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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.08.2004
Aktenzeichen: 1 Ss OWi 504/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen.
Beschluss

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 23. März 2004 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 19. 08. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274), 49 StVO, 24, 25 StVG zu einer Geldbuße von 275,- € verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von zwei Monaten Dauer verhängt. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 15. Juli 2003 gegen 10.50 Uhr mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXXXXXXX die BAB A 45 in Dortmund in Fahrtrichtung Frankfurt. In Höhe des Kilometersteins 22,6 überschritt er die dort durch Zeichen 274 StVO festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h außerhalb der geschlossenen Ortschaft um 67 km/h. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme Folgendes ausgeführt:

"Die gem. § 79 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und mit der Sachrüge form- und fristgerecht begründet worden. Sie hat in der Sache auch einen - zumindest vorläufig - teilweisen Erfolg.

Soweit sich die unbeschränkt erhobene Rechtsbeschwerde auch gegen den Schuldspruch wendet, lässt die Nachprüfung des Urteils insoweit Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 67 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften. Das Amtsgericht hat bei der Darlegung in den Urteilsgründen die von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze beachtet, die zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit Hilfe eines standardisierten Messverfahrens - hier mit dem Radargerät Multanova 6 F - zu stellen sind (zu vgl. Hentschel, StVR, 37. Aufl., § 3 StVO, Rdn. 62 m.w.N.). Es hat insbesondere das Messverfahren, die gemessene Geschwindigkeit und den in Abzug gebrachten Toleranzwert angegeben.

Überdies genügt das angefochtene Urteil den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung der Obergerichte an die Darlegung der Beweiswürdigung zur Identifizierung des Betroffenen anhand der bei Verkehrsüberwachungsmaßnahmen gefertigten Beweisfotos zu stellen sind. Danach müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf die in der Akte befindlichen Fotos gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG deutlich und zweifelsfrei Bezug nimmt. Die Verwendung des Gesetzestextes wird diesem Erfordernis gerecht (zu vgl. BGH NZV 1996, 157; Senatsbeschluss vom 20.05.2003 - 1 Ss OWi 334/03 -). Das Amtsgericht hat unter Verwendung des Gesetzeswortlauts unmissverständlich auf die bei der Radarmessung gefertigten Fotos, die in Augenschein genommen worden sind, mit den darauf erkennbaren Einzelheiten Bezug genommen. Infolge der wirksamen Verweisung sind die Messfotos Urteilsbestandteil, so dass das Rechtsbeschwerdegericht deren Eignung zur Identifizierung des Betroffenen aus eigener Anschauung würdigen kann, hier mit dem Ergebnis, dass die erforderliche Bildqualität gegeben ist. Eine zusätzliche Beschreibung einzelner Identifizierungsmerkmale war mithin entbehrlich.

Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Eine Begründung zur Höhe der festgesetzten Geldbuße von 275,00 Euro und zur Dauer des Fahrverbotes enthält das Urteil nicht. Es äußert sich insbesondere nicht zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und zu der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen. Wenn auch die Anforderungen an die Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht überspannt werden dürfen, so müssen doch zumindest derart hinreichende Angaben gemacht werden, dass dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung möglich ist, ob die Vorschrift des § 17 Abs. 3 OWiG beachtet worden ist (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.02.2000 - 5 Ss OWi 1342/99 -). Angesichts der vom Tatrichter verhängten Geldbuße von 275,00 Euro unter gleichzeitiger Festsetzung eines Fahrverbotes von zwei Monaten kann die zugrundeliegende Verkehrsordnungswidrigkeit auch nicht mehr als geringfügig i.S. von § 17 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 OWiG, bei der die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Regel unberücksichtigt bleiben, eingestuft werden. Das Rechtsbeschwerdegericht nicht somit in der Lage, zu überprüfen, ob die Bemessung des Bußgeldes den Anforderungen des § 17 Abs. 3 OWiG entspricht.

Da das Amtsgericht keinerlei Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit des Betroffenen getroffen hat, kann der Senat darüber hinaus nicht überprüfen, ob die Verhängung des Fahrverbotes für den Betroffenen eine unzumutbare Härte darstellen könnte. Die Notwendigkeit, hierzu Feststellungen zu treffen, entfällt auch nicht deshalb, weil der Regelfall des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV vorliegt; gemindert ist in solchen Fällen für den Tatrichter allein der notwendige Begründungsaufwand (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22.05.2002 - 2 Ss OWi 200/02 -). Überdies sind jedenfalls bei der Verhängung - wie hier - erheblicher Rechtsfolgen auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren Feststellungen zu den Vorbelastungen geboten (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 30.04.1999 - 3 Ss OWi 297/99 -)."

Diesen Ausführungen tritt der Senat im Ergebnis bei und legt sie seiner Entscheidung zugrunde. Auch bei Festsetzung des nach dem Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelsatzes muss jedenfalls im Falle einer Geldbuße von 275,- € aus den Urteilsgründen ersichtlich sein, ob der Betroffene in außergewöhnlich schlechten oder guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Dazu können statt der Feststellung des konkreten Einkommens und Vermögens Sekundärfeststellungen z.B. zum Beruf oder sozialen Status ausreichen (vgl. OLG Hamburg, NJW 2004, 1813).

Nicht gefolgt werden kann der Generalstaatsanwaltschaft darin, dass zur Überprüfung, ob die Verhängung des Fahrverbotes für den Betroffenen eine unzumutbare Härte darstellen könnte, Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit notwendig sind. Denn es ist Aufgabe des Betroffenen, Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Verhängung eines Fahrverbotes für ihn eine unzumutbare Härte sei. Das Tatgericht ist nicht gehalten, von sich aus insoweit Feststellungen zu treffen. Daher bedarf es ohne Angaben des Betroffenen hierzu insoweit auch keiner Feststellungen im Urteil.

Desweiteren ist nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht keine Angaben zu Vorbelastungen des Betroffenen gemacht hat. Insoweit ist davon auszugehen, dass, wenn Feststellungen zu Vorbelastungen fehlen, solche auch nicht vorliegen.

Nach alledem war aus den Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Wegen der Wechselwirkung von Geldbuße und Fahrverbot kann die erforderliche Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs hier nicht auf die Geldbuße beschränkt werden, sondern erfasst auch die Anordnung des Fahrverbotes.

Ende der Entscheidung

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