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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: 1 VAs 12/06
Rechtsgebiete: BtMG


Vorschriften:

BtMG § 35
Zur Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG.
Beschluss

1 VAs 12/06 1 VAs 18/06

Justizverwaltungssache

betreffend S.T,

wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG).

Auf die Anträge des Betroffenen vom 9. Februar 2006 und 28. Februar 2006 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen die Bescheide der Staatsanwaltschaft Münster vom 5. Januar bzw. 11. Januar 2006 in der Form der Beschwerdebescheide des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 1. Februar bzw. 20. Februar 2006 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 04. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:

Tenor:

Die Verweigerung der Zustimmung durch das Landgericht Münster vom 23. Dezember 2005 und die Bescheide der Staatsanwaltschaft Münster vom 5. Januar bzw. 11. Januar 2006 in der Form der Beschwerdeentscheidungen des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 1. Februar bzw. 20. Februar 2006 werden aufgehoben.

Die Staatsanwaltschaft Münster wird angewiesen, den Betroffenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen werden bei einem Gegenstandswert von 2.500,- € der Landeskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist durch Urteil des Landgerichts Münster vom 24. März 1993 (49 Js 517/92 ) wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt worden. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Betroffene 1981 begonnen, Haschisch zu rauchen. Seit Anfang 1991 habe er Kokain konsumiert, zuerst habe er dieses geschnupft, später geraucht. Der Konsum habe aber überwiegend nur an den Wochenenden stattgefunden.

Am 14. Februar 1994 erfolgte eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG. Die zunächst bis zum 24. Juli 1994 geplante Therapie ist am 21. März 1994 mit ärztlicher Einwilligung vorzeitig beendet worden, da die Klinik keine Notwendigkeit einer stationären Therapie gesehen hat, vielmehr eine Stabilisierung der bestehenden Drogenfreiheit auch bei ambulanter Behandlung ausreichend möglich sei.

Am 15. Juni 1999 ist die Vollstreckung der Reststrafe im Gnadenwege zur Bewährung ausgesetzt worden. Am 7. September 2004 erfolgte der Widerruf der gnadenweisen Aussetzung. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Verurteilten ist am 4. Januar 2005 als unbegründet verworfen worden.

Nachdem der Antragsteller am 12. Januar 2005 zum Strafantritt geladen worden war, erfolgte am 20. Januar 2005 durch seinen Bewährungshelfer ein erneuter Antrag auf Zurückstellung der Vollstreckung gemäß § 35 BtMG. Das Landgericht Münster stimmte durch Beschluss vom 4. Februar 2005 einer erneuten Zurückstellung zu; die Zurückstellung erfolgte durch Entscheidung vom 9. Februar 2005. Der Betroffene hat die Therapie am 23. Februar 2005 angetreten, es erfolgte jedoch bereits am 7. März 2005 der Therapieabbruch. Die Zurückstellung ist daraufhin am 8. März 2005 widerrufen worden. Eine neue Therapieabsicht konnte schon wegen der entgegenstehenden nicht zurückstellungsfähigen Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 8. Januar 2004 nicht verwirklicht werden.

Der Antragsteller ist am 23. März 2005 aufgrund des Vollstreckungshaftbefehls vom 9. März 2005 festgenommen worden und befindet sich seitdem in Strafhaft. Mit Verfügung vom 30. Juni 2005 hat die Staatsanwaltschaft Münster die Umstellung der Vollstreckungsreihenfolge angeordnet, so dass der Antragsteller zunächst die nicht zurückstellungsfähige Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 8. Januar 2004 verbüßt hat.

Am 7. Januar 2005 ist der Antragsteller durch Urteil des Amtsgerichts Warendorf (82 Js 5466/04 ) wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Nach den Urteilsfeststellungen besteht bei dem Antragsteller eine verfestigte Drogensucht neben einer Alkoholsucht. Mit Verfügung vom 19. Oktober 2005 hat das Amtsgericht Warendorf auf den Antrag des Antragstellers einer Zurückstellung der Strafvollstreckung zwecks Durchführung einer der Rehabilitation der Betäubungsmittelabhängigkeit dienenden Behandlung zugestimmt. In der Übersendungsverfügung hat das Gericht die Staatsanwaltschaft um Überprüfung gebeten, ob es sich bei der angestrebten Therapie tatsächlich um eine Therapie zur Bekämpfung der Betäubungsmittelabhängigkeit und nicht um eine Alkoholentwöhnungstherapie handele.

Nachdem durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 26. Oktober 2005 die bedingte Entlassung gemäß § 57 Abs. 1 StGB bezüglich der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 8. Januar 2004 beschlossen worden war, ist nunmehr zunächst die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Münster vom 24. März 1993 bis zum Ablauf von 2/3 am 25. Juni 2006 notiert. Sodann erfolgt die Vollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Warendorf vom 7. Januar 2005. 2/3-Termin in dieser Sache ist der 4. Dezember 2006. Strafzeitende für beide Strafen ist am 1. Januar 2008.

