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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 1 UF 50/07
Rechtsgebiete: BSHG, SGB XII, BGB


Vorschriften:

BSHG § 91
BSHG § 91 Abs. 1
BSHG § 91 Abs. 2
SGB XII § 94 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 1603 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers wird das am 24. Januar 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Oeynhausen unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.772,00 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 60% und die Beklagte zu 40% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger klagt aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche der Mutter der Beklagten, Frau L, geboren am 19. November 1919 / gestorben am 1. März 2007, ein. Die Mutter der Beklagten befand sich seit dem 13. Mai 2003 in einem Pflegeheim und erhielt vom Kläger Sozialhilfe in unterschiedlicher Höhe. Mit Schreiben vom 8. Juli 2003 forderte der Kläger die Beklagte auf, monatlich 100,00 € als Unterhalt für ihre Mutter zu zahlen, nachdem er zuvor mit Schreiben vom 19. Mai 2003 auf die Überleitung des Unterhaltsanspruchs auf sich hingewiesen hatte. Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2005 wurde die Beklagte zur Zahlung von monatlich 240,00 € ab dem 13. Mai 2003 aufgefordert.

Die jetzt 58 Jahre alte Beklagte war während des gesamten Unterhaltszeitraums als Sekretärin im Diabeteszentrum C mit 25 Wochenstunden beschäftigt. Sie ist verheiratet. Ihr Ehemann ist Lehrer. Aus der Ehe sind drei Kinder, G, geb. am 26. September 1972, B, geb. am 10. August 1974 und L1, geb. am 15. Mai 1978 hervorgegangen. Die Tochter B hat in diesem Zeitraum einen Meisterkurs mit finanzieller Unterstützung der Eltern absolviert. Die Tochter L1 hat im November 2005 das medizinische Examen abgelegt und ist seit Dezember 2005 als Assistenzärztin mit eigenem Einkommen beschäftigt.

Die Beklagte hat einen Bruder, L2, dem der Kläger den Streit verkündet hat; dieser ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten. Der Bruder der Beklagten hat durch Übergabevertrag v. 20. November 1972 den Hof seiner Eltern übernommen gegen Zusage der Versorgung mit Kost, Wohnung und Taschengeld. Seit dem Aufenthalt der Mutter im Pflegeheim zahlt er anstelle dieser Leistungen mtl. 604,72 € an den Kläger.

Der Kläger hat mit seiner Klage Unterhaltszahlungen der Beklagten für deren Mutter in Höhe von monatlich 240,00 € ab dem 13. Mai 2007 geltend gemacht. Dabei hat er eine ausreichende Leistungsfähigkeit der Beklagten unter Berücksichtigung des Familieneinkommens, d.h. ihres Anspruchs auf Familienunterhalt gegen den Ehemann, als gegeben angesehen. Letztlich hat er die Beklagte auf die Verwendung ihres Taschengeldanspruchs gegen ihren Ehemann zur Bestreitung des Unterhalts der Mutter verwiesen.

Die Beklagte hat ihre Leistungsfähigkeit bestritten. Mit ihrem eigenen Einkommen als Sekretärin unterschreite sie den Mindestselbstbehalt. Eine Erhöhung des ihr zuzurechnenden Eigeneinkommens im Hinblick auf die Wahl der Lohnsteuerklasse V sei nicht vorzunehmen. Zusammen mit ihrem deutlich mehr als sie verdienenden Ehegatten habe sie ihr beiderseitiges Gesamteinkommen für den Familienunterhalt vollständig verbraucht.

Das Familiengericht hat der Klage für die Zeit vom 13.05.03 - 31.01.05 nur in Höhe von monatlich 100 € stattgegeben mit der Begründung, die Mahnung vom 21. Januar 2005, mit welcher der Kläger erstmals monatlich 240,00 € verlangt habe, nachdem vorher nur eine Forderung von monatlich 100,00 € geltend gemacht worden sei, habe keine Rückwirkung.

