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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 03.12.2004
Aktenzeichen: II-143/04
Rechtsgebiete: GG, StGB, AEG


Vorschriften:

GG Art. 87 e
StGB § 123 Abs. 1
AEG § 10
1. Nach Wegfall der unmittelbaren Gemeinwohl- und Grundrechtsbindung können öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen Bahnhofsverbote wie sonstige Private, die ihre Räume der Allgemeinheit zugänglich gemacht haben, erteilen, soweit nicht besondere gesetzliche Bindungen wie die Beförderungspflicht entgegenstehen.

2. Die Pflicht öffentlicher Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Personenbeförderung (§ 10 AEG) strahlt dahin aus, dass auch öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Allgemeinen den Zutritt zu Reisezwecken von einem Bahnhofsverbot ausnehmen müssen.

3. Bei Verurteilung wegen Hausfriedensbruches (Verstoß gegen Bahnhofsverbot) haben die Urteilsgründe die das berechtigte Interesse an der Erteilung des Hausverbots tragenden Umstände und die Reichweite des Hausverbots anzugeben. Eine weitergehende Darstellung der das Verbot veranlassenden Umstände erübrigt sich wegen der reduzierten Rechtmäßigkeitsanforderungen an ein Bahnhofsverbot.


Hanseatisches Oberlandesgericht 2. Strafsenat Beschluss

Az.: II-143/04

Beschluss vom 3. Dezember 2004

In der Strafsache

hier betreffend Revision des Angeklagten gegen das Urteil der Abteilung 943 des Amtsgerichts Hamburg-St.Georg vom 11. August 2004

hat der 2. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 3. Dezember 2004 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Harder den Richter am Oberlandesgericht Dr. Augner die Richterin am Oberlandesgericht Schlage

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten wird mit der Maßgabe, dass in der Liste der angewendeten Vorschriften § 42 StGB hinzutritt, auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:

A.

Das Amtsgericht Hamburg-St.Georg hat den Angeklagten am 11. August 2004 wegen Hausfriedensbruches in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen à Euro 5,-- (Einzelstrafen je 15 Tagessätze à Euro 5,--) verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen ist dem geständigen Angeklagten am 30. Januar 2003 durch die DB Station & Service AG ein bis zum 29. Januar 2004 gültiges Hausverbot für den Hamburger Hauptbahnhof erteilt worden und hat er sich in Kenntnis dieses Verbotes zwischen dem 12. Juli und 19. August 2003 "infolge seiner Drogenabhängigkeit und nur provisorischen Unterbringung in einem Männerwohnheim" siebenmal zu im Einzelnen bezeichneten Zeiten im Hamburger Hauptbahnhof an im Einzelnen beschriebenen Orten - namentlich auf Bahnsteigen, in der Wandelhalle, am Reisezentrum, an Fahrkartenautomaten und an einer Schließfachanlage - "ohne Reiseabsichten" aufgehalten. Das am 12. August 2004 eingegangene Rechtsmittel des Angeklagten ist nach Urteilszustellung vom 27. August 2004 durch Verteidigerschriftsatz am 27. September 2004 als Revision bestimmt sowie mit Verfahrensrügen, der Sachrüge und dem Antrag auf Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache begründet worden. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO angetragen.

B.

Die zulässige (Sprung-)Revision des Angeklagten ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen tragenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Dazu bemerkt der Senat ergänzend wie folgt:

I.

Die Verfahrensvoraussetzungen sind gewahrt.

