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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.10.2009
Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. A 196/08 (383/09)
Rechtsgebiete: IRG, StGB


Vorschriften:

IRG § 9 Nr. 2
StGB § 7 Abs. 2 Nr. 2
Eine Auslieferung erweist sich nach dem IRG unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen als unzulässig, wenn die Tat nach deutschem Recht verjährt ist. Dies gilt selbst dann, wenn nach dem Recht des Mitgliedstaat die Strafverfolgung noch nicht verjährt ist. Gegen die Verjährung kann insbesondere nicht eingewandt werden, dass vor Eintritt der Verjährung ein Beschluss des ausländischen Gerichts ergangen ist, der die Grundlage des Europäischen Haftbefehls ist. Nur inländische Unterbrechungstatbestände können für die Unterbrechung der Verjährung anerkannt werden.
Beschluss

Auslieferungssache

betreffend den deutschen Staatsangehörigen K.

wegen Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland nach Polen zur Strafverfolgung wegen Menschenhandels u.a.,

(hier: Zulässigkeit der Auslieferung).

Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 15. Oktober 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 10. 2009 durch beschlossen:

Tenor:

Die Auslieferung des Verfolgten nach Polen zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der ihm im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts in Szczecin vom 17. Oktober 2008 (Az.: OZ 503/08 - III Kop 118/08) vorgeworfenen Taten ist unzulässig.

Gründe:

Die polnischen Behörden betreiben gegen den Verfolgten die Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung wegen Menschenhandels.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Auslieferung für unzulässig zu erklären und diesen Antrag wie folgt begründet:

"Das Bezirksgericht in Szczecin ersucht auf der Grundlage seines Europäischen Haftbefehls vom 17. Oktober 2008 (Aktenzeichen: OZ 503/08 - III Kop 118/08) um Auslieferung des Verfolgten an Polen zur Strafverfolgung wegen "Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung", strafbar gem. Art. 204 § 4 des polnischen Strafgesetzbuches als vergehen der "Heibeilockung einer Person mit der Arglist und dem Ziel, sie zur Ausübung der Prostitution zu zwingen."

Dem Verfolgten wird in dem vorbezeichneten Europäischen Haftbefehl zur Last gelegt, am 12. Juni 2002 in Stepnica die am 06.12.1983 geborene Zeugin Agnieska H. unter dem Vorwand, ihr im Bundesgebiet Arbeit als "Barkeeperin" zu verschaffen, in der Zielsetzung der Ausübung der Prostitution in die Niederlande verbracht zu haben. Hierzu verhält sich das von den polnischen Behörden übermittelte Vernehmungsprotokoll vom 07.08.2002.

Offen bleiben kann, ob der dem Verfolgten zur Last gelegte Sachverhalt - soweit es die Verbringung der vorgenannten Zeugin in das Bundesgebiet betrifft - nach deutschem Recht nach § 180b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F. als Menschenhandel strafbar ist, da die Zeugin angegeben hat, dass ihr Arbeit als "Serviererin" in einer Bar in Aussicht gestellt worden war und es im Bundesgebiet auch nicht zur Ausübung der Prostitution kam. Soweit die Zeugin auf Veranlassung des Verfolgten, der seinerzeit angegeben haben soll, dass er ihr Arbeit besorgen wolle, von einer Person namens ... nach Holland verbracht worden sein soll, obwohl ihr in Aussicht gestellt worden war, nach Düsseldorf zu fahren, lässt sich, jedenfalls im Hinblick auf den Verfolgten, anders etwa bei der Person namens ..., ein tatbestandmäßiges Verhalten im Sinne der §§ 181 Abs. 1 Ziff. 1 bzw. 2 StGB a.F. nicht feststellen, zumal die Konkretisierung in dem zu Grunde liegenden Europäischen Haftbefehl unzureichend ist und eine solche Prüfung nicht ermöglicht. Soweit nach Maßgabe der Konkretisierung in dem zu Grunde liegenden Europäischen Haftbefehl eine Straftat nach § 180b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB i.V.m, § 232 StGB n.F. in Betracht kommt, erweist sich die Auslieferung unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen als unzulässig, weil die Tat nach deutschem Recht verjährt ist, was der Auslieferung entgegensteht. Denn § 9 Nr. 2 IRG bestimmt, dass die Auslieferung nicht zulässig ist, wenn für die Tat auch die deutsche Gerichtsbarkeit begründet und die Strafverfolgung nach deutschem Recht verjährt ist. Der Verfolgte ist deutscher Staatsangehöriger. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist wegen der deutschen Staatsangehörigkeit des Verfolgten die deutsche - konkurrierende - Gerichtsbarkeit begründet, mit der Folge, dass die nach deutschem Recht eingetretene Verfolgungsverjährung der Auslieferung des Verfolgten auf Grund des vorbezeichneten Europäischen Haftbefehls an Polen entgegen steht, selbst wenn nach polnischem Recht die Strafverfolgung - was hier der Fall ist - noch nicht verjährt ist (zu vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 15.04.2008 - 4 ARs 22/07 -; siehe auch Senatsbeschlüsse vom 07.08.2008 - (2) 4 AusI A 1/07 (230/08) - sowie vom 17.12.2008 - (2) 4 AusI A 72/08 (394/08) -).

