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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 05.12.2002
Aktenzeichen: 5 U 59/01
Rechtsgebiete: UWG, BGB


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
BGB § 242
1. Der angreifende Wettbewerber kann Erleichterungen in der Darlegungs- und Beweislast nach den Grundsätzen der "Bärenfang"-Entscheidung des BGH erst dann für sich in Anspruch nehmen, wenn er alle zumutbaren Bemühungen um eine eigene Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat. Hierzu können im Bereich der irreführenden Werbung für Nahrungsergänzungsmittel auch eigene oder durch beauftragte Dritte vorgenommene Analysen der Zusammensetzung und chemischen Reaktion des angegriffenen Wettbewerbsprodukts gehören.

2. Richtet sich der Unterlassungsantrag ausschließlich gegen die irreführende Bezeichnung eines Nahrungsergänzungsmittels, finden hierauf die Darlegungs- und Beweislastgrundsätze für Produktwerbung ohne hinreichende wissenschaftliche Grundlage im Rahmen der gesundheitsbezogenen Werbung keine Anwendung.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 59/01

In dem Rechtsstreit

Selenhefe

Verkündet am: 05.12.2002

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Rieger, Dr. Koch, Perels nach der am 06. November 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 15.11.2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 9.500.- abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert der Klage wird auch für das Berufungsverfahren auf € 511.291,88 (entspricht erstinstanzlich festgesetzten DM 1.000.000.-) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Nahrungsergänzungsmittelmarkt. Sie streiten über die Vertriebsfähigkeit und die Bezeichnung der von der Beklagten vertriebenen Selenhefe-Vitamintabletten "Selenium Spezial A-C-E".

Die im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland ansässige Klägerin stellt her und vertreibt Nahrungsergänzungsmittel, darunter Selenium-Produkte (Anlagen K15, K16, K18 sowie K25 - K28). Der Vertrieb ihres aus einer Kombination von Selenhefe und den Vitaminen A, C und E bestehenden Selenhefepräparates "Selenium-ACE" in Deutschland erfolgte von 1983 bis 1995 durch die Beklagte auf der Grundlage eines im November 1983 geschlossenen (Anlage K1) und sodann im August 1995 von der Klägerin fristlos gekündigten (Anlage K2) Allein-Vertriebsvertrages. Auf der in Deutschland ab 1987 vertriebenen Packung - die frühere Ausstattung war Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen und wurde aufgegeben (Anlagen B2, B12, B16, K24 und K30) - und dem dazugehörigen Beipackzettel fanden sich sowohl Angaben zur Klägerin als auch zur Beklagten (Anlagen K5 und K5.1 sowie Anlagenkonvolut B11).

Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen gestalteten Wortmarke "W. Selenium-ACE", Nr. 1 184 981, mit Priorität vom 18.05.1990 (Anlage K3) sowie der deutschen Bildmarke "Selenium-ACE", Nr. 394 05 343, mit Priorität vom 07.12.1994 (Anlage B7), die jeweils für Zusätze zu Nahrungsergänzungsmitteln geschützt sind. Daneben besitzt sie im Ausland weitere "Selenium-ACE"-Marken (Anlagen K4 und K29.1 - K29.3). Seit der Beendigung der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien vertreibt sie ihr Produkt unter der deutschen Wortmarke. Die Beklagte ist Inhaberin der deutschen Bildmarke "Selenium Spezial A-C-E", Nr. 395 19 649.3, mit Priorität vom 10.05.1995 für Nahrungsergänzungsmittel (Anlage B6).

Die Beklagte bringt unter der streitgegenständlichen Bezeichnung "Selenium Spezial A-C-E" ebenfalls Selenhefe-Tabletten auf den Markt (Anlagen K6 und K7). Die dabei verwendete Selenhefe stammt von einem Hersteller in Kanada. Die ursprüngliche Verpackung für ihr Präparat ist der Beklagten auf Antrag der Klägerin bereits im Jahr 1995 wegen zu großer Nähe zur klägerischen Verpackung verboten worden (Beschluss des LG Hamburg (315 O 474/95) in Anlagen K8, Beschluss des HansOLG (3 W 107/95) in Anlage K9). Ein weiterer Rechtstreit aus diesem Gesamtkomplex war zwischen den Parteien unter dem Aktenzeichen 315 O 38/96 (= 3 U 215/96) anhängig. Gegenstand des Rechtsstreits waren u.a. auch wettbewerbswidrige Äußerungen der Beklagten.

Die Klägerin hat vorgetragen,

die Beklagte lasse ihr Produkt "Selenium Spezial A-C-E" sowohl durch dessen Bezeichnung als auch durch ihr Auftreten im Wettbewerb der Wahrheit zu wider als angeblich verbessertes Nachfolgeprodukt des klägerischen Präparates erscheinen (Anlagen K11 - K14). Sie lehne sich dabei bewusst an ihren - der Klägerin - guten Ruf an und versuche den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, ihr neues eigenes Präparat sei das Nachfolgeprodukt des von ihr bisher für die Klägerin vertriebenen Präparats. Gerade als ihre ehemalige Vertriebsfirma sei die Beklagte aber auch nach Kündigung des Vertriebsvertrages aufgrund ihrer nachwirkenden Rechtspflichten gehalten, eine Beeinträchtigung ihres ehemaligen Vertragspartners durch ihr Verhalten oder eine Irreführung bzw. Verunsicherung der Abnehmerkreise zu vermeiden. Gegen diese Verpflichtung habe die Beklagte nicht nur durch die verwechslungsfähige Bezeichnung ihres eigenen Präparats, sondern auch durch verschiedene unzutreffende Informationen an ihre Abnehmer verstoßen. Eine Irreführung der Verbraucher über die betriebliche Herkunft des Produktes der Beklagten "Selenium Spezial A-C-E" liege schon darin, dass durch die Kennzeichnung des Produktes der Beklagten als "Spezial" der Eindruck geweckt werde, es handele sich um ein Spezialprodukt von "W. Selenium ACE". Die Verkehrskreise müssten davon ausgehen, die Beklagte habe nicht nur Selenium "Spezial", sondern auch Selenium "Normal" im Angebot, was aber - unstreitig - nicht der Fall sei. Tatsächlich sei ihr - der Klägerin - Selenium-Produkt dem der Beklagten qualitativ gleichwertig (Anlagen K20 - K23).