1. Insbesondere sind die abgeurteilten mit den angeklagten Taten prozessual identisch (§ 264 Abs. 1 StPO). Das gilt auch für Fall 7 vom 19. August 2003, in welchem der Anklage zufolge der Angeklagte sich gegen 15.00 Uhr vor den Fahrkartenautomaten in der Wandelhalle Ost aufgehalten haben soll, während das Urteil ein solches Geschehen für "gegen 15.00 Uhr um 13.25 Uhr" festgestellt hat. Der Uhrzeit des Verstoßes kommt hier für die Umgrenzung der Tat hohe Bedeutung zu, da bei gleichartigen Serientaten mit dichter Frequenz und gleichem Tatort die Abgrenzung von gleichartigen Lebensvorgängen wesentlich anhand der Tatzeit erfolgt (vgl. BGH in NStZ 1992, 602; Tolksdorf in KK-StPO, 5. Aufl., § 200 Rdn. 6 m.w.N.). Vorliegend hat den Urteilsfeststellungen und dem - für die Frage der Verfahrensvoraussetzungen dem Revisionsgericht zugänglichen - Akteninhalt zufolge der Angeklagte sich derart häufig in Hamburg Hauptbahnhof aufgehalten, dass Verstöße gegen das Bahnhofsverbot kumulativ sowohl, wie angeklagt, gegen 15.00 Uhr als auch, wie in den Urteilsfeststellungen zusätzlich angegeben, um 13.25 Uhr des Tages erfolgt sein können, ohne dass ein - wiederum einen einheitlichen Lebensvorgang im Sinne einer einzigen prozessualen Tat schaffender - durchgehender Aufenthalt im Bahnhof vom 13.25 Uhr bis gegen 15.00 Uhr gesichert wäre. Die Auslegung der Urteilsgründe ergibt, dass die zusätzliche Zeitangabe "um 13.25 Uhr" auf einem Schreibversehen beruht. Die Urteilsfeststellungen zu den einzelnen Tatzeiten sind einheitlich strukturiert. Zu den gleichartigen Fällen 1 bis 6 sind die Uhrzeiten jeweils mit "gegen" beschrieben. Daraus folgt, dass auch im Fall 7 die Tatzeit "gegen 15.00 Uhr" festgestellt ist, nicht jedoch die - in der Aneinanderreihung ohnehin sinnentleerte - weitere Zeit "um 13.25 Uhr".

2. Für alle abgeurteilten Fälle sind die nach § 123 Abs. 2 StGB erforderlichen Strafanträge form- und fristgerecht durch die Hausrechtsinhaberin gestellt worden.

a) Das gilt auch für die Fälle 1 und 6, in denen festgestellter Tatort jeweils der "Bahnsteig 4" war, während in den Strafanträgen der Tatort mit "Bahnsteig Gleis 7/8" bezeichnet worden ist. Die Verstöße gegen das Bahnhofsverbot, derentwegen die Antragstellerin die Strafverfolgung begehrt, werden hier durch die in den Strafanträgen und im Urteil übereinstimmenden minutenbezogenen Tatzeitangaben (21.38 Uhr bzw. 16.45 Uhr) individualisiert. Im Übrigen liegt auf der Hand, dass bei Mittelbahnsteiglagen die Gleise 7 und 8 am Bahnsteig mit der - bahninternen - Nummer 4 liegen (Gleis 1/2 am Bahnsteig 1, 3/4 an 2, 5/6 an 3, 7/8 an 4).

b) Die Strafanträge sind durch die Hausrechtsinhaberin angebracht worden.

Hausrechtsinhaberin war nach den Urteilsfeststellungen die "DB Station und Service AG". Diese zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 123 Abs. 1 StGB strengbeweislich getroffene Feststellung ist doppelrelevant sowohl für den Schuldspruch als auch für die Verfahrensvoraussetzung der Strafantragsbefugnis; damit bleibt für eine abweichende freibeweisliche Feststellung durch das Revisionsgericht zur Antragsbefugnis kein Raum (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 244 Rdn. 8, § 337 Rdn. 6 m.w.N.).

Die zwischen dem 16. Juli und 21. August 2003 bei dem Bundesgrenzschutz als zuständiger Polizeibehörde eingegangenen Strafanträge hat die DB Station & Service AG "als Beauftragte der Deutschen Bahn AG" gestellt. Damit hat die DB Station & Service AG ihren für einen Strafantrag kennzeichnenden Willen, das Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden wegen der jeweils bezeichneten Tathandlungen zu veranlassen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 77 Rdn. 24), erkennbar zum Ausdruck gebracht, ohne dass es darauf ankommt, ob sie - auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen - objektiv aus eigenem Recht oder - dem subjektiven Antragstellerhorizont zufolge - aus abgeleitetem Recht die Strafverfolgung begehrte.

