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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 14.04.2004
Aktenzeichen: 5 U 127/03
Rechtsgebiete: UWG, EichG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
EichG § 7 Abs. 2
Bei dem Kauf von sog. Kaffeepads, aus denen einzelne Tassen Kaffee hergestellt werden, kann der Verkehr durch die Größe der Packung darüber irregeführt werden, wie viele Tassen Kaffee aus dem Inhalt hergestellt werden können. Der Verkehr wird sich nicht nur an der auf der Packung angegebenen Zahl der Kaffeepads orientieren, denn eine Verbrauchererwartung dahingehend, dass ein Kaffeepad stets nur für eine Tasse Kaffee reicht, ist nicht festzustellen.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 127/03

Verkündet am: 14. April 2004

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter

Betz, Rieger, Dr. Koch

nach der am 31. März 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 12 - vom 12.8.2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Wettbewerber in der Vermarktung von sog. Kaffeepads. Hierbei handelt es sich um Kaffee in kleinen Säckchen, mit denen in bestimmten Kaffeemaschinen einzelne Tassen Kaffee gebrüht werden können. Beide Parteien vertreiben die Kaffeepads in 18 Stück-Packungen. Die 18 Pads in der Packung der Antragstellerin enthalten insgesamt 130g, die Pads in der Packung der Antragsgegnerin 125g Kaffee. Die Packung der Antragstellerin kostet im Handel derzeit zwischen € 2,99 und € 2,49, diejenige der Antragsgegnerin etwa € 0,15 weniger, gelegentlich sind die Preise auch gleich. Das noch junge Marktsegment der Kaffeepads wird im Wesentlichen unter den Parteien aufgeteilt. Die Antragstellerin hat nach ihrem unbestrittenen Vortrag gegenwärtig einen Marktanteil von 85 % im Volumen und 90 % im Wert. Das Produkt der Antragsgegnerin verfügt über einen Marktanteil von knapp 10 % in Volumen und Wert.

Die Packungen der Parteien sehen aus wie folgt:

In dem vorliegenden Verfahren nimmt die Antragstellerin die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Verwendung ihrer Packung für Kaffeepads unter dem Gesichtspunkt der Mogelpackung nach § 3 UWG, § 7 Abs.2 EichG iVm. § 1 UWG in Anspruch. Mit der Form ihrer Packung erwecke die Antragsgegnerin den Eindruck einer deutlich höheren Füllmenge. Das Landgericht hat die antragsgemäß erlassenen einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil bestätigt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache erfolglos. Zu Recht hat das Landgericht die einstweilige Verfügung bestätigt. Die von der Antragsgegnerin verwendete Packung verstößt gegen § 3 UWG und § 7 Abs.2 EichG iVm. § 1 UWG, weil sie eine höhere Füllmenge vortäuscht als tatsächlich in der Packung vorhanden ist.

1. Beide genannten Vorschriften sind darauf gerichtet, eine Täuschung des Verbrauchers zu verhindern, und nebeneinander anwendbar (BGH GRUR 82, 118, 119 "Kippdeckeldose"; KG GRUR 83, 591, 592, "Pralinenpackung", beide noch zur inhaltsgleichen Vorgängernorm § 17a EichG). Bei der Frage, ob eine Irreführung des Verbrauchers vorliegt, ist vom europäischen Verbraucherbegriff auszugehen (Zipfel/ Rathke, LebensmittelR, Band II, C 115, EichG, § 7 Rn.18).

Zu § 7 Abs.2 EichG gibt es Verwaltungsrichtlinien aus dem Jahr 1972. Diese sind nicht verbindlich für die konkrete Rechtsanwendung durch die Gerichte, stellen aber ein Indiz für die Verbrauchererwartung und für die rechtliche Erheblichkeit der Irreführung dar (Kiethe/ Groeschke, WRP 03, 962,964: Zipfel/ Rathke, a.a.O., Rn.29). In diesen Richtlinien heißt es u.a, dass ein Rechtsverstoß zu prüfen sei, wenn eine nicht durchsichtige Fertigpackung einen Freiraum von 30% und mehr aufweise.

