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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 05.05.2004
Aktenzeichen: 5 U 171/03
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 2
UWG § 3
1. Führt ein Hersteller ein verändertes Produkt ein, bei dem er für die Einhaltung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften auf eine bisher zusätzlich erforderliche Sicherungsmaßnahme verzichten kann (hier: Netzfreischaltung), so stellt sich die Bewerbung mit den Zusätzen "ohne Netzfreischaltung" bzw. "erübrigt Netzfreischaltung" nicht als unzulässige Herabsetzung bzw. als unzulässiger Werbevergleich gegenüber denjenigen Herstellern dar, die nach wie vor mit dieser Technik arbeiten.

2. Dieser Grundsatz gilt selbst dann, wenn die Verwendung der zusätzlichen Sicherungsmaßnahme weiterhin eine höhere Sicherheit bietet.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

5 U 171/03

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 5. Mai 2004

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch nach der am 21. April 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 13.08.2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Wettbewerber in der Herstellung und im Vertrieb von Pflegebetten. Die Antriebstechnik für die Betten der Antragstellerin wird überwiegend mit einer sog. Netzfreischaltung angeboten. Dabei wird durch eine Relaisschaltung in der Steckdose gewährleistet, dass die Stromzufuhr nicht dauerhaft, sondern nur für den Moment der Betätigung des Handschalters durch den Patienten aktiviert ist. Die Betten der Antragsgegnerin waren in der Vergangenheit vorwiegend mit einem sog. EI-Kerntrafo ausgestattet. Zur Reduktion der mit dieser Technologie nicht bzw. nur schwer einzuhaltenden Grenzwerte der Stör- und Streufelder im Ruhestadium hatte auch die Antragsgegnerin in der Vergangenheit zusätzlich eine Netzfreischaltung eingesetzt. Nunmehr verwendet die Antragsgegnerin für ihre Betten einen sog. Ringkern-Trafo, der eine gegenüber dem EI-Trafo erheblich geringere Ruhestromaufnahme ausweist.

In einem vierseitigen Farbprospekt unter der Bezeichnung "Sicherheitskonzept" (Anlage ASt3) bewirbt die Antragsgegnerin ihre Pflegebetten neben einer Vielzahl weiterer (technischer) Hinweise unter anderem mit der Aussage:

Sicherheit ohne Netzfreischaltung

* Ringkerntrafo mit geringer Ruhestromaufnahme und minimalen Streufeldern erübrigt den Einsatz einer empfindlichen Netzfreischaltung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Äußerungszusammenhangs wird auf die Anlage ASt3 Bezug genommen. Dieses Verhalten beanstandet die Antragstellerin als wettbewerbswidrig. Sie hält die angegriffene Werbebehauptung für irreführend und pauschal herabsetzend.

Die Antragstellerin hat in erster Instanz beantragt,

die Antragsgegnerin zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000.-, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre), zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr in der Werbung für ihr Pflegebett zu äußern:

"Sicherheit ohne Netzfreischaltung" Ringkerntrafo mit geringer Ruhestromaufnahme und minimalen Streufeldern erübrigt den Einsatz einer empfindlichen Netzfreischaltung....."

wie auf Seite 2a) wiedergegeben.

Bereits vor dieser Antragstellung hatte sich die Antragsgegnerin am 17.04.2003 auf die Abmahnung der Antragstellerin strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu äußern, dass Netzfreischaltungen bzw. das technische Prinzip der Netzfreischaltung "empfindlich" sind.