Die DB Station & Service AG ist entgegen den in der Erwiderung auf die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft geäußerten Zweifeln bei der Stellung der Strafanträge wirksam vertreten worden. Die Antragsschriften sind durch zwei Personen jeweils mit dem ausdrücklichen Zusatz "i.V." unterzeichnet worden. Die Beifügung dieses Zusatzes zeigt das Bewusstsein der Zeichnenden von der Bedeutung ihrer Vertretungsbefugnis für die Strafantragstellung. Sie handelten für die zur Anbringung von Strafanträgen institutionalisierte Stelle der Hausrechtsinhaberin. Vor diesem Hintergrund bleibt theoretisch, dass sie sich ohne wirkliche Vertretungsmacht nur als vertretungsberechtigt geriert haben könnten; weiterer freibeweislicher Beweiserhebung und -würdigung bedarf es nicht.

II.

Die erhobenen Verfahrensrügen sind unzulässig.

1. Mit der Rüge nach § 244 Abs. 2 StPO beanstandet der Revisionsführer, das Amtsgericht habe Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Hausverbots nicht aufgeklärt.

a) Hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit führt er aus, es sei nicht auszuschließen, dass das Hausverbot vom 30. Januar 2003 zu Unrecht ausgesprochen worden sei, denn ein als Blatt 18 bei den Akten befindliches Protokoll führe nur aus, dass zwei Personen den Angeklagten auf dem Südsteg Höhe Bahnsteig 4 angetroffen hätten, ohne dass ein Hausordnungsverstoß oder ähnliches ersichtlich werde.

Diese Verfahrensrüge ist nicht in der gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO gebotenen Form erhoben worden. Der Revisionsführer verschweigt sogenannte revisionsfeindliche Tatsachen, die für die durch diese Vorschrift intendierte, eine vollständige und inhaltlich zutreffende Wiedergabe des Akteninhaltes voraussetzende Schlüssigkeitsprüfung bedeutsam sind (hierzu vgl. BGH in NStZ-RR 1997, 71, 72; Kuckein in KK-StPO, 5. Aufl., § 344 Rdn. 38 m.w.N.); der Rückseite des vom Revisionsführer genannten Protokolls zufolge (Bl. 18 R. d.A.) ist das Hausverbot am 30. Januar 2003 ausgesprochen worden, weil der Angeklagte mehrere Reisende massiv und penetrant angebettelt sowie gegen ein zuvor für die Dauer von 24 Stunden mündlich ausgesprochenes Hausverbot verstoßen hatte. Zudem werden in der Revisionsbegründung weder ein bestimmtes Beweismittel, dessen das Amtsgericht sich hätte bedienen sollen, noch ein bestimmtes Ergebnis des zu erhebenden Beweises genannt.

b) Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des Hausverbots führt die Revisionsbegründung aus, es sei wegen unleserlicher Unterschriften auf der Verbotsurkunde unklar, ob eine befugte Person das Hausverbot ausgesprochen habe; es sei nicht auszuschließen, dass sich ein Fehlen der Vertretungsberechtigung herausstellen werde. Auch diese Aufklärungsrüge genügt nicht der Form des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Wiederum sind weder ein bestimmtes Beweismittel noch ein bestimmtes Beweisergebnis benannt.

