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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 10.03.2004
Aktenzeichen: 5 W 23/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 178 Abs. 1
ZPO § 180
Tritt eine Partei im Außenverhältnis im geschäftlichen Verkehr gegenüber Dritten ausschließlich unter einer bestimmten Geschäftsanschrift auf, so können ihr in einem solchen "Geschäftsraum" selbst dann Sendungen wirksam (ersatz)zugestellt werden, wenn sie an dieser Stelle tatsächlich kein Geschäft unterhät und dort nicht anzutreffen ist.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

Geschäftszeichen: 5 W 23/04

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 10. März 2004 durch die Richter Rieger, Dr. Koch, Spannuth:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 27.01.2004 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 08.01.2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beklagten nach einem Streitwert von € 25.000.- zur Last.

Gründe:

Die am 27.01.2004 gem. § 569 Abs. 1 ZPO fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zum Teil als unzulässig zu verwerfen, im übrigen ebenfalls unzulässig, zumindest aber als unbegründet zurückzuweisen.

1. Die sofortige Beschwerde ist unstatthaft und damit unzulässig, soweit sie sich gegen die Ablehnung des Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Hamburg vom 14.04.2003 wendet. Der insoweit ergangene Beschluss unterliegt keiner Anfechtung, § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Eine Abänderung im Beschwerdeverfahren ist ausgeschlossen, die Beschwerde ist insoweit gem. § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu verwerfen.

2. Die gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Abgabe der Verteidigungsanzeige eingelegte sofortige Beschwerde ist unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Beklagten, insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO gewährt zu erhalten, besteht nicht. Selbst wenn die Fristsetzung gem. § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht wirksam erfolgt wäre, könnte der Beklagte die hierdurch eingetretenen Rechtsfolgen nicht durch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beseitigen. Denn das Landgericht hatte am 14.04.2003 mangels Verteidigungsanzeige nicht nur ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen, sondern dieses Urteil zumindest der Klägerin am 23.04.2003 wirksam zugestellt. Damit war das Urteil existent, unabhängig davon, ob die Zustellung an den Beklagten ebenfalls wirksam erfolgt ist. Auch wenn dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Verteidigungsanzeige gewährt würde, hätte dies nach zutreffender Auffassung auf den Bestand des gleichwohl bereits erlassenen Versäumnisurteils keine Auswirkungen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., § 276 Rdn. 10a). Die hiermit eingetretenen Rechtswirkungen kann der Beklagte nur mit seinem am 26.01.2004 ebenfalls eingelegten Einspruch gegen dieses Urteil zu beseitigen versuchen. Selbst wenn sich für ihn durch dieses Urteil "schwere Rechtsnachteile" ergeben würden, wäre sein Bestreben "an den Anfang des Erkenntnisverfahrens gesetzt" zu werden, ungeeignet, diesen Nachteilen in rechtlich relevanter Weise entgegen zu wirken.

3. Aber auch dann, wenn man - entgegen der Auffassung des Senats - den Wiedereinsetzungsantrag für zulässig halten wollte, wäre er zumindest als unbegründet zurückzuweisen. Der Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden gehindert gewesen ist, die Frist zur Verteidigungsanzeige einzuhalten. Hierzu hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung sowie in dem Nichtabhilfebeschluss vom 20.02.2004 die erforderlichen Ausführungen gemacht. Auf diese zutreffenden Erwägungen nimmt der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug. Das Beschwerdevorbringen des Beklagten rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:

a. Die Klage vom 03.03.2003 sowie die gerichtliche Aufforderung zur Verteidigungsanzeige sind dem Beklagten am 11.03.2003 wirksam im Wege der Niederlegung unter seiner Geschäftsanschrift WSW in 22xxx Hamburg zugestellt worden.