Das Landgericht hatte die Antragsgegnerin zunächst mit einstweiliger Verfügung vom 29.04.2003 entsprechend dem gestellten Antrag zur Unterlassung verpflichtet, diese Verfügung auf den mit einem Abweisungsantrag verbundenen Widerspruch der Antragsgegnerin aber mit Urteil vom 13.08.03 wieder aufgehoben und den Verfügungsantrag zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragstellerin. Die Antragstellerin verfolgt in zweiter Instanz unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ihren Verfügungsantrag weiter, den sie im Hinblick auf die außergerichtliche Teilunterwerfung nunmehr ohne das Wort "empfindlichen" zur Entscheidung stellt. Die Antragsgegnerin verteidigt auf der Grundlage des bereits erstinstanzlich gestellten Abweisungsantrags das landgerichtliche Urteil.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat den Verfügungsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen und die ursprünglich erlassene einstweilige Verfügung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin wieder aufgehoben. Mit der zum Gegenstand des Verfügungsantrags gemachten Werbebehauptung wirbt die Antragsgegnerin weder entgegen § 3 UWG irreführend noch setzt sie die Antragstellerin mit ihren Produkten in sittenwidriger oder sonst wie anstößiger Weise herab. Auch die Voraussetzungen eines nach diesen Normen in Verbindung mit § 2 UWG unzulässigen Werbevergleichs liegen nicht vor. Das Berufungsvorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist eine aus einem Werbe- bzw. Angebotsprospekt für Pflegebetten der Antragsgegnerin (Anlage ASt3) entnommene Formulierung, die die Antragstellerin als wettbewerbswidrig angreift. Durch die ebenfalls zum Gegenstand des Antrags gemachte Seite des Prospekts, auf der diese Äußerung enthalten ist, sowie die Verknüpfung der Äußerung mit der Prospektseite durch die Wendung "wie auf Seite 2a) wiedergegeben", ist Streitgegenstand nicht jede isolierte Verwendung der angegriffenen Äußerung. Als rechtsverletzend angegriffen wird nur die konkrete Verletzungsform, d.h. die Einbettung der Äußerung in der ebenfalls in den Antrag aufgenommenen Prospektseite. Dementsprechend ist für die Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit das konkrete Äußerungsumfeld mit einzubeziehen, in der die Formulierung erscheint.

2. Mit ihrem Werbeprospekt wendet sich die Antragsgegnerin an diejenigen Verkehrskreise, die an dem Erwerb eines Pflegebetts interessiert sind. Dabei handelt es sich nach Sachlage zu einem erheblichen Teil - nach Darstellung der Antragsgegnerin zu ca. 95 % -, aber nicht ausschließlich um Fachkreise, die Pflegebetten im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit einsetzen. Hiefür kommen in erster Linie Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser und sonstige Einrichtungen der Pflege und Gesundheitsfürsorge in Betracht. Da insbesondere alte Menschen heute in nicht unerheblichem Umfang von ihren Angehörigen auch zu Hause versorgt werden, wenn dies die Situation zulässt, kommen als Adressaten der angegriffenen Werbung aber ebenfalls - wenn auch nicht vorrangig - die allgemeinen Verkehrskreise in Betracht.

3. Für die Frage, ob sich die angegriffene Werbebehauptung als irreführend i.S.v. § 3 UWG darstellt, ist zunächst zu ermitteln, mit welchem Bedeutungsgehalt sie von den angesprochenen Verkehrskreisen verstanden wird. Ist eine Werbeaussage mehrdeutig, muss der Werbende im Rahmen von § 3 UWG die für ihn ungünstigste Verständnisalternative gegen sich gelten lassen (BGH GRUR 82, 563 - Betonklinker). Die angegriffene Werbeaussage bezieht sich in ihrer von der Antragstellerin als wettbewerbswidrig empfundenen Aussagerichtung hauptsächlich auf die "Netzfreischaltung". Dieser Begriff wird sowohl in der Überschrift als auch im Fließtext verwandt.

a. Für diejenigen Teile der angesprochenen Verkehrskreise - wie dies bei pflegenden Angehörigen der Fall sein wird -, denen dieser technische Begriff (ebenso wie die Bedeutung von "Ringkerntrafo" usw.) in seinem konkreten Bedeutungsgehalt nicht vertraut ist, ergibt sich von vornherein kein maßgebliches Irreführungspotenzial. Denn diese Verkehrskreise sind ohnehin gehalten, sich zum Verständnis der Werbeaussage mit den technischen Gegebenheiten näher vertraut zu machen, um die von der Antragsgegnerin vermittelte Botschaft verstehen zu können. Dies vor allem deshalb, weil das als Anlage ASt3 vorgelegte "Sicherheitskonzept", aus dem die streitgegenständliche Aussage entnommen ist, insbesondere auf S. 3 eine Fülle von Fachbegriffen und fachlichen Bezugnahmen enthält, die dem Laien nicht geläufig sind. Im Zusammenhang mit einer danach erforderlichen näheren Befassung werden diese Verkehrskreise in der Regel auch ausreichende Informationen über die unterschiedlichen Systeme sowie deren Vor- bzw. Nachteile erlangen (können). Deshalb fehlt es der angegriffenen Behauptung gegenüber diesen Verkehrskreisen schon im Ansatz an einem hinreichenden Irreführungspotenzial der angegriffenen Aussage als solcher.