2. Mit der Rüge nach § 261 StPO beanstandet der Revisionsführer, die Urteilsfeststellung, der Angeklagte habe die Hausverbotsurkunde unterschrieben, beruhe nicht auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung, denn weder sei diese Urkunde verlesen worden noch habe ausweislich des Sitzungsprotokolls der Angeklagte angegeben, die Urkunde unterschrieben zu haben. Diese Rüge ist unzulässig. Die nach § 273 Abs. 2 StPO erstellte Protokollierung der wesentlichen Vernehmungsergebnisse ist für den Inhalt der Aussagen nicht beweiskräftig (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 273 Rdn. 17). Es bedürfte zur Ermittlung des Aussageinhaltes also einer Rekonstruktion der Beweisaufnahme, die dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrt ist (vgl. Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 6. Aufl., Rdn. 502 m.w.N.); eine Ausnahme ist hier nicht gegeben, insbesondere keine Urkunde über eine Aussage des Angeklagten verlesen worden. Im Übrigen beruht der Schuldspruch nicht auf der Feststellung einer Unterzeichnung der Hausverbotsurkunde, denn der Angeklagte hat die Kenntnis vom Hausverbot unabhängig von einer Unterschriftsleistung eingeräumt.

III.

Die durch die Sachrüge veranlasste materiell-rechtliche Prüfung hat tragende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten weder hinsichtlich des Schuldspruches noch des Rechsfolgenausspruches ergeben. Insbesondere sind entgegen dem Revisionsvorbringen die Feststellungen zur Sache vollständig und tragen zur objektiven wie subjektiven Tatseite die Verurteilung wegen Hausfriedensbruches nach § 123 Abs. 1 StGB.

1. Die Rechtmäßigkeit des am 30. Januar 2003 erteilten Hausverbots (zur Frage von deren Bedeutung für die Strafbewehrung siehe auch Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 123 Rdn. 20 a.E. m.w.N.) ist durch die Feststellungen hinreichend belegt.

a) Infolge der grundlegenden Veränderungen des Eisenbahnverfassungsrechtes durch Art. 1 des 40. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I, 2089) sowie des Eisenbahnverwaltungs- und -privatrechts durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl I, 2378) sind die materiellen Rechtsmäßigkeitsanforderungen an Bahnhofsverbote reduziert und demgemäß die Darstellungsanforderungen an die Urteilsfeststellungen bei Verurteilungen wegen Hausfriedensbruches in der Modalität des widerrechtlichen Eindringens in Bahnhöfe als zum öffentlichen Verkehr bestimmte abgeschlossene Räume herabgesetzt. Eine umfassende Feststellung der dem Verbot zu Grunde liegenden Tatsachen ist nicht erforderlich (anders noch OLG Köln in VRS 90, 115, 116 mit dem Regime der sogenannten Behördenbahn unterfallender Tatzeit 2. September 1993; siehe auch Rudolphi in SK-StGB, § 123 Rdn. 34 m.w.N. unter Zugrundelegung umfassender öffentlicher Zweckbindung von Bahnhofsräumen). Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe hier.

aa) Gemäß Art. 87 e Abs. 3 GG werden die Eisenbahnen des Bundes in privatrechtlicher Form (umfassende Organisationsprivatisierung; vgl. Windthorst in Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 87 e Rdn. 1) als Wirtschaftsunternehmen (beschränkte Aufgabenprivatisierung; vgl. Windthorst, a.a.O.) geführt. Die Führung als Wirtschaftsunternehmen schließt die Führung nach handelsrechtlichen Grundsätzen und namentlich die Verfügungsgewalt über das Unternehmensvermögen ein (vgl. Windthorst, a.a.O., Rdn. 37, 38). Die Reichweite dieser Verfügungs- und Nutzungsgewalt wird bestimmt durch die vom Verfassungsgeber gewollte strikte Trennung (vgl. Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl., Art. 87 e Rdn. 1) zwischen dem Staat vorbehaltenen hoheitlichen und gemeinwohlnützigen Aufgaben einerseits (Art. 87 e Abs. 1, 2, teilweise 4 GG) einerseits und dem privatrechtlich organisierten Wirtschaftsunternehmen überlassenen unternehmerischen Aufgaben sowohl betreffend die Verkehrsleistung als auch die Verkehrsinfrastruktur andererseits (vgl. Gersdorf in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 87 e Rdn. 49; Windthorst, a.a.O., Rdn. 39). Diese unternehmerische Freiheit findet im Bereich der Infrastruktur Einschränkungen nach Art. 87 e Abs. 3 S. 2, S. 3 GG, die jedoch nur eine Zurückdrängung, nicht Aufhebung der Gewährleistung aus Art. 87 e Abs. 3 S. 1 GG beinhalten (vgl. Windthorst, a.a.O.).

