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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.04.2007
Aktenzeichen: 1 Ss OWi 247/07
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 73
OWiG § 74
StPO § 344
Zur Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen T.H.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 21. Januar 2007 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 15. Januar 2007 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 16. 04. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gem. § 80 a Abs. 2 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über de Kosten Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit Bußgeldbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Dortmund vom 19. September 2006 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 50,00 € festgesetzt. Ihm wurde zur Last gelegt, als Verlader der Sattelzugmaschine mit Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXX, Fabrikat Scania, dafür verantwortlich zu sein, dass die Ladung des Lastkraftwagens, bzw. des Anhängers nicht verkehrssicher verstaut war.

Sein dagegen gerichteten Einspruch hat das Amtsgericht Dortmund mit Urteil vom 15. Januar 2007 gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, nachdem der Betroffene trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens ohne genügende Entschuldigung im Termin zur Hauptverhandlung nicht erschienen war. Den von seinem Verteidiger gestellten Antrag auf Entbindung von dieser Verpflichtung hat das Amtsgericht zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt. Er ist der Auffassung, das Amtsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ihn entgegen seinem Antrag vom 14. Januar 2007 nicht vom persönlichen Erscheinen entbunden und den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verworfen habe.

II.

Die Rechtsbeschwerde war gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Die Einschränkung des § 80 Abs. 2 OWiG gilt in diesem Fall nicht ( vgl. dazu OLG Hamm, Beschluss vom 28. Oktober 2003, 1 SsOWi 664/03; OLG Düsseldorf, NZV 1992, S. 43).

Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Gesetzwidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht und damit auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Wird die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsachenvortrag schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt, denn der Betroffene hat einen Anspruch darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen eine Erklärung abgeben zu können (OLG Köln, NZV 1999, S. 264). Bleibt der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung fern und wird daraufhin der Einspruch des Betroffenen gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so kann die Einspruchsverwerfung das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzen, wenn rechtzeitig vorgebrachte und hinreichende Entschuldigungsgründe von dem erkennenden Bericht nicht berücksichtigt worden sind oder einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu Unrecht nicht entsprochen worden ist (BayObLG DAR 2000, S. 578). Bei der Rüge der unzulässig unterbliebenen Entbindung von der Verpflichtung vom persönlichen Erscheinen obliegt es dem Betroffenen, darzulegen, aus welchen Gründen das Gericht seinem Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG hätte stattgeben müssen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu u. a. wie folgt Stellung genommen:

"Vorliegend sind die die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs begründenden Tatsachen der Begründungsschrift in ausreichender Weise zu entnehmen. Insbesondere ist die Einlassung des Betroffenen unter ausreichender Darlegung des Beweisergebnisses sowie der Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung vom 14.01.2007 - der durch den auch insoweit bevollmächtigten Verteidiger in der Hauptverhandlung erneut gestellt worden ist - unter Hinweis darauf, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zur Sache machen wolle, dargestellt worden. Auch kann der Begründungsschrift entnommen werden, dass das Amtsgericht den Antrag des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin vom 15.01.2007 abgelehnt und welche Erwägungen das Gericht dieser Entscheidung zugrunde gelegt hat. Zwar ist der Wortlaut des Beschlusses vom 15.01.2007 der Begründungsschrift nicht zu entnehmen; es wird indes erkennbar, dass das Gericht dem Antrag des Betroffenen im Wesentlichen deshalb nicht entsprochen hat, weil es durch Rückfragen an ihn eine weitere Sachaufklärung erwartete.

Darüber hinaus ist in der Begründungsschrift weitergehend ausreichend dargelegt, was der Betroffene für den Fall der Berücksichtigung seines bislang gemachten Vorbringens zu seinen Gunsten weiter hätte geltend machen wollen und dass das Gericht unter Zugrundelegung dieses Vorbringens zu einer in der Sache anderen Entscheidung hätte gelangen können.

Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist auch begründet. Dabei kann letztendlich dahingestellt bleiben, ob das Amtsgericht seiner Verpflichtung, sich mit dem Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in den Urteilsgründen auseinandersetzen zu müssen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16.08.2006 - 2 SsOWi 348/06 -), durch inhaltliche Bezugnahme auf den Beschluss vom selben Tage in ausreichender Weise nachgekommen ist; der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nämlich bereits dadurch verletzt, dass das Amtsgericht dem Entbindungsantrag des Betroffenen nach § 73 Abs. 2 OWiG nicht stattgegeben hat, obwohl es diesem hätte stattgeben müssen (OLG Hamm, a.a.O.). Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage ist die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht mehr in das Ermessen des Gerichts gestellt. Vielmehr ist das Gericht verpflichtet, dem Antrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (OLG Hamm, a.a.O., m. w. N.). Dieser Verpflichtung ist das Amtsgericht vorliegend dadurch, dass es der Äußerung des Betroffenen, im Hauptverhandlungstermin keine weiteren Angaben machen zu wollen, im Ergebnis keine Bedeutung beigemessen hat, nicht nachgekommen, wobei auch durch den Hinweis auf die geplante weitere Einvernahme eines Zeugen nicht erkennbar wird, inwieweit hier die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes für erforderlich erachtet worden war.

Die Rechtsbeschwerde ist hiernach bereits auf die erhobene Verfahrensrüge hin zuzulassen und das angefochtene Urteil wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.

Da eine Entscheidung des Senats nach § 79 Abs. 6 OWiG nicht in Betracht kommt, ist die Sache an das Amtsgericht Dortmund zurückzuverweisen."

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei und macht sie zum Gegenstand seiner eigenen Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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