b. Den Fachverkehrskreisen, d.h. den Erwerbsinteressenten, die Pflegebetten in ihrem beruflichen Umfeld einsetzen, ist das von der Antragstellerin bereits in der Antragsschrift dargelegte Sicherheitsrisiko bei der Verwendung herkömmlicher El-Kerntrafos ohne Netzfreischaltung in aller Regel aus ihrem beruflichen Erfahrungswissen unmittelbar bekannt. Sie haben insbesondere Kenntnis von der Brandgefahr elektrisch betriebener Pflegebetten z.B. durch Kurzschlüsse sowie sonstige nachteilige Auswirkungen elektrischer Streufelder auf die bettlägerigen Patienten. Denn entsprechende Vorfälle sind in der Vergangenheit wiederholt vorgekommen, wie die Antragstellerin durch den als Anlage ASt7 vorgelegten Untersuchungsbericht des BKA dargelegt hat. Dementsprechend wissen diese Verkehrskreise jedenfalls in laienhaftem technischen Verständnis, welche Funktion eine Netzfreischaltung erfüllt. Sie wissen insbesondere, dass durch eine solche (für die Grundfunktion des Pflegebetts nicht vorausgesetzte) Zusatzschaltung ungünstigen Nebenwirkungen (hoher Ruhestrom und erhebliche Streufelder von EI-Kerntrafos selbst in der Ruheschaltung) entgegengewirkt und damit die Sicherheit des Pflegebetts gegenüber einer dauerhaften Verbindung mit dem Stromnetz erhöht werden kann. Hierin liegt auch aus Sicht der Antragstellerin der maßgebliche Vorteil der von ihr vertriebenen Systeme.

4. Vor diesem Verständnishintergrund stellt sich die angegriffene Werbebehauptung nicht als irreführend, sondern als wettbewerbsrechtlich zulässig dar. Denn die Antragsgegnerin weist in nicht zu beanstandender Weise darauf hin, dass die von ihr gegenwärtig ausgelieferte Technik unter Verwendung eines Ringkerntrafos konstruktiv bereits unabhängig von Zusatzgeräten - und damit anders als die bisher von ihr und/oder Dritten verwendete Technik mit El-Kerntrafos - nur eine geringe Ruhestromaufnahme mit sich bringt und minimale Streufelder verursacht.

a. Aus dem Äußerungszusammenhang der Anzeige - z.B. der Überschrift "Sicherheit ohne Netzfreischaltung" - entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise nach Auffassung des Senats lediglich die Botschaft, dass die Pflegebetten der Antragsgegnerin nunmehr "aus sich selbst heraus" sicher seien, mithin keiner Zusatzfunktion im Wege einer Netzfreischaltung bedürften, um den im Verkehr im Umgang mit einem Produkt dieser Art erwarteten Sicherheitsanforderungen zu genügen. Auf diese Veränderung in ihrer Produktgestaltung darf die Antragsgegnerin auch hinweisen, ohne sich dem Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit auszusetzen. Sie darf es insbesondere in Abgrenzung allein zur "Netzfreischaltung", ohne sich zugleich auch von ihrer "alten" Technologie unter Verwendung eines "El-Kerntrafos" vollständig distanzieren zu müssen. Denn die Antragstellerin sagt aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nicht mehr, als dass ihr Produkt nunmehr ohne Zusatzmaßnahmen letztlich unmittelbar an die Steckdose angeschlossen werden kann. Ein Irreführungsvorwurf ist der Antragsgegnerin insoweit nicht zu machen. Der Senat hält es für fern liegend, dass maßgebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise die Werbemaßnahme anders verstehen könnten.

b. Die vorstehenden Ausführungen gelten jedenfalls in Ansehung der Besonderheiten des vorliegenden Falles. Diese bestehen darin, dass die Antragsgegnerin selbst in der Vergangenheit die Technik der Netzfreischaltung verwendet hatte, von der sie sich nunmehr in der angegriffenen Werbung abgrenzt. Dementsprechend ist diese Aussage in erster Linie als Selbst- bzw. Eigenvergleich zu verstehen und wird von den angesprochenen Verkehrskreisen auch so verstanden. Der Senat hat nicht über eine Fallkonstellation zu entscheiden, in der sich die Antragsgegnerin mit der von einem Konkurrenten verwendeten Technik auseinander setzt, derer sie sich selbst nie bedient hat.

