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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.04.2006
Aktenzeichen: 1 UF 185/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1572
BGB § 1577 Abs. 1
BGB § 1577 Abs. 3
ZPO § 141
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 28. Juli 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bielefeld wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien sind durch das lediglich zur Folgesache nachehelicher Unterhalt angefochtene Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bielefeld vom 07.07.2005, hinsichtlich des Scheidungsausspruchs und des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich rechtskräftig seit dem 09.12.2005, voneinander geschieden. Im selben Urteil wurde der Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin beginnend mit dem auf die Rechtskraft der Scheidung folgenden Monat nachehelichen Unterhalt in Höhe von insgesamt 356,86 € monatlich zu zahlen, wovon 280,00 € auf den Elementarunterhalt und 70,86 € auf den Altersvorsorgeunterhalt entfielen. Dabei hat das sachverständig beratene Amtsgericht zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Antragsgegnerin sei spätestens ab Mitte 2005 wieder erwerbsfähig. Gesundheitliche Gründe hinderten sie spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr, zumindest eine teilschichtige Erwerbstätigkeit auszuüben, aus welcher sie ein Bruttoeinkommen von mindestens 500,00 € monatlich erzielen könne. Eine solche Erwerbstätigkeit sei angesichts des Alters der gemeinsamen, 16 Jahre alten Tochter M, die bei der Antragsgegnerin wohne, nicht überobligatorisch. Deshalb sei der Antragsgegnerin ein Einkommen in dieser Höhe fiktiv zuzurechnen. Darüber hinaus verfüge sie über Vermögen, das sie zu Unterhaltszwecken einsetzen müsse und aus welchem sie allein aus den Zinsen bei Erhaltung des Vermögensstamms monatlich rd. 395,00 € erzielen könne. Setze man dies mit dem anrechenbaren Einkommen des Antragstellers ins Verhältnis, ergebe sich der tenorierte Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe sowie wegen des zugrundeliegenden Tatbestands wird auf das Urteil des Amtsgerichts vom 07.07.2005, Bl. 199 d.A., verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich, soweit der Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt betroffen ist, die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit welcher sie abändernd eine Verurteilung des Antragstellers zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 640,00 € einschließlich Alters- und Krankenvorsorgeunterhalt erstrebt. Zur Begründung führt sie aus, weder sei sie arbeitsfähig, noch sei ihr ein Kapitalvermögen von 190.000,00 € zuzurechnen.

Das Gutachten des Sachverständigen trage dessen Prognose einer Arbeitsfähigkeit ab Mitte 2005 nicht. Der Sachverständige habe nämlich ausgeführt, dass die Antragsgegnerin in ihrer Kindheit massiver Gewalt seitens eines Elternteils ausgesetzt gewesen sei und distanzierte Teilnahmslosigkeit seitens des anderen Elternteils habe erfahren müssen. Dadurch sei es zu einer schweren Traumatisierung gekommen. Durch die Vorfälle um die ältere Tochter der Parteien, in die sich ihre Eltern eingemischt hätten, habe bei der Antragsgegnerin spätestens Mitte 2000 wieder eine depressive Entwicklung eingesetzt, die ihre Ursache in ihrer stark traumatisierten Kindheit gehabt habe. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten festgestellt, dass diese depressive Entwicklung "sicher ab Mitte 2000 ein klinisch erhebliches Ausmaß" erreicht habe und "seither sicher auch eine Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit begründet habe". Trotz einer seither kontinuierlichen antidepressiven Behandlung unter Verabreichung hochdosierter Antidepressiva sei es nicht zu einer ausreichend guten Stabilisierung bezüglich der inneren Unruhe- und Spannungszustände, der Stimmungslabilität, der Schlafstörungen und der Selbstzweifel gekommen. Vor diesem Hintergrund sei seine Prognose, die Antragsgegnerin könne ab Mitte 2005 wieder einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf oder in einer anderen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen, nicht nachvollziehbar. Tatsächlich befinde sie sich weiterhin in Behandlung. In der Zeit vom 14.01. bis zum 15.07.2005 habe sie sich in tagesklinischer Behandlung der Klinik für Psychotherapie und psychosomatische Medizin des F K-Krankenhauses C befunden. Das berücksichtige der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 25.05.2005 nicht ausreichend. Das Amtsgericht habe seine Aufklärungspflichten verletzt, weil es sich nicht mit dem Behandlungsbericht der Klinik vom 02.06.2005 auseinandergesetzt habe. In ihrem Bericht hätten die behandelnden Ärzte ausgeführt, es sei zunächst erforderlich, "sichere äußere Rahmenbedingungen zu schaffen, wie die Klärung der Unterhaltszahlung, die Beschleunigung des Scheidungsverfahrens, die Entzerrung von Verstrickungen aus seinerzeit bestehenden Verbindungen zu dissozialen, zum Teil auch kriminellen Zusammenhängen". Bei alledem liege ihre Ausbildung zur Industriekauffrau nahezu 30 Jahre zurück. In den vergangenen 24 Jahren sei sie nicht mehr berufstätig gewesen. Sie sei deshalb gegenwärtig jedenfalls in ihrem erlernten Beruf nicht vermittelbar und aufgrund ihres Krankheitsbildes auch auf dem gesamten Arbeitsmarkt nicht.