Eine wettbewerbswidrige Irreführung ergebe sich ferner aus dem Umstand, dass die Beklagte die Verkehrskreise mit ihrer Produktbezeichnung wahrheitswidrig zu der unzutreffenden Annahme verleite, bei ihrem Präparat handele sich um ein "spezielles" Selen, welches über besondere Eigenschaften verfüge und als höherwertig einzustufen sei. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Soweit der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 04.12.1997 (Bl. 103 ff) zu dem Ergebnis gelangt sei, angesichts der ungewöhnlich hohen Freisetzungsrate sei für das Produkt der Beklagten tatsächlich Selen in einer "speziellen" Form verwendet worden, sei dies allein damit zu erklären, dass dem Produkt "Selenium Spezial A-C-E" unter Verstoß gegen die einschlägigen arzneimittel- und lebensmittelrechtlichen Bestimmungen künstlich Selen hinzugefügt werde. Nur dadurch sei zu erklären, dass das Selen im Präparat der Beklagten nur sehr locker an die Hefe gebunden vorliege und dementsprechend schneller und vollständig wieder freigesetzt werde. Es gebe keine natürliche Selenhefe, die eine 100%ige Freisetzungsrate aufweise. Dies sei biologisch und physikalisch ausgeschlossen. Insbesondere werde der Verbraucher, der natürliches und nicht "künstliches" Selen erwartete, hierdurch auch getäuscht. Ein solcher Zusatz von Selen zu Lebensmitteln bedürfe zudem einer lebensmittelrechtlichen oder sogar arzneimittelrechtlichen Zulassung, über die die Beklagte (unstreitig) nicht verfüge.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Selen-Vitamintabletten unter der Bezeichnung "Selenium Spezial A-C-E" anzubieten und/ oder

zu vertreiben oder anbieten und/oder vertreiben zu lassen,

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, wieviel Packungen SelenhefeVitamintabletten die Beklagte unter der Bezeichnung "Selenium Spezial A-C-E" vertrieben hat und zwar geordnet nach Packungen mit 30, 90 und 180 Tabletten und nach Kalenderjahren,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,

der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser durch den Vertrieb von Selenhefe-Vitamintabletten unter der Angabe "Selenium Spezial A-C-E" entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung,

der gegen die Bezeichnung ihres Präparats geltend gemachte Unterlassungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu. Die klägerische Produktbezeichnung "Selenium ACE" sei noch nicht einmal schutzfähig. Eine Monopolisierung des Begriffes durch die Klägerin komme nicht in Betracht. Das Wort "Selenium" sei dem Lateinischen entnommen und bedeute nichts anderes als Selen. Es sei daher glatt beschreibend. Dies gelte ebenso für die Buchstabenkombination "ACE", die eindeutig für das Provitamin A und die Vitamine E und C stünden und in diesem Sinne vielfach verwendet würden (Anlagenkonvolut B1). Die Zusammenstellung der jeweils bloß beschreibenden Begriffe "Selenium" und "ACE" ergebe keinen über die generische Angabe hinausgehenden Phantasiegehalt. "Selenium ACE" habe auch nicht im Wege der Verkehrsgeltung Hinweis auf eine betriebliche Herkunft aus dem Hause der Klägerin entwickelt.

Da "Selenium ACE" für sich genommen nicht auf die Klägerin hinweise, liege auch keine Irreführung darüber vor, bei ihrem der Beklagten - Produkt handele es sich etwa um ein Spezialerzeugnis der Klägerin. Die Abgrenzung der Selenhefeprodukte der Parteien erfolge einerseits durch die Verwendung des Herstellernamens der Klägerin und andererseits durch den Zusatz "Spezial" in ihrer - der Beklagten Produktbezeichnung . Eine Anlehnung an den guten Ruf der Klägerin sei ebenfalls nicht gegeben, da die Klägerin für die freihaltebedürftige Bezeichnung "Selenium ACE" keine Verkehrsgeltung erlangt habe.

Auch der Vorwurf der Irreführung sei unberechtigt. Ihr Produkt weise - wie der Sachverständige Prof. Dr. Sch. zutreffend festgestellt habe - tatsächlich besondere Eigenschaften auf. Die von ihr verwendete Selenhefe, der entgegen der Darstellung der Klägerin kein Selen künstlich hinzugefügt werde, sei besonders hochwertig und im menschlichen Körper besser resorbierbar als die der Klägerin, so dass sowohl die eingesetzte Selenhefe als auch die Wahl der Zusammensetzung der Tabletten die Bezeichnung "Spezial" rechtfertigten und dem Produkt der Klägerin überlegen sei (Anlagen B8, B10, B13 - B15, B17 - B19 sowie B21). Eine ihrem Produkt entsprechende Freisetzungsrate bei wässriger "in vitro"-Extraktion werde auch bei anderen Selenpräparaten erzielt und lasse nicht auf eine künstliche Beimengung von Selen schließen (Anlage B19 sowie Anlagen B21a und B22).

Das Landgericht hat gemäß Beschlüssen vom 12.03.1997, 07.04.1997 und 10.07.98 zur Frage der Höherwertigkeit der von der Beklagten verwendeten Selenhefe sowie gemäß Beschluss vom 10.07.1998 ergänzend zur Frage einer etwaigen künstlichen Zufügung von Selen beim Erzeugnis der Beklagten Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahmen wird Bezug genommen auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. K. Sch. vom 04.12.1997 und 30.10.1998 sowie wegen der mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen auf das Protokoll der Kammersitzung vom 28.06.2000.

Mit Urteil vom 15.11.2000 hat das Landgericht die Klage sowie die Widerklage der Beklagten abgewiesen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin. Die Abweisung einer von der Beklagten erstinstanzlich erhobenen Widerklage, mit der sie ihrerseits u.a. die Produktausstattung der Klägerin angegriffen hatte, ist in erster Instanz rechtskräftig geworden.

