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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 5 U 136/06
Rechtsgebiete: ChemG, Richtlinie 98/8/EG


Vorschriften:

ChemG § 3b Abs. 1
ChemG § 15a Abs. 2
Richtlinie 98/8/EG
1. Auch reine Naturprodukte (hier: in Pellets gepresstes Gerstenstroh) können Biozide i.S.d. einschlägigen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften sein.

2. Für die Eigenschaft als Biozid bzw. Biozid-Produkt i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 1 ChemG bzw. Art. 2 Abs. 1.a RL 98/8/EG ist allein ausschlaggebend, dass die fragliche Substanz chemisch (oder biologisch) auf den Schadorganismus wirkt und vom Hersteller hierzu bestimmt ist. Unerheblich ist, ob die biozide Wirkung durch die Beigabe eines ansonsten vollständig unbedenklichen, unveränderten Naturprodukts oder durch eine hierzu eigens hergestellte Wirkstoffkombination eintritt.

3. Die Biozid-Richtlinie und das ChemG regeln allein die abstrakte Gefährlichkeit von Stoffen. Durch die verwendete weite Begriffsfassung werden im Interesse einer gemeinschaftsweit einheitlichen Handhabung auch solche Stoffe bzw. Substanzen vor dem Inverkehrbringen zunächst einem formalisierten Zulassungsverfahren unterworfen, deren Risikopotential bzw. konkrete Gefährlichkeit noch nicht feststeht, sondern im Rahmen dieses Zulassungsverfahrens erst geklärt werden soll.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftszeichen: 5 U 136/06

Verkündet am: 28. März 2007

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter

Betz, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Rieger, Richter am Oberlandesgericht Alander, Richterin am Amtsgericht

nach der am 14. März 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 05.07.06 wird - soweit die Antragstellerin den Verfügungsantrag nicht zurückgenommen hat - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin zu Ziffer I.a. der einstweiligen Verfügung vom 18.05.06 verpflichtet ist, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr das Produkt "bio algenstop plus" zu bewerben, ohne in einer sich deutlich vom Rest der Werbung abhebenden Weise die folgenden Sätze hinzuzufügen: "Biozide sicher verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformation lesen!", wobei das Wort "Biozide" durch eine genauere Bezeichnung der Produktart ersetzt werden kann;

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz trägt die Antragsgegnerin 3/4, die Antragstellerin trägt 1/4.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung in Anspruch. Die Parteien sind Wettbewerber bei der Herstellung und dem Vertrieb von Zubehörprodukten für Aquaristik. Die Antragstellerin beanstandet als Mitbewerberin die konkrete Art der Bewerbung eines Algenbekämpfungsmittels für künstlich angelegte Gewässer.

Die Antragstellerin bietet u.a. ein Produkt "AlgoSol" (Anlage ASt6) an, das seine Wirksamkeit gegen Algen auf Grund der enthaltenen chemischen Wirkstoffe entfaltet. Auf der Produktverpackung findet sich der gem. § 15a Abs. 2 ChemG erforderliche Hinweis: "Kennzeichnung gemäß EU-Richtlinie 98/8/EG: Algizide sicher verwenden! Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformation lesen".

Die Antragsgegnerin hat ein Produkt unter dem Namen "bio algenstop plus" (Anlage ASt2) auf den Markt gebracht. Sie bietet ihr Produkt seit August 2005 u.a. im Internet an. Dieses Produkt wird auf der Umverpackung als "Naturprodukt gegen Algen" bezeichnet. Auf der Produktverpackung findet sich kein entsprechender Hinweis gemäß § 15a Abs. 2 ChemG, auch im Internet bewirbt sie ihr Produkt ohne diesen Hinweis. Wirksamer Bestandteil dieses Produkts ist nach Darstellung der Antragsgegnerin ursprüngliches, unverändertes Gerstenstroh, das lediglich gepresst und in Pellets verarbeitet ist (Anlage AG2). Zu den Wirkmechanismen des Produkts der Antragsgegnerin finden sich auf der Umverpackung u.a. folgende Hinweise:

- "Mikroorganismen beseitigen Schwebealgen"

- "Bernstein-Lichtfilter verhindert Fadenalgen-Wachstum"

- "Sera pond bio algenstop plus gibt nach wenigen Stunden bernsteinfarbene Pflanzenwirkstoffe frei und bildet eine Vielzahl nützlicher Mikroorganismen. Das Wachstum von Algen aller Art wird nachhaltig beeinträchtigt. Besonders Schwebealgen (grünes Wasser) werden vertilgt"

Weiter heißt es auf der Umverpackung:

- "Bei weißlicher, milchiger Wassertrübung sera pond bio algenstop vorübergehend aus dem Teich entfernen".

Die Antragstellerin beanstandet die Bezeichnung des Produkts und die Gestaltung von dessen Umverpackung als wettbewerbswidrig.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, das Produkt sei als Biozid-Produkt im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 1 ChemG einzustufen. Sie ist der Auffassung, das Produkt der Antragsgegnerin unterfalle- unbeschadet seiner Herkunft aus Naturstoffen -ebenfalls dieser Begriffsbestimmung im Rechtssinne. Es könne nicht darauf ankommen, ob die Einwirkung auf die Mikroorganismen auf chemischem oder auf biologischem Wege geschehe. Die Antragsgegnerin sei deshalb verpflichtet, das Produkt in ihrer Werbung mit einem Gefahrenhinweis gemäß § 15a Abs. 2 ChemG zu kennzeichnen. Die Bezeichnung des Produkts als "bio algenstop plus" sowie als "Naturprodukt", stelle deshalb auch eine unzulässige Verharmlosung im Sinne des § 15a Abs. 2 S. 3 ChemG dar. Als Wettbewerberin stünden ihr aufgrund der Gesetzesverstöße Unterlassungsansprüche zu.

Die Antragstellerin trägt vor, das Produkt der Antragsgegnerin sei eine "Zubereitung" aus Gerstenstroh, Humin- und Fulvosäuren sowie Gerbstoffen, wobei die Huminsäure beigemischt sei. Das Produkt entfalte seine Wirkung nicht nur mittelbar durch Schaffung einer Nährstoffkonkurrenz, sondern die zugefügte Huminsäure wirke darüber hinaus unmittelbar auf die Algen ein. Ein Musterexemplar des Produkts samt Verpackung habe sie erst im März 2006 zur Kenntnis genommen. Auf der Messe "Zooevent 2005" am 15./16. Oktober 2005 in Kassel - auf der beide Parteien vertreten waren - habe sie von der Existenz des Produkts keine Kenntnis erlangen können, weil die Antragsgegnerin ihren Mitarbeitern aufgrund einer Kontroverse zwischen den Parteien ein generelles "Standverbot" erteilt habe.

Die Antragstellerin hat in erster Instanz beantragt,

die Antragsgegnerin zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen,

1. im Geschäftsverkehr das Produkt "bio algenstop plus" zu bewerben und/oder anzubieten, ohne in einer sich deutlich vom Rest der Werbung abhebenden Weise die folgenden Sätze: "Biozide sicher verwenden. Vor Gebrauch stets beiligendes Merkblatt lesen!", wobei das Wort "Biozide" durch eine genauere Bezeichnung der Produktart ersetzt werden kann;

und/oder

2. im Geschäftsverkehr den in Anlage ASt2 beigefügten Algen-Vernichter unter der Bezeichnung "bio algenstop plus" anzubieten und/oder zu bewerben;

und/oder

3. im Geschäftsverkehr das Produkt "bio algenstop plut" zu bewerben mit der Werbeaussage "Naturprodukt gegen Algen".

