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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 02.04.2003
Aktenzeichen: 4 U 57/01
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG a.F. § 9
BGB n.F. § 307
Eine Formularklausel, wonach eine Minderung der Miete ausgeschlossen ist, wenn durch Umstände, die der Vermieter nicht zu vertreten hat (z.B. Verkehrsumleitung, Straßensperren, Bauarbeiten in der Nachbarschaft usw.), die gewerbliche Nutzung der Räume beeinträchtigt wird (z.B. Umsatz- und Geschäftsrückgang), ist nicht nach § 9 AGBG (a.F.) / § 307 BGB (n.F.) unwirksam.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

4 U 57/01

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 2. April 2003

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 4. Zivilsenat, durch die Richter Dr. Raben, Ruhe, Dr. Bischoff nach der am 2. April 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 34, vom 22.2.2001 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.664,33 nebst 4 % Zinsen seit dem 6.4.2000 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz werden der Klägerin 70 %, der Beklagten 30 % auferlegt.

Die Kosten der zweiten Instanz trägt die Klägerin zu 28 % die Beklagte zu 72 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Teilberufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet.

1. Der Ausschluss einer Mietminderung nach Maßgabe der Formularklausel des § 16 Mietvertrag ist nach Ansicht des Senats wirksam auch im Hinblick auf § 9 AGBG (a.F.).

Grundsätzlich sieht § 537 Abs. 3 BGB a.F. bei der gewerblichen Miete die Möglichkeit einer Beschränkung der Minderung vor, woraus sich zugleich ergibt, dass eine solche Beschränkung nicht ohne weiteres mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist (OLG München ZMR 1987, 16; vgl. auch Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II Rdn. 518; Erman/Jendrek, BGB, 10. Aufl., § 537 Rdn. 28; Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Aufl., § 537 Rdn. 104). Die Kardinalpflichten des Vermieters, die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zu überlassen und sie in diesem zu erhalten (§ 536 a. F.), werden von § 16 Mietvertrag nicht angetastet. Das gilt auch für die Verpflichtung, nicht zu vertretende Beeinträchtigungen zu beseitigen. Bei auch nur leicht fahrlässiger Verletzung einer dieser Pflichten bleibt die Minderung möglich. Auch die uneingeschränkte Möglichkeit der fristlosen Kündigung gemäß § 542 a.F. sowie die unangetastete Befreiung von der Mietzahlungspflicht bei vollständiger Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache lassen die Beschränkung des Minderungsrechts in § 16 Mietvertrag nicht als übermäßig belastend erscheinen. Bei den beispielhaft genannten Umweltfehlern wird der Ausschluss der Minderung u.U. noch durch den Anspruch auf Abtretung eines nachbarschaftlichen Ausgleichsanspruchs gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB teilweise ausgeglichen.

Die in § 16 des Mietvertrags angeordnete parzielle Verlagerung der Vergütungsgefahr stellt auch keine Missachtung des Prinzips der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung dar. Vergleichbare Verlagerungen der Vergütungsgefahr auf den Leistungsgläubiger kennt das BGB in §§ 446, 447, 644, 645, 324 Abs. 2 (a.F.) / 326 Abs. 2 (n.F.).

Dementsprechend wird der Ausschluss der Minderung bei Störungen der Versorgung mit Wärme, Strom, Gas oder Wasser oder Störungen der Entwässerung, die nicht vom Vermieter zu vertreten sind, für zulässig erachtet (BGH WuM 1976, 152 = ZMR 1976, 279; Bub/Treier II Rdn. 518; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 7. Aufl., § 537 Rdn. 306). Wenn die vorliegende Klausel möglicherweise einen weitergezogenen Kreis von Störungen erfasst, ist dies kein entscheidender Unterschied. Im übrigen rechtfertigt das Gebot enger Auslegung von Haftungsausschlussklauseln eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 16 Mietvertrag auf Umweltfehler. Hierfür sprechen die beispielhaft aufgezählten Gefahrenquellen und die ebenfalls beispielhaft genannten typischen Folgen derartiger Mängel.

Die Wirksamkeit des § 16 Mietvertrag ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil am Ende des Vertrags unter der Überschrift "sonstige Vereinbarungen" gemäß § 22 Abs. 4 ein weiterer parzieller Ausschluss der Mietminderung vorgesehen ist für Fälle erforderlicher Umbauarbeiten im oder am Hause. Falls es sich dabei um eine allgemeine Geschäftsbedingung handeln sollte, dürfte diese als überraschend und unangemessen gemäß §§ 3 und 9 AGBG (a.F.) unzulässig sein. Jedenfalls fehlt es an einem Summierungseffekt, der einen Sachzusammenhang beider Regelungen in dem Sinne voraussetzt, dass die beiden Klauseln in der konkreten Anwendung nicht nur ausnahmsweise kumulativ zusammenfallen (Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Aufl., § 9 Rdn. 132, 133; vgl. auch BGH NJW 1993, 532; NJW 1995, 254).