§ 7 Abs.2 EichG findet nicht nur auf Fertigpackungen Anwendung, deren Menge nach Volumen oder Gewicht gekennzeichnet ist, sondern auch für Fertigpackungen mit Stückzahlangaben wie im vorliegenden Fall (Zipfel/ Rathke a.a.O., § 7 EichG, Rn.19; s. auch Ziff.V der Richtlinien). Die Vorschrift kann trotz einer korrekten Mengenangabe eingreifen (Zipfel/ Rathke a.a.O., § 7 EichG , Rn.43)

Eine Irreführung kann lediglich dann hinzunehmen sein, wenn die Gestaltung der Packung technisch notwendig ist, bloße Zweckmäßigkeit genügt nicht (Zipfel/ Rathke a.a.O., § 7 Rn.30,31). Nach der oben zitierten Entscheidung "Kippdeckeldose" des BGH erlaubt aber auch eine technische Notwendigkeit einer Packungsgestaltung nicht jede Irreführung des Verbrauchers, sondern es muss das Interesse der Allgemeinheit gegen den Grad der Irreführung abgewogen werden.

2. Bei der Prüfung, ob eine Verletzung von § 7 Abs.2 EichG, § 3 UWG vorliegt, ist davon auszugehen, welche Verbrauchererwartung durch die Art der Verpackung ausgelöst wird. Wenn eine Divergenz zwischen der Verbrauchererwartung und dem tatsächlichen Inhalt der Packung festzustellen ist, ist zu überprüfen, ob diese Divergenz rechtserheblich oder aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen notwendig ist (Einzelheiten bei Zipfel/Rathke a.a.O., § 7 EichG, Rn.20ff).

a) Die Feststellung der Verbrauchererwartung in Hinblick auf eine bestimmte Packungsgestaltung kann der Senat aus eigener Sachkunde treffen, da er zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört.

b) Unstreitig sind Kaffeepads zur Zubereitung von einzelnen Tassen Kaffee erst seit Oktober 2002 auf dem deutschen Markt erhältlich, als nämlich die Antragstellerin diese Pads zusammen mit der Kaffeemaschine "Senseo" der Firma Philips einführte. Kaffeepads machen bis heute nur einen sehr kleinen Anteil am deutschen Kaffeemarkt aus, nämlich nach den unbestrittenen und glaubhaft gemachten Zahlen der Antragstellerin 1 % in Volumen und 2 % im Wert. Dass der Verkehr bei dieser Sachlage bis auf rechtlich unerhebliche Anteile weiß, wie viel Kaffee in einem Pad enthalten ist und wie viele Tassen Kaffee daraus hergestellt werden können, ist daher nicht überwiegend wahrscheinlich.

Zwar kann zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt werden, dass es dem Käufer von derartigen Produkten maßgeblich darauf ankommen wird, wie viele Einzelportionen im Sinne von einzelnen Tassen Kaffee aus den Pads hergestellt werden können. Damit ist aber - wie ausgeführt - noch keine Verbrauchererwartung dahingehend festgestellt, dass der Verkehr bis auf rechtlich unerhebliche Anteile auch die Vorstellung hat, dass ein Kaffeepad stets für eine Tasse Kaffee ausreicht und er seine Kaufentscheidung nur von einer auf der Packung angegebenen Zahl der Pads abhängig macht, ohne der Packungsgröße Bedeutung beizumessen. Damit kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob die Zahl "18" deutlich genug auf der streitgegenständlichen Verpackung erkennbar ist.

Denn anders als Teebeutel werden Kaffeepads nicht in eine Tasse, einen Becher oder ein Glas gehängt, sondern in das Sieb einer Maschine gelegt. Sie können dabei nicht nur für die Maschine "Senseo" verwendet werden, die offenbar so konstruiert ist, dass in der Tat aus jedem Pad eine Tasse Kaffee gewonnen wird, sondern laut Packungsufdruck der Antragsgegnerin für alle Kaffee-Portionsmaschinen. Daraus folgt, dass jeenfalls derzeit überwiegend wahrscheinlich ein rechtlich erheblicher Anteil des Verkehrs nicht nur aus der Anzahl der Pads, die auf einer Verpackung angegeben werden, auf die Zahl der Tassen schließen wird, die hieraus hergestellt werden, sondern sich bei seiner Kaufentscheidung auch an der Größe der Packung und der Menge des darin enthaltenen Kaffees orientieren wird. Angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen den Packungsgrößen der Parteien, die den Markt im Wesentlichen unter sich aufteilen, und des Umstandes, dass die Packung der Antragsgegnerin in ihrer Höhe und Breite und damit in ihrer "Regal-Optik" die dem Verkehr vertrauten 500g-Packung für gemahlenen Kaffee und Kaffeebohnen nahe kommt, besteht überwiegend wahrscheinlich durchaus die Gefahr, dass der Verkehr aus der Verpackungsgestaltung der Antragsgegnerin den Schluss ziehen wird, aus den Pads der Antragsgegnerin könnten mehr Tassen Kaffee oder stärkerer Kaffee hergestellt werden als aus den Pads der Antragsstellerin, weil nämlich die Pads der Antragsgegnerin mehr Kaffee enthielten. Diese Täuschung ist auch relevant, zumal außerdem die Packung der Antragsgegnerin nicht teurer, sondern sogar teilweise billiger ist als diejenige der Antragstellerin, d.h. der Verbraucher wird umso mehr den Eindruck einer preisgünstigen Großpackung gewinnen und sich für das Produkt der Antragsgegnerin entscheiden.

Diese durch die Packungsgröße ausgelöste Annahme wird auch nicht durch den Packungsaufdruck beseitigt, sondern vielmehr zusätzlich durch die bildliche Darstellung von einem Pad und zwei Tassen Kaffee, genährt. Letztere sind darüber hinaus auch eher Becher als die kleineren Tassen auf der Packung der Antragstellerin und geben weiteren Anlass zu der Vermutung, die Pads der Antragsgegnerin seien gerade deshalb besonders ergiebig, weil sie mehr Kaffee enthielten. Irrige Vorstellungen zu den aus den Pads der Antragsgegnerin zu gewinnenden Einzeltassen werden auch nicht durch die Angabe "Einzelportionen" zuverlässig ausgeschlossen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Denn dieser Begriff ist nicht ohne weiteres mit einer "einzelnen Tasse" gleichzusetzen, sondern kann auch als "Portion für eine einzelne Person" ausgelegt werden (und das können dann auch zwei Tassen sein, die Menge eines "Kännchens").

Schließlich befindet sich auch die Grammzahl des in den Pads enthaltenen Kaffees nicht - wie bei der Antragstellerin - auf der Schauseite, sondern auf der Rückseite der Packung. Wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, ist der Verbraucher bei dem Kauf von Kaffeepads situationsadäquat eingeschränkt aufmerksam. Dass er bei einem solchen Alltagsgeschäft zum Kaufpreis von unter 3 € - auch wenn es sich um ein neues Produkt handelt - die Packung so genau studiert, dass er diese Grammzahl auf der Rückseite zur Kenntnis nimmt, ist nicht überwiegend wahrscheinlich.

c) Die Verbrauchererwartung jedenfalls eines Teils des Verkehrs wird auch enttäuscht, denn die Pads der Antragsgegnerin enthalten unstreitig nicht mehr Kaffee als diejenigen der Antragstellerin, sogar 5 g weniger. Unbestritten wird der Markt der Kaffeepads in Deutschland von den Parteien dieses Rechtsstreits beherrscht und hat die Antragsgegnerin den glaubhaft gemachten Marktanteil der Antragstellerin (85 % im Volumen, 90% im Wert) nicht bestritten. Demnach wird die Verbrauchererwartung gerade auch von der Packungsgestaltung der Antragstellerin als Marktführerin beeinflusst, die bei etwas mehr Inhalt deutlich kleiner ist.