Das Landgericht hat die Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 18.05.06 (unter Bezugnahme auf die als Anlage beigefügten Ablichtungen der Außenverpackung der Anlage ASt2) zur Unterlassung verpflichtet.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, die Art und Weise ihrer Produktwerbung sei zulässig, weil es sich bei dem von ihr vertriebenen Algenbekämpfungsmittel nicht um ein Biozid-Produkt handele. Das von ihr verkaufte reine Gerstenstroh sei schon kein Biozid-Wirkstoff im Sinn des § 3b ChemG, weil es an einer unmittelbaren Einwirkung auf Schadorganismen fehle. Sie behauptet, Huminsäuren, Fulvosäuren und Pflanzengerbstoffe erreichten ausschließlich einen "Bernstein-Filter-Effekt". Sie hätten neben der gelblichen Färbung des Wassers, durch die der Lichteinfall gemindert werde, keine weiteren Effekte auf im Gewässer lebende Organismen. Zudem könne das Algenbekämpfungsmittel keiner Produktgruppe gemäß Anhang V der EU-Richtlinie 98/8/EG zugeordnet werden. Auch unterscheide die Richtlinie zwischen Kennzeichnung von Produkten und der Produktwerbung. Die Aufmachung ihrer Verpackung sei aus diesem Grund in jedem Fall zulässig. Es mangele auch an einem Verfügungsgrund. Dringlichkeit liege nicht vor, weil die Antragstellerin sowohl durch einen Artikel im "pet"-Fachmagazin 10/2005, als auch durch ihren Stand auf der Messe "Zooevent" 2005 Kenntnis von dem Produkt hätte erlangen können. Vor Stellung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein halbes Jahr verstreichen zu lassen, stelle grob fahrlässige Unkenntnis dar.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung auf den mit einem Abweisungsantrag verbundenen Widerspruch der Antragsgegnerin mit Urteil vom 05.07.06 aufrechterhalten. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin verfolgt in zweiter Instanz ihr Abweisungsbegehren hinsichtlich der Verfügungsanträge zu 1. und 3. weiter. Die Antragsgegnerin wiederholt im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Darüber hinaus rügt sie die Gleichsetzung der Begriffe "spezifisch" und "allgemein" aus § 3b Abs. 1 Nr. 2 ChemG mit den Begriffen "mittelbar" und "unmittelbar" durch das Landgericht. Mit allgemeiner Wirkung meine der Gesetzgeber Stoffe, die den Schadorganismus im Ganzen angreifen. Mit spezifischer Wirkung seien demgegenüber Stoffe gemeint, die nur auf bestimmte Lebensfunktionen der Schadorganismen einwirkten. Auch habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass reines Gerstenstroh keinen die Umwelt gefährdenden Effekt habe. Die Antragsgegnerin bezieht sich auf ein Papier des European Chemicals Bureau (ECB), der Europäischen Koordinierungsbehörde für Chemikalienrecht (AG 11). Darin ist die Behörde der Auffassung, ein Produkt sei nur als Biozid einzustufen, wenn es einen direkten Effekt auf oder gegen die Schadorganismen habe. Weiterhin beanstandet sie, das landgerichtliche Urteil verpflichte sie zu der Erteilung eines Gefahrenhinweises, der gesetzlich in der Form nicht vorgeschrieben sei. Sie werde zudem entgegen § 15a ChemG dazu verpflichtet, den Hinweis auch auf der Produktkennzeichnung- und verpackung aufzubringen. Die Antragsgegnerin bezieht sich dazu auf eine Stellungnahme der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (AG 13).

Das Landgericht habe auch zu Unrecht einen Verfügungsgrund angenommen. Sie habe nicht nur die abstrakte Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Antragstellerin von dem Produkt aufgezeigt, sondern mehrere konkrete Möglichkeiten. Selbst wenn die Antragstellerin nach eigenem Vortrag erst im März 2006 Kenntnis erlangt haben sollte, fehlt es an der Dringlichkeit, wenn sei erst über zwei Monate später den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.

Den Verfügungsantrag zu 2. hat die Antragstellerin zurückgenommen, nachdem die Antragsgegnerin in der Senatssitzung am 14.03.07 eine strafbewehrte Verpflichtungserklärung mit folgendem Inhalt abgegeben hatte:

"... zu unterlassen, die Verpackung für das Produkt "bio algenstop plus" in der Form, wie sie als Anlage ASt2 streitgegenständlich ist, weiter auf den Markt zu bringen".

Im Übrigen verteidigt die Antragstellerin auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Anträge das landgerichtliche Urteil. Sie ist der Auffassung, das Vorbringen der Antragsgegnerin im Hinblick auf die fehlerhafte Formulierung des Gefahrenhinweises habe sich durch die Tatbestandsberichtigung erledigt. Darüber hinaus meint sie, das European Chemical Bureau übe lediglich eine beratende Funktion aus und verfüge über keinerlei Rechtsetzungsbefugnisse. § 15a Abs. 2 Satz 3 ChemG verlange keine konkrete Gefährlichkeit. Vielmehr genüge schon eine abstrakte Gefährlichkeit für eine Gesundheitsbeeinträchtigung der Produktnutzer. Ein Verfügungsgrund liege schon deshalb vor, weil die Darlegung der bloßen Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht genüge. Sie treffe keine Marktbeobachtungspflicht.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist weitgehend unbegründet, soweit die Verfügungsanträge weiterhin zur Entscheidung durch den Senat gestellt sind. Das Landgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht zur Unterlassung verurteilt. Der Senat verweist zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

1. Bei dem Produkt der Antragsgegnerin handelt es sich im Ergebnis auch nach Auffassung des Senats um ein Biozid-Produkt im Sinne von Art. 2 Abs. 1. a) der Richtlinie 98/8/EG in Verbindung mit § 3b Abs. 1 Nr. 1 ChemG mit der Folge, dass die in § 15a Abs. 2 ChemG normierten Verpflichtungen zur Aufnahme von Gefahrenhinweisen bzw. zum Verbot verharmlosender Werbung auch auf das Produkt "bio algenstop plus" Anwendung finden.

a. Das streitgegenständliche Produkt ist als Algenbekämpfungsmittel grundsätzlich von der einschlägigen EG-Richtlinie erfasst. Der Interpretation, welche die Antragsgegnerin dem Anhang V der Richtlinie 98/8/EG gibt, vermag der Senat nicht beizutreten.