Vor dem Hintergrund des europarechtlich vorgegebenen Prinzips der Staatsferne von Eisenbahnen (vgl. Schmidt-Aßmann/Röhl in DÖV 1994, 577, 579 f m.w.N.; Wittenberg/Heinrichs/Mittmann/Zwanziger, AEG, 2004, Einführung 2. III. 1.) sind Verkehrsdienstleistungen als Wirtschaftsgut wie jedes andere zu behandeln (vgl. Schmidt-Aßmann/Röhl, a.a.O., 581). Folge aus allem ist eisenbahnverfassungsrechtlich der grundsätzliche Ausschluss einer unmittelbaren Gemeinwohl- oder Grundrechtsbindung der Eisenbahnunternehmen (vgl. Gersdorf, a.a.O., Rdn. 47 f; Windthorst, a.a.O., Rdn. 41 m.w.N.; siehe auch Lang in NJW 2004, 3601, 3604). Gegen die aus der Pflicht zur Daseinsvorsorge herausgenommenen, frei und eigenverantwortlich wie Private handelnden Eisenbahnunternehmen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des GG in BT-Drs. 12/5015, S. 7; Fromm/Sellmann in NVwZ 1994, 547, 548; Schmidt-Aßmann/Röhl, a.a.O., 581; Lang, a.a.O.) sind Gemeinwohlbelange nur durch besondere öffentlich-rechtliche Vorschriften durchsetzbar (vgl. Uerpmann in von Münch/Kunig, GG, 3. Aufl., Art. 87 e Rdn. 10; Windthorst, a.a.O., Rdn. 41). Die Gemeinwohlgarantie des Art. 87 e Abs. 4 GG verpflichtet den Bund, aber nicht die Eisenbahnunternehmen (vgl. Umbach in HK-GG, Art. 87 e Rdn. 25.

Eisenbahnverwaltungsrechtlich sind diese Vorgaben durch das ENeuOG umgesetzt worden. Die Deutsche Bahn AG und ihre Tochtergesellschaften sind juristische Personen des Privatrechts (wobei Anteilseigner der DB AG zurzeit noch das Bundeseisenbahnvermögen als nicht rechtskräftiges Sondervermögen des Bundes ist) mit - wie schon nach altem Recht (vgl. BGHZ 6, 305, 309 f; BGH in LM § 839 [Fa] BGB Nr. 3) - privatrechtlichen Beziehungen zu den Kunden. Verwaltungsaufgaben werden insbesondere durch das Eisenbahnbundesamt und die Bahnpolizei wahrgenommen; ansonsten nehmen die Deutsche Bahn AG und ihre Tochtergesellschaften keine Verwaltungsaufgaben wahr, soweit nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist, z.B. durch Beleihung (vgl. Heinze in NVwZ 1994, 748, 749; siehe auch BayObLG in DAR 1997, 453).

Wie sonstige private Hausrechtsinhaber (zu diesen vgl. Lenckner, a.a.O., Rdn. 19) können folglich die Eisenbahnunternehmen grundsätzlich frei darüber disponieren, wem sie den Zutritt zu ihren Anlagen gestatten oder - ohne auf Störer beschränkt zu sein (anders bei entsprechend weiter Zweckbestimmung von dem öffentlichen Verkehr dienenden Räumen Tröndle/Fischer, a.a.O., § 123 Rdn. 22) - versagen. Begrenzt wird diese Freiheit durch einzelne eisenbahnrechtliche Vorschriften über die öffentlich-rechtliche Zweckbindung der Eisenbahnen und die allgemeinen Einschränkungen, denen auch private Hausrechtsinhaber unterworfen sind, wenn sie ihre Geschäftsräume bzw. Verkehrsanlagen der Allgemeinheit zugänglich gemacht haben.

Eine öffentlich-rechtliche Beschränkung der Dispositionsfreiheit enthält § 10 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) in der Fassung des Art. 5 ENeuOG vom 27. Dezember 1993 (BGBl I, 2378, 2396, 2399), dessen § 10 die Personenbeförderungspflicht öffentlicher Eisenbahnverkehrsunternehmen bestimmt. Hieraus folgt, dass - sofern nicht wegen besonderer Gefahren für den Eisenbahnbetrieb oder ähnliches ein weitergehender Ausschluss gerechtfertigt ist - das Hausverbot den Zutritt zwecks Beförderung durch ein Eisenbahnverkehrsunternehmen ausnehmen muss (vgl. Kühl in Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 123 Rdn. 8). Allerdings richtet sich die Beförderungspflicht gemäß § 10 AEG dem Wortlaut nach nur an öffentliche Eisenbahnverkehrsunternehmen im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 3 Nr. 1 AEG, während vorliegend die tatrichterlich als Hausrechtsinhaberin festgestellte DB Station & Service AG ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 3 Nr. 2 AEG ist. Zur Einsenbahninfrastruktur zählen nämlich namentlich Gebäude, in denen sich Verkaufs- und Abfertigungseinrichtungen für den Personenverkehr befinden (§ 2 Abs. 3 S. 3 AEG); umfasst sind insbesondere Empfangsgebäude (vgl. Begründung zum ENeuOG-Entwurf in BT-Drs. 12/4609, S. 55 f; Kramer, Das Deutsche Bundesrecht, § 3 AEG Erl. S. 29). Indes strahlt die Beförderungspflicht des Eisenbahnverkehrsunternehmens auf das Eisenbahninfrastrukturunternehmen aus. Die Beförderungspflicht des Verkehrsunternehmens ginge ins Leere, wenn der Reisende keinen Anspruch auf Bahnhofszutritt hätte. Betreiben der Infrastruktur und Durchführung des Verkehrs mit Schienenfahrzeugen stellen sich als zwei selbständige Teilaufgaben des einheitlichen Systems Bahn dar (vgl. zum Haftungsrecht BGH in VM 2004, 82, 83 - Zivilsenat -), sodass § 10 AEG - wie im Ergebnis nach altem Recht § 2 EVO a.F. - das Eisenbahninfrastrukturunternehmen funktional für den Bahnhofszutritt mit umfasst.

Hingegen fehlt es entgegen dem Revisionsvorbringen nach dem Gesagten jedenfalls in Ermangelung einer generellen Gemeinwohl- und direkten Grundrechtsbindung sowie einer speziellen Normierung an einer Pflicht des Eisenbahnunternehmens, seine Bahnhofsanlagen, speziell seine Empfangsgebäude für die ungehinderte Kommunikation der Bürger verfügbar zu halten oder speziell faktisch als zentralen Treffpunkt für Drogenabhängige bzw. soziale Randgruppen zugänglich zu machen. Deshalb ist die Auseinandersetzung um öffentlich-rechtliche Aufenthaltsverbote (Übersicht bei Hecker in NVwZ 2003, 1334) und um die Reichweite des Gemeingebrauches bei öffentlichen Wegen (vgl. OLG Düsseldorf in NJW 1998, 2375, 2376 m.w.N.: Entwicklung hin zum allgemein zugänglichen Forum der Kontaktaufnahme und Kommunikation) hier ohne Bedeutung.

Es verbleibt im Übrigen bei den allgemeinen Beschränkungen, denen private Hausrechtsinhaber unterliegen, wenn sie ihre Geschäftsräume bzw. Verkehrseinrichtungen der Allgemeinheit zugänglich machen. Zutrittsverbote dürfen nicht gegen gesetzliche Gebote verstoßen (§ 134 BGB) und nicht sittenwidrig sein (§ 138 BGB); bestimmte Personen dürfen nicht diskriminiert werden (vgl. Lenckner, a.a.O., Rdn. 19; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 123 Rdn. 19 m.w.N.). Dabei wird teilweise ein berechtigtes Interesse an der Ausschließung verlangt (vgl. Lenckner, a.a.O.); die Schwelle zur Gefährdung des Eisenbahnbetriebes oder anderer Bahnhofszwecke muss aus den genannten Gründen nicht überschritten sein.

