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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.04.2003
Aktenzeichen: 1 Ws (L) 10/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57a
StGB § 46
Zur Frage der "besonderen Schwere der Schuld" in einem sog. Altfall, in dem das Tatgericht das Mordmerkmal "grausam" angenommen hatte.
Beschluss

Strafvollstreckungssache

wegen Mordes (hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer einer lebenslangen Freiheitsstrafe und die Ablehnung der bedingten Entlassung)

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 3. Februar 2003 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal vom 15. Januar 2003 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 04. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld gebotene Vollstreckungsdauer auf 18 Jahre festgesetzt wird.

Der Verurteilte trägt die Kosten des Verfahrens. Jedoch wird die Beschwerdegebühr auf 2/3 ermäßigt. Die Staatskasse trägt auch 1/3 der dem Verurteilten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

Das Landgericht Wuppertal hat den Verurteilten am 22. Dezember 1989 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Verurteilte in den frühen Morgenstunden des 15. Januar 1988 die damals 76 Jahre alte Rentnerin E.B. auf grausame Art und Weise vorsätzlich getötet. Der Verurteilte hatte an dem Tatabend in erheblichem Umfang Alkohol zu sich genommen. Nach der Rückkehr in seine Wohnung in den frühen Morgenstunden des 15. Januar 1988 fasste der Verurteilte den Entschluss, die Wohnung der im gleichen Haus wohnenden Frau B. aufzusuchen. Die Beweggründe, die den Verurteilten seinerzeit dazu veranlasst haben, konnte das Landgericht nicht feststellen. Als Frau B. dem durch Schellen, Klopfen und Rufen geäußerten Verlangen des Verurteilten, die Wohnungstür zu öffnen, nicht nachkam, brach dieser die Tür gewaltsam auf und gelangte so in die Wohnung. Die Geschädigte wich vor dem ihr nachsetzenden Angeklagten in das Wohnzimmer zurück. Eine weitere Fluchtmöglichkeit war ihr zu diesem Zeitpunkt jedoch verwehrt.

Zum weiteren Tathergang hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Im Wohnzimmer versuchte der Angeklagte, das Schreien von Frau B. dadurch zu ersticken, daß er ihr seine Hände auf den Mund preßte. Als sich sein Opfer hiergegen so heftig, wie es vermochte, wehrte, faßte der Angeklagte den Entschluß, Frau B. zu töten. Er begann nunmehr, heftig und brutal auf sein Opfer einzuschlagen. Obwohl sich Frau B. nach wie vor wehrte und dem Angeklagten trotz ihrer körperlichen Unterlegenheit - der Angeklagte war 1,74 m groß, verfügte über ein Körpergewicht von rund 84 kg und war zudem sportlich durchtrainiert, während sein 76 Jahre altes Opfer nur eine Körpergröße von 1,54 m und ein Gewicht von 67,8 kg hatte - bei seiner verzweifelten Gegenwehr relativ geringfügige Kratzverletzungen zufügte, hatte der Angeklagte von Anfang an die Oberhand. Er schlug massiv auf die alte Frau ein und stieß diese so wuchtig gegen den Couchtisch, daß das schwere Möbelstück zusammenbrach und sein Opfer gegen den Tannenbaum geriet. Hiernach zerrte er der Frau, wie die in ihre Nachtbekleidung eingewickelten Fichtennadeln zeigen, gewaltsam ihr Nachthemd über den Kopf und warf diese Kleidungsstücke, nach links ineinandergerollt, über den Sessel. Außer mit äußerster Kraftentfaltung geführten Faustschlägen setzte er Frau B. dadurch zu, daß er auf den Oberkörper der am Boden liegenden Frau wiederholt mit Wucht eintrat oder unter Einsatz seines ganzen Körpergewichts von oben seine Knie mehrmals auf den Brustkorb seines Opfers stieß, um dieses in Tötungsabsicht weiterhin zu verletzen. Dabei erlitt Frau B. folgende Verletzungen: außer unzähligen Hämatomen an Kopf, Hals, Beinen und Armen eine Zertrümmerung des linken Oberkiefers und der linken Kieferhöhle, einen Bruch des linken Randes zur Augenhöhle am unteren Übergang zum Jochbein mit einer Abtrennung der knöchernen Augenhöhle zur Schädelbasis, einen Bruch des Schlüsselbeins im vorderen Viertel, ein Serienbruch der Rippen 4 bis 10 quer in der vorderen achselhöhligen Linie mit Durchspießung der 4., 5. und 8. Rippe in Richtung Herz und Lunge sowie einen Bruch der ersten Rippe links quer neben der Wirbelsäule.