aa. Der Antragsgegnerin ist zwar darin beizupflichten, dass es sich bei ihrem Produkt nicht um ein "Desinfektionsmittel" im Sinne dieser Vorschrift handelt. Darin erschöpft sich der Anwendungsbereich der Anlage V jedoch nicht. Vielmehr sind in der "Produktart 2" mehrere unterschiedliche Produktgruppen geregelt, nämlich zum einen "Desinfektionsmittel" sowie zum anderen "andere Biozid-Produkte". Bei diesen anderen Biozid-Produkten handelt es sich nicht um eine Untergruppe der Desinfektionsmittel, sondern um eine eigenständige Produktkategorie, wie die Verknüpfung mit dem Aufzählungswort "sowie" anzeigt. Auch in der konkreten Umschreibung der Produkteigenschaften stehen "Produkte zur Desinfektion" sowie "als Algenbekämpfungsmittel verwendeten Produkte" gleichwertig neben einander. Die im Zusammenhang mit den Desinfektionsmitteln beschriebenen Anwendungsweisen beziehen sich nach dem semantischen Zusammenhang nicht gleichermaßen auf die Algenbekämpfungsmittel. Insoweit sind dem Anhang V keine einschränkenden Verwendungszusammenhänge zu entnehmen. Vielmehr sind hiervon Algenbekämpfungsmittel in jeder Wirkungsform und Anwendungsweise umfasst. Bei Letzteren ist insbesondere nicht vorausgesetzt, dass diese nicht direkt mit Lebens- oder Futtermitteln in Berührung kommen.

bb. Nach der Definition der Anlage V handelt es sich bei Algenbekämpfungsmittel per se um "andere Biozid-Produkte". Die Antragsgegnerin bewirbt das streitgegenständliche Produkt ausdrücklich als ein solches Algenbekämpfungsmittel. Dies steht zwischen den Parteien letztlich auch nicht im Streit. Für die Beurteilung des Rechtsstreits entscheidend ist deshalb allein die Frage, ob das Produkt der Antragsgegnerin als "Algenbekämpfungsmittel" im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist. Insoweit trifft allerdings der Standpunkt der Antragsgegnerin zu, dass durch die Aufnahme des Begriffs "Algenbekämpfungsmittel" in die Anlage V der Anwendungsbereich der Richtlinie nicht erweitert wird. Deshalb gilt auch in diesem Zusammenhang, dass nur solche Algenbekämpfungsmittel erfasst sind, die ihrerseits ein Biozid bzw. rechtlich als ein solches zu behandeln sind.

b. Dementsprechend kommt es für die hier zu beurteilende Streitfrage entscheidend darauf an, ob das Produkt der Beklagten ein "Biozid" im Sinne der einschlägigen Vorschriften ist, obwohl es sich um ein reines Naturprodukt handelt. Diese Frage ist auch nach Auffassung des Senats zu bejahen.

aa. Es ergibt sich bereits bei einer Orientierung am Wortlaut der Vorschriften, dass auch reine Naturprodukte, denen keine sonstigen, chemischen wirksamen Substanzen hinzugefügt worden sind, Biozide sein können.

aaa. Art. 2 Abs. 1.a) der Richtlinie 98/8/EG normiert ein äußerst umfassendes Begriffsverständnis. Danach fallen unter den Begriff der Biozide nicht nur solche Substanzen, die Schadorganismen "zerstören" bzw. "unschädlich machen", sondern auch solche, die Schädigungen lediglich "verhindern" oder Schadorganismen "in anderer Weise" bekämpfen. Zudem kommt es nach der Definition der Richtlinie auch nicht auf die konkrete Wirkung im Einzelfall, sondern nur darauf an, wozu diese Wirkstoffe "bestimmt sind". Diese weite Begriffsbestimmung erfasst - insbesondere durch das Auffang-Tatbestandsmerkmal "in anderer Weise zu bekämpfen" - letztlich jede Art von chemischer bzw. biologischer Wirkung, die zu einem zumindest hemmenden Effekt auf den Schadorganismus führt.

bbb. Das Produkt der Antragsgegnerin ist als "Biozid-Produkt" i. S. v. § 3b Abs. 1 Nr. 1 ChemG entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift auch dazu bestimmt, "... auf ... biologischen Wege Schadorganismen ... unschädlich zu machen....". Das Landgericht geht insoweit - aus Sicht des Senats ohne sachlichen Unterschied - von der Fallgruppe "in anderer Art und Weise zu bekämpfen" aus. Bei den zu "bekämpfenden" Algen handelt es sich auch um Schadorganismen i. S. v. Nr. 6 dieser Vorschrift. Denn sie stellen sich nicht lediglich als "optischer Mangel" dar, sondern sind in ihrer konkreten Erscheinung für den Menschen, zumindest aber für in Teichen lebende Fische unerwünscht.

ccc. In diesem Zusammenhang kommt es nach Auffassung des Senats nicht entscheidend darauf an, ob es sich bei dem Produkt der Antragsgegnerin um eine "Zubereitung" i. S. d. Begriffsbestimmung von § 3 Nr. 4 ChemG handelt. Insoweit mögen in der Tat erhebliche Zweifel bestehen, denn die Wirkstoffe sind ihrerseits Bestandteile (Inhaltsstoffe) eines einheitlichen Ausgangsstoffes (Gerstenstroh), nicht jedoch Ergebnis einer Mischung bzw. Vermengung. Hiervon hängt indes der Anwendungsbereich der Norm nicht ab. Denn § 3 Nr. 1 ChemG erfasst ebenfalls "Stoffe", und zwar auch solche, "wie sie natürlich vorkommen". Soweit danach Huminsäure, Gerbstoffe und Fulvosäure ohne chemische bzw. produkttechnische Veränderungen originär in dem verwendeten Ausgangsprodukt (Gerstenstroh) vorkommen, sind sie zumindest von diesem Begriff erfasst.

bb. Nach der Definition der Richtlinie ist weder die konkrete Art und Weise dieser Wirkung noch die konkrete chemische Zusammensetzung des Wirkstoffs entscheidend für die Frage, ob ein Biozid vorliegt. Vor diesem Hintergrund ist es für die Biozid-Eigenschaft eines Produkts unerheblich, ob es - wie das Produkt der Antragsgegnerin - aus reinen Naturstoffen besteht und nicht unmittelbar, sondern allenfalls mittelbar auf den Schadorganismus wirkt (dazu s.u.).