2. Die Voraussetzungen des Minderungsausschlusses gemäß § 16 des Mietvertrags sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück hatte die Klägerin nicht zu vertreten, da sie nicht Eigentümerin dieses Grundstücks war. Schon der Wortlaut des § 16 nennt derartige Bauarbeiten als Beispiel eines vom Vermieter nicht zu vertretenen Umstandes. Dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine andere Sicht angebracht sei, ist aus dem Schreiben der Klägerin vom 8.7.1999 (Anl. K 2) nicht ersichtlich.

Wenn die Klägerin aufgrund ihres Stiftungszwecks u.a. die Eigentümerin des Nachbargrundstücks, eine Innung, förderte und deshalb Bindungen zu ihr vorhanden waren, bedeutet dies nicht, dass über deren Bautätigkeit die Klägerin mitentscheiden konnte. Dass die Klägerin möglicherweise nicht alle ihr durch ihre Fördertätigkeit zur Verfügung stehenden Druckmittel einsetzte, um die Bauarbeiten zu verhindern, kann nicht als ein Verschulden gegenüber der Beklagten und ihren Mitmietern bewertet werden. Welchen Einfluss die Klägerin auf Zeitpunkt und Ablauf der Bauarbeiten hätte nehmen sollen, hat die Beklagte nicht im einzelnen ausgeführt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass die Nutzbarkeit des Mietobjekts im Zeitraum vom 10.3.2000 bis Ende April 2000 durch die Bauarbeiten nicht nur beeinträchtigt, sondern gänzlich aufgehoben war. Selbst wenn dies für einzelne Stunden oder Tage zu bejahen sein sollte, würde das doch nicht für den Gesamtzeitraum gelten. Allerdings ergibt sich nicht einmal aus den Protokollen gemäß den Anlagen B 8 und B 10, dass die Beklagte ihren Betrieb in den Mieträumen an den insgesamt 8 Berichtstagen gänzlich einstellen musste. Für die übrigen Tage hat die hierzu vom Landgericht gehörte Zeugin nur im großen und ganzen das gleiche Maß an Belästigungen bestätigt und Schwankungen eingeräumt. Auch aus der Aussage des Zeugen ist keine durchgängige gänzliche Unbenutzbarkeit der von ihm genutzten Räume in dem hier fraglichen Zeitraum zu entnehmen. Dementsprechend hat auch das Landgericht nur eine Beeinträchtigung der Nutzbarkeit angenommen, nicht aber deren Aufhebung.

3. Da eine Minderung des Mietzinses mithin nicht in Betracht kommt, kann die Klägerin den vollen Mietzins bis zur Beendigung des Mietverhältnisses verlangen. Nach Wirksamwerden der Kündigung zum 14.4.2000 bis zum 18.4.2000 schuldet die Beklagte Nutzungsentschädigung im Sinne von § 818 Abs. 2 BGB, weil sie die Schlüssel für das Mietobjekt nicht vorher zurückgegeben oder deren Rückgabe angeboten hat und deshalb von einer Nutzung bis zu diesem Tage auszugehen ist.

Für die Zeit danach ist eine Nutzung seitens der Beklagten nicht mehr ersichtlich. Die Klägerin hat nicht bestritten, dass ihr die Schlüssel am 18.4.2000 telefonisch angeboten worden sind. Ein Anspruch aus § 557 Abs. 1 a.F. BGB kommt nicht in Betracht, da das Mietobjekt der Klägerin nicht vorenthalten wurde. Mit ihrem Schreiben vom 13.4.2000 (Anl. K 8) hatte sie der Kündigung widersprochen und damit zu erkennen gegeben, dass sie zur Rücknahme nicht gewillt sei (Bub/Treier/Scheuer V A Rdn. 70; Schmidt-Futterer/Gather § 557 Rdn. 17).

Da der anteilige Mietzins für die Zeit vom 1. bis 18.4.2000 DM 5.444,36 beträgt und hiervon die Nebenkostenguthaben der Beklagten von insgesamt DM 233,39 abzuziehen sind, ergibt sich eine begründete Klagforderung von DM 5.210,97

Die Aufrechnung der Beklagten mit einem Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der für März 2000 gezahlten Miete ist unwirksam, weil die Miete auch für diesen Monat nicht gemindert war.

4. Angesichts des Ergebnisses der Berufung ergeben sich die Nebenentscheidungen aus §§ 91, 92, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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