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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 31.10.2005
Aktenzeichen: 5 W 116/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
Geht aus der vorgerichtlichen Abmahnung unmissverständlich hervor, welchen Wettbewerbsverstoß der Antragsteller geltend macht, und unterwirft sich der Antragsgegner nicht, so hat er hinreichende Klageveranlassung gegeben. Reicht Antragsteller daraufhin einen inhaltlich unzutreffend formulierten - weil zu weit gehenden - Verfügungsantrag bei Gericht ein, kann sich der Antragsgegner gleichwohl nicht mehr durch ein "sofortiges" Anerkenntnis von seiner Kostenlast befreien, wenn der Streitgegenstand mit der vorprozessualen Abmahnung identisch ist, eine inhaltliche Abweichung nicht beabsichtigt war, der Antragsgegner dies erkennt und der Antragsteller auf Hinweis des Gerichts die erforderliche sprachliche Anpassung vornimmt.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

5 W 116/05

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 31. Oktober 2005 durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 13.10.05 gegen die Kostenentscheidung aus dem Anerkenntnisteil- und Schlussurteil des Landgerichts Hamburg vom 27.09.05 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdestreitwert wird auf 3/4 der erstinstanzlich aufgelaufenen Kosten des Rechtsstreits festgesetzt.

Gründe:

Die gem. § 99 Abs. 2 ZPO analog zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Das Landgericht hat der Antragsgegnerin zu Recht in dem zuerkannten Umfang (3/4) die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Ihr kommt in diesem Rahmen die Kostenfolge aus § 93 ZPO nicht zu Gute. Denn die Antragsgegnerin hat im Sinne dieser Vorschrift durch ihr Verhalten Veranlassung zur Erhebung der - verfahrensgegenständlichen - Klage (bzw. des Verfügungsantrags) gegeben. Auf die weitergehende Frage, ob das Anerkenntnis der Antragsgegnerin in prozessualer Weise "sofort" erfolgt ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht mehr an.

1. Allerdings weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass der zum Gegenstand der einstweiligen Verfügung vom 20.07.05 gemachte Unterlassungsanspruch mit dem geänderten Verfügungsantrag das Charakteristische des Verstoßes nicht hinreichend erfasst, weil er nicht darauf abstellt, dass die Belehrungspflicht nur dann besteht, wenn die Verteilung Werbebroschüren betrifft, durch die eine Vertragserklärung abgegeben werden kann. Eine allgemeine Werbemaßnahme, die nicht unmittelbar in einen Vertragsschluss münden kann, unterliegt einer dahingehenden Aufklärungsnotwendigkeit nicht. Der Antragsgegnerin ist auch darin zuzustimmen, dass sie durch den Verbotstenor in der Fassung der - berichtigten - einstweiligen Verfügung in ihrer wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit unangemessen und zu Unrecht eingeschränkt gewesen wäre, so dass der Verbotsausspruch in dieser Form von ihr nicht akzeptiert werden musste.

2. Gleichwohl liegen die Voraussetzungen für ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO nicht vor.

a. Denn die Antragsgegnerin hatte bereits durch ihr vorprozessuales Verhalten der Antragstellerin Veranlassung gegeben, das verfahrensgegenständliche Verfügungsverfahren einzuleiten. Der - im Ergebnis nunmehr unstreitige - und aus der Anlage ASt2 ersichtliche Wettbewerbsverstoß ist von der Antragstellerin mit anwaltlichem Schreiben vom 22.06.05 (Anlage ASt3) abgemahnt worden. Die Antragstellerin hat in dieser Abmahnung auf einen konkreten Prospekt (Flyer) - nämlich denjenigen aus der Anlage ASt2 - und dessen Text Bezug genommen, den sie der Abmahnung als Anlage beigefügt hat. Vor diesem Hintergrund konnte die Antragsgegnerin nicht im Zweifel darüber sein, welches Verhalten die Antragstellerin beanstandete und von ihr unterlassen wissen wollte. Aus dem angegriffenen Prospekt war unmissverständlich deutlich, dass sich die Widerrufsbelehrung auf einen sogleich nachfolgend auszufüllenden, konkreten Vertragsantrag beziehen sollte. Diese Zielrichtung ist auch in der vorgefertigten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch die Wendung "vor Aufgabe seiner Bestellung" hinreichend deutlich geworden. Sofern die Antragsgegnerin wegen der Formulierung der Verpflichtungserklärung im Übrigen - u.U. berechtigte - Bedenken hatte, oblag es ihr, in eigener Verantwortung darüber zu befinden, in welcher konkreten Fassung sie die von ihr materiell ohne Weiteres geschuldete Unterlassungserklärung abgeben wollte. Hierauf hat bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen. Nichts dergleichen hat die Antragsgegnerin getan. Sie hat sich vielmehr - wie aus der anwaltlichen Erwiderung vom 11.07.05 (Anlage ASt4) ersichtlich ist - auf rechtlich unzutreffende Einwendungen anderer Art zurückgezogen. Durch dieses Verhalten hatte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Veranlassung gegeben, das wettbewerbswidrige Verhalten nunmehr gerichtlich weiter verfolgen zu müssen.