Das Familiengericht hat für die Folgezeit der Klage uneingeschränkt stattgegeben. Dabei ist es unter Zugrundelegung des von der Beklagten dargelegten und belegten Familieneinkommens und der hiervon abzuziehenden Aufwendungen für den Familienunterhalt von einer vollständigen Leistungsfähigkeit der Beklagten ausgegangen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin die vollständige Klageabweisung. Sie wiederholt und vertieft hierzu ihren erstinstanzlichen Vortrag. Dabei macht sie insbesondere geltend, das Familiengericht habe sich nicht mit ihrem Einwand auseinandergesetzt, das Familieneinkommen sei vollständig verbraucht worden für die Lebenshaltung, so dass mit Ausnahme für die Aufwendungen für das Familienheim keinerlei Vermögensbildung betrieben worden sei.

Nicht berücksichtigt worden sei außerdem der Wegfall der Eigenheimzulage (mit Vollendung des 27. Lebensjahres der Tochter L1) im Mai 2005, wodurch sich das Familieneinkommen um mtl. 170,43 € mindere. Der Wohnwert sei von 817,80 € in 2003/04 auf 1.017,80 € in 2005 erhöht worden. Der Wohnwert dürfe allenfalls mit 300,00 € angesetzt werden, um der Familie den weitergehenden Vorteil als Alterssicherung zu belassen.

Nicht berücksichtigt worden seien auch notwendige Instandhaltungskosten für das Familienheim, die 2003 rd. 3.400,00 € und 2004 rd. 4.600,00 € betragen hätten.

Zu Unrecht seien die von der Bekl. u. ihrem Ehemann getragenen Kosten von 3.650,00 € für den Meisterkurs der Tochter B nicht als Aufwendung des Familienunterhalts berücksichtigt worden. Dasselbe gelte für die vom 15. Mai 2005 getragenen Krankenvorsorgeaufwendungen für die Tochter L1. Schließlich seien die Einkommensverhältnisse und die daraus folgende Mithaftung des Bruders der Beklagten nicht hinreichend ermittelt worden.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, soweit dies die Leistungsfähigkeit der Beklagten festgestellt hat. Er weist darauf hin, dass das Familiengericht fehlerhaft den ab dem 1. Juli 2005 geltenden Mindestselbstbehalt der Beklagten und ihres Ehemannes von 2.450,00 € bereits ab Januar 2005 zugrunde gelegt hat. Außerdem enthalte die Aufstellung der vorweg vom Einkommen abgezogenen Festkosten zahlreiche Positionen (wie z.B. Strom, Telefon, Gas, Wasser), die unterhaltsrechtlich nicht geltend gemacht werden könnten.

Zu der Leistungsfähigkeit des Bruders der Beklagten trägt der Kläger jetzt im Einzelnen mit Belegen vor. Danach verfügt der Bruder, der monatlich 604,72 € an den Kläger zum Ausgleich des Altenteilsrechts der Mutter zu zahlen hat, über ein mtl. Nettoeinkommen von 2.074,00 €, von welchem er mit seiner Ehefrau, die ohne eigenes Einkommen ist, und seinem Sohn leben muss.

Mit seiner Anschlussberufung macht der Kläger den abgewiesenen Teil des erstinstanzlichen Klageantrags geltend mit der Begründung, das Familiengericht habe für die Zeit vom 15. Mai 2003 bis zum 31. Januar 2005 zu Unrecht das Fehlen einer Mahnung über eine über monatlich 100,00 € hinausgehende Unterhaltsforderung angenommen. Richtig sei zwar, dass eine zivilrechtliche Mahnung insoweit nicht erfolgt sei. Für die Klageforderung sei jedoch gem. § 91 BSHG auf die rechtswahrende Mitteilung abzustellen, welche die rückwirkende Mahnung des Unterhaltspflichtigen unabhängig von der Höhe des zunächst geforderten Betrages ermögliche. Ein diese Inanspruchnahme einschränkender Vertrauensschutz sei nicht gegeben, wenn der Pflichtige wie hier die Bekl. jegliche Zahlung ablehne.

II.

Die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers sind teilweise begründet. Die Beklagte ist für die Zeit bis zum 31. Januar 2005 in weitergehendem und für die Zeit danach in geringerem Umfang zur Zahlung von Unterhalt für ihre inzwischen verstorbene Mutter verpflichtet, als dies das Familiengericht angenommen hat. Der von dem Kläger aus übergegangenem Recht gem. § 91 Abs. 1 BSHG bzw. ab dem 1. Januar 2004 gem. § 94 Abs.1 SGB XII geltend gemachte Anspruch der Mutter beruht auf § 1603 ff. BGB.

1. Bedürftigkeit der Mutter der Beklagten

Der Kläger hat nicht vollständig dargelegt, dass er in dem Zeitraum, der von der Klage erfasst wird, nämlich vom 13. Mai 2003 bis zum 1. März 2007, Sozialhilfeleistungen für die Mutter der Beklagten erbracht hat, die über den mit der Klage geforderten Unterhaltsbetrag von mtl. 240 € hinausgehen. Dies trifft zwar weitgehend, aber nicht vollständig zu. Geringere Sozialhilfeleistungen sind erfolgt für die Monate

 5/03 76,78 €
2/04 191,71 €
2/05 191,78 €.

Die vom Kläger erbrachten Leistungen betreffen den Teil des Bedarfs der Mutter, der nicht durch ihre landwirtschaftliche Rente, die Leistungen der Pflegekasse und die Zahlungen des Bruders der Beklagten zum Ausgleich für die nach dem Hofübergabevertrag zu erbringenden Altenteilsleistungen gedeckt worden ist. Der Bruder der Beklagten, der seiner Mutter gegenüber dem Grunde nach neben der Beklagten in dem hier betroffenen Zeitraum unterhaltspflichtig war, scheidet bei der Deckung des Unterhaltsbedarfs aus, da er nach dem von dem Kläger dargelegten und von der Beklagten nicht bestrittenen bereinigten Nettoeinkommen von monatlich 2.074 €, von dem er vorrangig den Lebensbedarf für sich, seine Ehefrau und seinen Sohn bestreiten muss, nicht leistungsfähig ist. Dieses Einkommen liegt unterhalb des pauschalen Mindestselbstbehalts von 2.450 € (bis zum 30. Juni 2005: 2.200 €), den der Bruder für sich und seine Ehefrau nach Nr. 23.3.3 der Hammer Leitlinien beanspruchen kann.

2. Leistungsfähigkeit der Beklagten

Die Beklagte ist in dem hier betroffenen Zeitraum teilweise in vollem Umfang und teilweise nur eingeschränkt leistungsfähig. Allerdings kann insoweit nicht an die Feststellungen des Familiengerichts angeknüpft werden, da diese - worauf beide Parteien zu Recht hinweisen - fehlerhaft sind. Das Familiengericht hat die von der Beklagten als "Festkosten" bezeichneten und im Einzelnen dargelegten und belegten Aufwendungen, die einen Teil der Lebenshaltungskosten darstellen, vom Familieneinkommen abgezogen und das verbleibende Einkommen sodann an dem ungekürzten pauschalen Mindestselbstbehalt der Beklagten und ihres Ehegatten als Grenze der Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen gemessen. Dies ist in zweifacher Hinsicht fehlerhaft. Zum einen sind in den "Festkosten" weitgehend Aufwendungen enthalten, die zu den Lebenshaltungskosten zählen und somit auch Bestandteil des pauschalen Mindestselbstbehalts sind. Zum anderen bleibt diese Berechnungsweise zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Beklagten sozusagen auf halbem Wege stehen, wenn sie die konkret dargelegten "Festkosten" vom Familieneinkommen abzieht, dann aber nicht mit der Feststellung der weiteren konkreten Lebenshaltungskosten fortfährt, obwohl von der Beklagten hierzu in der Anlage zum Schriftsatz vom 4. Juli 2006 eine Aufstellung mit der Bezeichnung "Etat Haushalt L2" die festen und die variablen Kosten der Lebenshaltung mit Ausnahme der Aufwendungen für Essen, Trinken, Wäsche, Kleidung, Schuhe, Ausgehen, Kino, Fitnessstudio, Friseur, Kosmetik, Praxisgebühr und Medikamente enthalten sind. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese vom Kläger nicht substantiiert bestrittene Aufstellung keine Berücksichtigung gefunden hat, was die Beklagte zu Recht rügt.

Legt man die von der Beklagten dargelegten und auch belegten Angaben zu den Kosten der Lebenshaltung für das Jahr 2005 zugrunde, so ergibt sich folgendes Bild:

 Familieneinkommen5.187,11 €
feste Kosten- 3.031,69 €
verbleiben für sonstigen Verbrauch2.155,42 €
variable Kosten wie Hausrat, Autos, Urlaub, Hausrenovierung, Geschenke- 1.567,72 €
verbleibendes Einkommen587,70 €

Da von dem verbleibenden Einkommen die oben angegebenen Aufwendungen für Essen, Trinken, Wäsche, Kleidung, Schuhe, Ausgehen, Kino, Fitnessstudio, Friseur, Kosmetik, Praxisgebühr und Medikamente zu bestreiten waren, ist davon auszugehen, dass die Beklagte mit ihrem Ehemann das gesamte Familieneinkommen für die Lebenshaltung ausgegeben hat. Das gilt auch für die Aufwendungen für das Familienheim sowie die Eigentumswohnung in L3, da hiermit der Wohnbedarf der Familie bzw. der Tochter L1 gedeckt wurde.

Soweit der Kläger, ohne konkrete Einzelpositionen des dargelegten Familienbedarfs zu bestreiten, geltend macht, der vollständige Verbrauch des Einkommens für den Lebensunterhalt der Familie der Beklagten sei unterhaltsrechtlich nicht hinzunehmen, da die Beklagte insoweit nur den angemessenen Bedarf für sich und die Familie beanspruchen könne, verkennt diese Argumentation, dass es keinen sozusagen objektivierten angemessenen Familienunterhaltsbedarf gibt. Wenn die Eheleute ihr gesamtes Einkommen für den Lebensbedarf ausgegeben haben, so kann dies nicht als unangemessen beanstandet und unterhaltsrechtlich auf ein geringeres Maß korrigiert werden, es sei denn diese Verwendung erfolgt in Kenntnis einer bereits konkret oder zumindest latent bestehenden Unterhaltspflicht in der Weise, dass sich der Unterhaltspflichtige bewusst oder sogar gezielt leistungsunfähig macht. Dafür bestehen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte.

Die bei steigendem Einkommen vorgenommene Anhebung des angemessenen Mindestselbstbehalts (Nr. 21.3.2 der Hammer Leitlinien) oder die Heranziehung nur der Hälfte des den Mindestselbstbehalt übersteigenden Betrages zur Befriedigung eines Unterhaltsanspruchs verfolgen ausschließlich den Zweck, den Unterhaltspflichtigen zwar entsprechend seinem finanziellen Leistungsvermögen in Anspruch zu nehmen, dabei jedoch keine Nivellierung der Einkommen unterschiedlich leistungsfähiger Unterhaltspflichtiger vorzunehmen. Keineswegs kann auf diese Weise der angemessene Familienunterhalt abweichend von den tatsächlichen Gegebenheiten festgesetzt werden.

a) Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten unter Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehemannes:

Da dem Unterhaltspflichtigen zuzumuten ist, seinen Beitrag zum Familienunterhalt bis zur Höhe des ihm zuzubilligenden angemessenen Selbstbehalts, der nicht identisch ist mit seinem Anteil am Familienunterhalt, zu reduzieren, ist die Höhe des Familienunterhalts letztlich allein von Bedeutung für die Frage, ob und in welchem Umfang im Rahmen des Familienunterhalts Unterhaltspflichten bestehen, die den auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Pflichtigen belasten bzw. entlasten. Vorliegend geht es - abgesehen von der noch zu erörternden Haftung für den Unterhaltsbedarf der Tochter L1 - darum, ob die Leistungsfähigkeit der Beklagten durch den von ihrem Ehemann geleisteten Beitrag zum Familienunterhalt entlastet und sie hierdurch in Bezug auf den Elternunterhalt leistungsfähiger wird. Für die Beurteilung dieser Frage gelten folgende grundsätzliche Erwägungen:

- Hat der Ehegatte ein erheblich höheres - überdurchschittliches - Einkommen als der Pflichtige, so hat dieser ohne Belassung eines Selbstbehalts sein gesamtes Einkommen für den Elternunterhalt einzusetzen (BGH FamRZ 2004, 366). Maßgeblich ist in solchen Fällen allein, ob das Einkommen des Ehegatten so auskömmlich ist, dass es zum einen nicht in vollem Umfang zur Deckung des Lebensbedarfs verwendet werden muss und zum anderen der rechnerische Anteil des seinen Eltern gegenüber unterhaltspflichtigen Kindes an dem Gesamtbedarf der Eheleute so geringfügig ist, dass er ohne weiteres von dem Ehegatten übernommen werden kann. Ein solcher Fall ist hier bei den Einkommensverhältnissen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Ehemann der Beklagten etwa das doppelte Bruttoeinkommen hat wie die Beklagte (lt. Einkommensteuerbescheid 2004: 55.747 € gegenüber 28.430 €), nicht gegeben.

- Sind die Einkünfte des Ehegatten des Pflichtigen zwar höher als diejenigen des Pflichtigen, jedoch nicht so erheblich, dass das Einkommen des Pflichtigen für den gemeinsamen Lebensunterhalt der Eheleute praktisch keine Bedeutung hat, und liegt das anrechenbare Gesamteinkommen über dem gemeinsamen pauschalen angemessenen Selbstbehalt (Nr. 21.3.2 der Hammer Leitlinien) von 2.450 € (bis zum 30. Juni 2005: 2.200 €), so kann nicht jedem Ehegatten die Hälfte des Gesamteinkommens als verfügbares Einkommen angerechnet und seine Leistungsfähigkeit nach Abzug des jeweiligen pauschalen angemessenen Selbstbehalts bestimmt werden. Dies würde dazu führen, dass der mehr verdienende Ehegatte des Pflichtigen u.U. seinen Lebensstandard einschränken müsste, da dem Familienunterhalt Mittel entzogen würden, die er selbst hierzu beigesteuert hat. Dies würde dem Grundsatz widersprechen, dass das außerhalb des Unterhaltsverhältnis stehende Schwiegerkind nicht mittelbar in die Verantwortung für den Elternunterhalt einbezogen werden darf. Um eine solche mittelbare Inanspruchnahme des Schwiegerkindes zu vermeiden, ist im Rahmen der Leistungsfähigkeit in einem ersten Schritt zu prüfen, in welcher Höhe das gemeinsame Einkommen von den Eheleuten zur Deckung ihres Lebensbedarfs, d.h. des Familienunterhalts einschließlich von Vorsorgeaufwendungen verwendet wird.

In einem zweiten Schritt ist festzustellen, in welchem Umfang der Pflichtige hierzu nicht etwa tatsächlich beiträgt, sondern rechtlich mit seinem Einkommen beizutragen hat. Dies richtet sich bei erwerbstätigen Ehegatten nach dem Verhältnis der Höhe der beiderseitigen Einkommen. Soweit der Pflichtige sein Einkommen danach nicht für den Familienunterhalt einsetzen muss, hat er es ohne irgendeinen Abzug, d.h. ohne Selbstbehalt und auch nicht etwa nur mit einem Bruchteil, für den Elternunterhalt einzusetzen (BGH FamRZ 2004, 443, 446).

Da vorliegend die Eheleute nachweislich ihr gesamtes Einkommen für den Familienunterhalt ausgegeben haben, kommt eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Beklagten im Hinblick auf den Beitrag des besser verdienenden Ehemannes zum Familienunterhalt nicht in Betracht. Die Leistungsfähigkeit ist vielmehr allein auf der Grundlage der eigenen Einkünfte der Beklagten zu bestimmen (BGH FamRZ 2004, 795; OLG Hamm - 8. FS - FamRZ 2005, 201; ebenso Brudermüller, NJW 2004, 633, 635).

