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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.10.2002
Aktenzeichen: 1 VAs 50/02
Rechtsgebiete: EGGVG


Vorschriften:

EGGVG § 23
EGGVG § 27
Bei der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu der Frage von Vollzugslockerungen handelt es sich nicht um einen Justizverwaltungsakt.
1 VAs 50/02 OLG Hamm 1 VAs 89/02 OLG Hamm

Beschluss

Justizverwaltungssache

wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden,

(hier: Untätigkeit der Staatsanwaltschaft).

Auf die Anträge des Antragstellers vom 15. Mai 2002 auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 10. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird mangels Erfolgsaussicht als unbegründet verworfen.

Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung werden auf Kosten des Antragstellers als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert wird auf 1.500,- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 9. Mai 2001 wegen Betruges in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2001 hat der Verurteilte gegen das Urteil Revision eingelegt. Im Rahmen seiner vor dem Rechtspfleger des Amtsgerichts Dortmund abgegebenen Revisionsbegründung hat er u.a. gerügt, dass in dem angefochtenen Urteil die Tat Nr. 9 zwei Mal mit Einzelstrafen geahndet worden sei und der Einzelstrafe zu Nr. 11 keine konkretisierbare Tat zugrunde gelegen habe. Auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts, mit welcher Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO beantragt worden war, hat der Verurteilte mit Schreiben vom 15. Oktober 2001 die Revision zurückgenommen.

Der Antragsteller verbüßte in dem vorliegenden Verfahren seit dem 2. November 2000 bis zur Rechtskraft des Urteils Untersuchungshaft. Seit dem 19. Oktober 2001 befindet er sich in dieser Sache in Strafhaft, welche er zunächst in der JVA Dortmund und seit dem 18. Januar 2002 in der Justizvollzugsanstalt Oberhausen verbüßt. Nach zwischenzeitlichem Aufenthalt in dem Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg befindet sich der Verurteilte seit dem 5. Juli 2002 erneut in der Justizvollzugsanstalt Oberhausen. Am 30. Oktober 2002 wird der Verurteilte zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt haben; das Strafende ist auf den 31. Oktober 2003 notiert.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2002 fragte die Justizvollzugsanstalt Oberhausen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund an, ob Bedenken gegen die Gewährung vollzuglicher Lockerungen bestehen. Die auf dem Antragsformular verfügte positive Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Dortmund ging bei der Justizvollzugsanstalt Oberhausen nicht ein. Am 29. Juli 2002 teilte der zuständige Dezernent bei der Staatsanwaltschaft Dortmund telefonisch dem Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt Oberhausen mit, dass Bedenken gegen vollzugliche Lockerungen nicht bestünden.

Am 15. Mai 2002 stellte der Verurteilte vor dem zuständigen Rechtspfleger des Amtsgerichts Oberhausen einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG mit dem Ziel, die Staatsanwaltschaft Dortmund zu verpflichten, von ihm gestellte Anträge vom 30. Oktober 2001 und 12. November 2001 binnen einer Frist von vier Wochen zu bescheiden. Er hat insoweit vorgetragen, er habe bereits mit Datum vom 30. Oktober 2001 einen schriftlichen Antrag an die Staatsanwaltschaft Dortmund geschickt mit der Bitte um Zustimmung zur Gewährung von Lockerungen durch die Justizvollzugsanstalt gemäß §§ 10, 11, 13 StrVollzG. Mit weiterem Schreiben vom 12. November 2001, ebenfalls gerichtet an die Staatsanwaltschaft Dortmund, habe er Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung bezüglich der Verhängung der Einzelstrafen von neun Monaten im Fall 9 des Urteils und sechs Monaten zu Fall 11 des Urteils erhoben, da hinsichtlich Nr. 9 eine unzulässige Doppelverurteilung vorliege und es im Fall 11 einer ausreichenden Konkretisierung eines zugrunde liegenden historischen Geschehens ermangele. Auf seine Anträge habe er keine Reaktion der Staatsanwaltschaft erfahren.

Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind unzulässig, da der Justizverwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist.

Nach § 27 Abs. 1 S. 1 EGGVG kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden, wenn über einen Antrag, eine Maßnahme zu treffen, von einer Justizbehörde ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten entschieden worden ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die Maßnahme, die bisher nicht getroffen worden ist, überhaupt der gerichtlichen Nachprüfung im Justizverwaltungsrechtsweg unterliegen würde. Es muss sich also bei der bisher unterlassenen Maßnahme um einen Justizverwaltungsakt handeln, also um eine Anordnung, Verfügung oder sonstige Maßnahme, die von einer Justizbehörde zur Regelung einzelner Angelegenheiten getroffen wird.

Bei der von dem Antragsteller begehrten Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Dortmund zu der Frage von Vollzugslockerungen handelt es sich indes nicht um eine Maßnahme mit Regelungscharakter. Über die Frage, ob einem Verurteilten Vollzugslockerungen gemäß §§ 10 ff. StrVollzG gewährt werden können, entscheidet der Leiter der Justizvollzugsanstalt. Dessen Entscheidung ist im Rahmen des Verfahrens nach §§ 109 ff. StrVollzG anfechtbar. Eine Anhörung der Vollstreckungsbehörde ist lediglich in der Verwaltungsvorschrift zu § 10 StrVollzG vorgesehen. Sie dient nur der Vorbereitung der vom Leiter der Justizvollzugsanstalt zu treffenden Entscheidung. Dieser ist an die Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde auch nicht gebunden, so dass ihr kein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt. Demgemäss sind Stellungnahmen eines Justizbehörde im Rahmen eines rechtlich geregelten Verfahrens mangels selbständigen Regelungscharakters nicht im Verfahren nach §§ 23 ff. StVollzG zu überprüfen (Beschluss des Senats vom 3. November 1998 - 1 Vollz (Ws) 286/98 zur Stellungnahme im Rahmen des Verfahrens nach § 454 Abs. 1 S. 2 StPO).

Auch soweit der Betroffene Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung bezüglich der Verhängung der Einzelstrafen zu Fall Nr. 9 und Fall Nr. 11 des Urteils erhebt, ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG nicht eröffnet. Unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller sich insoweit nicht in Wahrheit gegen die inhaltliche Richtigkeit der Festsetzung zweier in dem verfahrensgegenständlichen Urteil des Landgerichts Dortmund vom 9. Mai 2001 verhängten Einzelstrafen und nicht gegen die Vollstreckbarkeit der rechtskräftig festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe wendet, ist für das Begehren des Antragstellers - allenfalls - der Rechtsweg nach § 458 Abs. 1 StPO eröffnet. Danach ist, wenn über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechtigung der erkannten Strafe Zweifel entstehen oder wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben werden, die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. Zwar hat bei Einwendungen des Verurteilten zunächst die Vollstreckungsbehörde zu entscheiden. Bleibt diese untätig, so hat ein Verurteilter die Möglichkeit, sofort auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 458 StPO anzutragen. Das Gericht hat dann zunächst eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen. Der Justizverwaltungsrechtsweg ist gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG nicht eröffnet, da die ordentlichen Gerichte bereits gemäß § 458 StPO angerufen werden können. Eine Verweisung durch den Senat an die Strafvollstreckungskammer kam nicht in Betracht, da die Staatsanwaltschaft, der nach der Stellungnahme der Leitenden Oberstaatsanwältin ein entsprechender Antrag des Verurteilten bisher nicht vorliegt, zunächst über die Einwendungen zu entscheiden hat.

Angesichts der Tatsache, dass die von dem Verurteilten gestellten Anträge im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG unzulässig sind, war auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht als unbegründet zu verwerfen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.

Ende der Entscheidung

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