Die Klägerin trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Sach- und Rechtsausführungen vor, das Landgericht habe die zahlreichen Versuche der Beklagten, sie, die Klägerin, durch unrichtige bzw. irreführende Angaben aus dem Markt zu drängen, nicht hinreichend berücksichtigt. Insoweit habe die Kammer ihren umfänglichen und durch Nachweise (etwa Anlagen K6, K12 bis K14) belegten erstinstanzlichen Sachvortrag übergangen. Gerade als Partnerin eines beendeten Allein-Vertriebsvertrages sei die Beklagte nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Rahmen ihrer nachvertraglichen Pflichten nicht nur gehalten gewesen, beeinträchtigende Handlungen zu ihren Lasten zu unterlassen. Vielmehr sei die Beklagte auch verpflichtet gewesen, nach Beendigung eines länger dauernden Vertragsverhältnisses der hier vorliegenden Art die Benutzung einer in hohem Maße verwechselbaren Bezeichnung für dieselbe Warenart zu unterlassen, und zwar unabhängig davon, ob ihre - der Klägerin Warenbezeichnung kennzeichenrechtlich schutzfähig sei. Denn die Gefahr der Beeinträchtigung ihrer Interessen als frühere Vertragspartnerin durch Täuschung des Verkehrs über die Herkunft der Waren sei im wesentlichen dieselbe.

Da die Beklagte ihrem Präparat nicht zugelassene Zusatzstoffe beigemischt habe, stelle sich die Herstellung und der Vertrieb von "Selenium-Spezial A-C-E" zudem als Verstoß gegen zwingende Vorschriften des Lebens- und Arzneimittelrechts dar, deren Verletzung einen sittenwidrigen Verstoß gegen § 1 UWG darstelle. Da sie wegen dieser Umstände von der Beklagten verlangen könne, den Vertrieb ihres Produkts vollständig zu unterlassen, stehe ihr als "Minus" zumindest ein Anspruch dahingehend zu, das Präparat nicht mehr unter der von ihr beanstandeten, verwechslungsfähigen Bezeichnung zu vertreiben.

Die beiden Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Sch. erlaubten nur den Schluss, dass dem "Selenium-Spezial AC-E" der Beklagten Selen hinzugesetzt worden sei. Die festgestellten ungewöhnlich hohen Freisetzungsraten seien ohne den künstlichen Zusatz von Selen biologisch und physikalisch ausgeschlossen. Eine Freisetzungsrate von 100 % des in den Zellen angereicherten Selens könne es nicht geben. Dies ergebe sich auch aus den Untersuchungen der Forscher des wissenschaftlichen Beitrags von Zheng et al..

Soweit der Sachverständige Prof. Dr. Sch. nicht vollständig habe ausschließen können, dass es auch eine Erklärung für einen natürlichen Einbau von Selen in derartigen Freisetzungsgraden geben könne, sei ihr eine nähere Darlegung bzw. ein entsprechender Beweis nicht möglich. Hierfür benötige sie - wie der Sachverständige zutreffend ausgeführt habe - zwingend die Kenntnis des detaillierten Herstellungsprotokolls. Dieses sei für sie nicht zugänglich, sondern könne nur von der Beklagten zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund dieser Unmöglichkeit der Beweisführung sei die Beklagte verpflichtet, an der Vorlage des Herstellungsprotokolls mitzuwirken, die ihr unschwer möglich sei, zumal sie vor einer Verwendung der Bezeichnung "Spezial" ohnehin habe überprüfen müssen, ob die Verwendung dieses Worts gerechtfertigt sei. Da sie, die Klägerin, im Gegensatz dazu vollkommen außerhalb des tatsächlichen Geschehensablaufs stehe, sehe die Rechtsprechung in derartigen Fällen entsprechende Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast zu Gunsten des Verletzten vor. Zudem habe die Beklagte im Bereich gesundheitsbezogener Aussagen mit einer fachlich umstrittenen Tatsache geworben, so dass ihr auch deshalb eine entsprechende Mitwirkungspflicht obliege.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen

hilfsweise,

ihr Vollstreckungsschutz gem. § 712 ZPO zu gewähren.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und führt weiter aus,

aus ihrem kurzzeitigen Verhalten im Zusammenhang mit der Einführung ihres eigenen Produkts könne die Klägerin keine Rechte für sich herleiten. Sie, die Beklagte, sei damals davon ausgegangen, das von der Klägerin hergestellte Präparat sei faktisch auf dem Markt ihr - der Beklagten - Produkt, so dass sie sich zu der beanstandeten Werbung für berechtigt gehalten habe. Dieser Streit insbesondere um die Packungsgestaltung und die Bewerbung des Produkts sei aber bereits Gegenstand von mehreren Verfahren vor dem LG Hamburg und dem Hanseatischen Oberlandesgericht gewesen und rechtskräftig entschieden. Die Klägerin sei gehindert, diese Fragen im Rahmen ihres vorliegend gestellten - uneingeschränkten - Antrags wieder aufzugreifen. Die Bezeichnung "Selenium Spezial A-C-E" sei gegenüber dem Produktnamen des klägerischen Erzeugnisses weder unter allgemein kennzeichnungsrechtlichen Grundsätzen verwechslungsfähig noch gebiete die frühere geschäftliche Verbindung ihr mangels eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots einen Verzicht auf diese Präparatbezeichnung. Dies habe auch das DPMA zutreffend festgestellt (Anlage B30).

