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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: 5 U 135/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
1. Der Auskunftsanspruch bei Wettbewerbsverstößen erstreckt sich ausnahmsweise dann auch auf die erzielten Umsätze, wenn sich der Verletzer in einem regional beschränkten Umfeld vorsätzlich an eine konkrete Wettbewerbsmaßnahme eines Konkurrenten anlehnt und gezielt auf diese Bezug nimmt (Abgrenzung zu BGH NJOZ 2002, 1993, 1994 - Auskunftsanspruch über erzielte Umsätze).

2. Dieses Voraussetzungen sind gegeben, wenn bei der Werbung eines lokalen Konkurrenten für ein einzelnes Produkt (hier: bestimmtes Modell einer Waschmaschine) die Stimme des prominenten Werbeträgers (hier: Dieter Bohlen) imitiert wird und durch die damit erzielte Aufmerksamkeit Kaufinteressenten zu dem Verletzer umgeleitet werden sollen. In diesem Fall ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Umsatzentwicklung für das konkrete Produkt bei dem Verletzer zugleich wichtige Anhaltspunkte dafür liefern kann, welcher Schaden dem Wettbewerb durch das beanstandete Verhalten entstanden ist.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 135/04

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 18. August 2005

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch den Richter Rieger als Einzelrichter auf Grund der bis zum 11. August 2005 eingereichten Schriftsätze für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 08.07.2004 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz als Gesamtschuldnerinnen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für die Berufungsinstanz auf € 25.000.- festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien sind bundesweit mit Filialen vertretene Wettbewerber bei dem Vertrieb von Elektroartikeln und Gegenständen der Unterhaltungselektronik.

Die Beklagte bewarb im Oktober 2003 für das von ihr betriebene Ladengeschäft MakroMarkt im Raum Hamburg Waschmaschinen des Modells WAS 4540/2 des Herstellers B. in unterschiedlicher Weise in Verbindung mit dem bundesweit bekannten Musiker und Komponisten Dieter Bohlen, den sie als Identifikationsfigur für ihre Werbekampagnen gewonnen hatte. Im Rahmen einer Printwerbung war die beworbene Waschmaschine neben einer Abbildung von Dieter Bohlen mit der Aufforderung "Dieter sagt: Kaufen!" zu einem Preis von € 299.- gezeigt worden (Anlage H&P1). In einem Radiospot bewarb die Beklagte dasselbe konkrete Modell einer Waschmaschine des Herstellers B. mit einer von Dieter Bohlen selbst gesprochenen Aussage:

"Hallo Leute, hier spricht Euer Dieter. Ihr wisst doch, dass ich jetzt nur noch Top-Mode trage und die will top-gepflegt sein. Also habe ich mir bei Makromarkt die Top-Waschmaschine zum Mega-Super-Billigpreis besorgt. Die ist echt super. Estefanias Wollpullover wäscht man doch bei 90°? Es lebe billig...."

Die Klägerinnen bewarben ihrerseits in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu dieser Werbung der Beklagten dasselbe Modell WAS 4540/2 einer Waschmaschine des Herstellers B. im Hamburger Raum zu einem billigeren Preis. Hierbei bedienten sie sich u.a. für einen Radiospot eines Stimmenimitators, der die Stimme von Dieter Bohlen - dem Werbepartner der Beklagten - nachahmte und folgende Aussage sprach:

"Hallo Leute, hier ist Dieter... pst, nicht so laut. Ich bin gerade bei MediaMarkt. Die sind nämlich noch billiger als meine Songs...jetzt schlägts billig...Bei MediaMarkt in Hamburg, Lüneburg und Halstenbek....Das ist modern washing"

Dieses Verhalten beanstandet die Beklagte als wettbewerbswidrig. Sie ist der Auffassung, die Klägerinnen hätten in unlauterer und irreführender Weise ihre Werbung ausgebeutet.

Die Beklagte hatte die Klägerinnen mit Schreiben vom 17.10.03 deswegen abgemahnt und erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgefordert (Anlage H&P2/JS1/JS2). Gegenstand des Verpflichtungsverlangens war nicht nur eine Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens, sondern weiterhin Auskunftserteilung über die beanstandeten Verletzungshandlungen unter Einbeziehung des daraus erzielten Umsatzes sowie die Verpflichtung der Klägerinnen zum Schadensersatz.

