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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 02.10.2007
Aktenzeichen: 5 W 99/07
Rechtsgebiete: ZPO, GmbHG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 890
GmbHG § 35
BGB § 31
1. Sind eine juristische Person und ihr Geschäftsführer Titelschuldner desselben Verbots, so ist bei einem erneuten Verstoß, das die Gesellschaft durch diesen Geschäftsführer begeht, ein Ordnungsgeld nur gegen die Gesellschaft verwirkt.

2. Gegen den Geschäftsführer persönlich ist nicht unabhängig davon ein weiteres Ordnungsmittel zu verhängen. Angesichts des Sanktionscharakters des Ordnungsgeldes wäre hierfür ein persönlich für den eigenen Rechtskreis vorwerfbares Verhalten unverzichtbar. Das Handeln in der Eigenschaft als Geschäftsführer einer juristischen Person wirkt (auch ordnungsmittelrechtlich) jedoch in der Regel nur für bzw. gegen diese.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

Geschäftszeichen: 5 W 99/07

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Betz, Rieger, Lübbe am 02.10.2007: Tenor:

Auf die (sofortige) Beschwerde der Schuldner vom 27.06.07 wird der Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts, Zivilkammer 15, vom 07.06.07 abgeändert.

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes vom € 15.000.- gegen den Schuldner zu 2. wird aufgehoben und ein hierauf gerichteter Antrag zurückgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde der Schuldner wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt € 30.000.-.

Gründe:

Die gem. §§ 793 Abs. 1, 577 ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist zum Teil auch begründet. Das Landgericht hat zwar zu Recht gegen die Schuldnerin zu 1. wegen eines Verstoßes gegen das gerichtliche Verbot aus dem Beschluss vom 23.11.06 ein Ordnungsgeld in Höhe von € 15.000.- festgesetzt. Das zusätzlich gegen den Schuldner zu 2. in dieser Höhe festgesetzte Ordnungsgeld ist hingegen nicht gerechtfertigt.

1. Die von der Gläubigerin vorgetragenen Verstöße rechtfertigen lediglich die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Schuldnerin zu 1., deren Geschäftsführer der Schuldner zu 2. ist. Die Verhängung eines weiteren Ordnungsgeldes gegen den Schuldner zu 2. persönlich findet in dem vorgetragenen schuldhaften Handeln keine Rechtfertigung und kommt deshalb nicht in Betracht.

a. Es ist nach Sachlage bereits nichts dafür ersichtlich, dass die Gläubigerin überhaupt einen Antrag auf die Verhängung von zwei separat zu verhängenden Ordnungsgeldern gestellt hat. Zwar sind sowohl die Star Entertainment GmbH als auch ihr Geschäftsführer Titelschuldner der einstweiligen Verfügung vom 23.11.06. Auch hat die Gläubigerin ihren Bestrafungsantrag vom 06.12.06 ausdrücklich gegen beide Schuldner gerichtet. Schon die Antragsfassung ("gegen die Vollstreckungsschuldnerin zu 1. und den Vollstreckungsschuldner zu 2. ein Ordnungsgeld zu verhängen") lässt aber eher darauf schließen, dass lediglich die Verhängung eines einzigen Ordnungsgeldes gegen beide beantragt war. Auch die weiteren Ausführungen der Gläubigerin in den Schriftsätzen vom 06.12.06 und 06.02.07 sprechen hierfür, denn die Gläubigerin macht insoweit Ausführungen zur Höhe lediglich eines Ordnungsgeldes und differenziert nicht zwischen verschiedenen Schuldnern. Damit hat das Landgericht der Gläubigerin letztlich unter Verstoß gegen § 308 ZPO eine weitergehende Rechtsfolge zugesprochen, die von ihrem Antrag nicht umfasst ist.

b. Selbst wenn der Antrag der Gläubigerin jedoch auch auf die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner zu 2. gerichtet gewesen ist, wäre dieser Antrag unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Ein eigenes schuldhaftes Verhalten, für welches der Schuldner zu 2. neben der Schuldnerin zu 1. auch persönlich einzustehen hat, liegt nicht vor.

aa. Allerdings entspricht es gängiger Praxis im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, dass bei juristischen Personen neben dem Unternehmen häufig auch der Geschäftsführer auf Unterlassung in Anspruch genommen wird. Dieser hat das rechtsverletzende Handeln der juristischen Person als ihr Organ regelmäßig angeordnet und deshalb zu verantworten. Eine Haftungserstreckung auf den Geschäftsführer ist häufig auch sinnvoll und geboten, um zu verhindern, dass dieser das von ihm zu vertretene rechtswidrige Verhalten in einer anderen rechtlichen Gestaltungsform künftig ungehindert fortsetzt bzw. wiederholt.

bb. Dies bedeutet indessen nicht automatisch, dass der auf Unterlassung mit in Anspruch genommene Geschäftsführer bei einem Verstoß gegen den Verbotstitel selbstständig neben dem Unternehmen zu bestrafen ist und ein Ordnungsgeld schuldet.