cc. Es kommt bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise der nationalen und europarechtlichen Vorschriften auch nicht darauf an, ob es bei dem Einsatz dieses Produkts konkret zu einer Gefährdung von Teichfischen und/oder Menschen kommt. Entsprechend der Begriffsbestimmung in § 3b Abs. 1 Nr. 2 ChemG handelt es sich bei einem Biozid-Wirkstoff nicht nur um solche Stoffe, die eine spezifische Wirkung auf oder gegen Schadorganismen entfalten. Von dieser Vorschrift erfasst sind nach ihrem Wortlaut darüber hinaus auch solche Stoffe, die in diesem Sinne nur allgemein wirken. Auch die weiteren Voraussetzungen von § 3b Abs. 1 Nr. 2 ChemG sind entsprechend dem Wortlaut der Norm erfüllt. Die in dem Produkt der Antragsgegnerin enthaltenen Stoffe (Huminsäuren, Gerbstoffe und Fulvosäuren) sind nach der eigenen Darstellung der Antragsgegnerin ausdrücklich zur Verwendung als Wirkstoffe in ihrem (Biozid-) Produkt bestimmt. Denn nur kraft dieser Wirkstoffe ist der von der Antragsgegnerin beworbene Wirkeffekt ihres Produkts zu erreichen. Bei dieser Sachlage ist es unerheblich, ob diese Wirkstoffe ihrerseits Bestandteile eines Naturprodukts (Gerstenstroh) oder als chemische Bestandteile gesondert hinzugefügt worden sind. Ebenso unerheblich für die rechtliche Einstufung ist die Frage, welche konkrete Eigenschaft des Wirkstoffs sich die Antragsgegnerin für ihr Produkt zu Nutze machen will. Entscheidend ist allein, dass der Wirkstoff in der beschriebenen Weise rechtlich relevante Wirkungen entfaltet. Dabei mag es sein, dass z. B. Huminsäure (für Gerbstoffe und Fulvosäuren gilt Entsprechendes) nur mittelbar Auswirkungen auf das Algenwachstum entfaltet. Damit wäre möglicherweise nur die "spezifische Wirkung" i. S. v. § 3b Abs. 1 Nr. 2 ChemG angesprochen. Dies ändert jedoch unter Umständen nichts daran, dass unverändert "allgemeine Wirkungen" auf das Algenwachstum beabsichtigt sind und auch bewirkt werden.

c. Dementsprechend ist - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - nicht entscheidend die Frage, ob die Qualifizierung eines Wirkstoffs als Biozid-Produkt voraussetzt, dass die hiermit herbeizuführenden Wirkungen unmittelbar an den zu bekämpfenden Schadorganismen eintreten, nämlich durch eine biologische bzw. chemische Einwirkung auf den Schadorganismus selbst.

aa. An einer derart unmittelbaren Wirkung mag es hier fehlen. Die erwünschte Wirkungsweise wird vielmehr - jedenfalls nach der Darstellung der Antragsgegnerinnen, die allerdings mit ihren eigenen Angaben auf der Produktverpackung unvereinbar ist - mittelbar dadurch erzielt, dass durch eine Anregung des Wachstums von (anderen) Mikroorganismen den (schädlichen) Algen diejenigen Nährstoffe entzogen werden (Phosphat), die sie für ihr Wachstum benötigen. Diese Abläufe sind - hierin ist der Antragsgegnerin ohne Weiteres zuzustimmen - möglicherweise nicht diejenigen "klassischen" Funktionsmechanismen, von denen der nationale und der europäische Gesetzgeber in erster Linie bei der Regelung der Vorschriften für Biozid-Produkte ausgegangen ist. Es mag auch sein, dass nicht jede irgendwie geartete mittelbare Wirkung - im Sinne einer "conditia sina qua non"-Formel - ausreichend sein könne, die Biozid-Eigenschaft zu begründen. Auch das Argument der Antragsgegnerin, das Begriffspaar "spezifisch - allgemein" seien nicht notwendigerweise gleichbedeutend mit "unmittelbar - mittelbar", ist nicht so ohne Weiteres von Hand zu weisen.

bb. Die Sichtweise der Antragsgegnerin, eine "allgemeine" Wirkung greife den Schadorganismus als Ganzen an, während eine "spezifische" Wirkung nur auf bestimmte Lebensfunktionen einwirke, ist zwar eine mögliche Betrachtung. Sie führt nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall indes nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Nach Sachlage wollte der europarechtliche Richtliniengeber diese Begriffe so verstanden wissen, dass damit ein möglichst weiter Anwendungsbereich abgedeckt ist. Entscheidend ist nicht der von der Antragsgegnerin in den Vordergrund gestellte Blickwinkel einer gezielten Algenbekämpfung. Der Richtliniengeber hat sich nach dem Verständnis des Senats vielmehr für einen Blickwinkel der chemischen bzw. biologischen Gesamtwirkungen entschieden. Damit sind auch Produkte wie das diejenigen der Antragsgegnerin der Richtlinie unterworfen.

aaa. Die Antragsgegnerin hat zwar dargelegt, dass Gerstenstroh und Algen unmittelbar zu keinerlei Interaktion führten, dass also Gerstenstroh nicht auf den Schadorganismus Alge wirkt. Wollte man die Richtlinie so verstehen, dass die gegen den Organismus selbst gerichtete Wirkungsweise die besondere Gefährlichkeit eines Biozids ausmacht, weil die Substanz den Zielorganismus beeinträchtigt oder schädigt, so könnte möglicherweise an ein einschränkendes Verständnis des Wortlauts der Norm gedacht werden. Von dem - von der Antragsgegnerin dargestellten, jedoch keineswegs unstreitigen - Blickwinkel der Algenbekämpfung aus betrachtet, erfüllt Gerstenstroh (neben dem "Bernstein-Lichtfiltereffekt") allein die Funktion, Kohlenstoff freizusetzen. Dieser Kohlenstoff wiederum fördert auf natürliche Weise das Wachstum von Mikroorganismen. Da diese Mikroorganismen weiterhin Phosphat zum Wachstum benötigen, treten sie insoweit in eine "Nährstoffkonkurrenz" zu den Algen, die ihrerseits für ihre Vermehrung auf Phosphat angewiesen sind. Hierdurch wird das Algenwachstum unterbunden. Insoweit bewirkt das Gerstenstroh eine Algenbekämpfung. Dieser Blickwinkel - sofern er sich als inhaltlich richtig erweisen sollte - beschreibt aber allein die zielgerichtete Funktion des Produkts der Antragsgegnerin.

bbb. Von dem Blickwinkel der chemischen bzw. biologische Gesamtwirkungen aus betrachtet, kommt es hingegen zu der Anreicherung von Huminsäure, Gerbstoffen und Fulvosäuren, die im Wasser chemische Reaktionen hervorrufen. Unabhängig davon, ob diese unmittelbar für die Algenbekämpfung als solche ursächlich sind, stellt sich allein schon die Verminderung des Lichteinfalls ("Bernsteineffekt") ohne Weiteres als eine auf das Gesamtsystem wirkende chemische Reaktion dar, die im Zweifel die für Biozide typischen Wirkungen hervorruft und letztlich eine entsprechende Einordnung erfordert.

ccc. Unabhängig davon legt Antragsgegnerin selbst ihrem Produkt ausdrücklich und unmissverständlich konkret biozide Wirkungen bei. Denn sie behauptet hierzu u. a. auf der Produktverpackung und in einem Werbeartikel (Anlage AG9 und Anlage ASt3):

"Die Pellets geben pflanzliche Wirkstoffe frei, die sicher und nachhaltig die Vermehrung aller Algenarten hemmen. So bilden sich bereits wenige Tage nach dem Einbringen verschiedene Mikroorganismen, die vor allem Schwebealgen (grünes Wasser) vollständig vertilgen" (Unterstreichung durch den Senat).