Die Klägerin habe auch den Nachweis für ihre unzutreffende Behauptung nicht erbringen können, ihrem - der Beklagten Produkt sei künstlich Selen hinzugefügt worden. Dies ergebe sich schon nicht aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Sch., dessen Ausführungen zudem widersprüchlich und angreifbar seien. So habe Prof. Dr. Sch. im Rahmen seiner mündlichen Anhörung einräumen müssen, dass ihr Produkt "Selenium Spezial A-C-E" entgegen seiner Darstellung in seinem ersten Gutachten, nicht zu 100%, sondern nur zu 90,5% innerhalb der ersten 15 Minuten das Selen freigesetzt habe. Zudem seien seine Untersuchungen nicht wissenschaftlich einwandfrei durchgeführt worden und auch nicht mit den anderen Erhebungen verlässlich vergleichbar. Die Untersuchungen von Prof. Sch. bezögen sich auf eine Freisetzung in verdünnter Salzsäure, nicht in Wasser (Untersuchung von Zheng et al.) bzw. in simulierter Magen/Darmflüssigkeit (Untersuchung von Prof. Dr. B.). Vor allem habe aber der von ihr beauftragte Wissenschaftler Prof. Dr. B. die von Prof. Dr. Sch. gefundenen Ergebnisse gerade nicht bestätigt gefunden. Ein entscheidender Faktor für die Freisetzungsquote des Selens sei der Umfang der Auflockerung der Hefestruktur. Da Verfahren zur Behandlung der Hefestruktur bekannt seien, die einen hohen Freisetzungsgrad bewirkten, erklärten sich hieraus auch die festgestellten Unterschiede.

Eine Verpflichtung zur Vorlage des Herstellungsprotokolls könne ihr nicht auferlegt werden. Es habe der Klägerin oblegen, die offen zu Tage liegenden Widersprüche zunächst auszuräumen, bevor sich die Frage stelle, ob eine Beweisführung ohne dieses Herstellungsprotokoll möglich sei oder nicht. Zur Offenbarung ihres betrieblichen know-how sei sie ohnehin nicht verpflichtet. Im übrigen stelle sie die in ihrem Produkt eingesetzte Selenhefe nicht selbst her, sondern beziehe sie von einem Drittunternehmen, der kanadischen Firma Lalllemand Inc., die zu einer Herausgabe des Herstellungsprotokolls nicht bereit sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird ergänzend auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dementsprechend ist ihre Klage auch nach den Folgeansprüchen auf Auskunft und Schadensersatz unbegründet.

I.

Das Landgericht hat die Klage bereits in erster Instanz zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat auf die sorgfältige und überzeugende Begründung des landgerichtlichen Urteils Bezug, die sich in nicht zu beanstandender Weise mit den wesentlichen Argumenten der Parteien auseinandersetzt, und macht sich diese zu eigen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen.

1. Die Klägerin beanstandet zu Unrecht, das Landgericht habe die besondere rechtliche Situation umfangsreicher nachvertraglicher Rücksichtnahmepflichten der Parteien im Anschluss an den von ihr fristlos gekündigten Allein-Vertriebsvertrag nicht hinreichend berücksichtigt. Hierzu bestand im vorliegenden Rechtsstreit auch keine Veranlassung.

a. Die Klägerin verfolgt zu Ziff. 1 einen konkreten Unterlassungsantrag, der sich ausdrücklich (nur) gegen den Vertrieb bzw. das Angebot von Selenhefe-Vitamintabletten unter einer ganz bestimmten Bezeichnung - nämlich "Selenium Spezial A-C-E" - richtet. Von diesem Antrag ist schon nach seinem Wortlaut nicht umfasst jede Art wettbewerbswidrigen Verhaltens im Zusammenhang mit Angebot und Vertrieb dieses Produkts, sondern nur die Verwendung einer bestimmten Produktbezeichnung. Hiergegen waren die Angriffe der Klägerin in dem vorliegenden Rechtsstreit erkennbar auch in erster Linie gerichtet. Ein solcher Antrag umfasst hingegen nicht - auch nicht als "Minus" andere wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, wie irreführende Angaben, Verstöße gegen einen Ausstattungsschutz usw., so dass eine auf diese rechtlichen Gesichtspunkte gestützte Klage im Rahmen der gestellten Anträge erfolglos bleiben musste.

b. Dies war der Klägerin auch bewusst, so dass der Senat keine Veranlassung hatte, im Rahmen seiner gerichtlichen Hinweispflicht auf die Stellung sachgerechter - erweiterter Anträge hinzuwirken. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die von der Klägerin in diesen Rechtsstreit eingeführten Fragen wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten im Anschluss an die fristlose Kündigung des Allein-Vertriebsvertrages bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen waren, und zwar in den Rechtsstreitigkeiten 315 O 474/95 (=3 W 107/95) und 315 O 38/96 (= 3 U 215/96). Insbesondere aus der von der Klägerin selbst als Anlage K8 eingereichten Entscheidung des Landgerichts Hamburg (315 O 474/95) ergibt sich, dass die Klägerin mit sachgerecht konkretisierten Anträgen am 12.09.1995 eine einstweilige Verfügung erstritten hatte, mit der der Beklagten u.a. die Bewerbung bzw. der Vertrieb ihres Produkts in einer bestimmten Verpackung sowie das Aufstellen einer Reihe wettbewerbswidriger Behauptungen untersagt worden ist. Weiterhin war der Beklagten auferlegt worden, bei der Lauer-Taxe auf die Beseitigung eines irreführenden Eintrags (Zusatz "AV" und/oder "Namneu") hinzuwirken. Bei dem von der Beklagten erwähnten Folgerechtsstreit 315 O 38/96 (= 3 U 215/96) handelt es sich nach Sachlage um die entsprechende Hauptsacheklage, so dass über die ausstattungs- und äußerungsrechtlichen Ansprüche der Klägerin offensichtlich bereits im Rahmen früherer Rechtsstreitigen rechtskräftig entschieden worden ist.