Die Beklagte hat gegen die Klägerinnen wegen der beanstandeten Werbung bei dem Landgericht unter dem Aktenzeichen 315 O 612/03 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, die erlassen und von den Klägerinnen als endgültige Regelung anerkannt worden ist.

Die Klägerinnen wenden sich mit der vorliegenden Klage gegen die von der Beklagten mit ihrer Abmahnung zugleich geltend gemachten Verpflichtung der Klägerinnen zur Auskunftserteilung über die unter Verwendung der Verletzungshandlung von ihnen erzielten Umsätze.

Die Klägerinnen haben in erster Instanz beantragt,

festzustellen, dass der Beklagten die mit Abmahnschreiben vom 17.10.2003 nebst beigefügter vorformulierter Unterlassungserklärung geltend gemachten Ansprüche, wie diese aus der mit diesem Urteil verbundenen Anlage ersichtlichen sind, insoweit nicht zustehen, als darin die Auskunft des unter Verwendung der angeführten Verletzungshandlung erzielten Umsatzes gefordert wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 08.07.04 antragsgemäß verurteilt.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beklagte verfolgt in zweiter Instanz ihr Klagabweisungsbegehren unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags weiter. Die Klägerinnen verteidigen das landgerichtliche Urteil auf der Grundlage des bereits erstinstanzlich gestellten Antrags.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der von den Klägerinnen mit ihrer negativen Feststellungsklage geleugnete Auskunftsanspruch aus § 242 BGB steht der Beklagten auch insoweit zu, als sie in ihrem Abmahnschreiben vom 17.10.03 wegen eines rechtsverletzenden Werbespots ebenfalls Auskunft "des unter Verwendung der vorstehend dargelegten Verletzungshandlungen erzielten Umsatzes" begehrt. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts teilt der Senat nicht.

1. Zwischen beiden Parteien besteht auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Ausgangspunkt kein Streit darüber, dass sich der Auskunftsanspruch bei Wettbewerbsverstößen im Allgemeinen nicht auf die erzielten Umsätze erstreckt. Dieser Grundsatz entspricht im Anschluss an die Entscheidung "Umsatzauskunft" (BGH GRUR 65, 313, 314 - Umsatzauskunft) ständiger Rechtsprechung (BGH GRUR 81, 286, 288 - Goldene Karte I") und ist von der Überlegung geprägt, dass die Umsätze des Verletzers im Regelfall keine taugliche Bezugsgröße für die Berechnung des dem Verletzten entstandenen Schadens darstellen. Dementsprechend kann auch der Grundsatz aus Treu und Glauben gem. § 242 BGB regelmäßig keine Offenlegung dieser Daten gebieten. Diese Grundsätze hat der BGH erst kürzlich in der von dem Landgericht zitierten Entscheidung (BGH NJOZ 02, 1993, 1994 - Auskunftsanspruch über erzielte Umsätze) bestätigt und erneut darauf hingewiesen, dass ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Geschädigten an diesen besonders sensiblen Daten im Allgemeinen dem Offenlegungsinteresse des Geschädigten vorgeht, weil die herausverlangten Daten für die gebotene Schadensschätzung nur von untergeordneter Bedeutung sind. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.

2. Dieser Umstand führt allerdings nicht dazu, dass die Klage Erfolg hat. Denn der Bundesgerichtshof hatte bereits von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass diese Rechtsprechungsgrundsätze auf den Regelfall einer Wettbewerbsverletzung zugeschnitten sind. Ausnahmen von diesen Grundsätzen sollten hiermit in begründeten Ausnahmefällen nicht ausgeschlossen werden. Dementsprechend hat der BGH in der Entscheidungen "Auskunftsanspruch über erzielte Umsätze" (NJOZ 02, 1993, 1994) zugleich ausdrücklich betont, dass diese Grundsätze (nur) "im Allgemeinen" gelten und der klagenden Partei zugleich entgegengehalten, sie habe "nicht vorgetragen, weshalb im Streitfall eins solcher Anspruch ausnahmsweise bestehen soll". Der dem streitgegenständlichen Auskunftsverlangen zu Grunde liegende und von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt bietet - entgegen der Auffassung der Klägerinnen und des Landgerichts - hingegen ohne weiteres derartige Besonderheiten, die einen Auskunftsanspruch auch hinsichtlich er erzielten Umsätze ausnahmsweise rechtfertigen.