Von der im Rahmen dieses Verfahrens hervorgehobenen "Nährstoffkonkurrenz" ist in dieser Außendarstellung der Antragsgegnerin zu der Wirkungsweise ihres Produkts keine Rede. Die Antragsgegnerin selbst bewirbt ihr Produkt mit einer anderen Funktionsweise - nämlich eine gezielte Algenvernichtung -, als sie im vorliegenden Rechtsstreits - eine Hemmung des Algenwachstum - geltend macht. Ihre Werbung erweckt auch keineswegs den Anschein, dass das Gerstenstroh lediglich einen biologische Prozess unterstützt, der ohnehin im Teich stattfindet. Vielmehr muss der Anwender den Eindruck erhalten, erst durch das Produkt der Antragsgegnerin könnten sich überhaupt diejenigen Mikroorganismen bilden, die sodann gezielt die Algen "vertilgen". Letztlich hat die Antragsgegnerin damit selbst ihr Produkt als "Algenbekämpfungsmittel" im Sinne der Anlage V der Richtlinie qualifiziert. Sie kann sich im vorliegenden Rechtsstreit nicht mit Überzeugungskraft darauf berufen, dass diese Angaben unrichtig sein.

ddd. Dieser Art der Bewerbung einer bestimmten Wirkungsweise ist für die Einordnung als Biozid auch ohne weiteres von Bedeutung. Dies ergibt sich unter anderem aus dem von beiden Parteien eingereichte "Manual of decisions for implementation of directive 98/8/EC concerning the placing on the market of biocidal products" der Europäischen Koordinierungsbehörde für Biozid-/Chemikalienrecht. Dort heißt es unter Ziff. 2.6.2.2. zu der Einordnung von Zedernholz als Biozid im Sinne der Biozid-Richtlinie im Rahmen der Antwort:

"If the company responsible for placing this product on the market, considers cedar wood to be effective against moths and places it on the market as a biocidal product, indicating that it is effective, it is concidered to be a biocidal product."

Damit kommt auch nach der Interpretation dieser Behörde - auf die sich die Antragsgegnerin an anderer Stelle für ihren Rechtsstandpunkt bezieht - der Wirkungsweise, die der Hersteller seinem Produkt selbst beilegt, wenn er dieses auf dem Markt platziert, eine entscheidende Bedeutung dafür zu, ob das Produkt im Sinne der Richtlinie als Biozid anzusehen ist oder nicht. Die Antragsgegnerin hat ihrem Produkt im Rahmen von Werbung und Produktverpackung eindeutig biozide Wirkungen beigelegt.

ddd. Der Senat ist auch nicht gehindert, diese Angaben der Entscheidung des Rechtsstreits zu Grunde zu legen, obwohl die Antragsgegnerin in der Senatssitzung am 04.03.07 zu der konkreten Verpackungsgestaltung (Anlage ASt2) eine Unterwerfungserklärung abgegeben hat. Zum einen sind davon werbliche Angaben nicht erfasst, die an anderer Stelle gemacht worden sind, so in dem "pet"-Fachmagazin für Heimtiere Ausgabe 10/2005 (Anlage AG9). Im übrigen hat die Antragsgegnerin auch in keiner Weise erklärt, im Hinblick auf welche konkreten Bestandteile der äußeren Verpackung die Unterwerfungserklärung abgegeben wird. Sie hat vielmehr in der Senatssitzung auf Nachfrage ausdrücklich betont, hierzu keine weiteren Angaben machen zu wollen. Damit bleibt in jeder Hinsicht offen, ob mit der Unterwerfung wegen der konkreten Produktverpackung auch die Wiederholungsgefahr zu allen bzw. einzelnen hierauf enthaltenen Äußerungen, die im Rahmen der Entscheidung dieses Rechtsstreits relevant sind, entfallen ist. Denn es bleibt nicht auszuschließen, dass die Antragsgegnerin sich nur deshalb unterworfen hat, weil sie ohnehin eine Umgestaltung der Produktverpackung in einer für diesen Rechtsstreit gänzlich unerheblichen Weise beabsichtigt. Im übrigen war Gegenstand des Verfügungsantrags zu 1.b. in erster Linie die auf dieser Verpackung verwendete Bezeichnung "bio algenstop plus", nicht jedoch die sonstigen hierauf befindlichen Textangaben.

cc. Auch unabhängig von den vorstehenden Ausführungen bleiben für die von der Antragsgegnerin aufgestellten Zweckmäßigkeitsüberlegungen im Anwendungsbereich einer europaweit geltenden Richtlinie kein Raum. Vielmehr sind die einschlägigen Regelungen nach Auffassung des Senats jedenfalls in ihrem schutzbereichrelevanten Umfang wörtlich zu nehmen. Für eine einschränkende Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften, die sich möglicherweise nur auf unmittelbar "gefährlich" wirkende Stoffe beschränkt, ist kein Raum. Soweit die Antragsgegnerin in der Berufungsinstanz maßgeblich versucht, diese Frage im Wege einer teleologischen Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Biozid-Richtlinie zu lösen, wie er sich nach ihrer Auffassung aus den Erwägungsgründen (insbesondere Nr. 3, Nr. 8 und Nr. 11) ergibt, erscheint dem Senat ein solcher Weg - worauf im Folgenden noch näher einzugehen sein wird - nicht als gangbar, ohne dass eine solche Bestimmung des Anwendungsbereichs der Norm diese konturenlos macht, was ihrer praktischen Handhabbarkeit entgegensteht. Die Antragsgegnerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Biozid-Richtlinie in ihren Regelungszweck entscheidend darauf abstellt, "Risiken für Mensch und Umwelt" einzugrenzen. Andererseits hat sich der Richtliniengeber damit begnügt, dass die der Regelung unterworfenen Stoffe nur dazu bestimmt sein müssen, die genannten Wirkungen am Zielorganismen zu erreichen. Dem steht eine Sichtweise entgegen, die fordert, dass für jeden Einzelfall die konkreten Risiken für Mensch und Umwelt nachgewiesen werden müssen.

d. Allenfalls dann, wenn sich diese allgemeinen Wirkungen ansonsten vollständig gewässerneutral gestalteten und das Produkt auch in seiner denkbaren Maximalkonzentration keinerlei Risiken für Mensch und Umwelt beinhaltet, wäre die Frage unter Umständen erwägenswert, ob der Anwendungsbereich der Vorschriften durch einen derartigen Wirkstoff überhaupt tangiert wird. So verhält es sich im vorliegenden Fall aber nicht.

aa. Die Antragstellerin hat unter Bezugnahme auf die Anlage ASt9 dargelegt, dass Huminsäuren auch im Übrigen direkt und indirekt in biologische Prozesse in Oberflächengewässern eingreifen. Schon mit dieser Wirkung sind die Voraussetzungen eines Biozid-Wirkstoffs allgemein erfüllt. Die Antragsgegnerin hält dem zwar entgegen, dass es für die Frage der Wirkung eines Stoffes in einem System stets maßgeblich auch auf die Konzentration des Stoffes ankommt. Deshalb könnten die von der Antragstellerin zu den Inhaltsstoffen angegebenen allgemeinen Wirkungen (z. B. stark gerbend, antisepitisch, adstringierend) bei der vorschriftsmäßigen Anwendung des Produkts der Antragsgegnerin in dieser Form nicht eintreten. Hiervon hängt indes rechtliche Einordnung nach der Richtlinie 98/8/EG nicht entscheidend ab. Denn diese orientiert sich gerade nicht an der konkreten Konzentration, sondern an der Zweckbestimmung, mit der das Produkt bzw. Inhaltsstoffen verwendet wird.