Mit Beschluss vom 23. Dezember 2005 hat das Landgericht Münster in dem Verfahren 49 Js 517/92 dem Antrag des Betroffenen auf Zurückstellung der Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 35 BtMG nicht zugestimmt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Kammer habe nicht feststellen können, dass bei dem Antragsteller derzeit (noch) eine Betäubungsmittelabhängigkeit bestehe. Schon bei der zugrunde liegenden Verurteilung aus dem Jahre 1993 habe nicht sicher festgestellt werden können, dass bei dem Antragsteller ein Hang bestehe, Kokain im Übermaß zu konsumieren. Zwar sei der Antragsteller bis 2002 - mit einer großen Unterbrechung von 1996 bis 2002 und im Jahre 2002 nur kurz - im Methadonprogramm gewesen. Dass er trotzdem bis heute betäubungsmittelabhängig sei, ergebe sich aus den Akten nicht. Dies gelte umso mehr, als der Antragsteller die Therapie in der Einrichtung "Release" nach den vorliegenden Berichten nicht wegen eines Rückfalls abgebrochen habe. Vielmehr ergebe sich aus den Nachverurteilungen, dass der Antragsteller übermäßig Alkohol konsumiere. Dies ergebe sich auch aus seinem Schreiben vom 14. April 2005 an die Staatsanwaltschaft. Eine möglicherweise noch bestehende Alkoholerkrankung reiche aber für eine Maßnahme nach § 35 BtMG nicht aus.

Am 8. Dezember 2005 stellte der Betroffene auch zu dem Verfahren 82 Js 5466/04 erneut einen Antrag auf Zurückstellung der Strafvollstreckung. Das Amtsgericht Warendorf verwies auf den noch gültigen Zustimmungsbeschluss vom 19. Oktober 2005.

Mit Verfügung vom 5. Januar 2006 hat die Staatsanwaltschaft Münster in dem Verfahren 49 Js 517/92 eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG mangels Vorliegens der vollständigen gesetzlichen Voraussetzungen abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, Voraussetzung für die Zurückstellung sei nicht nur die BtM-Abhängigkeit im Zeitpunkt der Hauptverhandlung, sondern auch im Zeitpunkt der Antragstellung. Bereits 1994 habe die Therapieeinrichtung festgestellt, dass das Verhalten des Betroffenen kaum Einstiegspunkte geboten habe, suchttherapeutisch mit ihm zu arbeiten. Nach diesem Zeitpunkt ergäben sich aus den Vorgängen keine Anhaltspunkte für eine Rückfälligkeit. Auch laut aktueller Einschätzung des zuständigen Sozialarbeiters in der Justizvollzugsanstalt Werl lasse sich eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit nicht mit letzter Sicherheit bejahen. Es hätten sich diesbezüglich bisher keinerlei Auffälligkeiten ergeben, unangekündigte Screenings seien immer negativ gewesen. Eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit aufgrund einer bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit sei damit nicht feststellbar. Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft sich der Begründung des Landgerichts Münster angeschlossen. Unter Bezugnahme auf diesen Bescheid hat die Staatsanwaltschaft Münster auch in dem Verfahren 82 Js 5466/04 am 11. Januar 2006 eine Zurückstellung abgelehnt.

Der Beschwerde des Antragstellers in dem Verfahren 49 Js 517/92 hat der Generalstaatsanwalt in Hamm mit Bescheid vom 1. Februar 2006 nicht abgeholfen. Er habe keine Veranlassung gesehen, die Staatsanwaltschaft Münster anzuweisen, gegen die Verweigerung der Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung durch das Landgericht Münster das allein ihr zustehende Rechtsmittel der Beschwerde einzulegen. Der Verweigerung der Zustimmung liege die Einschätzung zugrunde, dass der Antragsteller mangels aktueller Drogenabhängigkeit nicht therapiebedürftig sei. Wenn sich die Staatsanwaltschaft dieser Auffassung des Landgerichts angeschlossen habe, sei dies weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen zu beanstanden. Unter dem 20. Februar 2006 hat der Generalstaatsanwalt in Hamm ebenfalls die Beschwerde in dem Verfahren 82 Js 5466/04 unter Bezugnahme auf die Begründung in dem Verfahren 49 Js 517/92 als unbegründet verworfen.

