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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 03.07.2002
Aktenzeichen: 5 U 135/01
Rechtsgebiete: BRAO, BORA


Vorschriften:

BRAO § 43 b
BORA § 6
Der Satz " Heute stehen Ihnen acht Rechtsanwälte für die optimale Vertretung Ihrer Interessen in den verschiedensten Rechtsgebieten zur Verfügung" auf einer Anwalts-Homepage verstößt nicht gegen § 43 b BRAO, 6 BORA
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 135/01

Verkündet am: 03. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Rieger, Dr. Koch nach der am 19. Juni 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 12 - vom 5.6.2001 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von € 4.000.- abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der genannten Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind eine Anwaltssozietät in Berlin und nehmen den Beklagten, Seniorpartner der als Partnerschaftsgesellschaft organisierten Rechtsanwälte K. & Partner in Hamburg-Bergedorf, auf Unterlassung einer Werbeaussage auf deren homepage in Anspruch .

Auf der homepage der Kanzlei der Rechtsanwälte K. & Partner heißt es wie folgt :

"as time goes by..... 1950 gründete W. K. , der Vater des heutigen Seniorpartners R. K., unsere Kanzlei im Zentrum von Hamburg. Im Jahr 1978 wurde der Sitz der - zum damaligen Zeitpunkt von R. K. allein betriebenen - Kanzlei nach Hamburg-Bergedorf verlegt. Heute stehen Ihnen acht Rechtsanwälte für die optimale Vertretung Ihrer Interessen in den verschiedensten Rechtsgebieten zur Verfügung. Eine moderne EDV , eine gut ausgestattete Fachbibliothek und der Zugriff auf umfangreiche juristische Datenbanken gewährleisten höchste Beratungsqualität ".

Die Kläger halten den Satz

" Heute stehen Ihnen acht Rechtsanwälte für die optimale Vertretung Ihrer Interessen in den verschiedensten Rechtsgebieten zur Verfügung "

für eine gemäß §§ 43 b BRAO, § 1 UWG unzulässige Werbung und verlangen mit ihrer Klage ein Verbot dieser werblichen Aussage.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien in erster Instanz und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommenen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß dazu verurteilt, es zu unterlassen, mit der beanstandeten Aussage zu werben.

Das Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am 8.6.2001 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich seine am 9.7.2001 (Montag) beim Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg eingegangene Berufung, welche er nach entsprechender Fristverlängerung am 9.10. 2001 begründet hat

Der Beklagte macht in der Berufung im wesentlichen geltend:

Die Kläger seien nicht als unmittelbar Verletzte aktivlegitimiert, da beide Parteien nur regional tätig seien. Es gebe in Deutschland etwa 110.000 Rechtsanwälte. Für eine Aktivlegitimation der Kläger nach § 13 Absatz 2 Nr. 1 UWG fehle es an einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs.

Zu Unrecht habe das Landgericht den Missbrauch der Klagebefugnis nach § 13 Abs. 5 UWG verneint. Die Kläger seien seiner - des Beklagten - Behauptung, dass der Kläger zu 1. etwa 20 bis 25 % seines Umsatzes mit wettbewerblichen Abmahnungen und Klagen erziele, entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht substantiiert entgegengetreten. Von August 1999 bis Mai 2001 hätten die Kläger in 55 Fällen Abmahnungen ausgesprochen. Außerdem trieben die Kläger die Kosten dadurch in die Höhe, dass sie gemeinsam klagten, so dass die Erhöhungsgebühr aus § 6 BRAGO anfallen müsse.

Die angegriffene Werbung verstoße auch nicht gegen § 43 b BRAO in Verbindung mit §§ 6,7 BORA.

Der Beklagte sei schließlich nicht passivlegitimiert, weil er jederzeit in der Gesellschafterversammlung der Partner überstimmt werden könne.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5.6.2002, Geschäftsnummer : 312 O 228/01, wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Kläger tragen im wesentlichen vor, dass jedenfalls zwischen Rechtsanwälten aus Berlin und Hamburg ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehe. Daher seien sie als unmittelbar Verletzte aktivlegitimiert. Es liege auch kein Missbrauch der Klagebefugnis nach § 13 Abs. 5 UWG vor. Sie hätten zwischen dem 10.11.1999 und Mitte März 2000 zwar vermehrt abgemahnt. Seit dem 4.4.2000 verlangten sie jedoch keine Abmahnkosten mehr; seit Juni 2000 werde darauf sogar ausdrücklich verzichtet und so sei es auch im Falle des Beklagten geschehen. Die Kläger dürften auch gemeinsam klagen, da es keinem der Sozien zuzumuten sei, das Prozessrisiko allein zutragen.

Des Beklagten sei Mitstörer, da die Werbung des Beklagten auch unter seinem Namen laufe und damit von ihm mitgetragen werde.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die beanstandete Werbeaussage verstößt nach Auffassung des Senats nicht gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 43 b BRAO.

I.

Der Senat teilt allerdings die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zur Frage der Aktivlegitimation der Kläger und zur Frage der behaupteten rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der Klagebefugnis und macht sich die Gründe des landgerichtlichen Urteils ausdrücklich zu eigen. Die Ausführungen der Berufung geben keinen Anlass zu Ergänzungen, zumal es auf diese Fragen ohnehin nicht ankommt, weil die Klage aus materiell-rechtlichen Gründen abzuweisen ist.

Dies gilt gleichermaßen zum Bestreiten der Passivlegitimation. Zwar muss ein Wettbewerbs- Störer auch die Möglichkeit haben, die störende Handlung zu verhindern ( BGH GRUR 96,905 "GmbH-Werbung für ambulante ärztliche Leistungen"; GRUR 99,504 "Implantatbehandlungen"). Der Vortrag des Beklagten, er könne in einer Gesellschafterversammlung von seinen Partnern überstimmt werden, entlastet ihn jedoch nicht. Zunächst hat er schon nicht vorgetragen, dass er überhaupt versucht habe, die Werbung zu verändern. Im übrigen könnte er auch durch den Gesellschaftsvertrag nicht gezwungen werden, an einer rechtswidrigen Werbung teilzunehmen, sondern könnte die Gesellschaft vielmehr darauf in Anspruch nehmen, eine solche Werbung zu unterlassen.

II. Der Senat folgt dem Landgericht allerdings nicht darin, dass der beanstandete Satz aus dem Internet- Auftritt der Sozietät des Beklagten gegen §§ 43 b BRAO, 6 BORA verstoße. Jedenfalls die - nachveröffentlichten - Entscheidungen des BGH "Anwaltswerbung II" (NJW 2001, 2087) und "Anwaltsrundschreiben" (NJW 2001, 2886) müssen nach Auffassung des Senats im hier zu entscheidenden Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen.

Nach § 43 b BRAO ist dem Rechtsanwalt die Werbung erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Mandats im Einzelfall gerichtet ist. Diesem durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 2.9.1994 ( BGBL I, 2278 ) geänderten Gesetzestext und der neueren verfassungsrechtlichen Rechtsprechung hat der BGH in den beiden zitierten Entscheidungen entnommen, dass nunmehr im Grundsatz davon auszugehen sei, dass Rechtsanwälten die Werbung für ihre berufliche Tätigkeit nicht verboten, sondern erlaubt ist. Dementsprechend bedürfe nicht die Gestattung der Anwaltswerbung der Rechtfertigung, sondern deren Einschränkung ( BGH NJW 01,2087 "Anwaltswerbung II" und NJW 2001, 2886/2887 "Anwaltsrundschreieben" ). In der Entscheidung "Anwaltswerbung II" des BGH heißt es sodann weiter, dass auf den Beruf bezogene Tatsachenbehauptungen, deren Richtigkeit überprüft werden könnten, grundsätzlich nicht gegen das Sachlichkeitsgebot verstießen, während Werturteile über die eigene Dienstleistung, deren Berechtigung nicht beurteilt werden könne, weil sie weitgehend von subjektiven Einschätzungen abhingen, regelmäßig nicht mit dem Sachlichkeitsverbot vereinbar seien (BGH NJW 2001, 2088) ; für den zu beurteilenden Fall - das Einladungsschreiben einer Anwaltskanzlei zu einem Seminar mit Imbiss - ist der BGH allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass das Einladungsschreiben, soweit es "fundierte Ratschläge" und Informationen "praxiserfahrener" Rechtsanwälte ankündige, nicht zu beanstanden sei, weil nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich sei, dass es sich um Äußerungen handele, deren Wahrheitsgehalt nicht überprüft werden könne.

In einer kurz darauf ergangenen Entscheidung zu einem Rundschreiben eines Rechtsanwalts an Mandanten und Nichtmandanten, in welchem es unter anderem hieß, dass eine auf den Einzelfall bezogene optimale ( Hervorhebung durch den Senat) Gestaltung einer steuerlich günstigen Übertragung von Immobilien im Privatvermögen mit einem Rechts- und /oder Steuerberater sorgfältig abgestimmt werden sollte, hat der BGH - anders als das Berufungsgericht - darin keine mit § 43b BRAO unvereinbare Selbstanpreisung gesehen (BGH NJW 2001, 2886, 2887 "Anwaltsrundschreiben"). Denn aus der Sicht der Angesprochenen werde dies nicht so verstanden, dass die eigenen Beratungsleistungen gerade im Vergleich zu anderen Beratern herausgestellt werden sollten.

