Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.10.2004
Aktenzeichen: 1 Ss 402/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 354 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Beschluss

Strafsache

gegen S.H.

wegen Diebstahls

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XVII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 5. Juli 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 10. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 354 Abs. 1 a StPO in der ab dem 1. September 2004 geltenden Fassung einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Dortmund verurteilte den Angeklagten am 4. März 2004 wegen Diebstahls in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, wobei es in vier Fällen (Ziff. 1., 4. - 6.) einen besonders schweren Fall des Diebstahls gemäß § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB annahm. Mit dem angefochtenen Urteil hat die Strafkammer die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen. Hinsichtlich der auf die geständige Einlassung des Angeklagten gestützten Feststellungen zu den einzelnen Taten hat die Kammer auf das amtsgerichtliche Urteil ("Bl. 7 Mitte - 9 oben UA") Bezug genommen. Der von der Strafkammer als tat- und schuldangemessen erachteten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten liegen Einzelstrafen von vier Mal sechs Monaten und drei Mal drei Monaten zugrunde, auf die auch das Amtsgericht erkannt hatte. Im Rahmen ihrer Strafzumessungserwägungen hat die Strafkammer hierzu Folgendes ausgeführt:

"Bei der Strafzumessung hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er in ungünstigen sozialen Verhältnissen aufgewachsen und sehr früh mit Rauschgift in Kontakt gekommen ist. Positiv ist zu sehen, dass er die Straftaten ohne Umschweife einräumt. Ein bleibender Schaden ist den Kaufhäusern nicht erwachsen. Auch die Kammer hält es für nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit gehandelt hat und hat daher die einzelnen Strafen nach §§ 21, 49 StGB gemildert.

Andererseits durfte nicht übersehen werden, dass der Angeklagte erheblich vorbelastet ist. Strafaussetzungen und Zurückstellungen der Strafvollstreckung haben nichts bewirkt, ebensowenig wie Strafverbüßungen. Das Kernproblem des Angeklagten ist ersichtlich seine Drogensucht und es ist daher bedauerlich, dass er sich entschieden gegen eine Therapie im Rahmen des § 64 StGB ausspricht. So musste auch die Kammer davon ausgehen, dass eine derartige Maßregel von vornherein als aussichtslos anzusehen ist (§ 64 Abs. 2 StGB).

Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erschien der Kammer die vom Amtsgericht verhängten Einzelstrafen ... keinesfalls übersetzt, sondern trotz aller Milderungsgründe am unteren Rand des Vertretbaren.

Angesichts der Vorstrafen des Angeklagten bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, dass auch kurzfristige Freiheitsstrafen unbedingt erforderlich sind im Sinne des § 47 StGB.

Aus diesen Einzelstrafen war eine Gesamtstrafe zu bilden. Unter nochmaliger Berücksichtigung aller Umstände erschien auch hierbei die vom Amtsgericht gefundene Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten tat- und schuldangemessen, jedenfalls nicht übersetzt. Die Kammer hat es dabei belassen. Eine Strafaussetzung kam mangels günstiger Prognose keinesfalls in Betracht."

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte (unbeschränkte) Revision des Angeklagten.

II.

1. Die zulässige Revision des Angeklagten war hinsichtlich des Schuldspruchs als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Die auf S. 7 Mitte bis Seite 9 oben des amtsgerichtlichen Urteils getroffenen Feststellungen, auf die in dem angefochtenen Berufungsurteil in zulässiger Weise Bezug genommen wird (zu vgl. BGHSt 23, 59; OLG Hamm NStZ-RR 1997, 369; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 267 Rdnr. 2 a), tragen die Verurteilung wegen Diebstahls in sieben Fällen.

2. Der Rechtsfolgenausspruch in dem angefochtenen Urteil ist dagegen nicht frei von Rechtsfehlern. Der Senat hat jedoch insoweit von der Aufhebung des angefochtenen Urteils nach § 354 Abs. 1 a StPO in der seit dem 1. September 2004 geltenden Fassung (BGBl. I S. 2198 ff.) abgesehen, weil die verhängten Einzelstrafen und die hieraus gebildete Gesamtstrafe angemessen sind.