bb. Wenn schon fraglich sein kann, ob reines Gerstenstroh als Naturprodukt überhaupt in einer Menge in ein Oberflächenwasser eingebracht werden kann, die zu irgendeiner schädlichen Konzentration dieser Wirkstoffe bzw. einer relevanten chemischen Reaktion führt, mag zwar eine solche Situation gegeben sein.

aaa. So verhält es sich aber schon nach der eigenen Darstellung der Antragsgegnerin nicht. Diese trägt selbst vor - und wirbt damit -, dass die Verwendung ihres Produkts durch die Humin- und Fulvosäuren sowie Gerbstoffe zu einer gelblichen Färbung ("Bernsteinfärbung") des Gewässers führe, welches den Lichteinfall verringert, die Photosynthese einschränkt und damit das Algenwachstum hindert. Schon hierbei handelt es sich nach dem Verständnis des Senats ohne Weiteres um eine chemische bzw. biologische Reaktion in Bezug auf aquatische Organismen, der im Rahmen von Art. 2 Nr. 1.a) der RL 98/8/EG eine Relevanz nicht abgesprochen werden kann.

bbb. Auch im Übrigen ergibt sich der Umstand, dass das Produkt "bio algenstop plus" in chemisch relevanter Art und Weise in das biologische Gefüge eines Gewässers eingreift, bereits aus der eigenen Produktdarstellung der Antragsgegnerin. Die Umverpackung ihres Produkts enthält den Hinweis

"Bei weißlicher, milchiger Wassertrübung sera pond bio algenstop vorübergehend aus dem Teich entfernen".

Ein derartiger Warnhinweis belegt nicht nur besonders nachdrücklich die sich ergebenden chemischen Reaktionen unter Verwendung des Produkts der Antragsgegnerin. Er kann aus Sicht des Senats auch nur dann veranlasst sein, wenn hiervon irgendeine Art von nicht völlig unerheblichen Risiken ausgeht. Ansonsten bestünde keinerlei Veranlassung den Verbrauchern ausdrücklich zu empfehlen, das Produkt aus dem Teich zu entfernen, zumal dies nach Sachlage möglicherweise mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden ist.

ccc. Bei dieser Sachlage ist es auch unschädlich, dass die Antragstellerin, die wiederholt behauptet hatte, die in dem Algenvernichter (der Antragsgegnerin) enthaltenen Inhaltsstoffe entfalteten eine nachteilige Wirkung auf die Zieleorganismen, den Nachweis dafür schuldig geblieben ist, dass dies (unter Berücksichtigung der konkreten Einbringung in das Gewässer sowie die Konzentration) unter realen Nutzungsbedingungen auch tatsächlich so ist. Die Antragstellerin hat ihren diesbezüglichen Sachvortrag zwar nur auf allgemeine wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, die mit dem konkreten Anwendungsbereich eines Naturprodukts möglicherweise nicht in Bezug stehen. Darauf kommt es im vorliegenden Fall jedoch auch nicht entscheidend an. Denn die Biozid-Richtlinie - und das ChemG - regelt nach dem Verständnis des Senats auch eine nur abstrakte Gefährlichkeit. Dieses Begriffsverständnis ist auch von dem EuGH bestätigt worden. Der EuGH hat in der Entscheidung vom 27.06. 96 in der Rechtssache C-293/94 (EuGHE I 1996, 3159-3178) ausdrücklich ausgesprochen:

"Da Biozid-Produkte für die Bekämpfung von Organismen verwendet werden, die für die Gesundheit von Menschen oder Tieren schädlich sind oder Schäden einen Naturprodukten oder gewerblichen Erzeugnissen verursachen können, enthalten sie zwangsläufig gefährlicher Stoffe" (Unterstreichung durch den Senat).

Die Antragstellerin hat unter Bezugnahme auf Literaturmeinungen ausgeführt, "dass Huminstoffe auch eine direkte biozide Wirkung haben können". Diese Aussage dürfte letztlich nicht ernsthaft streitig sein, zumal die Antragstellerin selbst auf ihrem Produkt "AlgoSol" ausdrücklich mit dem Hinweis "frei von Huminsäuren" wirbt. Ein derartiger Werbehinweis ist überhaupt nur dann verständlich, wenn es sich bei Huminsäuren zumindest auch um einen unerwünschten Stoff handelt.

d. Die Klassifizierung von - möglicherweise - chemisch und biologisch nur schwache wirksamer Substanzen als Biozid im Sinne der Richtlinie 98/8/EG ist auch interessengerecht und beeinträchtig die Rechte der Antragsgegnerin nicht unangemessen.

aa. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass bei einem derartigen Verständnis der gesetzlichen Vorschriften nur noch wenig Raum für irgendeine Art von "biologisch" ungefährlich wirkenden Stoffen bleiben dürfte. Denn letztlich sind hiermit stets in irgendeiner Weise biologische oder chemische - und nicht nur physikalische - Wirkmechanismen bezweckt und verbunden.

bb. Die hiermit verbundenen Folgen sind indes überschaubar und nicht diskriminierend.

aaa. Der Richtliniengeber hat nach dem Verständnis des Senats bezweckt, durch ein weites Begriffsverständnis eine Vielzahl von Produkten zu erfassen, die sich möglicherweise auf einer "Grenzlinie" zwischen bioziden und nicht-bioziden Wirkungsweisen bewegen. Wie erheblich insoweit die faktische Unsicherheit ist, zeigt das Manual of decisions for implementation of directive 98/8/EC concerning the placing on the market of biocidal products" (Anlage AG11 und ASt12), auf das sich beide Parteien berufen haben. Diese Sammlung von Fragestellungen und einzelfallbezogenen Antworten macht deutlich, dass - auch unabhängig von dem vorliegenden Fall - die Frage, ob ein Produkt bzw. ein Wirkstoff als Biozid im Sinne der Richtlinie anzusehen ist, häufig nicht bzw. nicht für jede Verwendungsart eindeutig beantwortet werden kann.

bbb. Bei einer derartigen Sachlage ist zur Umsetzung einer EG-Richtlinie eine einheitliche Rechtsanwendung im gesamten Bereich der Europäischen Gemeinschaft sicherzustellen. Diese Absicht liegt ersichtlich auch der Richtlinie zu Grunde. Denn es heißt in Erwägungsgrund im 9:

"Zur Gewährleistung eines harmonisierten Konzeptes in den Mitgliedstaaten sind gemeinsame Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Biozid-Produkten erforderlich".

Diesem Ziel kann ersichtlich nicht dadurch Rechnung getragen werden, dass die nationalen Gerichte in allen Mitgliedstaaten die hiermit zusammenhängenden chemischen und biologischen Abläufe für den jeweiligen Einzelfall individuell klären bzw. bewerten und dadurch den Anwendungsbereich der Richtlinie für das Gebiet ihrer Rechtsprechungszuständigkeit definieren.

ccc. Ein derartiges Vorgehen wäre auch aus einem anderen Grund erkennbar nicht interessengerecht. Die Richtlinie 98/8/EG sieht nämlich nicht etwa ein Verbot von Bioziden vor, sondern unterwirft diese lediglich einem Zulassungsverfahren für ihr Inverkehrbringen sowie bestimmten Hinweispflichten. Dieses Zulassungsverfahren verfolgt zumindest auch den Zweck, die Biozid- Eigenschaft eines Produkts und dessen - unter Umständen nicht vorhandenes - Risikopotenzial festzustellen und zu bestimmen. Dementsprechend ist das Forum, in dem die von den Parteien aufgeworfenen Streitfragen letztlich zu klären sind, nicht ein Wettbewerbsprozess vor dem nationalen Gericht eines Mitgliedstaates, sondern das nach der Biozid-Richtlinie vorgesehene formalisierte Zulassungsverfahren. Nur dann, wenn dieses die Biozid-Eigenschaft eines Produktes ergibt, erwachsen hieraus weitere Handlungspflichten, insbesondere die von der Antragstellerin verlangten Hinweispflichten und Werbeverbote. Findet eine - vermutete - Biozid-Eigenschaft hingegen keine Bestätigung, unterliegt das Produkt auch keinen weiteren Beschränkungen nach der Richtlinie.

ccc. Das von beiden Parteien eingereichte "Manual of decisions for implementation of directive 98/8/EC concerning the placing on the market of biocidal products" (Anlage AG11 und ASt12) der Europäischen Koordinierungsbehörde für Biozid-/Chemikalienrecht bietet ein weiteres Argument für die Notwendigkeit einer gemeinschaftsweit einheitlichen Bestimmung, die ein Produkt im Zweifel dem Zulassungsverfahren der Richtlinie unterwirft. Das Manual enthält rechtlich nicht bindende Meinungsäußerungen. Dort war unter Ziff. 2.3.1.13 zu dem Themenbereich "Nutriments for beneficial micro-organisms" in einer ähnlichen Sachverhaltsgestaltung bei der Papierherstellung die Auffassung vertreten worden:

"Under the assumption that the product consisting of the nutriments when added to the additives only support the growth of those micro-organisms that do not produce undesired metabolites, and has no significant direct effect on the other micro-organism, this product is not a biocidal product."

Selbst wenn man hieraus Argumente für den Rechtsstandpunkt der Antragsgegnerin herleiten wollte, hat die Antragstellerin ihrerseits unter anderem unter Hinweis auf Ziff.2.6.3.2. (Zedernholz) dargelegt (s.o.), dass der Handbuch ohne Weiteres auch in gegenteiliger Aussagen in Bezug auf reine Naturprodukte zu entnehmen sind, insbesondere wenn diese mit den Eigenschaften eines Biozids beworben werden. Vor diesem Hintergrund erscheint dem Senat eine eindeutige und in der Gemeinschaft einheitlich gehandhabte Begriffsbestimmung als besonders notwendig.

ddd. Die Folgen der sich bei Anwendung der Richtlinie ergebenden Hinweispflichten sind auch nicht unverhältnismäßig. Denn die Richtlinie statuiert bei der Verwendung von Biozid-Wirkstoffen in dem hier relevanten Anwendungsbereich nur einen allgemein gehaltenen Warnhinweis ("Biozide sicher verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformationen lesen"), der nicht viel mehr als eine Selbstverständlichkeit bei der Verwendung eines jeden Produktes umschreibt, mit dem in einem Gesamtorganismus (spezifische) Wirkungen erzielt werden sollen. Der danach vorgeschriebene Hinweis ist weder besonders abschreckend noch diskriminierend für den Verwender.

eee. Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, es beeinträchtige sie erheblich, wenn sie mit ihrem "Naturprodukt" hierdurch auf eine Stufe mit chemischen Algenvernichtern gestellt werde, ist diese Befürchtung zwar nachvollziehbar und verständlich. Denn gerade von diesen Mitteln möchte sie sich absetzen. Die Interessenlage der Antragstellerin ist indessen ebenso eindeutig. Denn die Antragstellerin will vermeiden dass sich Konkurrenten - wie die Antragsgegnerin - dadurch einen erheblichen wettbewerblichen Vorteil verschaffen, dass sie sich im Verkehr unter Hinweis auf ihr (mit positiven Assoziationen besetztes) "Naturprodukt" gegenüber der (häufig mit negativen Assoziationen besetzen) "Chemie" der Konkurrenz abzusetzen versuchen. Insbesondere hieraus beantwortet sich auch die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Frage einer (fehlenden) wettbewerblichen Relevanz. Ein derartiger Gegensatz besteht nur dann, wenn das (vermeintliche) Naturprodukt tatsächlich kein Biozid im Sinne der Richtlinie ist. Dies festzustellen ist nach dem Verständnis des Senats - neben der Regulierung ebenfalls - Ziel und Gegenstand des einheitlichen Zulassungsverfahrens nach der Biozid-Richtlinie. Hierzu heißt es in Erwägungsgrund 5:

"Durch den Regelungsrahmen sollte dafür gesorgt werden, dass Biozid-Produkte zur Verwendung nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn die entsprechenden Verfahren dieser Richtlinie eingehalten worden sind."

Diesem Zweck der Richtlinie entnimmt der Senat, dass auch in Zweifelsfällen - wie es sich etwa in der vorliegenden Situation zeigt - das nach der Richtlinie vorgesehene Zulassungsverfahren durchzuführen ist, um die Biozid-Eigenschaft rechtsverbindlich mit den sich hieraus ergebenden Regelungen festzustellen.

fff. Der Hinweis der Antragsgegnerin, das Prüfungs- und Anerkennungsverfahren eines Biozid-Produkts nach Maßgabe der Richtlinie sei kompliziert, zeitaufwändig sowie teuer, und sie sich diesem nicht ohne Not aussetzen wolle, ist zwar ohne Weiteres nachvollziehbar. Eine einheitliche Handhabung innerhalb der Gemeinschaft gebietet es nach Auffassung des Senats aus den genannten Gründen jedoch, bei Produkten, die - wie dasjenige der Antragsgegnerin - zumindest eine potenziell biozide Wirkung haben, durch das vorgesehene formalisierte Verfahren festzustellen, ob die Biozid-Verordnung auf sie Anwendung findet oder nicht. Hierdurch ergibt sich auch für die Antragsgegnerin eine erhebliche Rechtsklarheit.

