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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 27.02.2007
Aktenzeichen: 7 U 121/06
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004 analog
StGB §§ 185 ff
StGB § 186
StGB § 194 Abs. 3 Satz 2
Die Zubilligung eines Richtigstellungsanspruchs zugunsten einer öffentlichrechtlichen Körperschaft ist auf Fälle zu beschränken, in denen die fortwirkende Rufbeeinträchtigung ein erhebliches Gewicht hat.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftszeichen: 7 U 121/06

Verkündet am: 27. Februar 2007

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 7. Zivilsenat, durch die Richter Dr. Raben, Lemcke, Meyer nach der am 27. Februar 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 932/05, vom 1.9.2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist hinsichtlich des Anspruchs zu I. des angefochtenen Urteils gegen Sicherheit von 140.000 €, hins. der Kosten gegen Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird bezüglich des Richtigstellungsanspruchs (Ziffer II. des Tenors des angefochtenen Urteils) zugelassen.

Gründe:

1. Klägerin ist die Bundesrepublik Deutschland. Sie begehrt von der Beklagten Unterlassung der erneuten Veröffentlichung mehrerer Passagen eines Beitrags, der in der von der Beklagten verlegten Zeitschrift F........ vom 17.9.2005, Nr. 38/05 erschienen ist, sowie den Abdruck einer Richtigstellung, die sich auf den Inhalt dieses Beitrags bezieht.

In diesem Artikel mit der Überschrift "Leck verzweifelt gesucht" wird unter anderem berichtet, dass ein Geheimpapier des Bundeskriminalamtes (BKA) über den mutmaßlichen Terroristen S.........., in welches auch Informationen ausländischer Geheimdienste eingeflossen seien, an die Presse gelangt sei. In diesem Zusammenhang wird weiter berichtet, bei der Fahndung nach einem Verräter in den eigenen Reihen habe das BKA unauffällig streng geheime Dossiers manipuliert und diese sodann als "versteckte Köder" an verschiedene Staatsschutzreferate des BKA verteilt. Im Einzelnen wird hierzu auf den als Anlage K 1 zur Akte gereichten Beitrag verwiesen.

Die Klägerin bestreitet, dass für interne Ermittlungen eine manipulierte "S..........-Akte" in Umlauf gebracht worden sei.

Sie hat beantragt, die Beklagte zur Unterlassung hinsichtlich der in ihrer Klageschrift im Einzelnen aufgeführten Äußerungen sowie zum Abdruck einer Richtigstellung gemäß ihrem Klageantrag zu II. zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie behauptet, einer ihrer Redakteure sei von einer ihr als zuverlässige Quelle bekannten Informationsperson aus dem BKA kontaktiert und gewarnt worden, dass das S..........-Dossier durch Veränderung einzelner Zahlen manipuliert worden sei, um nachzuvollziehen, wo das Informationsleck sitze. Sie besitze hierüber auch Dokumente, die sie aus Gründen des Informantenschutzes nicht vorlegen könne.

Zum Sachverhalt im Übrigen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Durch Urteil vom 1.9.2006 hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung sowie zur Richtigstellung verurteilt.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten.

Die Beklagte beanstandet die Interpretation der Erstmitteilung, die Bezeichnung ihres erstinstanzlichen Vortrags zu den angeblichen Manipulationen als unsubstantiiert sowie die Zubilligung eines Richtigstellungsanspruchs zu Gunsten der Klägerin als öffentlichrechtlicher Körperschaft, hilfsweise die angeordnete Schriftgröße der Überschrift.

Die Beklagte beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Im Einzelnen wird hierzu auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze verwiesen.

2. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

a) Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen werden kann, hat das Landgericht entschieden, dass der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zusteht. Dieser folgt aus §§ 823 Abs.2, 1004 analog BGB i.V. m. § 186 StGB, da nicht erwiesen ist, dass die in dem Beitrag enthaltenen Tatsachenbehauptungen der Wahrheit entsprechen.

