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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.08.2006
Aktenzeichen: 1 VAs 73 - 78/06
Rechtsgebiete: EGGVG, StPO


Vorschriften:

EGGVG § 23
StPO § 119
Maßnahmen im Rahmen des Vollzugs der Untersuchungshaft können nur dann Gegenstand eines zulässigen Antrages nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EGGVG sein, wenn sie - was in der Regel jedoch nicht der Fall ist - der Entscheidungszuständigkeit des Haftrichters nach § 119 Abs. 6 S. 1 StPO entzogen sind.
Beschluss

Justizverwaltungssache

betreffend F.B

wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Hilfe bei der Kontaktierung durch einen ausgebildeten Imam u.a.).

Auf die vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf erhobenen und von dort als Anträge im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG an das Oberlandesgericht verwiesenen Klagen des Betroffenen vom 4. April 2006 sowie auf die weiteren beim Oberlandesgericht Hamm gestellten Anträge des Betroffenen vom 1. und 8. August 2006 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG unzulässig.

Die Sache wird an die im Verfahren XI 35/06 LG Düsseldorf zuständige Strafkammer verwiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene, gegen den vor der XI. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf unter dem Aktenzeichen XI 35/06 ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz anhängig ist, befindet sich im Vollzug der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf. Mit mehreren als Klage bezeichneten Schreiben an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 4. April 2006 und weiteren Schreiben an das Oberlandesgericht Hamm vom 1. und 8. August 2006 hat er (zum Teil wiederholt) beantragt,

1. ihm wöchentlich zwei Liter Milch auszuhändigen und die Verpflegung im übrigen seinem moslemischen Glauben anzupassen,

2. ihn stets schriftlich und mit Rechtsmittelbelehrung zu bescheiden,

3. ihm bei der Kontaktierung durch einen ausgebildeten Imam behilflich zu sein,

4. eine notwendige Zahnbehandlung durchzuführen (abgebrochene Krone),

5. bei Bedarf den Rechtspfleger, den JVA-Beirat und den Anstaltsleiter kontaktieren zu dürfen,

6. Schreiben an den Petitionsausschuss des Landtages und des Bundestages auch per Einschreiben abschicken zu dürfen,

7. das von ihm beabsichtigte Studium zu unterstützen und Info-Broschüren von Universitäten an ihn herauszugeben,

Die vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gestellten Anträge zu 1 - 6 hat die dortige 21. Kammer als Anträge im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG angesehen und mit Beschluss vom 12. Juli 2006 an das Oberlandesgericht Hamm verwiesen. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass diese Anträge die Organisation der Abläufe in der Vollzugsanstalt betreffen. Den Antrag zu 7 hat der Betroffene unmittelbar an das Oberlandesgericht gerichtet.

II.

Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts ist hinsichtlich des Rechtsweges bindend (§ 17 a Abs. 2 S. 3 GVG). Gleichwohl führt dieser Umstand aber noch nicht zur Zulässigkeit der Anträge im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG, wenn (wie hier) die besonderen Voraussetzungen dieser Vorschrift - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht gegeben sind. Die Bindungswirkung hindert in diesem Fall nicht die weitere Verweisung innerhalb desselben Rechtsweges.

Für die von dem Betroffenen verfolgten Begehren ist das Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG nicht eröffnet. Nach §§ 23 Abs. 1 S. 2, 25 EGGVG ist zwar der Strafsenat für Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen der Vollzugsbehörden im Vollzug der Untersuchungshaft berufen. Aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG treten diese Vorschriften aber zurück, wenn das Gericht andere Rechtsbehelfe zu den ordentlichen Gerichten vorsieht. Maßnahmen im Rahmen des Vollzugs der Untersuchungshaft können deshalb nur dann Gegenstand eines zulässigen Antrages nach § 23 Abs. 1 S. 2 EGGVG sein, wenn sie - was in der Regel jedoch nicht der Fall ist - der Entscheidungszuständigkeit des Haftrichters nach § 119 Abs. 6 S. 1 StPO entzogen sind (vgl. OLG Zweibrücken, StV 1997, S. 313).

Dies trifft insbesondere auf Anordnungen, Verfügungen und Realakte zu, die sich nicht gegen einen bestimmten Untersuchungsgefangenen richten, sondern lediglich die allgemeine Vollzugsorganisation betreffen. In diesen Fällen geht es um die Notwendigkeiten des Haftvollzuges, um die Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit und Ordnung in der Anstalt, in die der Haftrichter nicht durch eigene Anordnungen eingreifen darf, weil sonst der Funktionsablauf in der Anstalt gestört würde. Hingegen ist die vorrangige Zuständigkeit des Haftrichters nach den §§ 119, 126 StPO gegeben, wenn das individuelle Haftverhältnis betroffen ist und es um die gerichtliche Überprüfung von Beschränkungen in Bezug auf einen bestimmten Untersuchungsgefangenen geht (vgl. BGHSt 29, 135; Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2004 - 1 VAs 51/04 -; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 23 EGGVG Rdnr. 18).

So liegt der Fall hier, denn die Art und Weise der Kontakte des Betroffenen zu moslemischen Glaubensvertretern, seiner Postkontrolle, seiner besonderen Beköstigung, der Ermöglichung von berufsbildenden Maßnahmen betreffen nicht die allgemeinen Verhältnisse der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf, sondern das spezielle Haftverhältnis des Betroffenen und die konkrete Ausgestaltung seiner individuellen (Untersuchungs-)Haftbedingungen. Der Betroffene muss sich gegen die Ablehnung dieser Begehren durch die Anrufung des Haftrichters nach § 119 Abs. 6 S. 1 StPO wehren. Selbst wenn die ärztliche Versorgung des Betroffenen und die ihm eingeräumten Möglichkeiten einer Kontaktaufnahme zu einem Rechtspfleger bzw. zu Vertretern der Justizvollzugsanstalt gegebenenfalls auch die Organisation der Haftanstalt berührt, so betrifft doch das überwiegende Gewicht seiner Anliegen die Ausgestaltung seiner individuellen - verfahrensbezogenen - Haftbedingungen.

Der Senat hat daher den Antrag in der gewählten Form entsprechend § 17 a Abs. 2 GVG für unzulässig erklärt und die Sache an den gemäß §§ 119 Abs. 6, 126 StPO zuständigen Haftrichter verwiesen.

Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Oberlandesgericht abgeschlossen. Auf weitere Eingaben in dieser Sache - gleich in welcher Form, gleich welchen Inhalts - erfolgt kein Bescheid mehr.

Ende der Entscheidung

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