2. Die Antragsgegnerin hat allerdings zutreffend die Fassung des Verbotstatbestandes zu I.a. der angefochtenen Entscheidung bzw. der ihr zu Grunde liegenden einstweiligen Verfügung beanstandet.

a. Rechtlich begründet war der Verfügungsantrag insoweit nur nach dem Wortlaut von § 15a Abs. 2 ChemG, der einen Warnhinweis mit der Formulierung "Biozide sicher verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformationen lesen." vorschreibt. Die tenorierte Verpflichtung: "Vor Gebrauch beiliegendes Merkblatt lesen" setzt gem. Art. 20 Abs. 3 Satz 3 lit.g der Biozid-Richtlinie voraus, das ein solches Merkblatt tatsächlich beigefügt ist. Hierfür hatte die Antragstellerin nichts vorgetragen. Dieser Warnhinweis betrifft zudem nur die Produktkennzeichnung i. S. v. Art. 20 der Richtlinie, nicht jedoch die Produktwerbung i. S. v. Art. 22 der Richtlinie bzw. § 15a ChemG. Im letztgenannten Anwendungsbereich hat es zu heißen "Biozide sicher verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformationen lesen.". Der Tatbestandsberichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 27.07.06 betraf ausschließlich eine Berichtigung des Urteilstatbestands, der an den Wortlaut der einstweiligen Verfügung angeglichen worden ist. Die einstweilige Verfügung ihrerseits ist hierdurch unverändert geblieben.

b. Auch soweit das Landgericht diese Kennzeichnungsverpflichtung, die sich nach den genannten Vorschriften ausdrücklich nur auf die Werbung bezieht, ebenfalls auf die Produktverpackung erstreckt, teilt der Senat diesen Rechtsstandpunkt nicht. Denn Art. 20 und Art. 22 der Richtlinie unterscheiden zwischen diesen Sachverhalten ausdrücklich und legen unterschiedliche Aufklärungspflichten fest. Diese differenzierte Regelung in der Richtlinie kann nicht unter Berufung auf ein weites Verständnis des Begriffs "Werbung" überwunden werden. Art. 20 Abs. 3 der Richtlinie schreibt ausdrücklich vor, wie Biozid-Produkte zu kennzeichnen sind und welche Angaben die Kennzeichnung enthalten muss. Diese Regelung, die unter anderem auch die Verpflichtung zur Angabe "unerwünschter unmittelbarer oder mittelbare Nebenwirkungen" enthält, ist nach Auffassung des Senats gegenüber den Vorschriften zur Werbung in Art. 20 der Richtlinie als abschließend zu betrachten. § 15 a ChemG ist richtlinienkonform auszulegen. Der dort zugrunde gelegte Begriff der "Werbung" hat von dem Verständnis der Richtlinie auszugehen. Dementsprechend geht die einstweilige Verfügung zu weit, soweit sie auch die Alternative "und/oder anzubieten" umfasst. Insoweit wirkte sich die einstweilige Verfügung in der Tat als unmittelbares Vertriebsverbot aus. Die Antragsgegnerin weist zu Recht darauf hin, dass die für die Werbung gesetzlich vorgeschriebene Formulierung schon deshalb für die Produktkennzeichnung nicht anwendbar sein kann, weil ansonsten der Wortlaut widersinnig wäre, der seinerseits auf die Lektüre der "Kennzeichnung" verweist.

3. Demgegenüber ist die Fassung des Verbotstatbestandes zu I. I. c. nicht zu beanstanden. Die Werbung für das Produkt der Antragsgegnerin mit dem Begriff "Naturprodukt" stellt eine unzulässig verharmlosende Werbung im Sinne von § 15a Abs. 2 Satz 3 ChemG dar, und zwar selbst dann, wenn das Produkt ausschließlich aus reinem Gerstenstroh - und damit tatsächlich aus einem Naturprodukt - besteht. Mit diesem Begriff verbinden die angesprochenen Verkehrskreise überwiegend die Annahme, dass ein derartiges Produkt vollständig unproblematisch und ungefährlich ist. Dies ist indes nicht der Fall. Entsprechend der Begriffsbestimmung des EuGH (s.o.) enthalten Biozide zwangsläufig gefährliche Stoffe. Dies gilt auch für solche Produkte, die - wie das Produkt der Antragsgegnerin - grundsätzlich der Biozid-Richtlinie unterfallen und (noch) nicht durch ein Zulassungsverfahren von ihrer Geltung freigestellt sind. Allerdings betrifft § 15a ChemG auch insoweit allein die Werbung, nicht jedoch die Produktbezeichnung.

4. Für die Antragstellerin streitet schließlich auch die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG.

a. Es mag sein, dass die Werbung für das Produkt der Antragsgegnerin auf S. 69 in derselben Zeitschrift ("Pet"-Fachmagazin für die Heimtier- und Gartenbranche" 10/2005) abgedruckt ist, in der auf S. 42 auch ein Artikel über die Antragstellerin enthalten ist. Aus diesem Umstand ergibt sich indes nicht, dass die Antragstellerin bereits zu diesem Zeitpunkt die Produktaufmachung bzw. Werbung der Antragsgegnerin zur Kenntnis genommen hat bzw. hätte zur Kenntnis nehmen müssen. Es besteht keine tatsächliche Vermutung dergestalt, dass eine Zeitschrift vollständig gelesen wird, selbst wenn sich in dieser ein Artikel über das eigene Unternehmen befindet. Abweichendes folgt auch nicht aus der gleichzeitigen Anwesenheit beider Parteien auf der Fachmesse" Zooevent 2005" im Oktober 2005. Dies umso weniger, als sich die Stände beide Parteien auf dieser Messe in unterschiedlichen Hallen befunden haben. Die Antragstellerin weist zutreffend darauf hin, dass dem verletzen Wettbewerber nach ständiger Rechtsprechung der Senate für Gewerblichen Rechtsschutz des Hanseatischen Oberlandesgerichts eine Marktbeobachtung nicht obliegt.

b. Auch der (unstreitige) Zeitlauf zwischen der ersten Kenntnisnahme (Mitte März 2006), dem Erwerb eines Produktmusters (Anfang April 2006) und der Einreichung des Verfügungsantrags (Mitte Mai 2006) ist im Ergebnis nicht dringlichkeitsschädlich. Die Antragstellerin hatte hierzu zunächst nur erklärt, sie habe "erst durch die darauf folgende Prüfung dieses Produkts" die Kenntnis von denjenigen Umständen erhalten, die den Verstoß begründen, ohne Konkretes dazu vorzutragen, welche Maßnahmen sie in dieser Zeit unternommen hat, die geeignet und erforderlich waren, ihr Rechtsschutzziel zügig zu erreichen. Da es vorliegend um chemische und biologische Wirkmechanismen geht, die möglicherweise nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen, ist der Antragstellerin ein derartiger Prüfungszeitraum zuzubilligen, selbst wenn sie - was unstreitig ist - über eigenen Sachverstand im Haus verfügt. Der Geschäftsführer der Antragstellerin hat dem Senat in der Sitzung dargelegt, welche erforderlichen Informationen er selbst als Fachmann einholen musste, um sich ein verlässliches Bild von der chemischen Wirkungsweise des Produkts zu verschaffen. Dieser Vortrag ist geeignet, eine Zeitdauer von circa 5 Wochen nach Erhalt des Produkts bis zur Einreichung des Verfügungsantrages noch nachvollziehbar zu machen, so dass eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung nicht eingetreten ist.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 269 Abs. 3, 97, 92 ZPO. Soweit die Antragstellerin ihre Klage hinsichtlich des Verfügungsantrages zu I.b. in der Senatssitzung zurück genommen hat, hat sie die anteiligen Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dabei hat der Senat entsprechend dem Interesse der Antragstellerin an einer grundsätzlichen Klärung der Biozid-Eigenschaft den Streitwert den Teilstreitwert für den Verfügungsantrags zu 1.a. mit € 50.000.- und diejenigen Teilstreitwerte für die Verfügungsanträge zu 1.b und 1.c. mit jeweils € 25.000.- bemessen. Die abweichende Formulierung des Verfügungsantrags zu 1.a. stellt sich letztlich als kostenneutrale Klarstellung dar.

Ende der Entscheidung

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