3. Der vorliegend streitgegenständliche Wettbewerbsverstoß ist dadurch geprägt, dass sich die Klägerinnen in einem regional beschränkten Umfeld vorsätzlich an eine konkrete Werbemaßnahme der Beklagten angelehnt und gezielt auf diese Bezug genommen haben.

a. Die Beklagte hatte u.a. mit der Stimme des bundesweit bekannten Komponisten und Musikers Dieter Bohlen eine konkretes Einzelprodukt - die Waschmaschine B. WAS 4540/2 - zu einem bestimmten Preis beworben. Der Aufmerksamkeitswert einer solchen Werbemaßnahme ist als besonders hoch zu bewerten. Dies liegt nicht nur an der Bekanntheit von Dieter Bohlen, sondern insbesondere auch daran, dass dieser Künstler zeitweilig einen gewissen - je nach Verbrauchergruppe positiv oder negativ besetzten - "Kultcharakter" erworben hatte. Dies Feststellungen vermag der Senat auf Grund eigener Sachkunde zu treffen. An diese publikumswirksame Werbeaktion haben sich die Kläger gezielt "angehängt", indem sie mit der Stimme eines Stimmenimitators von Dieter Bohlen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang genau die gleiche Waschmaschine - B. WAS 4540/02 - ebenfalls, allerdings zu einem günstigeren Preis, beworben haben. Die wegen dieses Verhaltens gegen sie vor dem Landgericht Hamburg zu dem Aktenzeichen 315 O 612/03 erwirkte einstweilige Verfügung haben die Klägerinnen als endgültige Regelung anerkannt und damit den Wettbewerbsverstoß als solchen letztlich streitfrei gestellt.

b. Die besondere Sittenwidrigkeit dieser Werbung der Klägerinnen ist darin zu sehen, dass sie sich nicht nur - was nicht notwendigerweise unzulässig sein muss - an eine fremde Werbung angehängt haben. Vielmehr haben die Klägerinnen die exklusiv von der Beklagten gewonnene "Identifikationsfigur" Dieter Bohlen durch einen Stimmenimitator nachgeahmt und gezielt zweckwidrig zur Förderung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen eingesetzt. Damit haben die Klägerinnen letztlich den spezifischen Aufmerksamkeitswert der unter Beteiligung von Dieter Bohlen durchgeführten Werbeaktion der Beklagten unlauter und in rechtswidriger Weise auf sich selbst "umzuleiten" versucht. Insoweit unterscheidet sich das Verhalten der Klägerinnen nicht wesentlich von einem gleichgerichteten Verhalten der Beklagten gegenüber der mit den Klägerinnen konzernverbundenen "S." Elektromärkte, welches Gegenstand des Senatsurteils vom 17.02.05 war (5 U 53/04). Der Senat nimmt zur Frage des sittenwidrigen Übertragens des Aufmerksamkeitswerts einer fremden Werbemaßnahme ergänzend auf in dieser Entscheidung dargelegten Ausführungen Bezug. Eine - und zwar die streitentscheidende - Besonderheit der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung liegt allerdings darin, dass die Klägerinnen nicht nur allgemein auf die spezifische Art der Werbung eines ihrer Hauptkonkurrenten Bezug genommen haben, sondern dass dies zudem bezogen und beschränkt nur auf ein ganz konkretes Einzelprodukt aus einem ausgesprochen umfangreichen Gesamtsortiment geschehen ist.

4. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit durch Besonderheiten geprägt, die mit der allgemeinen Art einer wettbewerbswidrigen Werbung - an welcher die Rechtsprechungsgrundsätze zur fehlenden Auskunftspflicht hinsichtlich der Umsätze entwickelt worden ist - nach Auffassung des Senats nicht vergleichbar ist.

a. Diese allgemeinen Rechtsgrundsätze liegt ganz wesentlich die Überlegung zu Grunde, dass selbst bei einer räumlichen Nähe der Wettbewerber, einem ähnlichen Sortiment und sonstiger allgemeiner Übereinstimmungen im Regelfall nicht davon ausgegangen werden kann, dass dem Umsatzzuwachs des Verletzers auf Grund des Wettbewerbsverstoß in nachvollziehbar begründbarer Weise ein Umsatzverlust eines bestimmten Wettbewerbers (in der "unübersehbaren Zahl von Mitbewerbern") korrespondiert (vgl. BGH GRUR 65, 313, 314, 315 - Umsatzauskunft). Indes hat der BGH in dieser Entscheidung betont, dass in dem Fall, in dem eine rechtswidrige Werbemaßnahme nicht nur allgemein das wettbewerbliche Umfeld betrifft, eine abweichende Beurteilung geboten ist bzw. geboten sein kann. Hierzu ist ausdrücklich ausgeführt: "Es ist deshalb nicht schlechthin auszuschließen, dass auch bei Wettbewerbsverstößen Fallgestaltungen denkbar sind, bei denen es dem Verletzer zuzumuten ist, Auskunft über den von ihm erzielten Umsatz zu geben" (S. 314).

b. Eine derartige Situation ist nach Auffassung des Senats auch vor dem Hintergrund der restriktiven Rechtsprechungsgrundsätze des BGH u.a. dann gegeben, wenn die streitgegenständliche Werbemaßnahme gezielt und vorsätzlich gegen einen bestimmten Konkurrenten gerichtet ist, um gerade diesem konkreten Wettbewerber die Kundenaufmerksamkeit streitig zu machen Dies sieht auch der BGH nicht anders, wie sich aus der - allerdings einen Anspruch in konkreten Fall ablehnenden Wendung - ergibt: "In dem hier gegebenen Fall einer anreißerischen, marktschreierischen, jeder besonderen Beziehung zu einem bestimmten betroffenen Mitbewerber entbehrenden Werbung sowie eines Rabattverstoßes kann nichts anderes gelten;.." (Unterstreichung hinzugefügt). Umso mehr ist eine von den allgemeinen Rechtsgrundsätzen abweichende Beurteilung der Zumutbarkeit einer Auskunftserteilung ebenfalls über die Umsätze des Verletzers dann geboten, wenn dieser - wie hier - eine konkrete Werbekampagne eines bestimmten (Haupt)Konkurrenten unter Verwendung identischer Aufmerksamkeitsmittel geradezu "umdreht", um die Werbung letztlich gegen den Veranlasser zu richten. Hierin liegen i.S.d. der Rechtsprechung des BGH in der Sache "Auskunftsansprüche über erzielte Umsätze" (BGH NJOZ 02, 1993, 1994, dort bei umgekehrten Parteirollen) "besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Umsatzentwicklung bei der Beklagten zugleich wichtige Anhaltspunkte dafür liefern könnten, welcher Schaden der Klägerin durch das beanstandete Verhalten entstanden ist...".

5. Auf Grund der Besonderheiten des streitgegenständlichen Wettbewerbsverstoßes spricht eine gegenüber dem Regelfall weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Umsätze der Klägerinnen in dem relevanten Zeitraum hinsichtlich der Waschmaschine B. WAS 4540/2 zumindest auch in erheblichem Umfang auf dem Umstand beruhen, dass die Klägerinnen diese Umsätze durch die sittenwidrige Werbemaßnahme gerade von der Beklagten bzw. deren potenziellen Kunden gezielt auf sich umgeleitet haben. Dieser Umstand rechtfertigt es nach Auffassung des Senats ohne weiteres, die Auskunftspflicht der Klägerinnen im vorliegenden Fall ausnahmsweise auch auf die erzielten Umsätze zu erstrecken.