d) Die Täuschung ist auch rechtlich erheblich, weil sie - wie auch schon ausgeführt - die Kaufentscheidung beeinflussen kann. Außerdem spricht hierfür schon indiziell die Überschreitung der 30% Grenze nach den Richtlinien zu § 7 Abs.2 EichG. Die Antragstellerin hat mit dem Gutachten des Fraunhofer Instituts (Anlagen AS 11 und 24) glaubhaft gemacht, dass bei einem erheblichen Teil der im Handel befindlichen Packungen der Antragsgegnerin der Freiraum deutlich mehr als 30 % beträgt. Das von der Antragsgegnerin eingereichte Gutachten Fresenius (Anlage Ag 9), wonach der Freiraum durchschnittlich nur 25 % betrage, krankt zunächst daran, dass die Untersuchung unmittelbar nach der Befüllung der Packungen in der Verpackungsanlage der Antragsgegnerin stattfand; die Packungen werden laut Gutachten während des Befüllens nur 3 Sek. gerüttelt, um eine bessere Verteilung der Pads in der Verpackung zu erreichen. Entscheidend ist aber der Befüllzustand zum Zeitpunkt des Verkaufs. Das Fraunhofer Institut hat die von ihm untersuchten Packungen im Handel erworben, nach dem sie durch Transport, Lagerung und Aufbau im Regal schon diverse Rüttelvorgänge hinter sich hatten. Außerdem hat die Antragstellerin unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die von Fresenius untersuchten Packungen alle aus einer bestimmten Charge mit dem Batch Code "J" stammten, während im Handel auch solche mit dem Batch Code "ZEU" erhältlich seien, die im Schnitt ein deutlich höheres Leervolumen aufwiesen.

Weiterhin hat die Antragstellerin unbestritten vorgetragen, Kaffeeprodukte in den bislang im Handel erhältlichen Formen zeichneten sich dadurch aus, dass die Packungen keinen nennenswerten Luftraum aufwiesen. Dies ist im Übrigen auch gerichtsbekannt. Der Verbraucher ist also auch gerade in diesem Marktsegment nicht an Hohlräume in dem Umfang gewöhnt, wie sie die streitgegenständliche Packung der Antragsgegnerin aufweist. Auch dies belegt, dass überwiegend wahrscheinlich eine für die Kaufentscheidung relevante und folglich auch rechtlich erhebliche Täuschung gegeben ist.

e) Mit dem Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass die Packungsgestaltung überwiegend wahrscheinlich nicht technisch notwendig ist. Dies zeigt zunächst einmal schon die deutlich kleinere Packungsgestaltung der Antragstellerin für dasselbe Produkt. Soweit es um die von der Antragsgegnerin gewollte Eigenentgasung innerhalb der Packung geht (die Antragstellerin wartet diesen Vorgang ab, bevor sie die Pads verpackt), ist auch nach der Berufungsbegründung die Tatsache unstreitig, dass die Entgasung mittels eines Ventils möglich ist und ein solches Ventil von der Antragsgegnerin selbst für ihr Produkt "Caffé Crema" in ganzen Bohnen verwendet wird. Bei ganzen Bohnen tritt sogar nach der Röstung mehr Eigengas aus als bei gemahlenem Kaffee (Anlagen As 26, 27). Die Antragsgegnerin macht nur geltend, dass sie eine solche Lösung nicht wolle, trägt indessen nicht vor, weshalb ein Ventil bei den Kaffeepads zum Zwecke der Eigenentgasung nicht ebenso möglich ist wie bei den Kaffeebohnen. Soweit sie sich darauf beruft, dass die Art der Verpackung aus Gründen des Aromaschutzes erforderlich sei, ist ihr Vortrag nicht hinreichend substantiiert, schon gar nicht glaubhaft gemacht. Auf die hierzu zusätzlich von der Antragstellerin in der Berufungsinstanz eingereichte eidesstattliche Versicherung Anlage BE 3 und ihre Verwertbarkeit kommt es daher nicht an.

f) Die Antragsgegnerin hat auch nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Verpackungsform aus wirtschaftlichen Gründen notwendig sei. Dass eine Umstellung auf eine nicht täuschende Verpackung erhebliche Kosten verursachen würde, reicht hierfür jedenfalls nicht aus. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass eine andere Verpackungsbeschriftung aus der Irreführung herausführen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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