Zwar stellt Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB) - durch das 37. Strafrechtsänderungsgesetz (vom 11.02.2005; in Kraft seit 19.2.2005) wurde § 180b StGB aufgehoben - im Sinne notwendiger Unrechtskontinuität eine Nachfolgeregelung zu § 180b StGB a.F. dar. Hinsichtlich des Vorwurfs des Menschenhandels ist mit Blick auf § 2 Abs. 3 StGB indes auf das Tatzeitrecht (§ 180 Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F.) abzustellen (BGH, NStZ 2005, 445) mit der Folge, dass auf der Grundlage des zur Tatzeit geltenden Rechts die Verjährungsfrist sich auf fünf Jahre beläuft (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), da Strafschärfungen - wie etwa § 180b Abs. 2 StGB a.F. - bei der Bemessung der Verjährungsfrist keine Berücksichtigung finden (§ 78 Abs. 4 StGB).

Hinsichtlich der dem Verfolgten zur Last gelegten Straftat ist nach deutschem Recht spätestens am 11.06.2007 Verjährung eingetreten, weil eine nach Maßgabe des § 78c StGB berücksichtigungsfähige (vgl. dazu einerseits den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 26.07.1984 - 4 ARs 8/84 - betreffend die Anwendung von EuAlÜbk Art. 7 bis 10, IRG § 9 Nr. 2; siehe auch Fischer, StGB, 56. Aufl., § 78c Rdnr. 7 m.w.N.; vgl. Hackner/ Ladogny/Schomburg/Wolf, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen Rdnr. 127 u. 128); siehe aber andererseits den Vorlagebeschluss nach § 42 IRG des OLG Oldenburg vom 06.04.2009 AusI. 33/08 sowie den Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 25.09.2009 - 2 AusI A 95/08 - und den darin in Bezug genommenen Grundsatzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 03.09.2009 - 2 BvR 1826/09 -) Unterbrechungshandlung in dem dem Europäischen Haftbefehl zu Grunde liegenden Beschluss des Amtsgerichts Goleniow vom 13. April 2005 (Aktenzeichen: Kp 34/05) nicht gesehen werden kann, weil im Hinblick darauf, ob Verjährung im Sinne des § 9 Nr. 2 IRG eingetreten ist, bei verfassungskonformer Auslegung der vorbezeichneten Norm nur inländische Unterbrechungstatbestände (vgl. BVerfG, a.a.O.) im Sinne von § 78c StGB anerkannt werden können.

Zu der in Rede stehenden Frage der Anerkennung "funktionsäquivalenter Unterbrechungstatbestände" sowie zur Auslegung des § 9 Nr. 2 IRG hat das Bundesverfassungsgericht in seiner vorbezeichneten Entscheidung u.a. Folgendes ausgeführt:

"Die Auslegung von § 9 Nr. 2 IRG, die (...)vornimmt, führt im Zusammenspiel mit § 78c StGB sowie durch die spezifische Kombination mit den jeweils in Bezug genommenen Hoheitsakten ausländischer Strafverfolgungsbehörden zu verfassungsrechtlich nicht hinreichend vorhersehbaren Eingriffen in das Grundrecht auf Auslieferungsfreiheit gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG. Beeinträchtigt wird die Vorhersehbarkeit des Auslieferungsverfahrens insbesondere durch die so erforderlich gewordenen Ausführungen zum ausländischen Prozessrecht. Die verfahrensrechtliche Abhängigkeit einer Auslieferung von Akten ausländischer Hoheitsträger, deren Funktionsäquivalenz trotz des generellen Vertrauens in die Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Mitgliedstaaten der Europäischen Union für alle Beteiligten nur wenig verlässlich ermittelbar ist, konfrontiert den von einer Auslieferung betroffenen Grundrechtsträger mit nicht hinreichend vorhersehbaren Rechtsfolgen.

Die sogenannte Substitution ist zwar nicht generell verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt (1). Die bei der Suche nach Funktionsäquivalenten in fremden Rechtsordnungen regelmäßig entstehenden Übersetzungs-, Einordnungs- und Bewertungsfragen (vgl. Sonnenberger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2006, Einleitung, Rn. 614) sind aber als verfassungskonforme Beschränkungen von Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG nicht hinnehmbar (2), sie genügen nicht dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG.

Die Auslegung von § 9 Nr. 2 IRG in Verbindung mit § 78c StGB (sogenannte Substitution) ist eine dogmatische Besonderheit, die ihrer Art nach jedoch nicht einmalig in der deutschen Rechtsordnung ist. Der Begriff der Substitution bezeichnet grundsätzlich die Ersetzung eines inländischen durch einen ausländischen (Verwaltungs-)Akt. Anlass dafür ist stets, dass Rechtsnormen auf Rechtserscheinungen Bezug nehmen, ohne klar zu entscheiden, ob darunter auch sogenannte fremdrechtliche Vorgänge zu verstehen sind (Sonnenberger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2006, Einleitung, Rn. 614). Das Problem der Substitution wird daher meist im Kontext von international-privatrechtlichen Konstellationen diskutiert (vgl. nur BGHZ 109, 1 <6> m.w.N.; Thorn, in: Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, Einleitung Art. 3 EGBGB, Rn. 31). Verbreitet wird dort von einem Grundsatz der Nichtanerkennung und erst recht des Nichtvollzugs ausländischer Verwaltungsakte ausgegangen, doch lockert sich diese Haltung im jüngeren Schrifttum auf. Substitution ist für sich betrachtet jedoch kein Gegenstand des Internationalen Privatrechts, sondern kann prinzipiell in allen Rechtsgebieten auftreten (so ausdrücklich Sonnenberger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2006, Einleitung, Rn. 618). Allgemein verbirgt sich dahinter jeweils das Problem der Gleichwertigkeit fremder Rechtserscheinungen.

"Nach herrschender Auffassung im einschlägigen Schrifttum handelt es sich bei Fragen der Substitution stets um einen Aspekt der Auslegung der betreffenden Sachnormen, die bisweilen erleichtert wird, wenn der Gesetzgeber selbst entsprechende Anweisungen erläutert (vgl.m.w.N. Sonnenberger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2006, Einleitung, Rn. 614). Derartige Hinweise des Gesetzgebers sind selten, eines der wenigen Gegenbeispiele liefert § 34 Abs. 1 SGB I. Typische Auslegungsprobleme der Sachnorm sind in diesem Zusammenhang etwa die Frage, ob Gleichartigkeit der fremden Rechtserscheinung erforderlich ist oder ob Ähnlichkeit in den wesentlichen Punkten genügt (vgl. BGHZ 109, 1 <6>). Ist einer Sachnorm nichts Besonderes zu entnehmen, wird häufig als Faustregel auf Funktionsäquivalenz abgestellt.

Im Rahmen von § 9 Nr. 2 IRG in Verbindung mit § 78c StGB genügt die vom Oberlandesgericht München vorgenommene Substitution nicht den Anforderungen des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG. Die unzuverlässige und mit Unsicherheiten behaftete Ermittlung funktionsäquivalenter Unterbrechungstatbestände bietet jeden falls im grundrechtssensiblen verfahrensrechtlichen Kontext der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger keine hinreichende Vorhersehbarkeit der Grundrechtsbeeinträchtigungen.

Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts München enthält erhebliche Unwägbarkeiten bei der Bestimmung von Funktionsäquivalenten: so muss das Oberlandesgericht mit Art. 31 Abs. 2 (gemeint ist wohl: Art 31 § 2) eine Bestimmung der griechischen Strafprozessordnung heranziehen, um das Handeln der griechischen Behörden überhaupt im richtigen normativen Kontext erfassen zu können, wobei der fremdsprachliche Kontext hinzutritt; denn die von den griechischen Behörden vorgelegten Schriftstücke lassen nach Auffassung des Oberlandesgerichts München nicht eindeutig erkennen, ob der Beschwerdeführer als "Zeuge" oder aber als "Beschuldigter" von den griechischen Behörden geführt wurde.

Diese grundrechtsrelevanten Unsicherheiten, die durch die Substitution entstehen, hat das Oberlandesgericht München "sehenden Auges" hingenommen, ohne die Notwendigkeit der Substitution im Lichte von Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG kritisch zu hinterfragen. Dabei hätte insbesondere der Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLG Oldenburg, NJW 2009, S. 2320f,) vom 6. April 2009 einen Anlass geben müssen, sich mit den grundrechtlichen Aspekten verjährungsunterbrechender Substitution zu befassen; in diesem Beschluss legte das Oberlandesgericht Oldenburg dem Bundesgerichtshof gemäß § 42 Abs. 1 IRG die folgende Rechtsfrage vor:

Ist die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen aufgrund eines Europäischen Haftbefehls an die Republik Polen - zur Strafverfolgung wegen in Polen begangener Straftaten, die nach deutschem Recht verjährt wären und für die wegen der deutschen Staatsangehörigkeit des Verdächtigten auch die deutsche Gerichtsbarkeit begründet ist - auch dann unzulässig, wenn in der Republik Polen Handlungen vorgenommen worden sind, die ihrer Art nach geeignet wären, die Verjährung nach deutschen Rechtsvorschriften zu unterbrechen?

An die dabei zentrale Aussage des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLG Oldenburg, NJW 2009, 5. 2320 <2321>), vor dem Hintergrund der ... grundrechtsschonenden Auslegung der Vorschriften kommt nach Auffassung des Senats eine Auslegung dahingehend, dass die polnischen Haftbefehle auch die deutsche Verjährung unterbrochen haben, nicht in Betracht Die praktischen Erwägungen, die von Bubnoff in seinem Aufsatz schildert, vermögen daran nichts zu ändern, knüpft das Oberlandesgericht München in seinem Beschluss inhaltlich nicht an, sondern beschränkt sich ausschließlich auf die Diskussionen von Fragen der formellen Bindungswirkung (§ 42 Abs. 1 IRG).

Für die Beurteilung der am verfassungsrechtlichen Maßstab gemessen mangelnden Vorhersehbarkeit der "funktionsäquivalenten Unterbrechungstatbestände" ist unerheblich, ob der Gesetzgeber - was vorliegend dahinstehen kann - bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses zum Europäischen Haftbefehl an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 9 Nr. 2 IRG aus dem Jahr 1984 festhalten wollte (vgl. zum Willen des historischen Gesetzgebers Vogel/Burchard, in: Grützner/Pötz/Kreß (Hrsg.), Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Kommentar, 3. Auflage, Bd. I, Loseblatt , § 9 Rn. 68). Denn dieser mögliche Wille des Gesetzgebers hätte mit hinreichender Deutlichkeit in der gesetzlichen Grundlage Ausdruck finden müssen; insbesondere hätten dafür die relevanten Tatbestände ausländischer Vollstreckungsbehörden in nachvollziehbarer Weise sichtbar werden müssen. Nur unter diesen qualifizierten Voraussetzungen an die Nachvollziehbarkeit des Auslieferungsverfahrens kann der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen werden, dass die verfassungsrechtlich gebotene Konkretisierung einer ,Abbildung im Gesetzestext" (BVerfGE 113, 273 <315 f.>) bedarf.

Aus dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der europäischen justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen ergibt sich nichts anderes. Denn namentlich der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl eröffnet in Art 4 Nr. 4 die Möglichkeit einer Auslieferungsverweigerung für den Fall der "Verjährung nach den Rechtsvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaates". Jedenfalls können die Zugeständnisse im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung nicht weiter gehen, als dies die grundrechtlichen Spielräume bei der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger zulassen (vgl. auch Vogel/Burchard, in: Grützner/Pötz/Kreß (Hrsg.), Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Kommentar, 3. Auflage, Bd. I, Loseblatt , § 9 Rn. 84).

Eine verfassungskonforme Auslegung von § 9 Nr. 2 IRG setzt in Konstellationen der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger notwendigerweise voraus, dass lediglich inländische Unterbrechungstatbestände anerkannt werden können, um zu hinreichend voraussehbaren Rechtsfolgen für die von Auslieferung betroffenen deutschen Staatsangehörigen zu gelangen."

Nach den angeführten Maßstäben berücksichtigungsfähige Unterbrechungstatbestände liegen nicht vor. Insoweit bleibt anzumerken, dass die vom Bundesverfassungsgericht angeführten Überlegungen zu der Thematik der "Funktionsäquivalenz" insbesondere im Hinblick auf das polnische Strafverfahrensrecht augenscheinlich praktische Relevanz aufzeigen, denn nach Auskunft des Bezirksgerichts in Katowice (Schreiben vom 13. Oktober 2009 XVI Kop 36/09 - 4 Ausl A 150/09) sieht die "polnische Strafprozedur" keine Verjährungsunterbrechung vor, sondern lediglich eine Verlängerung der Verjährungsfrist nach Art. 102 StGB im Falle der Aufnahme eines Verfahrens gegen einen Verdächtigen."

Diesen in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an.

Ende der Entscheidung

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