aa. Bei der Adresse WSW handelt es sich selbst dann um den "Geschäftsraum" des Beklagten i.S.v. § 178 Abs. 1 ZPO, wenn er an dieser Stelle tatsächlich kein Geschäft unterhalten hat oder nicht anzutreffen war. Denn der Beklagte ist - soweit dies nach dem Akteninhalt beurteilt werden kann - im geschäftlichen (nicht lediglich privaten) Verkehr gegenüber Dritten ausschließlich unter dieser Anschrift aufgetreten. Aufgrund der von ihm verwendeten - und aus den Anlagen K2, K4 und K7 ersichtlichen - Briefgestaltung, hatten die Adressaten seiner Schreiben nicht den geringsten Anlass, daran zu zweifeln, dass es sich bei der - einzigen - Adressenangabe um diejenige Anschrift handelte, unter der der Beklagte im Geschäftsverkehr anzutreffen war und unter der er seine geschäftlichen Aktivitäten entfaltete. Anhaltspunkte dafür, dass es sich insoweit lediglich um eine "Kontaktadresse" handelte, konnten die Empfänger diesen Schreiben nicht entnehmen. Aufgrund dieser Sachlage bleibt es dem Beklagten wegen des von ihm selbst gesetzten eindeutigen Rechtsscheins versagt, sich im Rahmen der Beurteilung etwaiger Zustellungsmängel auf das Fehlen einer geschäftlichen Betätigung unter dieser Anschrift zu berufen.

bb. Die Postzustellungsurkunde des Zustellers C.B. vom 11.03.2003 erbringt gem. § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis für die Tatsache, dass dieser an dem betreffenden Tag das Schriftstück in den "Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung" eingelegt hat. Diesen Beweis hat der Beklagte nicht zu erschüttern vermocht, und zwar selbst dann nicht, wenn ihm insoweit lediglich eine Glaubhaftmachung, nicht aber ein Vollbeweis abzuverlangen ist. Hierauf hat bereits das Landgericht hingewiesen. Denn angesichts der Beweiskraft der öffentlichen Urkunde konnte sich der Beklagte nicht darauf beschränken, unter Beweisantritt des Zustellers das Vorhandensein eines eigenen Briefkastens bzw. eines solchen der Fa. MF S/A zu bestreiten und allgemeine Angaben dazu zu machen, wie er "hin und wieder" an sich gerichtete Post vorgefunden hat. Seiner Obliegenheit zu substanziiertem Bestreiten hätte er schon im Ausgangspunkt nur nachkommen können, wenn er die örtlichen Gegebenheiten am 11.03.2003 und die Möglichkeiten des Posteinwurfs bzw. der Postablage aller Adressaten unter dieser Anschrift - unter der z.B. ebenfalls die Fa. RK erreichbar ist - im Einzelnen so konkret dargelegt hätte, dass über die diesbezüglichen abweichenden Angaben des Zustellers eine Beweisaufnahme möglich gewesen wäre. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Ehefrau des Beklagten sogar Kenntnis von der Zustellung erlangt hat, wie ihrem Schreiben vom 25.03.2003 zu entnehmen ist, die Sendung mithin eine Person erreicht hat, die diese an den Beklagten weiterleiten wollte. Der Umstand, dass sie das Schriftstück sodann angeblich auf eine Weise zugeleitet bekommen hat, die heute nicht mehr zu klären ist, wäre ebenfalls durch eidesstattliche Versicherung von MB glaubhaft zu machen gewesen. Die rudimentären Angaben des Beklagten sind deshalb ungeeignet, die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde zu erschüttern.

b. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand käme ohnehin nur bei einer wirksamen Zustellung und nur dann in Betracht, wenn der Beklagte ohne Verschulden keine Kenntnis von dem für ihn zugestellten Schriftstück erhalten hätte. Auch diesen Umstand hat der Beklagte entgegen § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht glaubhaft gemacht, wobei als taugliches Glaubhaftmachungsmittel ebenfalls ausschließlich eine eidesstattliche Versicherung seiner Ehefrau MB geeignet gewesen wäre, die die Weiterleitung vergessen haben soll. Die Frage, ob das Schreiben vom 25.03.2003 überhaupt tatsächlich von MB - und nicht möglicherweise von dem Beklagten unter ihrem Namen - verfasst worden ist, kann im übrigen nicht nur wegen der gleichartigen Faksimile-Unterschrift Zweifeln ausgesetzt sein. Denn es ist z.B. auch von der Hamburger Telefaxnummer 530 54 061 versandt worden, die der Beklagte auf seinen Geschäftsbriefen als eigene Faxnummer angegeben hatte und von der er z.B. sein Schreiben in Anlage K4 versandt hatte. Demgegenüber ist die auf den Geschäftsbriefen des Beklagten angegebene Telefonnummer gerade nicht deckungsgleich mit der im Briefkopf der Absenderin MB zugeordneten Rufnummer der Privatanschrift G35.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.



Ende der Entscheidung

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