Einem Unterlassungsanspruch steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Betroffenen um eine Bundesbehörde, somit um eine Einheit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts handelt. Der Ehrenschutz einer Person des öffentlichen Rechts ist allerdings nicht aus den Wertentscheidungen von Art. 1 und 2 GG ableitbar, weil sie in Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgabe keine Grundrechtsträgerin sein kann (BVerfG 21,362ff; 23,12ff; 24,367ff; BGH NJW 1983, 1183ff). Sie genießt jedoch strafrechtlichen Ehrenschutz nach §§ 185ff StGB (vgl. Schönke/Schröder/Lenkner, StGB, Vorbem. vor §§ 185ff Rn. 3. m.w.N.) und ist gegen beleidigende Angriffe zivilrechtlich gem. § 823 Abs.2 BGB geschützt (BGH a.a.O.; Wenzel, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5.Aufl. 5,Rn 126 m.w.N.; Prinz/Peters, Medienrecht Rn.193; kritisch Soehring, Das Recht der journalistischen Praxis, Rn. 10.19). Bezüglich des strafrechtlichen Ehrenschutzes ergib sich dies bereits aus dem Wortlaut des § 194 Abs.3 Satz 2 StGB, der die Beleidigungsfähigkeit einer Behörde voraussetzt.

Wie das Landgericht weiter ausgeführt hat, enthalten die beanstandeten Passagen des Beitrags ehrenrührige Tatsachenbehauptungen. Mit ihnen wird nämlich behauptet, das BKA habe hoch geheimhaltungsbedürftiges Material nach vorheriger Manipulation bewusst an eine Vielzahl von Staatsschutzreferaten übersandt, obwohl es selbst davon ausgegangen sei, dass es von dort an die Presse weitergegeben würde. Durch die Verwendung des Begriffs "Verteilung" des Materials sowie insbesondere die Äußerung "Mossad, CIA und auch der BND müssen sich damit abfinden, dass ihr sensibles S..........-Material für eine zweifelhafte BKA-Operation verheizt worden ist" wird dem Leser mitgeteilt, dass das BKA zu dem Zweck der Aufdeckung einer "undichten Stelle" dieses Material an viele Adressaten gerichtet hat, dass somit die Lancierung an die Presse geradezu gewollt war, obgleich es sich um brisante und geheime Informationen anderer Geheimdienste gehandelt habe. Damit wird das BKA als unsicherer Partner anderer Geheimdienste dargestellt, der Geheiminformationen nicht nur nicht vor dem Zugriff der Presse zu schützen weiß, sondern diese sogar für die Ermittlung von Informanten einsetzt und damit entwertet.

Die Wahrheit dieser Behauptungen ist nicht erwiesen. Vielmehr ist die Beklagte der ihr gem. § 186 StGB obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.

Zwar hat die Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, dass einer ihrer Mitarbeiter von einem unbenannten Informanten informiert worden sei. Ihr Vortrag zum Inhalt der angeblich erhaltenen Informationen ist indessen ohne hinreichende Substanz. Zudem ist es ohne Kenntnis der Person des Informanten nicht möglich, dessen Glaubwürdigkeit und die Qualität der von ihm erbrachten Informationen zu überprüfen.

Wer gegenüber welcher Person den Auftrag zur Manipulation der Akten gegeben haben soll und in welcher Weise konkret dieser Auftrag durch welche Personen ausgeführt worden sein soll, ist nicht offen gelegt. Selbst wenn es Fassungen des Dossiers gegeben haben sollte, die die von der Beklagten nicht im einzelnen dargestellten "Zahlendreher" enthielten, würde dies nicht belegen, dass sie das Ergebnis der von der Beklagten geschilderten Aktion waren. Die Beklagte hat hierzu keinen konkreten Fall des Auftauchens einer präparierten Akte geschildert und die inhaltlichen Abweichungen von der Originalakte dargestellt. Allein der Hinweis auf einen Mitarbeiter des BKA, der Informantenschutz genieße, ersetzt keinen präzisen Vortrag zu der behaupteten Vorgehensweise des Amtes.