Soweit der Kläger auf den Taschengeldanspruch der Frau verweist, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Der den Haushalt führende Ehegatte hat Anspruch auf Taschengeld, das er frei für persönliche Zwecke verwenden kann (BGH FamRZ 1998, 608). Die Pflicht dieses Geld beim Elternunterhalt teilweise einzusetzen (i.d.R. bis zur Hälfte) ist auch für den Elternunterhalt bejaht worden (BGH FamRZ 2004, 366). Zum einen fehlt es hier bereits an der alleinigen oder zumindest überwiegenden Haushaltsführung der Beklagten. Sie hat hierzu im Senatstermin angegeben, dass sie sich die Hausarbeit mit ihrem Ehemann teile. Dies ist nachvollziehbar im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit beider Ehegatten. Mangels entgegenstehender Angaben des Klägers besteht keine Veranlassung dies allein deshalb in Zweifel zu ziehen, weil die Beklagte nicht vollschichtig arbeitet, sondern nur eine etwa 2/3-Beschäftigung ausübt. Zum anderen besteht kein Anspruch auf Zahlung eines Taschengeldes, wenn der Ehegatte über eigene Einkünfte verfügt, die höher als ein etwaiger Taschengeldanspruch sind, da in diesem Fall der Bedarf zunächst aus den Eigeneinkünften zu decken ist (BGH FamRZ 1998, 608). Dementsprechend hat der BGH in der Entscheidung FamRZ 2004, 366 auf den Taschengeldanspruch erst abgestellt, nachdem das vorher vorhandene Erwerbseinkommen der unterhaltspflichtigen Ehefrau vollständig weggefallen war. Hier sind nach den vorstehenden Ausführungen die Voraussetzungen für einen Anspruch der Beklagten gegen ihren Ehemann auf Zahlung eines Taschengeldes nicht gegeben.

b) Beurteilung der Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung allein der Einkünfte der Beklagten:

Auszugehen ist von dem teilweise durch Verdienstabrechnungen nachgewiesenen und vom Kläger nicht bestrittenen Erwerbseinkommen der Beklagten, wobei allerdings nicht die konkrete steuerliche Belastung berücksichtigt werden kann, da diese durch die Wahl der Steuerklassen der Eheleute (III für den Ehemann, V für die Beklagte) bestimmt ist. Zwar steht den Eheleuten die Wahl der Steuerklassen frei, zumal sie bei Einkommensverhältnissen wie hier, bei denen der Ehegatte, der etwa 2/3 der beiderseitigen Bruttogesamteinkünfte erzielt, die Steuerklasse III wählt, sachgerecht ist. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann aber auf diese nur vorläufige Regelung, die der abschließenden Bestimmung der Steuerpflicht durch den Einkommensteuerbescheid, bei dem es im Fall der gemeinsamen Veranlagung nur eine einheitliche Besteuerung der Ehegatten gibt, vorangeht, nicht abgestellt werden. Das wird hier schon daraus ersichtlich, dass die Beklagte ausweislich des allein vorliegenden Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2004 bei einem etwa halb so hohen Jahresbruttoeinkommen wie dasjenige ihres Ehemannes fast genauso viel Steuern im Wege des Lohnsteuerabzuges wie ihr Ehemann geleistet hat. Nach BGH FamRZ 2004, 443 ist in einem solchen Fall die Verschiebung der Steuerlast beim Lohnsteuerabzug durch einen zu schätzenden Abschlag zu korrigieren, wobei die Bewertung der Steuerlast nach der Steuerklasse I (bzw. der identischen Steuerklasse IV) einen Orientierungspunkt bietet. Vorliegend ergibt sich für das Jahr 2004 für die Beklagte auf der Grundlage der Steuerklasse I eine Steuerminderbelastung von rd. 374,00 € monatlich, während die Mehrbelastung auf Seiten des Ehemannes etwa 480,00 € monatlich beträgt. Der vom BGH in der zitierten Entscheidung sowie in ständiger Rechtsprechung zur Korrektur von Steuerbelastungen in vergleichbaren Fällen zu machende pauschale Abschlag umfasst außerdem noch den steuerlichen Splittingvorteil, der bei der steuerlichen Bewertung ihrer Einkünfte nach der Steuerklasse I noch nicht berücksichtigt worden ist. Dieser beträgt hier etwa 50,00 € monatlich, wie sich aus einem Vergleich der Besteuerung des nach dem Einkommensteuerbescheid der Eheleute für 2004 zu versteuernden gemeinsamen Einkommens nach der Splittingtabelle sowie der Einzeleinkommen nach der Grundtabelle ergibt. Der Splittingvorteil ist jedem Ehegatten zur Hälfte zuzurechnen, so dass sich für die Leistungsfähigkeit der Beklagten ausgehend von ihrem von ihr selbst dargelegten Einkommen nach der Steuerklasse V von monatlich 1.032 € - ein maßgebliches Einkommen von monatlich rd. 1.430 € ergibt (auf Seiten ihres Ehemannes aufgrund der steuerlichen Mehrbelastung rd. 3.190 €). Da andere Einkommensverhältnisse nicht vorgetragen worden sind und der Kläger den fehlenden Nachweis aktueller Einkommensdaten nicht gerügt hat, ist hierauf für den gesamten hier in Frage stehenden Zeitraum abzustellen.