a. Dabei ist es unschädlich, dass sich im Einzelnen nicht sicher wird belegen lassen, welche Umsatzanteile auf Grund des Wettbewerbsverstoßes konkret von der Beklagten auf die Klägerinnen übergeleitet worden sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass insoweit eine Vielzahl von Faktoren maßgeblich sein können, zu denen auch der von den Klägerinnen beworbene günstige Preis gehört. Ebenso mag es sein, dass eine nennenswerte Zahl von Kaufinteressenten ihre Aufmerksamkeit in erster Linie auf die "Originalität" der Dieter-Bohlen-Imitation gerichtet haben, ohne dass dieser Umstand wesentlichen Einfluss auf ihren Kaufentschluss gehabt habt. Dessen ungeachtet bietet die spiegelbildliche Umsatzentwicklung der Klägerinnen wegen des (einen) streitgegenständlichen Produkts in dem relevanten Zeitraum einen wichtigen und ausschlaggebenden Indikator für die Beklagte, um den ihr zu erstattenden Schaden einigermaßen verlässlich einschätzen zu können.

b. Es liegt zwar - wie der BGH in der Entscheidung "Umsatzauskunft" zutreffend dargestellt hat (BGH GRUR 65, 313, 314 - Umsatzauskunft) - in der Natur der Sache von Wettbewerbsverstößen, dass im Allgemeinen nicht verlässlich nachvollzogen werden kann, wie sich die Umsätze bestimmter Marktteilnehmer in der Folge sittenwidriger Wettbewerbshandlungen konkret vollzogen haben bzw. vollzogen hätten. Denn die Einflussfaktoren für Kundenentscheidungen in einem diversifizierten Marktumfeld sind vielfältig. In einer entsprechenden Gemengelage aus unterschiedlichen Motiven (günstiger Preis, attraktives Sortiment, Bekanntheit, räumliche Nähe, positives Image usw.) lässt sich häufig das ausschlaggebende Motiv für eine Kaufentscheidung nicht in einer Weise identifizieren, die als Grundlage für eine Schadensberechung bzw. -schätzung geeignet wäre. Deshalb wird es dem Verletzer häufig nicht gelingen, seinen Schadensersatzanspruch in Relation zu Konkurrenzumsätzen zu beziffern mit der Folge, dass es an der Berechtigung dahin gehender Auskunftsverlangen fehlt.

c. Bei der vorliegenden Art der Werbung ist nach Auffassung des Senats jedoch eine abweichende Annahme gerechtfertigt. Es ist davon auszugehen, dass die Werbeaktion der Beklagten mit Dieter Bohlen einen ganz erheblichen Aufmerksamkeitswert erzielt hat. Hierfür spricht nicht nur die Prominenz des Werbeträgers, sondern auch der Umstand, dass die Werbung gerade nicht auf das Gesamtsortiment bzw. Teile hiervon, sondern auf ein einzelnes - als besonders preisgünstig herausgestelltes - Produkt beschränkt worden ist (vgl. Anlage H&P1). Für den ausgesprochen hohen Werbewert der Aktion spricht letztlich am Überzeugendsten der Umstand, dass sich die Klägerinnen an diese "angehängt" und sie "umzudrehen" versucht haben. Hierzu hätte keine Veranlassung bestanden, wenn sie hieraus nicht erhebliche Umsatzzuwächse bei der Beklagte - ggfls. auch in anderen Teilen des Warensortiments - befürchtet hätten. Durch die Werbung der Klägerinnen sollten nicht irgendwelche beliebigen Marktteilnehmer, sondern sollten gezielt diejenigen Kundenkreise angesprochen werden, die die Werbung gerade der Beklagten mit Dieter Bohlen für das konkrete Produkt kannten und einen Kauf bei der Beklagten in Erwägung ziehen konnten. Denn andernfalls hätte keine Veranlassung bestanden, mit dem Stimmenimitator für ein und dasselbe Produkt zu werben und hiermit zudem eine gewisse Zuordnungsverwirrung auszulösen. Deshalb ist in einem derartigen Ausnahmefall zu erwarten, dass in erster Linie die Umsätze der Beklagten mit diesem einen konkreten Produkt - und nicht diejenigen anderer Bewerber - von der sittenwidrigen Werbung geschmälert werden und die Umsätze der Klägerinnen entsprechend zugelegt haben. Auch wenn - die verkennt der Senat nicht - insoweit keinerlei Zwangsläufigkeit oder mathematische Genauigkeit besteht, entspricht es einem anerkennenswerten Interesse der Beklagten, die Umsatzzahlen zu erfahren, um aus einem Vergleich etwaiger Umsatzrückgänge bzw. Umsatzzuwächse bei dem konkreten Produkt Grundlagen für eine konkrete Schadensberechnung zu gewinnen, welche ihr ohne die Auskunft (und damit im Regelfall) ansonsten verschlossen wären. Ob zwischen den den Klägerinnen zugewachsenen und der Beklagten entgangenen Umsätzen tatsächlich ein Kausalverhältnis besteht, kann die Beklagte bislang lediglich vermuten. Deshalb können ihr insoweit gegenwärtig - vor Erteilung der begehrte Auskunft - auch keine weiteren Darlegungen abverlangt werden. Ein realer Umsatzrückgang der Beklagten ist ohnehin nicht erforderlich. Ausreichend dürfte sein - ohne dass der Senat diese Frage hier abschließend zu entscheiden hat -, dass die Werbebemühungen der Beklagten auf Grund des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Klägerinnen letztlich leer gelaufen sind und bei ihr nicht zu einer ansonsten zu erwartenden Umsatzsteigerung geführt haben.