Dem steht insbesondere nicht die allgemeine Überlegung entgegen, dass in derartigen Fällen das jeweilige Presseorgan gezwungen wäre, seine Informationsquelle preiszugeben, wenn es nicht im Zivilprozess unterliegen wolle. Dies stellt insbesondere keinen Eingriff in die verfassungsmäßig geschützte Pressefreiheit dar. Der Redaktion steht es nämlich frei, die vertraulich erhaltenen Informationen anhand von weiteren Recherchen zu verifizieren und damit "gerichtstaugliches" Material zu gewinnen, oder nach der Veröffentlichung im Falle der Inanspruchnahme ein Unterliegen im Zivilprozess hinzunehmen, um den Informanten nicht aufdecken zu müssen. Insofern ist ihre Situation nicht mit derjenigen zu vergleichen, die bei einer Durchsuchung von Redaktionsräumen zum Zwecke der Aufdeckung von Informanten entsteht (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.2.2007, 1 BvR 538/06).

Wenn die Berufung auf den Schutz des Informanten die konkrete Darlegung und Beweisführung ersetzen könnte, würde die gerichtliche Durchsetzbarkeit des Ehrenschutzes in derartigen Fällen weitgehend außer Kraft gesetzt.

Da aber die Beklagte weder konkrete Tatsachen vorgetragen hat, die die Wahrheit der beanstandeten Passagen bestätigen, noch solche Tatsachen unter Beweis gestellt hat, besteht ein Anspruch der Klägerin auf Unterlassung.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin auch einen Anspruch gegen die Beklagte auf die begehrte Richtigstellung.

Ob einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ein solcher Beseitigungsanspruch zustehen kann, ist, soweit ersichtlich, bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Gegen die Zubilligung eines solchen Anspruchs, der einen erheblichen Eingriff in die Freiheit der Medien darstellt, spricht zunächst, dass die kritische Auseinandersetzung mit staatlichen Organen zu den ureigensten Aufgaben der Presse gehört, deren Ausübung durch die Bedrohung mit einer derart einschneidenden Sanktion beeinträchtigt würde (Soehring, a.a.O.; Wenzel, a.a.O. 5 Rn. 126). Auf der anderen Seite gehört es nicht zu den verfassungsmäßig garantierten Rechten der Medien, unzutreffende Äußerungen über staatliche Einrichtungen zu verbreiten, da diese keine geeignete Grundlage für die Bildung einer öffentlichen Meinung sein können (BVerfG NJW 1993, 1845f).

Im vorliegenden Fall ist prozessual davon auszugehen, dass die behauptete Tatsache unwahr ist. Die Beklagte hat nämlich, wie ausgeführt, keine hinreichend konkreten Umstände dargelegt, aus denen sich ergäbe, dass das BKA in der genannten Weise vorgegangen ist. Auch wenn im Bereich des Richtigstellungsanspruchs die Beweislast für die Unrichtigkeit der Äußerung beim Kläger als Betroffenem liegt, hätte es zur Benennung von Beweismitteln zunächst eines präzisen Vortrags des Beklagten bedurft, über dessen Unrichtigkeit auf entsprechenden Antrag der Klägerin möglicherweise hätte Beweis erhoben werden können. Dieser ihr obliegenden erweiterten Darlegungslast (Wenzel, a.a.O. 13 Rn.18) ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Gegen die Zubilligung eines Richtigstellungsanspruch zu Gunsten einer öffentlichrechtlichen Körperschaft ist nicht einzuwenden, dass staatlichen Stellen andere, für das Presseorgan weniger einschneidende Mittel zur Verfügung ständen, um unzutreffenden Äußerungen entgegenzutreten. Zu denken ist hierbei insbesondere an die Tätigkeit von Pressesprechern, die allerdings vielen staatlichen Stellen nicht zur Verfügung stehen.

Indessen ist auch die Verlautbarung derartiger Pressestellen kein geeignetes Mittel zur Beseitigung der durch die Erstmitteilung erfolgten Ehrbeeinträchtigung. So unterhält der Pressesprecher regelmäßig kein eigenes Presseorgan, in welchem die Korrektur veröffentlicht und den Lesern der Erstmitteilung zur Kenntnis gebracht werden kann. Die Verlautbarung eines Pressesprechers begründet keine Verpflichtung der informierten Presseorgane, die veröffentlichte Darstellung zu übernehmen, so dass nicht sichergestellt werden kann, dass sie die Öffentlichkeit erreicht.