Sie wiederholt ihre Behauptung, mindestens 55.101,66 € des Verkaufserlöses von 200.000,00 € für noch valutierende Darlehensverbindlichkeiten und die Vorfälligkeitsentschädigung sowie weitere 15.410,54 € für weitere Positionen im Zusammenhang mit der Trennung aufgewendet zu haben. Hinzugekommen seien weitere Kosten für Anwaltsgebühren, Gerichtskosten, Einrichtung des Kinderzimmers und Rückzahlung Sozialhilfe, so dass sie nur noch rd. 120.000,00 € für eine verzinsliche Anlage übrig gehabt habe. Soweit der Antragsteller dies pauschal bestritten habe, sei dies unsubstantiiert gewesen. Jedenfalls habe das Amtsgericht, so meint sie, sie nicht ohne konkreten Hinweis als beweisfällig ansehen dürfen.

Der Antragsteller verteidigt das angefochtene Urteil. Die vorgelegten Bescheinigungen seien ersichtlich Gefälligkeitsatteste. Die Antragsgegnerin sei weder verhandlungs- noch arbeitsunfähig. Denn sie habe erst kürzlich einen neuen Pkw angeschafft, habe sich stark und gesund genug gefühlt, eine strapaziöse Urlaubsreise in die E S zu unternehmen, betreue ständig ihre minderjährige Tochter in ihrem Haushalt und unterhalte ein eigenes Reitpferd. Am Vereinsleben am Reitstall nehme sie aktiv teil. Aus den vorgelegten Arztberichten ergebe sich nicht, dass aktuell noch von einer Erwerbsunfähigkeit auszugehen sei. Die Prognose des Sachverständigen Dr. E sei zutreffend gewesen. Tatsächlich finde auch seit Juni 2005 eine irgendwie geartete regelmäßige ärztliche oder psychologische Behandlung nicht mehr statt.

Er meint, die Antragsgegnerin müsse sich im Ergebnis Einkünfte aus einer leichten, einfachen, frauentypischen Erwerbstätigkeit von bis zu sechs Stunden werktäglich in Höhe von 700,00 € netto monatlich anrechnen lassen. Namentlich erwähnt hat er eine Teilzeitbeschäftigung als Verkäuferin, Büglerin in einer Reinigung, Telefonistin, Montiererin in der Industrie, Reinigungskraft oder Serviererin.

Er geht in seiner Berechnung weiterhin von einem Restvermögen von 200.000,00 € aus dem Verkauf des Hauses aus. Der nachgewiesene Kontokorrentsaldo von über 21.000,00 € habe mit der Ehe der Parteien nichts zu tun. Die Ablösung von Belastungen von 55.101,66 € sei ebenso wenig bewiesen wie die Zahlung aller anderen geltend gemachten Aufwendungen. Selbst wenn man der Antragsgegnerin die Ablösung gewisser Belastungen zugestehen wolle, verblieben ihr zumindest noch 155.000,00 €. Diese würden unter Berücksichtigung einer angemessenen Verzinsung eine monatliche Entnahme von rd. 1.000,00 € für die kommenden 16,5 Jahre, mithin bis zum Eintritt in das Rentenalter, abdecken. Seine eigenen Einkünfte errechnet er mit monatlich 1.345,00 €. Danach könne die Antragsgegnerin im Ergebnis nicht mehr beanspruchen, als ihr erstinstanzlich bereits zuerkannt seien.