6. Die begehrte Auskunftserteilung ist den Klägerinnen auch unter Abwägung mit ihren berechtigten Interessen ohne weiteres zuzumuten.

a. Der Zeitaufwand für die Auskunftserteilung ist - hierauf weist die Beklagte zutreffend hin - mit Hilfe elektronischer Warenwirtschaftssysteme minimal, zumal es sich nur um einen einzigen Artikel und eine zeitlich eingegrenzte Werbekampagne handelt.

b. Zwar mag es sich bei den Umsatzzahlen der Klägerinnen um besonders sensible Angaben handeln, an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Auf einen Vorrang dieses schützenswerten Interesses können sich die Klägerinnen indes zumindest nicht gegenüber der Beklagten berufen. Denn mit der konkreten Art des Wettbewerbsverstoßes haben sie sich gegen einen bestimmten Wettbewerber gerichtet und gezielt versucht, mit sittenwidrigen Werbemethoden in dessen Geschäft einzubrechen. Durch einen derart groben Wettbewerbsverstoß haben sie so massiv in die Umsatzentwicklung eines konkreten Mitbewerbers eingegriffen bzw. einzugreifen versucht, dass sie sich jedenfalls diesem Unternehmen gegenüber nicht auf ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung ihrer Umsätze berufen können, die mit der konkreten Wettbewerbshandlung im Zusammenhang stehen. Denn das Interesse der Beklagten, den ihr durch das gezielt gegen sie gerichtete Verhalten der Klägerinnen entstandenen Schaden ausgeglichen zu erhalten, überwiegt einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse der Klägerinnen.

7. Der Senat teilt auch die Auffassung der Klägerinnen nicht, die Beklagte habe es bislang versäumt, die konkrete Art und Weise der von ihr beabsichtigten Schadensberechnung darzulegen und könne sich deshalb unter dem Gesichtspunkt von § 242 BGB nicht auf eine Auskunftsverpflichtung auch hinsichtlich der getätigten Umsätze berufen. Da es sich - wie dargelegt - bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung um einen Ausnahmefall handelt, bei dem anders als sonst mit einiger Wahrscheinlichkeit aus den Verletzerumsätzen tragfähige Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung gewonnen werden können, bedurfte es weiterer Darlegungen der Beklagten nicht. Diese sind allenfalls dann geboten, wenn der Verletzte Auskünfte verlangt, die nach der Lebenswahrscheinlichkeit für die Schadensberechnung entweder nicht erforderlich oder nicht Erfolg versprechend sind. Gerade darum handelt es sich bei den von den Klägerinnen getätigten Umsätzen nicht.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung der von dem Bundesgerichtshof u.a. in der Sache "Auskunftsansprüche über erzielte Umsätze" (BGH NJOZ 02, 1993, 1994) aufgestellten Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Ende der Entscheidung

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