Trotz der bis dahin erlittenen schwersten Verletzungen war sein Opfer immer noch bei Bewußtsein, wenn auch eine Bewußtseinstrübung als Folge der Schädelverletzungen mit Auswirkungen auf das Hirn eintrat. Frau B. erfaßte noch die ihr von dem Angeklagten zugefügten Schmerzen und die für sie lebensbedrohliche Situation und schleppte sich, um dem weiter auf sie eindringenden Angeklagten zu entgehen, in ihr Schlafzimmer, wo der Angeklagte sein bis auf Stützstrümpfe und Socken entkleidetes Opfer auf das Bett stieß.

In dieser Phase der Tat begann der Angeklagte, das bereits begonnene Tötungsvorhaben zu Ende zu bringen, indem er sich eines insgesamt 19 cm langen Schraubendrehers mit gelbem Kunststoffgriff und einem aus dem Griff herausragenden stählernen Teil von 10 cm Länge, dessen Spitze 0,5 cm breit war und dessen Herkunft letztlich nicht geklärt werden konnte, bemächtigte und damit auf die bereits tödlich verletzte Frau B. einstach. Insgesamt fügte der Angeklagte seinem Opfer wenigstens 23 Stichverletzungen mittels dieses Schraubendrehers zu. Wenigstens 5 Stiche führte er in Richtung der Schambehaarung bzw. Scheide seines Opfers, dessen Scheideneingang durch wenigstens vier Stiche zerfetzt wurde, während ein fünfter Stich in diese Körperregion nur zu einer oberflächlichen Verletzung führte. Drei weitere Stichwunden fügte er dem Opfer am linken Hals, drei weitere in die linke Brustdrüse, vier am linken Rippenbogen außen, einen am Rippenbogen innen und jeweils eine weitere in der rechten Leiste und am rechten Oberschenkel zu. Vier der weiteren fünf Stiche, die den Kopf der Frau trafen, wurden mit besonderer Wucht ausgeführt: So führte ein Stich vom linken Kinn bis zum rechten Unterkiefer, während ein weiterer Stichkanal von der linken Nasenwurzel durch das zertrümmerte Nasenbein bis zur Mundhöhle verlief. Ein dritter Stich gegen den Kopf, der die linke Wange des Opfers traf, drang durch die linke Augenhöhle bis zum linken Stirnbein vor. Sein letzter Stich traf sein Opfer im Gesicht zwischen der linken Nasenseite und dem linken Augenunterlid, wobei er den Schraubendreher bis zum Griff in den Kopf seines Opfers rammte und die Nasenhöhle und den linken Oberkiefer bis zur Mundhöhle durchstach. Die benutzte Stichwaffe ließ der Angeklagte im Kopf seines Opfers stecken, weil er sich darüber im Klaren war, Frau B. spätestens jetzt tödlich verletzt zu haben. Die dem Opfer beigebrachten Verletzungen waren äußerst schmerzhaft, was dem Angeklagten durchaus bewußt war.

Frau B. verstarb an einem schweren traumatischen Schock aufgrund erheblicher Blutverluste ins Körperinnere und auch nach außen, wobei der Eintritt des Todes durch eine erhebliche Bluteinatmung mitverursacht wurde.