Soweit dem im Revisionsverfahren ergangenen Beschluss des OLG Köln (a.a.O.) weitergehende Rechtmäßigkeitsanforderungen an Bahnhofsverbote und Darstellungsanforderungen an die Urteilsgründe zu entnehmen sind, ist eine Vorlage nach § 121 Abs. 2 GVG wegen der durch das ENeuOG eingetretenen Änderung der Rechtslage nicht veranlasst.

bb) In Anwendung dieser Grundsätze reichen vorliegend die tatrichterlichen Feststellungen zu den materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des am 30. Januar 2003 für die Dauer von einem Jahr erteilten Hausverbots für Hamburg Hauptbahnhof aus.

Aus dem Zusammenhang der Urteilsfeststellungen wird noch hinreichend erkennbar, dass von dem Verbot ein Betreten des Hauptbahnhofs zum Zweck der Benutzung dort verkehrender Schienenverkehrsmittel ausgenommen war. Zwar verhalten sich die Urteilsgründe nicht ausdrücklich zur Reichweite des erteilten Verbotes, aber die für die späteren Tatzeiten zunächst generelle Angabe, der Angeklagte habe keine "Reiseabsichten" gehabt, und die sodann anhand einiger Verkehrsunternehmen exemplifizierte Darstellung, der Angeklagte habe die Beförderung durch Züge der Unternehmen nicht "in Anspruch nehmen" wollen, in funktionaler Verknüpfung dieser fehlenden Absicht mit dem Hausverbot ("trotz gültigen Hausverbots", UA S. 4) bringen zum Ausdruck, dass das Hausverbot entsprechend beschränkt war. Anderenfalls wäre die Betonung fehlender Reiseabsichten sinnentleert.

Eine Sittenwidrigkeit oder unzulässige Diskriminierung des Angeklagten ist nach den Urteilsfeststellungen gleichfalls auszuschließen. Vielmehr wird noch hinreichend erkennbar, dass jedenfalls ein berechtigtes Interesse an der Erteilung des Bahnhofsverbotes bestand. Nicht erst zu den späteren Tatzeiten hielt sich der Angeklagte "infolge seiner Drogenabhängigkeit und nur provisorischen Unterbringung in einem Männerwohnheim" im Bereich des Hauptbahnhofs auf (UA S. 4). Schon in der Vergangenheit ab 1996 - den Zeitraum der Erteilung des Bahnhofsverbotes am 30. Januar 2003 einschließend - prägten Wohnsitzlosigkeit und Drogensucht sein Verhalten (UA S. 3), in dessen Zusammenhang er insbesondere wegen Diebstählen und Vergehen nach dem Betäubungsmittelgesetz zehnmal, zuletzt am 21. März 2003, bestraft worden war. Damit hat das Tatgericht deutlich gemacht, dass der Angeklagte den Bahnhof u.a. zu einem unterkunftskompensierenden Aufenthaltsort ohne Zusammenhang mit den dortigen Eisenbahn- und sonstigen zweckbestimmenden Einrichtungen gemacht hatte.

b) Die formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Bahnhofsverbotes sind gleichfalls durch die Feststellungen belegt.