Die Strafzumessungserwägungen in dem angefochtenen Urteil sind bereits deshalb fehlerhaft, weil unklar bleibt, von welchem Strafrahmen die Kammer bei den einzelnen abgeurteilten Taten jeweils ausgegangen ist. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sie - ebenso wie das Amtsgericht - bei den festgestellten Diebstahlstaten zu Ziff. 1. und 4. - 6., die im Gegensatz zu den Fällen 2., 3. und 7. keine geringwertigen Sachen i.S.d. § 248 a StGB betrafen, jeweils einen besonders schweren Fall des Diebstahls gemäß § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB angenommen hat. Die Kammer hat jedoch hinsichtlich eines gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten keine Feststellungen getroffen. Soweit sie in dem angefochtenen Urteil wegen der tatrichterlichen Feststellungen auf das amtsgerichtliche Urteil Bezug genommen hat ("auf Bl. 7 Mitte bis 9 oben UA"), erstreckt sich diese Verweisung gerade nicht auf die vom Amtsgericht auf Seite 7 oben seines Urteils getroffenen Feststellungen zum gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten. Auch eigene Feststellungen hat die Strafkammer hierzu nicht getroffen. Die von der Kammer in Bezug genommenen Feststellungen ermöglichen daher lediglich eine Bestrafung aus dem Strafrahmen des § 242 StGB i.V.m. §§ 21, 49 StGB.

Die Zugrundelegung des Strafrahmens aus § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB wäre daher auch hinsichtlich der nicht auf geringwertige Sachen bezogenen Diebstahlstaten zu Ziff. 1., 4., 5. und 6. rechtsfehlerhaft und ein hierdurch dem Angeklagten erwachsener Nachteil bei der Strafzumessung insoweit nicht auszuschließen.

Die zumindest hinsichtlich der Diebstahlstaten zu Ziff. 1. und 4. bis 6. nicht auszuschließende Anwendung des § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB seitens der Kammer begegnet auch deshalb Bedenken, weil sich die Strafkammer nicht mit der dann aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt hat, ob die Annahme eines besonders schweren Falles des Diebstahls nicht mit Rücksicht auf die von der Kammer bejahte verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgeschlossen ist. Denn das Vorliegen des § 21 StGB kann im Wege der erforderlichen Gesamtwürdigung aller Strafzumessungstatsachen allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu führen, dass ein besonders schwerer Fall zu verneinen ist (zu vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 46 Rdnr. 88 und 92). Dies gilt auch hinsichtlich der Regelbeispiele des § 243 Abs. 1 StGB.

Der Senat hat trotz der von ihm festgestellten Gesetzesverletzung bei der Zumessung der Rechtsfolgen nach § 354 Abs. 1 a StPO in der seit dem 1 September 2004 geltenden Fassung von der Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs in dem angefochtenen Urteil abgesehen, weil die von der Strafkammer ausgeworfenen Einzelstrafen im Ergebnis nach Art und Höhe nicht zu beanstanden sind und die daraus gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten nach Ansicht des Senats angemessen i.S.v. § 354 Abs. 1 a StPO ist. Auch bei Anwendung des nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 242 StGB in allen sieben abgeurteilten Fällen sind die erkannten Einzelstrafen und im Ergebnis auch die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten nach einer Gesamtwürdigung der von der Kammer festgestellten und gewürdigten Strafzumessungsgesichtspunkte tat- und schuldangemessen. Der Angeklagte ist in der Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. In dem angefochtenen Urteil sind diesbezüglich 11 Vorbelastungen, die sich auf die Zeit ab Januar 1991 beziehen, aufgeführt. Darunter befinden sich allein sechs Verurteilungen wegen verschiedener Diebstahlstaten des Angeklagten sowie eine Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung und Raubes. Der Angeklagte wurde mehrfach zu Jugend- und Freiheitsstrafen verurteilt, die er - teilweise nach dem Widerruf zuvor gewährter Strafaussetzungen zur Bewährung - verbüßen musste. Zuletzt wurde er vom Amtsgericht Dortmund mit Urteil vom 14. Februar 2003 wegen Diebstahls in 11 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Eine insoweit wie zuvor bereits auch in anderen Verfahren gewährte Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG musste widerrufen werden. Mehrere Entgiftungsbehandlungen und Therapieversuche hat der Angeklagte erfolglos abgebrochen. Der Angeklagte hat sich von den vorangegangenen Verurteilungen und Strafverbüßungen unbeeindruckt gezeigt. Die vom Landgericht zugrunde gelegten Einzelstrafen stellen jeweils eine angemessene Sanktion für das neuerliche strafrechtliche Fehlverhalten des Angeklagten dar, wobei das Landgericht mit Rücksicht auf die zahlreichen, zum Teil einschlägigen Vorstrafen und die Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten zu Recht die Unerlässlichkeit der Verhängung kurzzeitiger Freiheitsstrafen i.S.d. § 47 StGB bejaht und eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB in Bezug auf die auch dem Senat nach abschließender Gesamtwürdigung als angemessen erscheinenden Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bereits mangels günstiger Prognose ausgeschlossen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück