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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.01.2005
Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 147/04
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 18
StVollzG § 201
Zur Frage der menschenunwürdigen Unterbringung des Strafgefangenen in einer Gemeinschaftszelle.
Beschluss

Strafvollzugssache

betreffend den Strafgefangenen X., zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt Detmold,

wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörden, (hier: Feststellung der Rechtswidrigkeit der Doppelbelegung eines Einzelhaftraumes).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 14. September 2004 gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold vom 16. August 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 01. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird - mit Ausnahme der Festsetzung des Gegenstandswertes - aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß die gemeinsame Unterbringung des Betroffenen mit einem Mitgefangenen in dem Haftraum 233 der Justizvollzugsanstalt Detmold in der Zeit vom 27. bis 28. Mai 2003 sowie 11. Juni bis 10. Juli 2003 rechtswidrig war.

Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Der Betroffene verbüßt zur Zeit Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Detmold, die vor dem 1. Januar 1977 errichtet wurde. Dort war er bis zum 27. Mai 2003 als Hausarbeiter tätig und in dieser Zeit in dem Einzelhaftraum 246 untergebracht, der sich unmittelbar neben der Spülzelle nebst Lagerraum befindet und aus organisatorischen Gründen ausschließlich als Einzelhaftraum für Hausarbeiter dient. Am 27. Mai 2003 wurde der Betroffene verhaltensbedingt von seiner Hausarbeitertätigkeit abgelöst und, da der Haftraum 246 für den neuen Hausarbeiter benötigt wurde, in den Haftraum 233 verlegt, der zu diesem Zeitpunkt mit einem weiteren Gefangenen belegt war. Da ein Einzelhaftraum, den der Betroffene noch am selben Tag schriftlich für sich beanspruchte, nicht zur Verfügung stand, wurde der Betroffene auf die Liste der Interessenten für einen Einzelhaftraum gesetzt, wo er Platz 25 der Warteliste einnahm. In dem Haftraum 233 war der Betroffene in der Zeit vom 27. bis zum 28. Mai 2003 und - aufgrund einer Entscheidung des Leiters der Justizvollzugsanstalt vom 10. Juni 2003 - in der Zeit vom 11. Juni bis zum 10. Juli 2003 mit jeweils einem weiteren Gefangenen gemeinschaftlich untergebracht. Ab dem 5. Juni 2003 arbeitete der Betroffene wieder durchgängig ganztägig in einem Werkbetrieb gemeinschaftlich mit anderen Gefangenen. Zur Größe und Ausstattung des Haftraums 233 hat die Strafvollstreckungskammer folgende Feststellungen getroffen:

"Der Raum hat eine lichte Höhe von 2,75 m. Der Rauminhalt beträgt 24,29 m³. Die Lüftungsmöglichkeit besteht durch ein Fenster an der rechten Ecke der Stirnseite der östlichen Außenwand zum Innenhof. Das Mauermaß der Fensteröffnung beträgt 1,39 m x 1,11 x. Der Lüftungsquerschnitt durch die Außengitterelemente aus Beton beträgt gesamt 0,93 m². Möbliert war der Haftraum mit einem doppelstöckigen Bett, zwei Schränken, zwei kleinen Tischen und zwei Stühlen. Die im Raum befindliche Toilette war mit einer Schamwand als Sichtschutz abgetrennt. Eine separate Ablufteinrichtung war nicht vorhanden."

Mit Schreiben vom 11. Juni 2003, bei der Justizvollzugsanstalt Detmold eingegangen am 13. Juni 2003, erhob der Betroffene Widerspruch "gegen die gemeinschaftliche Unterbringung im Haftraum 233". Diesen Widerspruch wies der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen mit Bescheid vom 2. Juli 2003, dem Betroffenen zugestellt am 8. Juli 2003, als unbegründet zurück. In dem Widerspruchsbescheid heißt es:

"Ihre gemeinschaftliche Unterbringung mit einem weiteren Gefangenen in einem Einzelhaftraum entspricht fehlerfreier Ermessensausübung gem. § 201 Ziff. 3 StVollzG, wonach es in vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes errichteten Anstalten, wie der JVA Detmold, zulässig ist, Gefangene abweichend von § 18 StVollzG auch während der Ruhezeit gemeinschaftlich unterzubringen. Auch in der JVA Detmold ist die Bildung von Notgemeinschaften derzeit erforderlich. Durch das Führen einer Warteliste wird sichergestellt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Vergabe von Einzelhafträumen gewahrt bleibt. Den Aspekt, dass sie vor ihrer Verlegung auf dem Hausarbeiterraum in einem Einzelhaftraum untergebracht waren, und der es rechtfertigt, ihnen abweichend von der durch die Warteliste vorgegebenen Reihenfolge erneut einen Einzelhaftraum zuzuweisen, hat der Leiter der JVA Detmold berücksichtigt. Aus der bisherigen Dauer ihrer gemeinschaftlichen Unterbringung läßt sich zutreffend keine besondere Beschwer ableiten."

Gegen diese Entscheidung wandte sich der Betroffene mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 9. Juli 2003, der am 11. Juli 2003 bei dem Landgericht Detmold einging und mit Anwaltsschriftsatz vom 15. August 2003 näher begründet wurde. Zur Begründung des darin gestellten Antrags auf Feststellung, dass seine gemeinsame Unterbringung mit einem Mitgefangenem in dem Haftraum 233 in der Zeit vom 27. bis 28. Mai 2003 und vom 11. Juni bis 10. Juli 2003 rechtswidrig war, führte der Betroffene an, daß die Doppelbelegung dieser Zelle aufgrund ihrer geringen Größe und der ungenügenden Ausstattung einen Verstoß gegen die Menschenwürde der betroffenen Gefangenen darstelle.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer den Feststellungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Justizvollzugsanstalt habe von der ihr durch § 201 Ziff. 3 StVollzG eingeräumten Möglichkeit der gemeinsamen Unterbringung von Gefangenen aus Gründen der Raumknappheit ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht. Vor dem Hintergrund der äußerst kurzfristigen, sich auf einen Zeitraum von insgesamt einem Monat beschränkten gemeinschaftlichen "Notunterbringung" sei, auch wenn der Rauminhalt des Haftraums 233 mit 24,29 m3 an der unteren Grenze des Zumutbaren liege, ein Verstoß gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht festzustellen, zumal sich der Betroffene und der Mitgefangene jeweils tagsüber im Werkbereich der Anstalt aufgehalten hätten. Auch bei der Auswahl des Mitgefangenen habe die Justizvollzugsanstalt, die sich insoweit an dem Gesichtspunkt der Verträglichkeit orientiert habe, keinen Ermessensfehler begangen.

Gegen diese Entscheidung der Strafvollstreckungskammer richtet sich die in zulässiger Weise eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers in § 18 Abs. 1 StVollzG, Gefangene in Einzelhafträumen unterzubringen, dürfe durch Heranziehung der als Übergangsvorschrift gedachten Norm des § 201 Ziff. 3 StVollzG nicht unterlaufen werden. Jedenfalls sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts evident, daß die gemeinsame Unterbringung mit einem Mitgefangenen in einer Zelle mit einer Grundfläche von lediglich 8,8 m² über einen Zeitraum von einem Monat mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Achtung der Menschenwürde nicht zu vereinbaren sei.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gem. § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig, weil die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Auch in der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg.

1. Der von dem Betroffenen gestellte Feststellungsantrag gem. § 115 Abs. 3 StVollzG war insgesamt zulässig. Ein entsprechender Feststellungsantrag setzt in verfahrensrechtlicher Hinsicht zunächst voraus, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag nach § 109 Abs. 1 StVollzG gewahrt sind (vgl. OLG Hamm ZfStrVo 1990, 308; OLG Frankfurt NJW 2003, 2843; OLG Zweibrücken, Beschluß vom 8. September 2004 - 1 Ws 276/04 -; KG ZfStrVo 1987, 374; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Aufl., § 115 Rdn. 14; Arloth/Lückemann, StVollzG, § 115 Rdn. 10; Schwind/Böhm-Schuler, StVollzG, 3. Aufl., § 15 Rdn. 17). Dies ist hier der Fall. Die Zuweisung des doppelt belegten Haftraumes am 27. Mai und erneut am 10. zum 11. Juni 2003 stellt jeweils eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs mit unmittelbarer Außenwirkung dar (vgl. OLG Hamm, NStZ 1989, 592; OLG Frankfurt, a.a.O. sowie NStZ-RR 2004, 29; OLG Zweibrücken a.a.O.; OLG Celle, NStZ-RR 2003, 316; Callies/Müller-Dietz, § 109 Rdn. 12; Arloth/Lückemann, § 109 Rdn. 6), wobei dahingstellt bleiben kann, ob es sich dabei um einen Verwaltungsakt (so OLG Frankfurt a.a.O.) oder um einen Realakt (so OLG Hamm NStZ 1989, 592; LG Kassel ZfStrVo 2001, 119; Schwind/Böhm-Schuler, § 109 Rdn. 18; Arloth/Lückemann, a.a.O.) handelt.

Soweit der Feststellungsantrag des Betroffenen den Unterbringungszeitraum vom 27. bis zum 28. Mai 2003 betrifft, bedurfte es des nach § 109 Abs. 3 StVollzG i. V. m. § 1 Vorschaltverfahrensgesetz NRW vom 20. Februar 1979 (GV NW S. 40) für Anfechtungs -und Verpflichtungsklagen grundsätzlich erforderlichen Widerspruchsverfahrens nicht, weil sich die beanstandete Maßnahme insoweit bereits am 28. Mai 2003 und damit während des Laufs der mit ihrer Bekanntmachung beginnenden einwöchigen Widerspruchsfrist (§ 3 Abs. 2 VorschaltverfahrensG NRW) erledigt hatte (vgl. OLG Hamm NStZ 1987, 576; Arloth/Lückemann, § 115 Rdn. 10). Hinsichtlich der (erneuten) Doppelbelegung des Haftraums 233 in der Zeit ab dem 11. Juni 2003 hat der Betroffene rechtzeitig Widerspruch erhoben, der mit Bescheid des Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes vom 2. Juli 2003 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Insoweit trat mit der Zuweisung eines Einzelhaftraums am 11. Juli 2003 - und damit innerhalb der Antragsfrist des § 112 Abs. 1 StVollzG - ebenfalls Erledigung ein mit der verfahrensrechtlichen Folge, dass eine gerichtliche Überprüfung der beanstandeten gemeinsamen Unterbringung für beide Zeiträume (27. bis 28. Mai sowie 11. Juni bis 10. Juli 2003) nur noch im Wege eines - hier gestellten - Feststellungsantrags gem. § 115 Abs. 3 StVollzG herbeigeführt werden konnte.

Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse ist bei dem Betroffenen gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht bei schwerwiegenden bzw. tiefgreifenden Grundrechtseingriffen auch nachträglich, d. h. nach deren Erledigung, ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit (vgl. BVerfG NJW 2002, 2456; 2002, 2699 und 2700). Steht, wie vorliegend, eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) durch eine besonders einschneidende Art und Weise der zeitweiligen Unterbringung während des Strafvollzugs in Rede, so ist ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser hoheitlichen Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses auch ohne konkrete Wiederholungsgefahr anzuerkennen (vgl. BVerfG a.a.O.; OLG Frankfurt NJW 2003, 2843; OLG Zweibrücken a.a.O.; OLG Karlsruhe ZfStrVo 2004, 304; Callies/Müller-Dietz, § 115 Rdn. 13; Arloth/Lückemann, § 115 Rdn. 8).

2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

Die gemeinsame Unterbringung des Betroffenen mit einem Mitgefangenen in dem nur 8,8 m² großen Haftraum 233 mit freistehender, nur mit einer beweglichen Schamwand verdeckten und nicht gesondert entlüfteten Toilette in der Zeit vom 27. bis 28. Mai 2003 und 11. Juni bis 10. Juli 2003 verstieß gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG und das Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (Art. 3 EMRK) und war daher rechtswidrig. Der angefochtene Beschluß war deshalb aufzuheben und die von dem Betroffenen begehrte Feststellung auszusprechen, wobei der Senat im Hinblick auf die Spruchreife der Sache (§ 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG) von der Möglichkeit der eigenen Sachentscheidung Gebrauch gemacht und von einer Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer abgesehen hat.

a) Eine Doppelbelegung des Haftraums 233 mit Strafgefangenen war nicht generell, d. h. unabhängig von dessen Größe und Ausstattung unzulässig. § 18 Abs. 1 S. 1 StVollzG schreibt zwar die Einzelunterbringung von Strafgefangenen während der Ruhezeit gesetzlich vor. Auch war weder ein Ausnahmefall i. S. des § 18 Abs. 1 S. 2 StVollzG gegeben, noch lagen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 S. 2 StVollzG vor, der im geschlossenen Vollzug eine gemeinsame Unterbringung von Gefangenen zur Ruhezeit vorübergehend und aus zwingenden Gründen erlaubt. Zu diesen Gründen zählt auch eine vorübergehende Überbelegung, nicht aber eine permanente, "chronische" Überbelegung (vgl. OLG Celle StV 2003, 567; ZfStrVo 1999, 57; LG Kassel ZfStrVo 2001, 119; LG Oldenburg StV 2004, 610; Callies/Müller-Dietz, § 18 Rdn. 4; Arloth/Lückemann, § 18 Rdn. 3), wie sie in der hier betroffenen Justizvollzugsanstalt Detmold zu verzeichnen ist, was sich aus der dort geführten (Warte-) Liste der Interessenten für einen Einzelhaftraum, auf der der Betroffene Platz 25 einnahm, ergibt.

Die grundsätzliche Zulässigkeit der gemeinsamen Unterbringung von Gefangenen während der Ruhezeit in der Justizvollzugsanstalt Detmold folgt jedoch aus der Vorschrift des § 201 Nr. 3 StVollzG, die verfassungsrechtlich unbedenklich ist, weil sich aus Art. 1 Abs. 1 GG kein generelles Verbot der gemeinsamen Unterbringung von Strafgefangenen ergibt (vgl. OLG Frankfurt ZfStrVo 2001, 55; OLG Naumburg, Beschluß vom 17. August 2004 - 12 W 29/04 -). Danach dürfen Strafgefangene in Anstalten, mit deren Errichtung vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes begonnen wurde, abweichend von § 18 StVollzG während der Ruhezeit gemeinsam untergebracht werden, "solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern". Die in § 201 Nr. 3 StVollzG getroffene Regelung, die auf die vor dem 1. Januar 1977 erbaute Justizvollzugsanstalt Detmold anwendbar ist, ist trotz ihrer Bezeichnung als Übergangsbestimmung und des seit Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes inzwischen verstrichenen Zeitraums von ca. 28 Jahren nach wie vor geltendes Recht, denn der Gesetzgeber hat sie - bewußt - keiner zeitlichen Befristung unterworfen (vgl. OLG Frankfurt ZfStrVo 2001, 55; Callies/Müller-Dietz, § 201 Rdn. 1). Dass die räumlichen Verhältnisse der überbelegten Justizvollzugsanstalt Detmold eine zumindest vorübergehende gemeinsame Unterbringung von Gefangenen während der Ruhestunden in dem hier in Rede stehenden Zeitraum erforderten, ergibt sich aus den von der Strafvollstreckungskammer getroffenen Feststellungen. Danach stand in der Justizvollzugsanstalt Detmold für den Betroffenen in der Zeit vom 27. Mai bis zum 28. Mai 2003 sowie erneut in der Zeit vom 11. Juni bis 10. Juli 2003 kein Einzelhaftraum zur Verfügung. Es wurde eine Liste "der Interessenten für einen Einzelhaftraum" geführt, auf der der Betroffene zunächst Platz 25 der Warteliste einnahm.

b) In Fällen wie dem vorliegenden, in denen nicht jedem Gefangenen nach § 18 Abs. 1 in der Ruhezeit ein Einzelhaftraum zur Verfügung steht und die Ausnahmeregel des § 201 Nr. 3 StVollzG zur Anwendung kommt, hat die Justizvollzugsanstalt im Rahmen ihrer Organisationshoheit eine Ermessens- und Auswahlentscheidung darüber zu treffen, ob dem Gefangenen aus besonderen Gründen ein Einzelhaftraum zugewiesen werden kann bzw. muß und, wenn dies nicht der Fall ist, mit wievielen und welchen Gefangenen er sich eine Zelle teilen muß (vgl. OLG Celle NJW 2004, 2766; OLG Frankfurt ZfStrVo 2001, 55); diese Ermessensentscheidung muß nachvollziehbaren und mit dem Strafvollzugsgesetz in Einklang stehenden Kriterien folgen (OLG Celle und OLG Frankfurt, jeweils a.a.O.). Dabei kommt insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz maßgebliche Bedeutung zu. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Entscheidung der Vollzugsbehörde, den Betroffenen nach der verhaltensbedingten Ablösung von seiner Tätigkeit als Hausarbeiter von dem für den neuen Hausarbeiter benötigten Haftraum 246 (Hausarbeiterzelle) in einen - jedenfalls zeitweise - doppelt belegten Haftraum zu verlegen und ihn an bereiter Stelle auf der (Warte-) Liste der Interessenten für einen Einzelhaftraum zu führen, für sich gesehen nicht zu beanstanden. Berechtigte Einwände gegen die Person des jeweiligen Mitgefangenen hat der Betroffene im übrigen weder für die Zeit vom 27. bis 28. Mai noch hinsichtlich des Unterbringungszeitraums vom 11. Juni bis 10. Juli 2003 vorgebracht.

c) Allerdings muß der zugewiesene Haftraum, auch wenn seine Mehrfachbelegung - wie vorliegend - nicht von vornherein im Hinblick auf den in § 18 Abs. 1 S. 1 StVollzG festgeschriebenen Grundsatz der Einzelunterbringung unzulässig ist, hinsichtlich seiner Größe und Ausstattung bestimmten Anforderungen genügen. Aus der allgemein gehaltenen und an die Vollzugsbehörden gerichteten Vorschrift des § 144 Abs. 1 StVollzG (Verordnungen nach § 144 Abs. 2 StVollzG sind hierzu bislang nicht ergangen) kann der Gefangene zwar keine subjektiven Rechte herleiten (vgl. OLG Hamm NStZ 1992, 352; BlfStrVollzK, Nr. 2, 10; OLG Zweibrücken, a.a.O.; NStZ 1982, 221; OLG Frankfurt StV 1986, 27; OLG Koblenz ZfStrVo 1985, 62; Callies/Müller-Dietz, § 144 Rdn. 1; Arloth/Lückemann, § 144 Rdn. 4). Allerdings werden dem Ermessen der Vollzugsbehörde bei der Belegung und Ausgestaltung der Hafträume durch das Recht des Gefangenen auf Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) Grenzen gesetzt (vgl. BVerfG NJW 2002, 2699 und 2700; BGH, Urteil vom 04. November 2004 - III ZR 361/03 - EBE/BGH 2004, 394; OLG Hamm NStZ 1992, 352; NJW 1967, 2024; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 08. September 2004, bereits zitiert; NStZ 1982, 221; OLG Frankfurt NStZ 2004, 613; NStZ-RR 2003, 59; NJW 2003, 2843; ZfStrVo 2001, 55; StV 1986, 27, NStZ 1985, 572; KG ZfStrVo 1980, 191; OLG Celle StV 2004, 84; NJW 2003, 2463; OLG Karlsruhe ZfStrVo 2004, 304; LG Hannover StV 2003, 568; LG Oldenburg StV 2004, 610; LG Gießen NStZ 2003, 624; LG Braunschweig NStZ 1984, 286; LG Karlsruhe, Urteil vom 13. Juli 2004 - 2 O 1/04 -; Callies/Müller-Dietz, § 144 Rdn. 1; Arloth/Lückemann, § 144 Rdn. 4; Schwind/Böhm, § 144 Rdn. 1; Feest, AK-Strafvollzugsgesetz, 4. Aufl., § 144 Rdn. 4). Der Haftraum muß hinsichtlich seiner Größe und Ausgestaltung so beschaffen sein, dass das Recht auf Achtung der Menschenwürde, dem nach der Verfassung ein Höchstwert zukommt und das auch dem Straftäter nicht abgesprochen werden kann (vgl. BVerfG NJW 2002, 2700, 2701), gewahrt bleibt. Das schließt die Pflicht ein, die Privat- und Intimssphäre des Gefangenen als Ausdruck seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) tunlichst zu wahren (BVerfG ZfStrVo 1997, 111). Ob bzw. wann die Grenze zur menschenunwürdigen Unterbringung bei einer Doppel- oder Mehrfachbelegung eines Haftraums überschritten ist, hängt in erster Linie von der Art und Weise der Unterbringung, d. h. von der Größe (Grundfläche und Rauminhalt) und Ausstattung (insbesondere in sanitärer Hinsicht) des Haftraums sowie von der Anzahl der in dem Haftraum gleichzeitig untergebrachten Gefangenen ab. Daneben kann aber auch von Bedeutung sein, in welchen Zeiträumen und zu welchen Zwecken sich der einzelne Gefangene in dem betreffenden Haftraum aufhalten muß bzw. mußte. Folgt allerdings bereits aus der Art der (gemeinsamen) Unterbringung, dass die Menschenwürde des Gefangenen berührt ist, kommt es für die verfassungsrechtliche und damit auch für die vollstreckungsrechtlliche Beurteilung (zur zivilrechtlichen Beurteilung im Rahmen des § 847 BGB und der Bedeutung der Unterbringungsdauer insoweit vgl. BGH a.a.O. und vorgehend OLG Celle StV 2004, 84) auf die Dauer der Mehrfachunterbringung nicht mehr an (vgl. BVerfG NJW 2002, 2699, 2700; OLG Frankfurt NStZ 2003, 59); dann sind auch die genauen Aufenthaltszeiten in der Zelle rechtlich unerheblich (vgl. OLG Frankfurt NJW 2003, 2843, 2845).