2. Mit ihrer Produktbezeichnung "Selenium Spezial A-C-E" hält die Beklagte einen verhältnismäßig geringen, aber gleichwohl hinreichenden Abstand zu der Bezeichnung "W. Selenium ACE" der Klägerin. Dies gilt auch angesichts gesteigerter Rücksichtnahmepflichten im Anschluss an einen beendeten Allein-Vertriebsvertrag.

a. Die klägerische Bezeichnung, auf die die Klägerin im Hinblick auf ihre Eintragung (Anlage K3) nicht nur wettbewerbsrechtliche, sondern gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch markenrechtliche Ansprüche stützen kann, wird maßgeblich durch die Firmenbezeichnung "W." geprägt, während es sich bei "Selenium" erkennbar um eine beschreibende Angabe handelt. Hierauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen. Dies vermag der Senat, deren Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus eigener Sachkunde zu beurteilen. Diejenigen Verkehrskreise, die in der Abkürzung "ACE" nicht bereits die (rein beschreibenden) Kennbuchstaben der Vitamine E und C sowie des Provitamins A erkennen, werden diese Buchstabenkombination möglicherweise für aussprechbar halten und - unter Umständen verstärkt durch die Herkunft der Klägerin aus dem Vereinigten Königreich - hierin die englischsprachige Bezeichnung des deutschen Worts "Ass" vermuten und dies als positive Verstärkung verstehen. Diese kennzeichnenden Elemente der klägerischen Marke bzw. Produktbezeichnung finden sich in der von der Beklagten gewählten Bezeichnung - trotz ihrer unverkennbaren Nähe - nicht wieder. Letztere besteht mit "Selenium", "Spezial" und "A-C-E" ausschließlich aus beschreibenden Angaben und gewinnt eine gewisse Charakteristik nur in der konkreten Kombination. Durch die Absetzung der Buchstabenkennzeichen A-C-E durch Gedankenstriche hat der Verkehr noch nicht einmal mehr Veranlassung, hinter diesen drei Buchstaben ein aussprechbares Wort zu vermuten, sondern wird die Buchstaben einzeln zur Kenntnis nehmen und auch nur so aussprechen. In Ermangelung der Übernahme jedweder kennzeichnender Elemente der Produktbezeichnung der Klägerin kann die Beklagten auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht selbst auf der Grundlage der Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der "Myoplast"-Entscheidung nicht gehalten sein, unter dem Grundsatz der aus § 242 BGB abzuleitenden nachvertraglichen Rücksichtnahmepflichten einen noch weiteren Abstand in ihrer Produktbezeichnung einzuhalten. Vielmehr hatte die Beklagte ein eigenes vitales Interesse daran, weiterhin in dem von ihr als Vertriebshändlerin maßgeblich mit aufgebauten Wettbewerbsumfeld mit eigenen Produkten tätig zu werden. Da die Parteien kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart hatten, musste die Klägerin dieses Bemühen auch hinnehmen, sofern es mit wettbewerbs- bzw. markenrechtlich erlaubten Mitteln erfolgte. Dies ist nach Auffassung des Senats der Fall. Ohne Bedeutung bleibt in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte möglicherweise durch andere, nicht in der Bezeichnung liegende Umstände eine Annäherung an das ehemals von ihr vertriebene Produkt der Klägerin versucht hat. Ein solches Verhalten wäre jedenfalls nicht geeignet, das klägerische Verlangen nach einer abweichenden Kennzeichnung zu rechtfertigen.

b. Auch aus ihrer - von der Beklagten als Anlage B7 eingereichten Bildmarke, auf die sich die Klägerin aber selbst nicht stützt, stehen der Klägerin keine weitergehenden Rechte zu. Denn diese Marke enthält die Firmenbezeichnung "W." nicht, sondern neben der rein beschreibenden Bezeichnung "Selenium-ACE" die Produktaufmachung mit grafischen Elementen. Deshalb wird diese Marke jedenfalls nicht durch den Wortbestandteil allein geprägt, so dass sie schon aus diesem Grund ungeeignet ist, der Klägerin auf der Grundlage des hier gestellten Antrags zum Erfolg zu verhelfen.

3. Der in erster Instanz zunächst im Vordergrund der Auseinandersetzung stehende Streit der Parteien, ob das Bezeichungselement "Spezial" unter Irreführungsgesichtspunkten in der Produktbeschreibung der Beklagten zu beanstanden ist, hat durch die erste Begutachtung des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. vom 04.12.1997 seine Erledigung gefunden. Der Sachverständige hat ausdrücklich festgestellt, dass der höhere Freisetzungsgrad von Selen ein solches Attribut gegenüber üblichen Handelsprodukten rechtfertigt.

4. Demgemäß hat sich der Streit der Parteien schon in erster Instanz auf die Frage konzentriert, ob die Beklagte in arznei- und lebensmittelrechtlich einwandfreier Weise ihr Produkt mit ausschließlich natürlichem (bzw. natürlich eingebautem) oder mit künstlich hinzugefügtem Selen anbietet. Das Landgericht ist zutreffend und sorgfältig begründet zu dem Ergebnis gekommen, dass es der Klägerin trotz gewichtiger Verdachtsmomente nicht gelungen ist, den Nachweis einer unzulässigen Manipulation zu führen. Ein solcher Schluss rechtfertigt sich nach Auffassung des Senats insbesondere auch nicht aus den beiden schriftlichen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Sch. in Verbindung mit dessen mündlicher Anhörung im Kammertermin des Landgerichts am 28.06.00.

a. Prof. Dr. Sch. hatte bereits in seinem zweiten Gutachten vom 30.10.98 nicht ausschließen können, dass der hohe Freisetzungsgrad des Produkts der Beklagten auch auf einer "natürlichen" Aufnahme von Selen beruhen kann:

"Es mag bisher unbekannte Hefestämme geben, die das angebotene Selen nahezu ausschließlich in lösliche mineralische oder nicht-mineralische Komponenten der Hefezelle einbauen und kaum in die hochmolekulare Proteinmatrix. Dies stellt allerdings einen außergewöhnlichen Extremfall dar. [...]

Ein letzter Beweis für den künstlichen Zusatz der wasserlöslichen Selenverbindungen lässt sich hieraus allerdings nicht führen, da es prinzipiell auch möglich sein könnte, dass die Hefe während ihres Wachstums die löslichen Selenverbindungen selbst produziert."