Hiervon abzuziehen ist der Haftungsanteil der Beklagten hinsichtlich des Unterhaltsbedarfs der Tochter L1. Unter Berücksichtigung eines angemessenen Selbstbehalts von 1.000 € (bis zum 30. Juni 2005) für jeden Ehegatten, ergibt sich auf der Grundlage der vorstehend steuerlich korrigierten Einkünfte der Ehegatten eine Haftungsquote der Beklagten von 16%, so dass sie den offenen Bedarf der Tochter von 446 € (600 € ./. 154 € Kindergeld) mit rd. 71 € anteilig zu decken hat. Dieser Betrag ist von ihrem Einkommen bis einschließlich November 2006 (Ende der Berufsausbildung der Tochter) abzusetzen.

Das unterhaltsrelevante Einkommen der Beklagten von monatlich 1.359 € (1.430 € abzüglich 71 € anteiliger Kindesunterhalt) bis einschließlich November 2006 und von 1.430 € in der Folgezeit, ist für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit der Beklagten um den ihr zustehenden angemessenen Selbstbehalt zu reduzieren. Bei dem bereits mehrfach erwähnten, in den Unterhaltsleitlinien (Nr. 21.3.2 der Hammer Leitlinien) genannten Selbstbehalt handelt sich nach allgemeiner Auffassung um einen Mindestselbstbehalt, der mit steigendem Einkommen zur Vermeidung der bereits angesprochenen Nivellierung der Einkommen der Unterhaltspflichtigen bei Annahme eines einheitlichen Selbstbehalts für die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse stufenweise zu erhöhen ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da das maßgebliche Einkommen der Beklagten im Bereich dieses pauschalen Selbstbehalts bzw. in der Zeit bis zum 30. Juni 2005 nur unerheblich darüber liegt. Andererseits verbietet die Annahme eines pauschalen Mindestselbstbehalts, der im konkreten Fall erhöht werden kann, nicht seine Herabsetzung im Einzelfall. Dies ist selbst für den notwendigen Selbstbehalt anerkannt, der das unterhaltsrechtliche Existenzminimum darstellt. Es entspricht allgemeiner, durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigter Praxis (BGH FamRZ 2004, 25; 2006, 683, 684 sowie Beschl. vom 17. Januar 2007 - XII ZA 37/06; OLG Hamm - 4. FS - FamRZ 2004, 53; OLG Hamm - 2. FS - FamRZ 2005, 649), dass die Vorteile aus dem gemeinsamen Wirtschaften mit einem Partner in einem gemeinsamen Haushalt den Eigenbedarf im Rahmen der Leistungsfähigkeit mindern können. Voraussetzung ist, dass der Partner wirtschaftlich in der Lage ist, sich an den gemeinsamen Kosten zu beteiligen. Da dies vorliegend auf Seiten des Ehemannes der Beklagten der Fall ist, ist es angezeigt, die genannten Vorteile zu berücksichtigen, die sich im Zweifel, d.h. ohne Darlegung von Abweichungen im konkreten Fall, aus der Differenz des pauschalen angemessenen Selbstbehalts des Pflichtigen und seines Partners ergibt. Sie beträgt seit dem 1. Juli 2005 350 € (1.400 € ./. 1.050 €) und in der Zeit davor 300 € (1.250 € ./. 950 €). Die Vorteile des Zusammenlebens sind nicht einem Partner allein, sondern jedem zur Hälfte zuzurechnen. Demnach ist der angemessene Selbstbehalt der Beklagten für die Zeit bis zum 30. Juni 2005 um 150 € auf 1.100 € und für die Zeit danach um 175 € auf 1.225 € zu reduzieren. Diese Reduzierung bedeutet keine indirekte Inanspruchnahme des Ehemannes der Beklagten für den Unterhalt seiner Schwiegermutter. Er hat es vielmehr hinzunehmen, dass die Beklagte ihr um den Kindesunterhaltsanteil bereinigtes Einkommen nur bis zum reduzierten Selbstbehalt für den Familienunterhalt zur Verfügung stellen kann. Wenn sie dies tatsächlich in größerem Umfang getan hat, so ist dies unterhaltsrechtlich nicht hinzunehmen. Der tatsächliche Verbrauch des gesamten Einkommens der Beklagten für den Familienunterhalt ist hier somit anders als bei der oben (unter 2 a) erörterten Frage der Entlastung der Beklagten durch den vom Ehegatten geleisteten Familienunterhalt und einer dadurch bedingten Steigerung der Leistungsfähigkeit ohne Bedeutung.