Die Antragsgegnerin hat darauf noch einmal repliziert. Die nicht strapaziöse, sondern erholsame Reise in die E S habe sie auf Anraten ihrer Ärzte und damit aus therapeutischen Gründen angetreten. Nicht sie betreue ihre mittlerweile 17-jährige Tochter; vielmehr unterstütze diese sie in psychischer wie in physischer Hinsicht. Das Pferd gehöre ihr nicht und werde ausschließlich von ihrer Tochter und einer Freundin betreut und geritten. Sie hält sich im Übrigen nicht für verpflichtet, ihren Vermögensstamm anzugreifen, um ihren Unterhaltsbedarf zu decken. Die Zahlung der Ablösesumme von 55.101,66 € ergebe sich inzidenter schon daraus, dass die Eigentumsumschreibung erfolgt sei. Auch die Einkommensberechnung des Antragstellers bestreitet sie. Zu seinen Gunsten sei ein Nutzungsvorteil für einen privat genutzten Dienst-Pkw mit monatlich 250,00 - 300,00 € zu berücksichtigen. Daneben erhalte er Spesen. Der Kindesunterhalt betrage auch nicht 393,00 €, sondern lediglich 304,00 € entsprechend 105 % des Regelbetrages.

II.

Das zulässige Rechtsmittel der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat den Beweis der Tatsachen nicht erbracht, die einen höheren als den erstinstanzlich zuerkannten Unterhaltsanspruch in Höhe von insgesamt 356,86 € monatlich begründen könnten. Insoweit gilt grundsätzlich, dass die Antragsgegnerin als nachehelichen Unterhalt Beanspruchende darlegungs- und beweispflichtig für ihren Unterhaltsbedarf und ihre Unterhaltsbedürftigkeit ist. Das gilt auch, soweit dies in Form der ehebezogenen, eine Erwerbstätigkeit hindernden Erkrankung Tatbestandsmerkmal für einen nachehelichen Unterhaltsanspruch aus § 1572 BGB ist.

Insoweit gilt im Hinblick auf die Berufungsangriffe gegen das erstinstanzliche Urteil, auf welches zunächst wegen seiner Begründung Bezug genommen wird, im einzelnen folgendes:

1.

Ein Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen besteht, solange und soweit von einem geschiedenen Ehegatten vom Zeitpunkt der Scheidung an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, § 1572 BGB.