Vorliegend war der Betroffene in der Zeit vom 27. bis 28. Mai und vom 11. Juni bis 10. Juli 2003 jeweils mit einem weiteren Gefangenen gemeinsam im Haftraum 233 untergebracht und jedenfalls in der Ruhezeit, in der sich beide Gefangene gleichzeitig in dem Haftraum aufhalten mußten, gezwungen, mit diesem Mitgefangenen die Zelle einschließlich der darin befindlichen, räumlich nicht abgetrennten Toilette zu teilen.

Es spricht nach Auffassung des Senats einiges dafür, dass generell die gemeinsame Unterbringung von zwei oder mehr Gefangenen in einem Haftraum ohne hinreichende räumliche Abtrennung der Toilette, die einen ausreichenden Sicht-, Geruchs- und Geräuschschutz gewährleistet, im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG unzulässig ist, sofern nicht die Benutzung außerhalb der Zelle gelegener Wasch- und WC-Anlagen tags und nachts möglich ist (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluß vom 8. September 2004, bereits zitiert; OLG Frankfurt NJW 2003, 2843, 2845; NStZ-RR 2001, 28, 29; StV 1986, 2728; OLG Hamm NJW 1967, 2024; LG Hannover StV 2003, 568, 569; LG Braunschweig NStZ 1984, 286; Callies/Müller-Dietz, § 144 Rdn. 1; Arloth/Lückemann, § 144 Rdn. 2; AK § 144 Rdn. 10; Schwind/Böhm, § 18 Rdn. 6 und § 144 Rdn. 1). Das Bedürfnis und der Anspruch des Menschen, sich einerseits bei der Verrichtung seiner körperlichen Bedürfnisse unter Wahrung seiner Intimssphäre absondern zu können und andererseits nicht ungewollt den Verrichtungen und den damit verbundenen Belästigungen anderer spürbar ausgesetzt zu sein, verlangt eine derartige räumliche Abtrennung des Toilettenbereichs. Eine bloße Schamwand, wie sie in der Zelle 233 vor der im übrigen offenen Toilette aufgestellt ist, genügt als räumliche Abtrennung nicht, denn sie bietet lediglich in optischer Hinsicht einen gewissen Schutz, nicht aber in akustischer und geruchlicher Hinsicht, zumal die nicht in Fensternähe aufgestellte Toilette im Haftraum 233 über keine gesonderte Entlüftung verfügt. Ob, was die sanitäre Ausstattung einer mehrfach belegten Zelle betrifft, eine lediglich mit einer Schamwand abgetrennte Toilette mit eigenem Entlüftungsschacht unter dem Blickwinkel des Art. 1 Abs. 1 GG "gerade noch hinnehmbar ist" (so OLG Celle BlfStrVollzK 2/1990, 2, 3; vgl. auch OLG Frankfurt NJW 2003, 2843, 2845), kann vorliegend dahinstehen.