Hausrechtsinhaberin war die DB Station & Service AG. Diese hat den Urteilsfeststellungen zufolge das Hausverbot erteilt. Ob diejenigen natürlichen Personen, die für die juristische Person gehandelt haben, im Einzelnen festgestellt werden müssen, ist Frage des Einzelfalles. Nicht für jeden Rechtsvorgang ist in den Urteilsgründen eine Auflösung in die zu Grunde liegenden tatsächlichen Vorgänge erforderlich (siehe auch zu allgemein verständlichen Rechtsbegriffen Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 267 Rdn. 35). Das Tatgericht hat erkennbar die Frage der Wirksamkeit des Hausverbots nicht übersehen ("trotz gültigen Hausverbots"; Hervorhebung durch Senat). Seine Feststellungen enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die das Hausverbot aussprechende bzw. unterzeichnende Person nicht vertretungsberechtigt gewesen sein könnte. Unter diesen Umständen enthalten die Feststellungen keine sachlich-rechtlich beachtliche Lücke (anders als im vom OLG Köln, a.a.O., entschiedenen Fall); die Feststellungen zur Verbotserteilung durch den Hausrechtsinhaber wären nur mit der Aufklärungsrüge angreifbar, die hier in unzulässiger Weise erhoben ist (siehe oben II. 1. b)).

2. Der Angeklagte ist in abgeschlossene Räume, die zum öffentlichen Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eingedrungen.

a) Zu solchen Räumen zählen entgegen dem Revisionsvorbringen auch Bahnhöfe und Bahnhofshallen (vgl. Kühl, a.a.O., § 123 Rdn. 4 m.w.N.). Ausgenommen sind im Bahnhof befindliche Gaststätten und Ladenlokale (vgl. Lenckner, a.a.O., § 123 Rdn. 9 m.w.N.); nicht jedoch die Bahnhofshalle, an bzw. in der sie belegen sind.

b) Liegt, wie bei einem Empfangsgebäude der Bahn und Bahnsteigen, eine allgemeine Betretenserlaubnis vor, dringt im Sinne des § 123 Abs. 1 StGB in die abgeschlossenen Räume ein, wer entgegen einem erteilten Hausverbot eintritt (vgl. Lenckner, a.a.O., § 123 Rdn. 14/15 m.w.N.).

Die tatsächlichen Voraussetzungen solchen widerrechtlichen Eindringens sind hier festgestellt. Insbesondere ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass der Angeklagte sich nicht zu dem vom Hausverbot ausgenommenen Zweck im Bahnhof aufgehalten hat. Das Amtsgericht hat für die sieben abgeurteilten Taten zunächst einschränkungslos festgestellt, der Angeklagte habe sich im Bereich des Hamburger Hauptbahnhofes aufgehalten, "ohne Reiseabsichten zu haben". Erst sodann führt es aus, "im einzelnen" habe er sich aufgehalten, "ohne jeweils die Absicht zu haben, die Beförderung durch die Züge der Deutschen Bahn AG, die Hamburger Hochbahn oder S-Bahn in Anspruch nehmen zu wollen". Diese Einzelaufstellung lässt nicht besorgen, der Angeklagte habe sich zum Zwecke der Beförderung durch ein anderes Hamburg Hauptbahnhof nutzendes öffentliches Eisenbahnverkehrsunternehmen - etwa, wie allgemeinkundig, zu den Tatzeiten die nicht bundeseigene und nicht zum DB-Konzern gehörige Betreiberin des FLEX - im Bahnhof aufgehalten. Dass die Auflistung der Verkehrsunternehmen nicht wörtlich und abschließend, sondern beispielhaft gemeint ist, ergibt sich aus ihr selbst heraus. So sind Züge der "Deutschen Bahn AG" angeführt, obwohl hier maßgebliche Eisenbahnverkehrsunternehmen deren Tochtergesellschaften wie DB Fernverkehr bzw. DB Reise & Touristik AG, DB Regio AG und S-Bahn Hamburg GmbH waren und sind. Die Erwähnung allein der "S-Bahn" - als einziger Konkretisierung zum genannten Konzern der Deutschen Bahn AG - ergäbe keinen Sinn. Züge der Hamburger Hochbahn AG verkehren nicht in Hamburg Hauptbahnhof, sondern in den Haltepunkten Hauptbahnhof-Nord und Hauptbahnhof-Süd. Nach allem beansprucht Feststellungsgeltung das vom Amtsgericht eingangs angeführte Fehlen einer Reiseabsicht schlechthin.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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