Gegen diese ablehnenden Entscheidungen richten sich die Anträge des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG. Er weist darauf hin, das Landgericht Münster verhalte sich widersprüchlich, wenn es im Februar 2005 einer Zurückstellung zustimme und nunmehr im Dezember 2005 eine Betäubungsmittelabhängigkeit verneine. Im Übrigen bestehe sehr wohl neben einer Alkoholabhängigkeit nach wie vor eine Drogensucht. Hierzu hat der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren eine Bescheinigung der Techniker Krankenkasse vom 17. Januar 2006 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass der Betroffene noch im Jahre 2005 aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen durch Opioide arbeitsunfähig war.

II.

Die Anträge des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung sind gemäß § 35 Abs. 2 BtMG statthaft, soweit sie sich sowohl gegen die ablehnenden staatsanwaltschaftlichen Verfügungen als auch gegen die Ablehnung der Zustimmung zur Zurückstellung durch das Landgericht Münster richten.

Aufgrund der zugleich erfolgten Anfechtung der Zustimmungsverweigerung durch den Betroffenen nach § 35 Abs. 2 S. 2 BtMG war bereits die Verweigerung der Zustimmung durch das Landgericht Münster aufzuheben. Unter Abwägung aller für und gegen den Betroffenen sprechenden Umstände erscheint die Verweigerung der Zustimmung ermessensfehlerhaft. Die dafür vom Landgericht vorgetragenen Gründe rechtfertigen die getroffene Entscheidung nicht. Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Frage einer beim Antragsteller heute noch vorliegenden Betäubungsmittelabhängigkeit von einer unvollständigen und deshalb fehlerhaften Ermessensgrundlage ausgegangen.

Aus den Akten ergibt sich, dass der Betroffene entgegen der Auffassung in der Entscheidung über die Verweigerung der Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung nicht nur alkohol-, sondern auch drogenabhängig ist und diese Polytoxikomanie mitursächlich für seine Straffälligkeit ist. Es finden sich eindeutige und nicht widerlegbare Hinweise auf das Vorliegen dieser Polytoxikomanie, bei der die Betäubungsmittelabhängigkeit nicht nur eine untergeordnete, nicht unter § 35 BtMG fallende Rolle spielt (vgl. hierzu Körner, BtMG, 5. Aufl., § 35 Rdnr. 39).

Wie sich aus dem Urteil des Landgerichts Münster vom 24. März 1993 ergibt, hat der Antragsteller seit 1981 Haschisch und seit 1991, zumindest gelegentlich, Kokain konsumiert. Zwar hat die Kammer von einer Unterbringung des Betroffenen in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abgesehen, da sich nicht mit Sicherheit feststellen lasse, dass noch ein Hang beim Antragsteller vorliege, Kokain im Übermaß zu sich zu nehmen. Gleichwohl erfolgte am 14. Februar 1994 eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG. Die Therapieeinrichtung hat 1994 auch nicht etwa festgestellt, dass eine Betäubungsmittelabhängigkeit nicht bestehe, sie war lediglich der Auffassung, eine ambulante Betreuung reiche aus.

Aus dem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 8. Januar 2004 ergibt sich, dass dieses von einer fortbestehenden Drogen- und Alkoholsucht ausgegangen ist. Der Betroffene habe seit etwa 1989 Heroin und Kokain konsumiert. In der Zeit von 1994 bis 1996 und von Mai 2002 bis Oktober 2002 sei er mit Methadon substituiert worden. In dieser Zeit habe der Antragsteller auch erhebliche Mengen an Alkohol konsumiert. Von Oktober 2002 bis zum Januar 2003 habe er an einer Drogentherapie teilgenommen, die er jedoch vorzeitig, d.h. 10 Tage vor Ablauf der stationären Therapie, abgebrochen habe. Der Betroffene habe angegeben, im Juni 2003 eine Entgiftung durchgeführt zu haben. Nach seinen Angaben habe er seitdem keine Drogen mehr konsumiert. Diesbezüglich habe er ein ärztliches Attest vom 30. Dezember 2003 vorgelegt. Nach Auffassung der Kammer habe es sich dabei aber lediglich um eine Momentaufnahme gehandelt, der lediglich die Bedeutung zukomme, dass der Betroffene zu jenem Zeitpunkt frei von illegalen Drogen gewesen sei. Angesichts der langjährigen Drogenabhängigkeit des Betroffenen sei aber eine Therapie, zumindest eine ambulante, erforderlich.

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl hat in seiner Stellungnahme vom 18. August 2005 festgestellt, dass bei dem Betroffenen eine Suchtmittelabhängigkeit vorliege. Es bestehe die Notwendigkeit einer stationären Therapie.

Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. R. vom 31. Mai 2005, welches in dem Verfahren 82 Js 5466/04 im Berufungsverfahren eingeholt worden ist, ergibt sich, dass der Betroffene im Jahre 2004 sowohl Haschisch als auch Kokain konsumiert hat. Darüber hinaus hat er Polamidon eingenommen. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Gefahr bestehe, der Betroffene werde aufgrund seines Hanges zur Einnahme berauschender Mittel erhebliche Straftaten begehen, so dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erforderlich sei, wo vor allem auch die Alkoholabhängigkeit therapiert werde. Der Antragsteller habe zwar schon viele Therapien absolviert, es seien aber vor allem Drogentherapien gewesen, so dass eine erneute Entziehungskur mit dem Schwerpunkt Alkoholentwöhnung nicht von vornherein aussichtslos erscheint.

Nach all diesen Hinweisen kann zwar festgestellt werden, dass der Antragsteller jedenfalls auch alkoholabhängig ist. Daneben durchzieht aber auch wie ein roter Faden seine Drogensucht die verschiedenen Verfahren. Unter diesen Umständen sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr vorliegt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus seinem Schreiben vom 14. April 2005. Hierin führt er zwar aus, die "Bernhard-Salzmann-Klinik" sei auch auf Alkoholsucht spezialisiert, was er für wichtig halte. Damit nimmt der Betroffene aber nur darauf Bezug, dass sowohl die Gerichte wie auch der Sachverständige immer wieder betont haben, dass eine stationäre Therapie auch den Gesichtspunkt der Alkoholabhängigkeit mit in die Behandlung einbeziehen müsse.

Im Übrigen ist nicht ganz nachvollziehbar, aus welchen Gründen das Landgericht Münster im Februar 2005 selbst noch von einer Betäubungsmittelabhängigkeit ausgegangen ist, während es diese im Dezember 2005 verneint hat. Allein die Tatsache, dass der Betroffene zwischenzeitlich eine Therapie abgebrochen hat, rechtfertigt diesen Schluss nicht.

Angesichts der Tatsache, dass genügend Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Antragsteller infolge seiner Abhängigkeit nicht nur Alkohol im Übermaß konsumiert, sondern daneben auch Betäubungsmittelmissbrauch betrieben hat, sieht sich der Senat veranlasst, die ablehnende Entscheidung des Landgerichts Münster aufzuheben. Da somit die Begründung, mit der die Strafvollstreckungsbehörden die Zurückstellung der Strafvollstreckung abgelehnt haben, hinfällig ist, waren auch deren Entscheidungen aufzuheben.

Der Senat war indes gehindert, die Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung selbst auszusprechen und in der Sache selbst zu entscheiden, da die übrigen Voraussetzungen des § 35 BtMG noch der Klärung bedürfen. So wird die Behandlungsbedürftigkeit des Antragstellers im Bezug auf seine Drogenabhängigkeit zu klären sein. Regelmäßiger Betäubungsmittelkonsum ergibt noch nicht zwangsläufig eine Behandlungsbedürftigkeit. Es würde andererseits dem Resozialisierungszweck der Therapievorschriften der §§ 35 ff BtMG zuwiderlaufen, dem Drogenabhängigen erst dann Therapiemaßnahmen zu gewähren, wenn er fast unheilbar so tief der Sucht verfallen ist, dass die Grenzen des § 21 StGB überschritten sind ( Körner, a.a.O., § 35 Rdnr. 38 ). Gleichwohl ist eine behandlungsbedürftige Betäubungsmittelabhängigkeit festzustellen, was vorliegend wohl aber zu bejahen sein dürfte.

Darüber hinaus bedarf die Therapiebereitschaft in Bezug auf eine Drogenentwöhnungstherapie der näheren Überprüfung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller von Oktober 2002 bis zum Januar 2003 an einer Therapie teilgenommen hat, die er jedoch vorzeitig abgebrochen hat. Auch im Jahre 2005 erfolgte ein Therapieabbruch. Die Vollstreckungsbehörden werden Ermittlungen darüber anzustellen haben, aufgrund welcher Umstände es zu diesen Therapieabbrüchen gekommen ist. Im Übrigen kommt nach dem Schreiben des Antragstellers vom 14. April 2005 der Verdacht auf, dass sein Hauptanliegen die Absolvierung einer Alkoholtherapie ist. Wie sich aus dem Bericht der Justizvollzugsanstalt Werl ergibt, strebt er auch lediglich eine ambulante Therapie an. Seinem Schreiben vom 14. April 2005 lässt sich andererseits entnehmen, dass er auch zu einer stationären Therapie in der Bernhard-Salzmann-Klinik bereit ist.

Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG um eine Ermessensentscheidung handelt, die gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG rechtlich nur auf Ermessensfehler überprüfbar ist, haben nach Abschluss der durchzuführenden Ermittlungen zunächst die Vollstreckungsbehörden ihr Ermessen auszuüben.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.

Ende der Entscheidung

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