Der presserechtliche Richtigstellungsanspruch basiert auf der Annahme, dass durch den Abdruck in demselben Organ, in dem die Erstmitteilung veröffentlicht worden ist, zumindest einen Teil der Leser der ursprünglichen Mitteilung die Korrektur erreicht. Bei Abgabe einer Erklärung des Pressesprechers ist dem gegenüber im Zweifel anzunehmen, dass das Presseorgan, welches die unzutreffende Erstmitteilung verbreitet hat, deren Korrektur nicht veröffentlichen wird, um sich nicht selbst dem Vorwurf falscher Berichterstattung auszusetzen. Eine Beseitigung der Folgen einer unzutreffenden Berichterstattung würde so nicht erreicht.

Dies gilt auch im vorliegenden Fall bezüglich der Erklärung des Präsidenten des BKA Z........, die nicht im F........, sondern in der Online-Ausgabe der W..... veröffentlicht wurde (Anlage B 2).

Die Zubilligung von Richtigstellungsansprüchen zugunsten öffentlicher Körperschaften stellt auch keine unzumutbare Belastung der Presse dar. Dass auch Einheiten öffentlicher Verwaltung grundsätzlich ein vom Landesgesetzgeber gebilligtes Veröffentlichungsinteresse haben können, zeigen die Landespressegesetze, die ausdrücklich auch einer "Stelle" Gegendarstellungsansprüche zubilligen (vgl. § 11 Abs.1 HambPG). Entsprechende Regelungen finden sich zwar nicht für den Richtigstellungsanspruch, der indessen ohnehin keine gesetzliche Regelung erfahren hat.

Die Zubilligung eines Richtigstellungsanspruchs zugunsten einer öffentlichrechtlichen Körperschaft ist indessen auf besondere Fälle zu beschränken, in denen die fortwirkende Rufbeeinträchtigung ein erhebliches Gewicht hat. Dies gebietet bereits die besondere Bedeutung des Wächteramtes, welches die Presse in einem demokratischen Rechtsstaat innehat, und welches durch die Bedrohung mit Richtigstellungs- und Widerrufsansprüchen in weniger gravierenden Fällen in Frage gestellt würde (so auch LG Hamburg, AfP 2002, 450 ff).

Die hier richtig zu stellenden Aussagen sind, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, für das betroffene Bundeskriminalamt von erheblicher Bedeutung. Mit ihnen wird die Vertrauenswürdigkeit des Amtes als solche in Frage gestellt, was bei dem Rezipienten die Vorstellung entstehen lässt, dass als Folge des dargestellten Vertrauensbruchs Geheimdienste befreundeter Staaten künftig besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen der Bundesrepublik nicht mehr zugänglich machen könnten, dass also die Funktionsfähigkeit des Amtes gefährdet sei.

Die vom Landgericht getroffene Abdrucksanordnung ist nicht zu beanstanden, da die Schriftgröße des Wortes "Richtigstellung" derjenigen der Überschrift der beanstandeten Berichterstattung entspricht (Prinzip der "Waffengleichheit", vgl. Prinz/Peters, a.a.O., Rn. 686 m.w.N.). Da wesentliche Teile der Erstmitteilung richtig gestellt werden, entspricht es der Billigkeit, durch die Wahl der gleichen Schriftgröße die Aufmerksamkeit des Lesers in der gleichen Weise zu erregen, wie dies durch die Überschrift der Erstmitteilung geschehen ist. Dass infolge der angeordneten Schriftgröße die gesamte Magazinseite optisch zerstört wird, ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Die Revision wurde bezüglich des Richtigstellungsanspruchs zugelassen, da die Frage, ob einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts ein Richtigstellungsanspruch zustehen kann, von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 543 Abs.2 S.1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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