5. Soweit mit dieser Behauptung zugleich ein Vorsprung gegenüber solchen Systemen und Anbietern - wie der Antragstellerin - zum Ausdruck gebracht wird, bei denen eine Netzfreischaltung weiter zum Einsatz kommt, liegt ein solcher Äußerungsinhalt in der Natur der Sache einer wahrheitsgemäßen Darstellung des eigenen Produkts ohne unsachliche oder unangemessene Zielrichtung. Deshalb stellt sich die Werbebehauptung auch weder als Systemvergleich noch als unangemessen herabsetzend i.S.v. § 1 UWG oder in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 4 UWG als unzulässige vergleichende Werbung dar. Die Antragsgegnerin beschränkt sich auf die objektive Darstellung der Sachlage. In diesem Zusammenhang sind auch die Wendungen "ohne Netzfreischaltung" bzw. "erübrigt den Einsatz..." nicht zu beanstanden. Zwar ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass solche Wendungen - je nach Äußerungszusammenhang - einen wettbewerbswidrigen Sinngehalt haben können. Ein solcher ist hier jedoch nicht verwirklicht. Denn in dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise stellt sich die Netzfreischaltung als Zusatzmaßnahme dar, auf die nach Möglichkeit (schon wegen zusätzlicher Kosten, Wartungserfordernissen etc.) verzichtet werden sollte, sofern das Pflegebett selbst in der - hinsichtlich der elektrischen Bedienung - inaktiven Phase die für eine sichere Verwendung erwünschten Anforderungen erfüllt. Nur dies bringt die Antragsgegnerin mit ihrer Werbung zum Ausdruck. Auch dies vermag der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen der potenziellen Käufer von Pflegebetten gehören, aus eigener Sachkunde zu beurteilen.

6. Ohne Bedeutung für die Entscheidung des Rechtsstreits ist die von der Antragstellerin erörterte Frage nach einer quantitativen Zielrichtung der Aussage. Denn die angesprochenen Verkehrskreise entnehmen der Werbeäußerung der Antragsgegnerin nichts dazu, wie hoch z.B. die Ruheaufnahme bzw. das Streufeld bei ihrem Pflegebett absolut ist bzw. wie sich dieser Wert zu Konkurrenzprodukten verhält. Insbesondere ist in dieser Aussage kein Vergleich mit den bei der Verwendung einer Netzfreischaltung zu erreichenden Werten enthalten. Für ein derartiges Verständnis fehlt es entgegen der Auffassung der Antragstellerin an jeglichem Anhaltspunkt. Soweit der Verkehr aufgrund der Werbebehauptung überhaupt (mittelbar) Veranlassung zu irgendwelchen Vergleichen hat, beziehen sich diese - unausgesprochen - auf EI-Kerntrafos, zu denen gerade die Antragstellerin darauf hingewiesen hatte, dass die Ruhestromaufnahme sowie die Streufeldentwicklung erheblich ausgeprägt seien. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass die von ihr verwendeten Adjektive weder ausdrücklich noch implizit einen Komparativ beinhalten, so dass die etwa höhere Betriebs-(nicht Ruhe-)werte bei Verwendung eines El-Kerntrafos bei Netzfreischaltung nicht zur Diskussion stehen.

