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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 18.09.2007
Aktenzeichen: 5 W 136/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 890
BGB § 166 Abs. 1
1. Dem Schuldner wird im Bestrafungsverfahren die Kenntnis seines Prozessbevollmächtigten von einem gerichtlichen Verbot nicht zugerechnet.

2. Der Schuldner, der nach Erhalt einer außererichtlichen Abmahnung einen Rechtsanwalt beauftragt, der die Abmahnung beantwortet und eine Schutzschrift nebst Prozessvollmacht hinterlegt, ist nicht verpflichtet, sich selbst danach zu erkundigen, ob ein gerichtliches Verbot gegen ihn ergangen ist. Der Vorwurf eines fahrlässigen Verstoßes gegen ein gerichtliches Verbot kann hierauf nicht gestützt werden.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

Geschäftszeichen: 5 W 136/07

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 18. September 2007 durch die Richter Rieger, Dr. Koch, Lübbe:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Schuldner wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 15 - vom 2.8.2007 geändert :

Der Antrag auf Verhängung eines Ordnungsmittels wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin hat die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

Der Streitwert wird für die Beschwerdeinstanz auf € 12.500.- festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 793 ZPO zulässige Beschwerde ist auch begründet.

Es bestehen bereits deshalb Bedenken gegen den angefochtenen Beschluss, weil die Gläubigerin im Bestrafungsverfahren nichts dazu vorgetragen hat, ob es sich bei den Waren, die Gegenstand des Lagerverkaufs vom 10.- 12.5.2007 waren, um solche handelt, welche die Schuldner nach dem 30.9.2006 von der Trend Trading Fashion AG erhalten haben. Allerdings wird dies auch von der Beschwerde nicht gerügt.

Die Frage kann indessen auf sich beruhen. Denn die Schuldner haben jedenfalls nicht schuldhaft gegen die einstweilige Verfügung verstoßen.

Ein vorsätzlicher Verstoß scheidet bereits deshalb aus, weil nicht vorgetragen und unter Beweis gestellt ist, dass sie zur Zeit der Durchführung des Lagerverkaufs vom 10.- 12.5.2007 Kenntnis von dem Verbot aus der einstweiligen Verfügung vom 8.5.2007 hatten. Zwar ist die einstweilige Verfügung ihren Prozessbevollmächtigten jedenfalls am 10.5.2007 um 8.23 Uhr wirksam zugestellt gewesen, wie das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat. Indessen haben die Schuldner nach ihrem unwiderlegten Vorbringen selbst erst am 14.5.2007 durch den Erhalt einer Abschrift der einstweiligen Verfügung von ihren Prozessbevollmächtigten Kenntnis von dem Verbot erlangt.

Zwar kann die Kenntnis ihres Prozessbevollmächtigten von bestimmten Umständen im Laufe eines Rechtsstreits entsprechend § 85 Abs.2 ZPO, 166 Abs.1 BGB der Partei selbst zugerechnet werden ( Zöller-Vollkommer, ZPO, 24.Aufl., § 85 Rn.3 m.w.N. ). Dies kann aber nicht für das Ordnungsmittelverfahren nach § 890 ZPO gelten, da es sich hierbei um ein strafähnliches Verfahren handelt. Der Schuldner eines Unterlassungstitels kann daher nur bei eigenem Verschulden mit einem Ordnungsmittel bestraft werden ( BVerfG NJW 91, 3139; Zöller-Vollkommer a.a.O. Rn.11; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3.Aufl., Rn.227 ).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann den Schuldnern auch kein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden. Nachdem sie einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hatten, dieser die Abmahnung beantwortet und eine Schutzschrift hinterlegt hatte, war es nicht Aufgabe der Schuldner, sich selbst danach zu erkundigen, ob es der Gläubigerin gelungen sei, noch vor Beginn des Lagerverkaufs ein gerichtliches Verbot zu erwirken, oder in anderer Weise für die eigene zeitnahe Kenntnis hiervon zu sorgen. Sie durften sich darauf verlassen, dass der von ihnen eingeschaltete Prozessbevollmächtigte sie unverzüglich von einem etwaigen gerichtlichen Verbot informieren würde. Erst recht gilt dies im vorliegenden Falle, wo nach der von den Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin vorbereiteten Verpflichtungserklärung zur außergerichtlichen Abmahnung zumindest unklar war, ob auch die Unterlassung des Verkaufs der mit JOOP! oder mit der Bildmarke Kornblume gekennzeichneten Ware an Endverbraucher verlangt werden sollte. Hierauf weist die Beschwerde zu Recht hin.

Zwar eröffnet die vorliegend vertretene Rechtsauffassung die Gefahr der Umgehung eines gerichtlichen Verbots, indem etwa der Rechtsanwalt eines Unterlassungsschuldners den ihm zugestellten Unterlassungstitel nur verzögert weiterleitet, um diesem noch die Begehung einer straffreien Zuwiderhandlung zu ermöglichen. Unbeschadet eines Standesverstoßes eines solchermaßen handelnden Rechtsanwalts kann der Gläubiger derartige Manipulationen in Eilfällen, in denen - wie hier - die zu verbietende Handlung unmittelbar bevorsteht, z.B. dadurch verhindern, dass er dem Schuldner die einstweilige Verfügung auch selbst zustellt ( vgl. auch Melullis a.a.O. ).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

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