Nach dem Vorstehenden verbleibt auf Seiten der Beklagten folgendes Einkommen:

- bis zum 30. Juni 2005 monatlich 259 € (1.430 € anzurechnendes Einkommen ./. 71 € Kindesunterhaltsanteil L1 ./. 1.100 € Selbstbehalt),

- vom 1. Juli 2005 bis zum 30. November 2006 monatlich 134 € (1.430 € anzurechnendes Einkommen ./. 71 € Kindesunterhaltsanteil L1 ./. 1.225 € Selbstbehalt),

- ab dem 1. Dezember 2006 monatlich 205 € (1.430 € anzurechnendes Einkommen ./. 1.225 € Selbstbehalt).

Diese den angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Einkünfte sind zur Vermeidung einer Nivellierung der den Unterhaltspflichtigen mit unterschiedlich hohen Einkommen verbleibenden Einkünfte nur zur Hälfte für den Elternunterhalt einzusetzen. Daraus folgt eine Leistungsfähigkeit der Beklagten von

- monatlich 130 € bis zum 30. Juni 2005,

- monatlich 67 € bis zum 30. November 2006,

- monatlich 103 € ab dem 1. Dezember 2006.

Danach hat die Beklagte insgesamt 4.772 € zu zahlen, nämlich

- für die Zeit vom 13. Mai 2003 bis zum 30. Juni 2005: 25 17/30 x 130 € = rd. 3.324 €

- für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 30. November 2006: 17 x 67 € = 1.139 €

- für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 1. März 2007: 3 x 103 € = 309 €.

Soweit die Forderung des Klägers den zunächst geltend gemachten Betrag von monatlich 100 € übersteigt, scheitert dies entgegen der Annahme des Familiengerichts nicht an der fehlenden Mahnung. Der Kläger weist insoweit zutreffend darauf hin, dass seine Rechtswahrungsanzeige an die Beklagte vom 19. Mai 2003 gem. § 91 Abs.2 BSHG (ab dem 1. Januar 2004: § 94 Abs.3 SGB XII) eine rückwirkende Inanspruchnahme der Beklagten in Höhe der für die Mutter erbrachten Leistungen erlaubt. Dem steht die zunächst mit Schreiben vom 8. Juli 2005 erfolgte Beschränkung auf einen Betrag von monatlich 100 € nicht entgegen (BGH NJW 1985, 2589). Die Voraussetzungen einer Verwirkung des weitergehenden Anspruchs gem. § 242 BGB mangels zeitnaher Geltendmachung sind bei den hier gegebenen Umständen sowie des Zeitablaufs von rd. 1 1/2 Jahren bis zur Geltendmachung des erhöhten Betrages ebenfalls nicht gegeben (BGH aaO.).

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 708 Nr.10 ZPO.

Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Insbesondere weicht der Senat in seiner rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab.

Ende der Entscheidung

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