aaa. Die juristische Personen - hier die Schuldnerin zu 1. - ist kraft ihrer körperschaftlichen Struktur selbst nicht handlungsfähig. Sie handelt vielmehr durch ihre Organe als natürliche Personen (§ 35 GmbHG), deren rechtsverletzendes Handeln sie sich zurechnen lassen muss (§ 31 BGB). Zur Befolgung gerichtlicher Unterlassungsgebote sind dementsprechend auch diese natürlichen Personen für die Gesellschaft als deren gesetzliche Vertreter verpflichtet. Die GmbH selbst kann ein Verbot weder befolgen noch ihm zuwiderhandeln. Hierzu bedarf es stets der Aktivität derjenigen Personen, die rechtlich für ein Handeln bzw. Unterlassen der Gesellschaft einzustehen haben. Dies sind bei einer GmbH deren Geschäftsführer. Im vorliegenden Fall war die Verpflichtung der Schuldnerin zu 1. aus der einstweiligen Verfügung vom 23.11.06 demgemäß durch den Schuldner zu 2. als ihren Geschäftsführer zu erfüllen. Sofern diese rechtliche Verpflichtung von dem Schuldner zu 2 nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erfüllt worden ist, wirkt dies gemäß § 31 BGB zu Lasten der Schuldnerin zu 1. und ist ihr wie eigenes Verschulden mit der Folge zuzurechnen, dass bei einem Verstoß ein Ordnungsgeld gegen die Schuldnerin zu 1. zu verhängen ist. Ersatzordnungshaft kann in einem derartigen Fall nur an einer natürlichen Person - also dem Schuldner zu 2. als Geschäftsführer - vollstreckt werden.

bbb. Neben dieser Haftung der Gesellschaft besteht eine weitere, davon unabhängig zu betrachtende persönliche Haftung des Geschäftsführers im Ordnungsmittelverfahren nicht ohne Weiteres. Das Handeln (bzw. Unterlassen) des Schuldners zu 2. in seiner Funktion als Geschäftsführer der Schuldnerin zu 1. wirkt nur für bzw. gegen diese. Mit seinem pflichtwidrigen Handeln als Geschäftsführer verwirklicht der Schuldner zu 2. darüber hinaus nicht auch eine hiervon unabhängige persönliche Schuld. Angesichts des Sanktionscharakters des Ordnungsgeldes ist indes ein derart persönlich für den eigenen Rechtskreis vorwerfbares Verhalten unverzichtbar. Daran fehlt es hier. Vielmehr ist bei der hier vorliegenden Sachverhaltsgestaltung das Fehlverhalten der Schuldners zu 2. deckungsgleich mit dem Fehlverhalten der Schuldnerin zu 1.. Die von dem Landgericht zitierten Literaturstellen (Harte/Henning/Brüning, UWG, vor § 12 Rdn. 300/301; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., § 14 Rdn. 32) betreffen anders gelagerte Sachverhalte und besagen zu der hier streitigen Frage nach dem Verständnis des Senats nichts Gegenteiliges.

ccc. Allerdings mögen Sachverhaltskonstellationen denkbar sein, bei denen der Geschäftsführer einer GmbH unterlassungspflichtverletzend nicht nur in dieser Funktion für die GmbH, sondern daneben auch für sich persönlich (im eigenen Interesse) handelt und deshalb gegen ihn ebenfalls ein Ordnungsgeld zu verhängen ist. Eine solche Sachverhaltsgestaltung ist hier indes weder von der Gläubigerin vorgetragen worden noch ersichtlich. Das Handeln das Schuldners zu 2. bezieht sich ausschließlich auf die geschäftlichen Aktivitäten der Schuldnerin zu 1..

c. Das gegen in die Schuldnerin zu 1. verhängte Ordnungsgeld in Höhe von € 15.000.- ist allerdings nicht zu beanstanden. Diese Schuldnerin hat schwerwiegend und nachhaltig gegen die einstweilige Verfügung verstoßen, so dass zur Ahndung ein Ordnungsgeld in dieser Höhe ohne Weiteres gerechtfertigt erscheint. Die hierfür maßgeblichen Erwägungen hat das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend und erschöpfend ausgeführt. Darauf nimmt der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug. Die Ausführungen der Schuldner in der Beschwerdeschrift rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Sie geben Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen.