Zu der schwerlich mit Art. 1 Abs. 1 GG in Einklang zu bringenden sanitären Ausstattung des Haftraums 233 kommt hinzu, dass dieser nur eine Grundfläche von 8,8 m² hat und diese Nutzfläche durch Möbelstücke (insbesondere Bett und Schränke) und Toilette zusätzlich eingeschränkt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Haftraum für den Gefangenen regelmäßig die einzig verbleibende Möglichkeit bietet, sich eine gewisse Privatsphäre zu schaffen und ungestört zu sein (vgl. BVerfG, ZfStrVo 1997, 111, 113; BGHSt 37, 380, 382). Konkrete gesetzliche Anforderungen an die Mindestgröße eines Haftraums enthält das StVollzG zwar nicht, insbesondere fehlt bislang eine zu § 144 Abs. 2 StVollzG erlassene Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz. Aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK ergeben sich jedoch Mindestanforderungen an die Bodenfläche eines Haftraums, insbesondere was den Bereich des Strafvollzuges betrifft (vgl. BVerfG ZfStrVo 1994, 377). Diesen Mindestanforderungen wird der Haftraum 233 bei einer Doppelbelegung nicht gerecht. Seine Größe ist derart gering, dass dem - gemeinschaftlich - untergebrachten Gefangenen jeglicher Rückzugsraum, in dem er sein Gefühlsleben unbeobachtet und ungestört ausleben könnte, genommen wird. Es verbleibt dem einzelnen Gefange-nen kaum noch Raum, seine Privat- und Intimsphäre zu wahren, sich zu bewegen und sich weitgehend ungestört zu betätigen. Verschärft wird diese Situation noch durch die bereits geschilderten unzureichenden sanitären Verhältnisse in der Zelle 233. Der Umstand, dass der Betroffene jedenfalls seit dem 5. Juli 2003 tags-über in einem Werkbetrieb ganztägig arbeitete und damit nur während der Schließ-zeiten gezwungen war, sich gemeinsam mit einem Mitgefangenen in der Zelle aufzu-halten, ändert an dieser rechtlichen Beurteilung nichts, was sich schon daraus ergibt, dass dem Gefangenen auch im Werkbereich keinerlei abschirmbare Privat- und Intimsphäre als ungestörter Rückzugsraum verblieb.

Die Auffassung des Senats, dass die Grenze zur menschenunwürdigen Unterbringung durch die Doppelbelegung des Haftraums 233 in den festgestellten Zeiträumen überschritten war, entspricht im übrigen der von zahlreichen anderen Gerichten zu ähnlich gelagerten Fällen (Doppelbelegung einer Zelle mit einer Grundfläche von weniger als 10 qm und ohne abgetrennte Toilette) vertretenen Ansicht (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluß vom 8. September 2004, bereits zitiert; OLG Frankfurt NJW 2003, 2843; Info 1986, 441; OLG Celle NJW 2003, 2463; LG Braunschweig NStZ 1984, 286; LG Oldenburg StV 2004, 610; LG Hannover BlfStrVollzK 2003 Nr. 1, 3; LG Karlsruhe, Beschluß vom 13. Juli 2004 - 2 O 1/04 -).

Der Senat verkennt dabei nicht die Notsituation zahlreicher Justizvollzugsanstalten, die sich häufig in einem Zustand der "chronischen Überbelegung" befinden. Der damit einhergehende erhebliche Mangel an Einzelhaftplätzen darf jedoch nicht dazu herhalten, geltendes Recht, insbesondere grundlegende Menschenrechte (Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 EMRK) zu unterlaufen. Die Gerichte haben, worauf das Oberlandesgericht Celle in seinem Urteil vom 2. Dezember 2003 (StV 2004, 84) zu Recht hinweist, trotz der (seit langem) bestehenden Notlage keine Möglichkeit, von eindeutigen gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Bestimmungen abzuweichen und Rechte der Gefangenen über das gesetzlich zulässige Maß hinaus einzuschränken.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1 und 4 StVollzG und einer entsprechenden Anwendung des § 473 StPO.

Ende der Entscheidung

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