7. Gleiches gilt für die von der Antragstellerin in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gestellte Frage, welches der Systeme sicherer sei. Es mag sein, dass der Einsatz eines Transformators mit Netzfreischaltung sicherer ist als eine entsprechende Lösung ohne Netzfreischaltung. Dies liegt auch für den technischen Laien auf der Hand. Denn ein Zustand ohne jeglichen Ruhestrom ist in Sachen Sicherheit einem Zustand mit - wenngleich minimalem - Ruhestrom überlegen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin musste die Antragsgegnerin derartige qualitative Unterschiede in ihrer Werbung aber weder erwähnen noch zutreffend gewichten.

a. Mit diesem Verlangen überspannt die Antragstellerin die Anforderungen, die an eine wahrheitsgemäße Werbeanpreisung zu stellen sind, erheblich. Denn die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die Aussage der Antragsgegnerin nicht dahin, dass ihr System das Sicherste oder das einzig sichere sei. Vielmehr entnehmen sie der Äußerung vor dem Hintergrund der oben dargestellten Historie einer früheren eigenen Nutzung der Netzfreischaltung durch die Antragsgegnerin, dass Sicherheitsprobleme von Trafolösungen ohne Netzfreischaltung mit der Ringkerntrafo-Lösung nunmehr weitestgehend behoben worden sind. Eine absolute Sicherheit ist bei Nutzung von elektrischer Energie nie vollständig zu erreichen. Über diese Kenntnis verfügt auch der technische Laie. Deshalb verstehen die angesprochenen Verkehrskreise die angesprochene Werbeaussage so, dass die von der Antragsgegnerin angebotene Lösung (nunmehr) auch ohne Netzfreischaltung die einschlägigen gesetzlichen Sicherheitsvorschriften (EN 60601-1-2) erfüllt. Darauf, dass das System der Antragstellerin - zumindest in bestimmten Bereichen - noch sicherer ist, muss die Antragsgegnerin nicht hinweisen. Dabei kann unterstellt werden, dass die von der Antragstellerin mit Anlagen ASt7 bis ASt10 glaubhaft gemachten Sachverhalte zutreffen. Solange Pflegebetten ohne Netzfreischaltung verkehrsfähig sind und die Sicherheitsanforderungen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers erfüllen, ist es der Antragsgegnerin nach Auffassung des Senats trotz der von Antragstellerin vorgetragenen Probleme gestattet, wie geschehen auch mit dem Sicherheitsaspekt zu werben. Dem steht auch die als Anlage ASt11 vorgelegte gutachterliche Stellungnahme des TÜV Product Service (ohne Datum) nicht entgegen. Selbst wenn die "Netzfreischaltung einige sicherheitstechnische und ökonomische Vorteile" (Unterstreichung nur hier) bietet und das Resümee des Sachverständigen unter dem Gesichtspunkt des sicherheitstechnisch Wünschenswerten zutreffend sein sollte, führt dies aus den genannten Gründen jedoch nicht zur Wettbewerbswidrigkeit der angegriffenen Werbeaussage. Es ist Sache des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers, etwaige Konsequenzen aus der von der Antragstellerin in Anlagen ASt7 bis ASt10 beschriebenen Sachlage zu ziehen.

b. Ohnehin unterliegt der gesamte diesbezügliche zweitinstanzliche - neue - Vortrag der Antragstellerin der Zurückweisung wegen Verspätung gem. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Relevante Zulassungsgründe sind nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht worden. Insbesondere hat das Landgericht die von der Antragstellerin in zweiter Instanz betonten Fragen nicht im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO übersehen oder (zu Unrecht) für unerheblich gehalten. Es hat sie lediglich - zu Recht - abweichend gewürdigt.

c. Mit ihrem Sachvortrag trifft die Antragstellerin aber auch aus einem anderen Grund nicht den Kern des Rechtsstreits. Die (ebenfalls) angegriffene Überschrift "Sicherheit ohne Netzfreischaltung" wird u.a. durch den ihr untergeordneten Text des ersten Anführungspunktes erläutert. Hieraus entnimmt der Leser zwanglos, dass die Antragstellerin mit ihrer Behauptung zur Sicherheit an die Aspekte "Ruhestromaufnahme" und "Streufelder" anknüpft. Dass es daneben vielfältige weitere Sicherheitsrisiken (z.B. die von der Antragstellerin beschriebenen Risse bzw. Kabelbrüche mit ihren Folgen) gibt, weiß der Verkehr und bezieht die Werbeaussage deshalb nicht auf den Ausschluss auch all jener Risiken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.



Ende der Entscheidung

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