nach wie vor) eine ausdrückliche Regelung nicht getroffen, aber generell den Eintritt des Zwangsverwalters in bestehende Mietverträge angeordnet hat, durchaus gewollt (vgl. OLG Hamburg, WuM 1990, 10, 11), und wegen des besonderen (Treuhand-)Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter im Hinblick auf die Gewährung der Kaution (vgl. Palandt-Weidenkaff, Einf v §§ 535 Rz. 89 m.w.N.) auch sachlich gerechtfertigt.

dd) Der Kautionsrückzahlungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten scheitert auch nicht daran, daß diese Forderung Anfang Dezember 1999 und damit vor Anordnung der Zwangsverwaltung am 25. 1 2000 fällig war.

Entgegen der vom Beklagten in seinem Schriftsatz vom 18. 10. 2001 vertretenen Auffassung enthält § 9 ZwVerwVO keine Einschränkung des § 152 Abs. 2 ZVG in dem Sinne, daß sich die Eintritts- und Erfüllungspflicht nicht auf Rückstände aus der Zeit vor Anordnung der Zwangsverwaltung bezieht. Vielmehr schreibt die Regelung des § 9 ZwVerwVO die Grundzüge der Bewirtschaftung i. S. d. des § 152 Abs. 1 ZVG durch einen kaufmännischen vernünftigen Zwangsverwalter fest (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, § 9 ZwVerwVO Rz. 1). Soweit zu den Ausgaben der Zwangsverwaltung nicht die Begleichung von vor der Anordnung der Zwangsverwaltung begründeten Verbindlichkeiten gehört (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, § 9 ZwVerwVO Rz. 5), bezieht sich diese Einschränkung auf § 152 Abs. 1 ZVG (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, § 9 ZwVerwVO Rz. 6) und nicht auf die hier maßgebliche Regelung des § 152 Abs. 2 ZVG.

2. Der Kläger hat gegen den Beklagten ferner gemäß § 305 BGB i.V.m. § 152 Abs. 2 ZVG einen Anspruch auf teilweise Rückerstattung von Stellplatzmieten in Höhe von insgesamt DM 1.800,00.

a) Herr H ist dem Kläger zur teilweisen Rückerstattung der Stellplatzmieten in Höhe von insgesamt monatlich DM 120,00 für die Zeit von Juli 1999 bis September 2000 verpflichtet.

aa) Herr H hat mit dem Kläger gemäß § 305 BGB vereinbart, diesem für jeden Stellplatz monatlich DM 40,00, insgesamt also monatlich DM 120,00 rückzuerstatten. Das ergibt sich aus dem dem Abschluß des entsprechenden Garagen-Mietvertrags vom 19.03.1999 vorausgegangenem Schreiben des Herrn H an den Kläger vom 11.03.1999.

bb) Diese Vereinbarung ist trotz der in § 6 S. 1 des Garagen-Mietvertrags enthaltenen Schriftformklausel entsprechend den obigen Ausführungen (unter I. 1. a) bb)) nicht gemäß § 125 S. 2 BGB unwirksam.

cc) Herr H hat die Stellplatzmieten für die hier in Rede stehende Zeit von Juli 1999 bis zur Beendigung des Garagenmietverhältnisses mit Ablauf des September 2000 auch in voller Höhe (von monatlich DM 190,00) erhalten. Das diesbezügliche Bestreiten des Beklagten ist unerheblich, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Auch in der Berufungsbegründung hat der Beklagte nicht vorgetragen, daß es ihm in diesem Fall nicht möglich war, durch Einsicht in die entsprechenden Bankunterlagen zu überprüfen, inwieweit vor Anordnung der Zwangsverwaltung die Mieten durch den Kläger tatsächlich gezahlt wurden.

dd) Für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis 30. September 2000 (15 Monate) ergibt sich bei monatlich zu erstattenden DM 120,00 ein Rückerstattungsbetrag von insgesamt DM 1.800,00.

b) Der Beklagte ist gemäß § 152 Abs. 2 ZVG entsprechend dem oben (unter I. 1. b)) Gesagten auch in diese Verpflichtung des Herrn H eingetreten, und zwar unabhängig davon, ob der Beklagte die Stellplatzmieten für die hier interessierende Zeit auch erhalten hat.

Die zwischen Herrn H und dem Kläger getroffene Vereinbarung über die teilweise Rückerstattung von Stellplatzmieten ist Bestandteil des Garagen-Mietvertrags geworden. Die vom Beklagten in der Berufungsbegründung vorgenommene Unterscheidung zwischen persönlicher Einstandspflicht des Herrn H für die teilweise Rückzahlung der Stellplatzmieten und mietvertraglicher Regelung überzeugt nicht. Denn Vermieter war Herr H persönlich.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO und § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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