Der Senat entnimmt dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Abgrenzung Tatsachenbehauptung / Werturteil zwar im Ausgangspunkt ein taugliches Abgrenzungskriterium für die Frage sein mag, wann eine Werbung noch dem Sachlichkeitsgebot im Sinne des § 43 b BRAO entspricht und wann dies nicht der Fall ist. Im Ergebnis kommt es - auch für die Einordnung einer Aussage als Information über Tatsachen oder als Werturteil - aber doch stets auf den ganz konkreten Einzelfall an. Wenngleich der sprachliche Zusammenhang in der BGH-Entscheidung "Anwaltsrundschreiben" anders gelagert ist als in dem hier zu entscheidenden Fall, weil in jener Sache vordergründig nur dazu aufgefordert wird, einen Anwalt aufzusuchen, um für die angesprochenen steuerrechtlichen Fragen eine optimale Gestaltung zu finden, wird aus Sicht des Verkehrs aber auch in jenem Fall natürlich insinuiert, dass eine solche optimale Gestaltung von den werbenden Anwälten zu erwarten ist, denn der Absatz schließt unmittelbar im Anschluß an den beanstandeten Satz mit den Worten: "Zur Beantwortung von Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung". Anders als das OLG Stuttgart (Urteil vom 5.10.2001 - 2 U 203/00), das beide Entscheidungen einer eingehenden Analyse unterzogen hat, es sieht, scheint es dem Senat nicht so sehr darauf anzukommen, ob in der zweiten Entscheidung eine Abkehr von den gerade erst aufgestellten Beurteilungskriterien für Selbstaussagen von Rechtsanwälten zu sehen ist, sondern vielmehr darauf, dass der BGH in beiden Entscheidungen maßvolle Selbstbeschreibungen der persönlichen Kompetenz, die subjektive Werturteile sind, dann als nicht mehr beanstandenswert ansieht, wenn diese jedenfalls einen objektiven Kern zu haben scheinen und nach Form und Inhalt nicht in der Einkleidung eines "marktschreierischen Werbungsstil" (BGH NJW-RR 98,1282) daherkommen.

Vorliegend erscheint der inkriminierte Satz im Zusammenhang mit der Darstellung der Geschichte der Kanzlei, welche vom Vater des Beklagten gegründet, sodann zunächst von dem Beklagten allein weitergeführt worden ist und in der sich nunmehr acht Rechtsanwälte "für die optimale Vertretung Ihrer Interessen in den verschiedensten Rechtsgebieten" zusammengetan haben. Ein Teil des als potentielle Mandanten umworbenen Publikums wird dies schlicht so verstehen, dass durch die gewachsene Anzahl der Rechtsanwälte heute auch mehr Rechtsgebiete abgedeckt werden können als durch lediglich einen Anwalt und dass der darin liegende Zuwachs an Kompetenz als Urteil über die Qualität werbend herausgestellt werden solle. Das Wort "optimal" bezöge sich bei einem solchen Verständnis also auf die Breite der angebotenen Rechtsberatung und beinhaltete damit im wesentlichen eine Sachaussage, die der Überprüfung zugänglich ist und sich damit auf jeden Fall nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes noch in den Grenzen des § 43b BRAO hält.

Aber auch wenn man den Satz weitergehend dahin versteht, dass die anwaltliche Leistung als "optimal" bewertet werden soll, entspricht die Aussage nach dem Verständnis des Senats in der vorliegenden Verwendungssituation noch dem Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO. Das Wort "optimal" stammt aus dem Lateinischen , wo "optimus" oder "optima" der oder die Beste bedeutet, es ist mithin grammatikalisch ein Superlativ. Im deutschen Sprachgebrauch ist dieses Attribut - nicht zuletzt durch die Werbung - durch inflationären Gebrauch aber so verblasst, dass man hin und wieder sogar eine - grammatisch eigentlich nicht mögliche - weitere Steigerung zu "optimalst" antrifft, um dem Attribut zusätzliches Gewicht zu verleihen, weil es nicht mehr als Superlativ empfunden wird.

Jedenfalls kann der Senat in dem regelgerechten Gebrauch des Wortes "optimal" in dem hier zu beurteilenden sprachlichen Kontext eine übermäßige reklamehafte Übertreibung oder gar eine marktschreierische Herausstellung der Mitglieder der Kanzlei des Beklagten - auch im Vergleich zu anderen Rechtsanwälten und insoweit hält der Senat den Fall mit den vom BGH in NJW 2001, 2886 "Anwaltsrundschreiben" entschiedenen Fall für vergleichbar - noch nicht sehen, sondern im Zusammenhang mit den im Internetauftritt der Sozietät geschilderten "verschiedensten Rechtsgebieten" nur die Ankündigung, dass die Kanzleimitglieder für die von ihnen vertretenen Rechtsgebiete eben auch sehr gut qualifiziert seien. Dies hält der Senat ebenso wenig für eine rechtswidrige reklamehafte Anpreisung, welche die Grenzen des § 43b BRAO überschreitet, wie die Ankündigung " einer auf den Einzelfall bezogenen optimalen Gestaltung" oder die Ankündigung "fundierter Ratschläge".

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Im Hinblick auf die Abweichung von der angeführten Entscheidung des OLG Stuttgart hat der Senat nach § 548 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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