Schon auf der Grundlage dieser sachverständigen Ausführungen verbleiben nicht unerhebliche Zweifel an der von der Klägerin unter Beweis gestellten Behauptung. Soweit die Klägerin sich in zweiter Instanz hierfür (erneut) auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beruft, bietet ein solches keine Aussicht auf Erfolg. Denn bei dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch. handelt es sich nach insoweit übereinstimmender Parteimeinung um den praktisch einzig kompetenter Wissenschaftler in Deutschland zu dieser Spezialfrage, der deshalb auch von beiden Parteien vorgeschlagen worden ist. Dieser erklärte Fachmann auf diesem Gebiet hatte zwei schriftliche Gutachten erstattet und ist zudem von dem Landgericht mündlich angehört worden, ohne dass er die unter Beweis gestellte Frage letztverbindlich hat klären können. Eine erneute Begutachtung lässt deshalb nach Auffassung des Senats keine weiteren Erkenntnisse erwarten.

b. Die Feststellungen von Prof. Dr. Sch. sind zudem nicht widerspruchsfrei, ohne dass die mündliche Anhörung des Sachverständigen insoweit zu einer eindeutigen Klarstellung geführt hat. In seinem Gutachten vom 30.08.98 (Bl. 153) hatte Prof. Dr. Sch. sich auf eine wissenschaftliche Drittstudie (Zheng. et al. ) bezogen, die zwar festgestellt hat, dass bei allen dort untersuchten Selenprodukten mit hoher Freisetzungsrate (> 93%) entgegen der Deklaration des Herstellers kein organisch eingebautes Selen, sondern anorganisches (mineralisches) und damit "künstlich" hinzugefügtes Selen vorhanden war. Dieses Ergebnis hat der Sachverständige Prof. Dr. Sch. ohne weiteres auf das Produkt der Beklagten übertragen, obwohl dieses weder von Zheng et al. noch von ihm untersucht worden ist. Ein solcher Schluss erscheint dem Senat schon im Ausgangspunkt nicht tragfähig. Denn es liegt keine gesicherte Erkenntnis dafür vor, dass zwingend alle - auch die nicht untersuchten - Selenhefen mit hoher Freisetzungsrate manipuliert sind, selbst wenn dies bei allen 4 untersuchten Proben der Fall gewesen ist.

c. Der Senat muss nach Sachlage allerdings auch nicht abschließend darüber befinden, ob das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. für sich allein genommen geeignet gewesen wäre, ihm eine Überzeugung von der Richtigkeit der klägerischen Darstellung zu verschaffen. Denn eine solche Situation liegt hier nicht vor. Vielmehr hatte die Beklagte ihrerseits mit sachverständiger Hilfe gewichte Argumente dafür ins Feld zu führen vermocht, dass die hohe Freisetzungsrate ihres Produkts ohne weiteres auch mit dem Übergang von an die Hefematrix (schwach) gebundenen Selens zu erklären ist. Bei dem von der Beklagten mit der Erstellung von Privatgutachten beauftragtem Wissenschaftler Prof. Dr. B. - den das Landgericht ebenfalls angehört und mit den Ergebnissen von Prof. Dr. Sch. konfrontiert hatte - handelt es sich zwar nicht um einen erklärten Selen-Fachmann, aber zweifellos ebenfalls eine anerkannte Autorität. Prof. Dr. B. beschäftigt sich nach eigenen Angaben seit langem speziell mit Hefen und ist in dieser Eigenschaft wissenschaftlich am Institut für Gärungs- und Getränketechnologie im Fachbereich Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie der TU Berlin tätig. Gerade für die Beantwortung der Frage, ob, wie und in welchem Umfang die Selenhefe weiteres Selen aus einer Nährlösung aufnimmt und stark bzw. schwach bindet, scheint dem Senat die Fachqualifikation von Prof. Dr. B. als nicht maßgeblich geringer einzustufen zu sein, als diejenige von Prof. Dr. Sch.. Zudem sind die im Auftrag der Beklagten erstellten sachverständigen Ausführungen von Prof. Dr. B. (Anlagen B9, B17, B18 und B19) - soweit der Senat dies beurteilen kann - inhaltlich plausibel und sachlich-objektiv gefasst, so dass seinen Erkenntnissen kein nachhaltig geringerer Beweiswert zuzumessen ist als denjenigen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Sch.. Dementsprechend zieht auch die Klägerin die fachliche Qualifikation von Prof. Dr. B. und die wissenschaftliche Basis seiner Untersuchungen nicht in Zweifel, sondern "bestreitet" in erster Linie seine Ergebnisse und Ausführungen.

Prof. Dr. B. hatte das dem Produkt der Beklagten zugrunde liegende Selenhefepulver analysiert und - auch bei elektronenmikroskopischer Betrachtung - keine Anhaltspunkte für externe Zusätze gefunden. Dieser Wissenschaftler hält die hohe Freisetzungsrate bei dem Produkt der Beklagten auch für erklärbar. Dies hatte er in seiner Anhörung vor dem Landgericht nochmals bekräftigt. Unter Berücksichtigung der Darlegungen von Prof. Dr. B. spricht noch nicht einmal eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Sachdarstellung der Klägerin. Immerhin hatte Prof. B. entgegen den Feststellungen von Zheng et al. und Prof. Dr. Sch. durch eigene Untersuchungen festgestellt, dass der hohe Freisetzungsanteil organisches (und damit in die Proteinmatrix der Hefe eingebautes) Selen betraf, das in diesem Umfang nicht wässrig extrahierbar war. Damit ist Prof. B. auf der Grundlage eigener Untersuchungen hinsichtlich des Produkts der Beklagten zu Ergebnissen gekommen, die den Aussagen von Prof. Dr. Sch. entgegenstehen. Welche Ergebnisse letztlich zutreffend sind, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Angesichts der Tatsache, dass auch die gerichtliche Anhörung beider Sachverständigen durch das Landgericht keine weitere Klärung gebracht hat und auch die Klägerin mit der Berufungsbegründung keinerlei neue Anknüpfungstatsachen oder abweichende Beurteilungskriterien vorzutragen vermocht hat.

erscheinen dem Senat die Möglichkeiten sachverständiger Aufklärung als ausgeschöpft, so dass eine weitergehende Begutachtung keinen Erfolg verspricht.

d. Dies umso weniger, als die Beklagte ihr Produkt auch durch Wissenschaftler der Karl-Franzens-Universität Graz hatte untersuchen lassen (Anlage B21). Der Unterzeichner der dortigen Stellungnahme, Dr. Walter G., war Mitverfasser der Studie von Zheng et al., auf die sich Prof. Dr. Sch. für seinen Standpunkt maßgeblich gestützt hat. Eben jener Dr. G. ist auf der Grundlage eigener Untersuchungen aber zu dem Schluss gekommen , dass "mit hoher Wahrscheinlichkeit" natürlich angereicherte Selenhefe im Produkt der Beklagten verwendet worden ist (Anlage B21). Auch nach der dortigen Untersuchung ist nur ein geringer Teil des Selens wässrig extrahierbar gewesen. Dieses Ergebnis stellt die Ausführungen von Prof. Dr. Sch. ebenfalls nachhaltig in Frage.

e. Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis für die künstliche Anreicherung des Produkts der Beklagten mit Selen mit den von ihr angebotenen Beweismitten nicht hat führen können. Die Klägerin genügt ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht dadurch, dass sie die von der Beklagten vorgelegten Ergebnisse in Zweifel zieht und hierbei etwaige Argumentationslücken, Widersprüche und ungeklärte Fragen zutage fördert. Nicht die Beklagte, sondern die Klägerin hat dem Senat die Überzeugung davon zu verschaffen, dass ihre Behauptung mit dem für die richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Grad an Gewissheit zutreffend ist. Dies ist ihr auch in zweiter Instanz nicht gelungen.

5. Diese mangelnde Gewissheit wirkt sich auch zu Lasten der Klägerin als anspruchsverfolgende Partei aus und trifft nicht die Beklagte. Denn die Klägerin ist nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet. Eine Situation, in der nach den hierfür entwickelten Grundlagen eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast oder zumindest die Gewährung entsprechender Erleichterungen angebracht bzw. geboten wäre, liegt nicht vor. Auch dies hat bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt.

a. Allerdings trifft es zu, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung der nach allgemeinen Grundsätzen darlegungsbelasteten Partei in bestimmten Situationen Erleichterungen zugebilligt hat. Denn der Grundsatz, demzufolge die klagende Partei die wesentlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs darzulegen und zu beweisen hat, gilt nicht ausnahmslos und nicht uneingeschränkt. Dieser Grundsatz bedarf insbesondere in den Fällen einer Einschränkung, in denen die klagende Partei außerhalb des Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln kann, während der beklagten Partei die erforderliche tatsächliche Aufklärung ohne weiteres möglich und auch zuzumuten ist (BGH GRUR 63, 270, 271 Bärenfang). Hinsichtlich solcher Umstände ist eine Darlegungs- und Beweispflicht der beklagten Partei anzunehmen. Denn es entspricht dem Gebot einer redlichen, mit Treu und Glauben zu vereinbarenden Prozessführung, dass sie die maßgeblichen tatsächlichen Umstände offenbart, soweit ihr nicht ein berechtigtes Interesse an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse zur Seite steht (BGH GRUR 63, 270, 271 - Bärenfang).

b. Der Senat teilt indes die Auffassung der Klägerin nicht, dass eine vergleichbare Situation im vorliegenden Fall gegeben ist. Weder fehlt es der Klägerin an eigenen Aufklärungsmöglichkeiten noch ist nach Sachlage eine Aufklärung der Beklagten durch Herausgabe des Herstellungsprotokolls ohne weiteres möglich und auch zuzumuten.

aa. Von der Klägerin als unmittelbarer Konkurrentin der Beklagten im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Nahrungsergänzungsmitteln muss erwartet werden, dass sie alle eigenen Erkenntnismöglichkeiten zunächst ausschöpft, bevor der Beklagten abverlangt werden kann, ihrerseits die Darlegungsschwierigkeiten der gegnerischen Prozesspartei zu überwinden. Im vorliegenden Fall sind noch nicht einmal in Ansätzen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin irgendwelche Bemühungen unternommen hat, ihre Klagebehauptungen durch eigene Untersuchungen oder Nachforschungen zu verifizieren. Zwar trifft es zu, dass der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Sch. ausgeführt hat, dass endgültige Klarheit nur ein detailliertes Herstellungsprotokoll des Produkts der Beklagten bzw. der verwendeten Selenhefe liefern würde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Klägerin auf sonstige eigene Bemühungen verzichten und sich stattdessen auf die Unterstützungspflicht der Beklagten berufen durfte. Den Umstand, dass eigene Bemühungen zur Aufklärung möglich und jedenfalls in gewissen Bereichen - auch erfolgversprechend gewesen wären, zeigen eindrucksvoll die von der Beklagten selbst entwickelten Aktivitäten. Diese hatte den Wissenschaftler Prof. Dr. B. mit verschiedenen Analysen ihres Produkts bzw. der verwendeten Selenhefen betraut. Diese hatten zu Ergebnissen geführt, die mit der klägerischen Behauptung nicht zu vereinbaren waren. Hierauf hat das Landgericht zutreffend hingewiesen. So hatte Prof. Dr. B. das Produkt der Beklagten konkret auf den Zusatz von Selenit untersucht und am 31.03.1998 bestätigt, dass sich keine solchen Zusätze gezeigt haben (Anlage B13). Weiterhin hatte dieser Wissenschaftler am 07.01.99 in der Selenhefe des Herstellers einen wasserlöslichen Selenanteil von nur 30,4 % festgestellt (Anlage B19) und war damit zu Ergebnissen gekommen, die denjenigen des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. entgegenstanden. Im Rahmen dieser Untersuchung hatte Prof. Dr. B. die Hefesubstanz elektronenmikroskopisch auf Beimischungen untersucht und sie vergleichend handelsüblichen Trockenbackhefen gegenübergestellt. Anhaltspunkte für die - von der Klägerin behaupteten - Beimischungen haben sich hierbei an den Hefeclustern und -thromben nicht ergeben. Alle diese Untersuchungen sind ebenfalls ohne Berücksichtigung des Herstellungsprotokolls erfolgt. Die Klägerin hat nichts dafür dargelegt, dass bzw. aus welchen Gründen ihr entsprechende Aufklärungsversuche nicht ebenfalls möglich und zumutbar gewesen sein sollten. Sollte die Klägerin derartige Untersuchungen vorgenommen haben, so hat sie deren Ergebnisse zumindest nicht in diesen Rechtstreit eingeführt. Bei einer derartigen Situation rechtfertigt es der Grundsatz von Treu und Glauben schon im Ansatz nicht, die Klägerin von eigenen Darlegungen bzw. Untersuchungen zu befreien und diese der gegnerischen Partei aufzuerlegen. Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass alle diese Untersuchungen möglicherweise nicht zu einer definitiven Gewissheit geführt hätten. Denn eine Verpflichtung der Beklagten zur Unterstützung der Klägerin konnte frühestens zu dem Zeitpunkt entstehen, in dem die eigenen Aufklärungsmöglichkeiten der Klägerin erschöpft waren. Dies setzt zumutbare eigene Bemühungen voraus, an denen es hier fehlt.

bb. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen war der Beklagten die von ihr erwartete Aufklärung aber ohnehin auch nicht "ohne weiteres möglich". Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie die verwendete Selenhefe als Grundmaterial nicht selbst herstellt, sondern von einem Fremdlieferanten, der kanadischen Firma L. Inc., bezieht. Dieses Unternehmen führt den Herstellungsprozess durch. Nur dieses Unternehmen ist im Besitz des von der Klägerin begehrten Herstellungsprotokolls. Die Firma L. Inc. ist hingegen zu einer Herausgabe ihres Herstellungsprotokolls nicht bereit. Dieser Umstand - den die Klägerin ebenfalls nicht ernsthaft in Zweifel gezogen hat - ist auch ohne weiteres plausibel, denn hierbei handelt es sich um ein besonders wichtiges Geschäftsgeheimnis dieses Unternehmens, wie die Auseinandersetzung der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits eindrucksvoll belegt. Die Beklagte ist auch weder prozessual gehalten, ihrerseits (etwa gerichtlich) gegen die Firma L. Inc. als ihren Vertragspartner auf Herausgabe des Herstellungsprotokolls vorzugehen, noch wäre ihr eine solche Maßnahme zuzumuten. Deshalb fehlt es im vorliegenden Fall anders als in der "Bärenfang"-Entscheidung - schon an eigenen Möglichkeiten der Beklagten zur Aufklärung. Im übrigen steht auch nach dieser Entscheidung eine Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast unter dem Vorbehalt, dass der Beklagten nicht "ein berechtigtes Interesse an der Wahrung ihres Geschäftsgeheimnisses zur Seite steht". Eben das ist hier auf Seiten des kanadischen Herstellers hinsichtlich des Herstellungsprotokolls unzweifelhaft der Fall.

cc. Aus den genannten Gründen muss auch der Hinweis der Klägerin im Senatstermin auf die BGH-Entscheidung "Faxkarte" (BGH WRP 02, 1173 - "Faxkarte"), in der sich der BGH mit den sich aus § 809 BGB und Art. 43 TRIPS ergebenden Vorlage- bzw. Besichtigungspflichten beschäftigt hatte, ohne Konsequenzen bleiben. Denn in beiden Fällen ist vorausgesetzt, dass der materiell Anspruchsverpflichtete, d.h. in der Regel der Prozessgegner, und nicht ein beliebiger Dritter die zu besichtigende bzw. vorzulegende Sache im Besitz hat. Daran fehlt es hier, so dass sich eine weitere Erörterung von Einzelheiten erübrigt. Das Bestehen eines materiellen Besichtigungsanspruchs gegen den potenziellen Besitzer des Herstellungsprotokolls selbst, die Fa. L. Inc., hat die Klägerin nicht dargelegt. Dieser würde ihr im vorliegenden Rechtsstreit mit den gestellten Anträgen gegen die Beklagte auch nicht weiterhelfen.

c. Soweit die Klägerin meint, die Beklagte habe vor der ersten Verwendung des Wortes "Spezial" in eigener Verantwortung ohnehin prüfen müssen, ob sie diese Bezeichnung überhaupt verwenden dürfe, ist dieser Einwand zwar zutreffend, verhilft der Klägerin aber ebenfalls nicht zum Erfolg. Denn hierfür musste sich die Beklagte nicht das Herstellungsprotokoll vorlegen lassen. Ihren arzneimittelrechtlichen und sonstigen Prüfungsverpflichtungen konnte sie nach Auffassung des Senats auch durch eine entsprechend ernsthafte und glaubwürdige Erklärung des Herstellers gerecht werden.

d. Schließlich verfängt auch der Hinweis der Klägerin auf die abweichenden Beweislastregeln für den Bereich gesundheitsbezogener Werbung nicht (BGH GRUR 91, 848, 849 Rheumalind II). Es geht nicht darum, dass die "wissenschaftliche Grundlage einer gesundheitsbezogenen Werbung (nicht) hinreichend substantiiert" ist. Denn der Klageantrag richtet sich nicht gegen irgendeine Werbeaussage, sondern schlicht gegen die Produktbezeichnung. Allein mit der Nennung des Begriffs "Spezial" stellt die Beklagte aber auch bei weitherziger Betrachtung keine wissenschaftliche Behauptung zu einer gesundheitsbezogenen Frage im Sinne dieser Rechtsprechung auf. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Begriff "Spezial" derart vieldeutig ist, dass allein hieraus noch nicht einmal beantwortet werden könnte, welche Zielrichtung eine solche Aussage haben sollte (höherer Wirkstoff, bessere Resorption, längere Wirkdauer?).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der vorliegende Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. § 1UWG § 3BGB § 242Verfahrensgang:LG Hamburg 315 O 343/96 vom 15. § 1 UWG darstelle. Da sie wegen dieser Umstände von § 712 ZPO zu gewähren.Sie verteidigt das landgerich § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch markenrechtliche Ans § 242 BGB abzuleitenden nachvertraglichen Rücksicht § 809 BGB und Art. 43 TRIPS ergebenden Vorlage- bzw § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Voll §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Der vorliegende Rechtsstreit § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der Recht

Ende der Entscheidung

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