Fest steht und unstreitig ist, dass die Antragsgegnerin einer Erwerbstätigkeit derzeit nicht nachgeht, sich auch nicht darum bemüht und auch nicht darum bemüht hat. Zur weiteren Klärung der Frage, ob und ggf. inwieweit die Antragsgegnerin, wie sie behauptet, krankheitsbedingt erwerbsunfähig ist, hat der Senat den ihm seit langem als zuverlässig bekannten Sachverständigen, den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und für psychotherapeutische Medizin Dr. med. E im Senatstermin ergänzend angehört und die Antragsgegnerin persönlich gem. § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses dieser Anhörung wird zunächst auf den Berichterstattervermerk vom 10.04.2004 verwiesen. Wie daraus ersichtlich, ist der Sachverständige auch in seiner ergänzenden Anhörung und in Kenntnis der von der Antragsgegnerin nachgereichten Unterlagen und ihrer eigenen Darstellung im Senatstermin bei seiner Einschätzung geblieben, dass die Antragsgegnerin trotz gesundheitsbedingter Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit noch über ein Restleistungsvermögen verfügt, das sie in die Lage versetzt, gewisse Tätigkeiten auszuüben und gewissen Beschäftigungen nachzugehen, die von Patienten mit diesem Krankheitsbild typischerweise nicht geleistet werden können. Namentlich sind insoweit die bereits vom Antragsteller angesprochenen Tätigkeiten zu erwähnen, nämlich der Transatlantikflug und der Urlaub in der E S, die Beschäftigung mit dem Reitpferd, der Erwerb und das Führen des neu erworbenen Kraftfahrzeugs und das Bewegen in der Öffentlichkeit beim Einkauf und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. All dies hat die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat auch bestätigt. Zwar hat sie dies, jedenfalls aus ihrer Sicht, relativiert, indem sie dargelegt hat, das Kraftfahrzeug würde sie dann im öffentlichen Straßenverkehr nicht führen, wenn sie sich schlecht fühle. Dann nehme sie öffentliche Verkehrsmittel. Auch werde das Reitpferd im wesentlichen von ihrer Tochter geritten und gepflegt. Sie selbst halte sich nur selten am Reitstall auf. Auch der Erwerb des Kraftfahrzeuges sei keine besondere Anstrengung gewesen. Eigentlich habe sie nur das alte Kraftfahrzeug dorthin gebracht und das neue mitgenommen. Im Ergebnis bestätigt sie damit, wie auch der Sachverständige ausgeführt hat, dessen Einschätzung eines wesentlich größeren tatsächlich vorhandenen als eingestandenen Leistungsvermögens und damit die Tendenz einer gewissen Aggravation auf Seiten der Antragsgegnerin. Denn wer tatsächlich, wie die Antragsgegnerin angab, unter starken, die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit beeinträchtigenden Angstzuständen und Panikattacken leidet, der führt kein eigenes Kraftfahrzeug, der benutzt erst recht keine öffentlichen Verkehrsmittel und für den ist insbesondere ein Transatlantikflug, der einem derartigen Patienten über viele Stunden hinweg überhaupt keine Rückzugsmöglichkeiten bietet, nicht zu meistern. Ein solcher Patient ist auch nicht in der Lage, Vertragsverhandlungen über ein Kraftfahrzeug zu führen oder zum Einkaufen in die Stadt zu fahren. All dies sind deutliche Anzeichen dafür, dass ein größeres Restleistungsvermögen besteht, als von der Antragsgegnerin zugestanden. Hinzu kommt, dass sich die Antragsgegnerin dem Sachverständigen gegenüber bei der Exploration, die der Anfertigung des schriftlichen Gutachtens vorausgegangen ist, als deutlich leistungsfähiger dargestellt hat. Während sie nämlich im Senatstermin angab, morgens in der Regel nicht in der Lage zu sein, aufzustehen, und zunächst abwarten zu müssen, bis die Medikamente wirkten und die Beschwerden dämpften, was zumeist bis zum Mittag andauere, hatte sie bei ihrer Exploration dem Sachverständigen gegenüber noch angegeben, morgens aufzustehen, und für ihre Tochter die Schulbrote zubereiten. Sie schilderte ihm gegenüber also einen strukturierteren Tagesablauf, als sie ihn beim Senat schilderte. Nachvollziehbare Gründe für eine Verschlechterung der Symptomatik sind indessen nicht zu erkennen, sieht man davon ab, dass auch die Fortdauer dieses Unterhaltsverfahrens, wie der Sachverständige darstellte, typischerweise zu einer gewissen Persistenz des Krankheitsbildes führt, allerdings auch verbunden mit dem Eindruck des Sachverständigen, als wolle die Antragsgegnerin durch die Aufrechterhaltung ihrer Darstellung "etwas beweisen". Als bloße Möglichkeit, warum es zu einer Verschlechterung der Symptomatik gekommen sein kann, steht schließlich noch im Raum, dass die Antragsgegnerin mit zunehmendem Alter und zunehmender Selbständigkeit der Tochter weiter aus der Verantwortung genommen ist und nun, zumal sie auch keine anderen regelmäßigen oder Erwerbstätigkeit nachgeht, kaum noch ihren Lebensalltag und Tagesablauf strukturierende Pflichten hat, was dazu geführt haben kann, dass sie sich in ihre Krankheit ergibt. Das würde allerdings im Ergebnis ihre Leistungsfähigkeit nicht ausschließen, sondern wäre nur ein weiteres Argument dafür, dass sie bei gehöriger Ausnutzung ihrer tatsächlich vorhandenen Leistungsfähigkeit nicht nur einer Erwerbstätigkeit oder einer sonstigen Beschäftigung nachgehen könnte, sondern durch die weitere Strukturierung ihres Lebensalltags an Selbstwertgefühl und damit an Lebensqualität gewinnen könnte und dadurch die Therapie der unzweifelhaft vorhandenen Grunderkrankung unterstützen könnte.