b. Der Streitgegenstand des am 15.07.05 eingereichten und mit Schriftsatz vom 20.07.05 modifizierten Verfügungsantrags ist - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - mit dem vorprozessual gerügten Wettbewerbsverstoß auch identisch. Die Antragsgegnerin ist vor Einleitung des vorliegenden Rechtsstreits ordnungsgemäß abgemahnt worden. Soweit der ursprüngliche Antrag bis zur Kammerverhandlung des Landgerichts zu Unrecht den Zusatz "durch die eine Vertragserklärung abgegeben werden kann" nicht enthielt, trifft es zwar zu, dass hierdurch die Zielrichtung und Tragweite des Unterlassungsanspruch inhaltlich eine nicht unmaßgebliche Korrektur erfahren hat. Hierdurch ist indes der Streitgegenstand nicht verändert worden. Denn bereits aus der Antragsschrift war durch die Bezugnahme auf die mit eingereichte Prospektwerbung in Anlage ASt2 sowie durch die Bezugnahme auf das vorgerichtliche Abmahnschreiben unmissverständlich klargestellt worden, welches konkrete Verhalten die Antragstellerin verboten wissen wollte. Die Antragstellerin hatte den angegriffenen Belehrungstext wörtlich mit "Diese Bestellung kann ich innerhalb von 2 Wochen ohne Angaben von Gründen schriftlich bei nachstehender Adresse widerrufen" (Unterstreichung hinzugefügt) zitiert. Schon damit war eindeutig klar, dass der streitgegenständliche Flyer eine konkrete Vertragsbeziehung anbahnen sollte. Der abweichenden Antragsformulierung lag eine - für die Antragsgegnerin ohne Weiteres erkennbare - Fehlbezeichnung zu Grunde. Insbesondere konnte die Antragsgegnerin ohne Weiteres auch erkennen, dass mit der konkreten Art der Antragsformulierung keine inhaltliche Abweichung zu der vorgerichtlichen Abmahnung bezweckt war. Die Antragsgegnerin hatte schon wegen des beigefügten Verletzungsgegenstands (Anlage ASt2) keine Veranlassung zu der Annahme, die Antragstellerin wolle nunmehr einen anderen Streitgegenstand geltend machen. Zudem oblag es auch insoweit der Antragsgegnerin, die Reichweite des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs im Zweifelsfall durch Heranziehung der Antragsbegründung zu bestimmen. Auch danach konnte sie nicht im Unklaren darüber sein, dass die Antragstellerin nunmehr den vorprozessual abgemahnten Verstoß gerichtlich geltend machen wollte, nachdem die Antragsgegnerin auf ihre Abmahnung nicht reagiert hatte. In welcher Weise die Antragstellerin hierauf prozessual zu reagieren hatte, um ihre Kostentragungspflicht möglichst gering zu halten, hat der Senat in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu entscheiden.

c. Die Einwände der Antragsgegnerin verfangen im Übrigen auch deshalb nicht, weil die Antragstellerin mit der in der Kammersitzung ergänzten Formulierung ("durch die eine Vertragserklärung abgegeben werden kann") letztlich wieder zu dem - vermeintlich abweichenden - "Streitgegenstand" der Abmahnung zurückgekehrt ist, bei der es in Bezugnahme auf den Flyer ähnlich hieß "vor Aufgabe seiner Bestellung". Der zwischenzeitliche Fortfall dieses konkreten Vertragsbezugs in der Formulierung des Verfügungsantrags stellt sich auch vor diesem Hintergrund jedenfalls im Anwendungsbereich von § 93 ZPO als für die Kostentragungspflicht der unterlegenen Prozesspartei unschädlich dar.

3. Soweit die Antragstellerin ihren ursprünglichen Antrag durch den späteren Zusatz in der Sache teilweise zurückgenommen hat, ist sie bereits durch das Landgericht anteilig in Höhe von 1/4 mit den Kosten belastet worden. Hierzu bedarf es keiner weiteren Ausführungen des Senats.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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