aa. Die Schuldner haben zwar nachdrücklich behauptet, sie hätten alle ihnen zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um weitere Verstöße zu unterbinden. Sie haben hierzu aber auch in der Beschwerde keine hinreichend nachvollziehbaren Angaben gemacht. Die von ihnen bereits erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen, insbesondere E-Mails und Schreiben, sind zum Teil unspezifisch und unzureichend allgemein gehalten, zum Teil datieren sie erst aus einer Zeit nach Einreichung des Bestrafungsantrages und können schon deshalb ein rechtmäßiges Verhalten nach Zustellung der einstweiligen Verfügung nicht belegen. Der Senat hat aus Anlass dieses Rechtsstreits nichts darüber zu entscheiden, ob den Schuldnern jeder Einzelverstoß von "wilden" Tickethändlern als eigenes Fehlverhalten zuzurechnen ist. Denn die Schuldner haben noch nicht einmal nachvollziehbar belegt, dass sie die nahe liegenden und ohne Weiteres zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um Verstöße gegen die einstweilige Verfügung zu unterbinden. Hierzu wäre es mindestens erforderlich gewesen, die ihnen bekannten Ticketverkaufsstellen, Werbepartner, Konzertveranstalter, Betreiber von Konzerthallen usw. eindeutig und unmissverständlich von dem ihnen auferlegten gerichtlichen Verbot in Kenntnis zusetzen und diese nachdrücklich - unter Hinweis auf die ihnen, den Schuldnern, andernfalls drohenden Folgen - zur Einhaltung aufzufordern (vgl. zu den in Bezug auf das Handeln Dritter geschuldeten Maßnahmen: Hefermehl/Köhler/'Bornkamm, UWG, 24. Aufl., § 12 Rdn. 6.7). Dafür, dass dies geschehen ist, haben die Schuldner keinerlei stichhaltige Nachweise vorgelegt. Die E-Mails z.B. aus dem Anlagenkonvolut VS1 sind insoweit erkennbar unzureichend. Soweit die Schuldner weitere Handlungen unter Zeugenbeweis gestellt haben, fehlt es hierzu bereits an einer tragfähigen und substantiierten Tatsachengrundlage, so dass eine Beweiserhebung nicht in Betracht kommt. Schließlich steht als unstreitig fest, dass die Veranstaltungen in Magdeburg und Berlin - immerhin 4 große Veranstaltungen - noch im Januar 2007 - und damit ca. 6 Wochen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung - unter der rechtsverletzenden Bezeichnung nicht nur beworben, sondern sogar durchgeführt worden sind.

bb. Bei der Bemessung des Ordnungsgeldes kann weiterhin nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Schuldner nicht nur schon am 11.10.06 eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben haben (Anlage ASt17a der Akte 315 O 921/06). Vielmehr ist ihnen hierin unter Ziff. 5 auch ausdrücklich eine Umsetzungsfrist von 1 Woche für die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung gewährt worden. Damit konnten sich die Schuldner innerhalb einer angemessenen Frist auf ein rechtmäßiges Verhalten einrichten. Erst als dies nicht geschehen ist, hat die Gläubigerin am 17.11.06 ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht. Auch nach dessen Zustellung hatten die Schuldner weitere Gelegenheit, verbleibende Rechtsverstöße zu beseitigen. Die Gläubigerin nimmt mit ihrem Bestrafungsantrag nur Verstöße zum Anlass, die nach dem 04.12.06 vorgefallen sind. Damit hatten die Schuldner seit Abgabe ihrer Unterlassungserklärung über 7 Wochen Zeit, dafür Sorge zu tragen, dass die beanstandete Werbung bzw. Bezeichnung ihrer Musical-Veranstaltungen unterblieb bzw. aus dem Internet entfernt wird. Auch für den Senat ist es nicht nachvollziehbar, mit welcher Rechtfertigung noch im Januar 2007 weitere Veranstaltungen unter den verbotenen Begriffen durchgeführt werden, ohne dass den Schuldnern der Vorwurf eines schwerwiegenden und nachhaltigen Fehlverhaltens gemacht werden kann, der die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von € 15.000 rechtfertigt.

cc. Angesichts dieser Sachlage sind die Argumente, die die Schuldner in der Beschwerdebegründung vorgetragen haben, nicht geeignet, ein geringeres Ordnungsgeld zu begründen. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass die Schuldner mit "großem Aufwand" sowie mit der "erforderlichen Schärfe" die gebotenen Maßnahmen ergriffen haben. Auch von einer "äußerst geringem Schuld" kann nicht die Rede sein. Insbesondere wirkt sich erheblich zu Lasten der Schuldner aus, dass diese noch weit nach der Zustellung des Ordnungsmittelantrages im Januar 2007 Veranstaltungen unter der rechtsverletzenden Bezeichnung haben durchführen lassen bzw. dies nicht verhindert haben. Allgemeine wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. die Gefährdung von Arbeitsplätzen sowie sonstige, aus dem gerichtlichen Verbot resultierende wirtschaftliche Verluste können bei dieser Sachlage kein abweichendes Ergebnis rechtfertigen.

dd. Die Verhängung eines höheren Ordnungsgeldes kommt bei der gegebenen Sachlage allerdings ebenfalls nicht in Betracht. Denn die Gläubigerin hat den Beschluss des Landgerichts vom 07.06.07 nicht mit eigenen Rechtsmitteln angegriffen. Eine Verschärfung der Sanktionen zu Lasten der Schuldner scheidet in entsprechender Anwendung von § 528 Satz 2 ZPO aus.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97, 891 Satz 3 ZPO. Da der Senat dem Bestrafungsantrag der Gläubigerin - wie dargelegt - nicht entnimmt, dass diese die Verhängung eines gesonderten Ordnungsgeldes gegen den Schuldner zu 2. überhaupt beantragen wollte, bedarf es keiner Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

Ende der Entscheidung

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