Nach alledem tut sich, insbesondere aufgrund der von zutreffenden tatsächlichen Anhaltspunkten ausgehenden, nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und deshalb überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen eine Vielzahl von begründeten Zweifeln daran auf, dass die Antragsgegnerin tatsächlich, wie sie behauptet, krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Der Sachverständige ist am Ende seines schriftlichen Gutachtens zu der Prognose gelangt, dass die Antragsgegnerin ab Mitte 2005 gesundheitlich in der Lage sein werde, zumindest einer halbschichtigen Tätigkeit nachzugehen. Bei dieser Einschätzung ist er im Senatstermin geblieben. Der Senat folgt aus den vorstehenden Erwägungen den Ausführungen des Sachverständigen. Der darlegungs- und beweispflichtigen Antragsgegnerin ist es nach alledem nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass sie nicht in der Lage ist, zumindest diese rd. vier Stunden arbeitstäglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Auch die Betreuung der jetzt 17 Jahre alten Tochter hinderte die Antragsgegnerin nicht an einer solchen Erwerbstätigkeit. Nachdem sie sich bislang nicht einmal um eine Erwerbstätigkeit bemüht hat, kommt grundsätzlich eine fiktive Zurechnung von Einkünften unter dem Gesichtspunkt einer unterhaltsrelevanten Obliegenheitsverletzung in Betracht.

Hinsichtlich der Bewertung dieser - prägenden und daher bedarfsbestimmenden - Erwerbstätigkeit folgt der Senat den Ausführungen des Amtsgerichts, die die Antragsgegnerin jedenfalls nicht beschweren. Deshalb legt auch der Senat einen fiktiven Nettolohn von 446,00 € seiner Unterhaltsberechnung zugrunde.

Als ehe- und bedarfsprägend und deshalb im Rahmen der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen sind ferner die Einkünfte der Antragsgegnerin aus Kapitalvermögen, namentlich die Zinseinkünfte aus dem verbliebenen Kapital nach Veräußerung des früheren gemeinsamen Wohnhauses, die als Surrogat für den während der Ehezeit prägenden Wohnwert in die Berechnung einzustellen sind. Insoweit ist unstreitig, dass die Antragsgegnerin das Grundstück mit dem aufstehenden Haus zum Preise von 200.000,00 € veräußert hat. Dabei handelt es sich um die frühere Ehewohnung, deren Eigentümer ursprünglich beide Parteien zu gleichen Anteilen waren. Dazu schilderte der Antragsteller im Senatstermin, von der Antragsgegnerin unwidersprochen und daher zugestanden, dass er seinen hälftigen Anteil, als es in der Ehe kriselte, auf die Antragsgegnerin übertragen habe, um sie und die gemeinsame Tochter abzusichern, auch für den Fall des Vermögensverfalls. Denn Geld habe er zum damaligen Zeitpunkt schon nicht mehr gehabt und das Konto habe sich im Negativen befunden.

Streitig geblieben ist zwischen den Parteien auch im Senatstermin, von welchem (Rest)Vermögen auf Seiten der Antragsgegnerin auszugehen ist und wonach sich die Verzinsung berechnet. Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil einen Betrag von noch 190.000,00 € zugrundegelegt und daraus unter Zugrundelegung eines angenommenen Zinssatzes von 2,5 % monatliche Zinseinkünfte von 395,83 € errechnet.

Eine abschließende Klärung, ob die Antragsgegnerin, wie der Antragsteller mutmaßt, verschiedene Geldbeträge mehrfach in Abzug gebracht oder einfach an anderer Stelle "gebunkert" hat oder ob die Antragsgegnerin durch unterhaltsrechtlich hinzunehmende Ausgaben ihren Vermögensstamm in den letzten Jahren tatsächlich auf die eingestandenen 120.000,00 € hat reduzieren müssen, hat im Senatstermin nicht stattfinden können. Letztlich kann das aber auch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin selbst dann, wenn sie tatsächlich nur noch über 120.000,00 € verfügt hätte, durch das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht beschwert wäre. Das ergibt sich aus Folgendem:

Der Senat unterstellt zunächst als richtig, dass eine durchschnittliche Verzinsung von 2,5 % bei einem Betrag von 120.000,00 € ohne weiteres zu erzielen ist. Deshalb ergäbe ein Geldbetrag von 120.000,00 € Zinserträge von jährlich 3.000,00 € oder monatlich 250,00 €. Diese wären, als Surrogat zum früheren Wohnwert, bedarfsprägend.

Damit würde die Antragsgegnerin zusammen mit den fiktiven Einkünften aus Erwerbstätigkeit über monatlich insgesamt 696,00 € an Einkünften verfügen, wobei allerdings im Rahmen der Unterhaltsberechnung die fiktiven Einkünfte aus Erwerbstätigkeit um den Erwerbstätigenbonus von 1/7 zu mindern wären, so dass noch ein Rest von 382,29 € verbliebe, was sich zusammen mit den Zinseinkünften auf 632,29 € hochrechnet.

Der Antragsteller verfügt demgegenüber über folgende Einkünfte:

Ausweislich der vorliegenden Gehaltsabrechnung für den Zeitraum von Dezember 2004 bis November 2005 einschließlich hat er in diesem Zeitraum Nettoeinkünfte von 25.206,00 € erzielt. Hinzu kommt eine Steuererstattung für das Jahr 2004 von 534,00 €. Abzuziehen sind darüber hinaus aber, wie er unwidersprochen im Senatstermin erläutert hat, Kosten für eine vom Weihnachtsgeld bediente Direktversicherung in Höhe von 1.000,00 € jährlich, so dass auf das Jahr gerechnet ein Nettoeinkommen von 24.740,00 € oder monatlich 2.061,67 € verbleiben. Für die Zurechnung eines weiteren Nutzungsvorteils für den Dienstwagen, den er zu versteuern hat und der in die Berechnung des Nettoeinkommens eingeflossen ist, ist hier kein Raum. Abzüglich des Tabellenunterhalts für die Tochter M von monatlich 393,00 € verbleibt ein Resteinkommen von monatlich durchschnittlich 1.668,67 €. Bringt man davon den Erwerbstätigenbonus von 1/7 in Abzug, verbleiben 1.430,29 €.

Das sind monatlich genau 798,00 € mehr als das der Antragsgegnerin zuzurechnende Einkommen von monatlich 632,29 €, woraus sich ein monatlicher Unterhaltsbedarf von 1/2 von 798,00 € = 399,00 € errechnet.

Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin mit im Ergebnis monatlich 356,86 € zwar nur einen geringfügig geringeren Unterhaltsanspruch zuerkannt. Gleichwohl hat die Berufung wegen dieses Differenzbetrages keinen Erfolg. Der Senat ist nämlich der Überzeugung, dass der Antragsgegnerin gem. § 1577 Abs. 1, Abs. 3 BGB der ratierliche Verbrauch ihres Vermögens billigerweise zuzumuten ist. Denn nach der vorstehenden Berechnung müsste sie ihr Vermögen von eingestandenen 120.000,00 €, um den zuerkannten Unterhaltsanspruch auf den Unterhaltsbedarf aufzustocken, nur um gut 40,00 € monatlich oder rd. 500,00 € pro Jahr angreifen, was angesichts des beträchtlichen Vermögens kaum ins Gewicht fällt und ihr schon deshalb zuzumuten ist. Bei alledem ergibt eine Kontrollüberlegung, dass die Antragsgegnerin bei einer fortgeltenden Verzinsung von 2,5 % bis zum Eintritt in das Rentenalter jeden Monat gut 700,00 € entnehmen könnte. Auch vor diesem Hintergrund erscheint dem Senat die Entnahme der im Vorstehenden errechneten gut 40,00 € monatlich ohne weiteres zumutbar. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, als es der Antragsgegnerin nach der vorstehenden Berechnung im Ergebnis sogar möglich ist, ihren im Vorstehenden errechneten Unterhaltsbedarf durch den ratierlichen Verbrauch ihres Vermögens bis zum Eintritt des Rentenalters und die titulierten Unterhaltsansprüche gegenüber dem Antragsteller auch dann zu decken, wenn sie nicht wieder, wie ihr vom Senat angesonnen, eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, sucht oder findet.

Nach alledem war die Berufung der Antragsgegnerin mit den sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 97 ZPO ergebenden Nebenfolgen zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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