Im Verlaufe des geschilderten Tatgeschehens hat Frau B. ihr Bewußtsein nicht verloren. Die Kammer kann lediglich aufgrund der von Frau B. erlittenen Körperverletzungen und dem Tatgeschehen, das für sie traumatisch verlaufen ist, von einer Bewußtseinseintrübung des Opfers ausgehen. Dies bedeutet, daß das Opfer, wenn auch möglicherweise ab einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt nicht mehr voll bewußtseinsklar, die ihm zugefügten Schmerzen und Qualen erlebt und auch verspürt hat, daß der Angeklagte nach seinem Leben trachtete. Das Opfer hat, wenn auch mit allmählich schwindender Bewußtseinsklarheit, die ihm zugefügten Schmerzen zumindest noch schemenhaft empfunden und sich in Todesangst und unter Qualen, was insbesondere aus den unterschiedlichen Stichrichtungen bei den Kopfverletzungen ersichtlich ist, auch noch in der Endphase der Tat, nachdem der Angeklagte mit dem Einstechen auf die Frau begonnen hatte, noch bewegt und versucht, den wuchtigen Stichen auszuweichen. Nachdem Frau B. auf das Bett geschleudert worden war, hustete sie qualvoll, wie die an der Wand hinter dem Bett über dem Kopf des Leichnams vorgefundenen Blutspritzer bezeugen, in ihre Atemorgane eingedrungenes Blut aus; auch aus diesem Umstand muß geschlossen werden, daß das Opfer noch nicht in Bewußtlosigkeit verfallen war, als der Angeklagte die Stiche mit dem Schraubendreher gegen die bereits tödlich verletzte Frau ausführte und davon ausgehende Schmerzen noch empfand.

Das geschilderte Tatgeschehen dauerte zumindest über einen Zeitraum von einer Viertelstunde an, der dem Opfer in seiner Todesangst und unter der Vielzahl der mit erheblichen Schmerzen verbundenen Mißhandlungen unendlich lang erschien. Dem Angeklagten war von Anfang an bewußt, daß er der alten Frau erhebliche Schmerzen zufügte, weil er willentlich unter Aufbietung aller seiner Körperkräfte zunächst auf das Opfer einschlug, der am Boden Liegenden mit roher Gewalt die Nachtbekleidung über den Kopf zog und auch versuchte, durch äußerst wuchtige Fußtritte oder Beknien seines Opfers dieses am Boden zu zertrampeln. Auch wegen der verzweifelten Gegenwehr der Frau, die sich vor Beendigung der Tat schwer verletzt in ihr Schlafzimmer schleppte, war sich der Angeklagte darüber im Klaren, daß sein Opfer, wie von ihm gewollt, unter den durch seine Mißhandlungen herbeigeführten Schmerzen litt und daß er mit jeder weiteren Einwirkung dessen Leiden vergrößerte und verlängerte. In der Erkenntnis, daß Frau B. zwar schwer verletzt, aber noch am Leben und bei Bewußtsein war und daß er ihr damit weitere Schmerzen zufügte, versetzte er seinem auf dem Bett liegenden Opfer wenigstens fünf Stiche in den Schambereich. Erst danach setzte er durch die Ausführung der weiteren Stiche gegen den Hals und gegen den Kopf seines Opfers zur Beendigung seines Tötungsvorhabens an."

Das Landgericht hat ergänzend festgestellt, dass der Verurteilte zwar während der Tat alkoholbedingt enthemmt war, jedoch die Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, nicht erheblich eingeschränkt gewesen sei.

Unter Berücksichtigung der vollzogenen Untersuchungshaft wird der Verurteilte am 6. Juni 2003 15 Jahre der lebenslangen Freiheitsstrafe verbüßt haben.

Mit Beschluss vom 15. Januar 2003 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal nunmehr die bedingte Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt und die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld gebotene Mindestvollstreckungsdauer auf 23 Jahre festgesetzt.

Die Strafvollstreckungskammer hat dabei berücksichtigt, dass der Verurteilte sein Opfer, das besondere Schmerzen und Todesangst durchleiden musste, mit besonderer Brutalität misshandelt habe. Er habe zunächst dazu angesetzt, die alte Frau am Boden gleichsam zu zertrampeln, bevor er ihr durch eine Vielzahl von wuchtigen Stichen mit einem Schraubendreher die tödlichen Verletzungen beigebracht habe. Die unvorstellbar mitleidlose und menschenverachtende Brutalität zeige sich letztlich darin, dass der Verurteilte den Schraubendreher zuletzt bis zum Griff in den Kopf seines Opfers rammte. Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände wiege das konkrete Maß der Schuld des Verurteilten so schwer und übersteige damit die bei einer Verurteilung wegen Mordes ohnehin regelmäßig vorhandene Schuldschwere so deutlich, dass auch unter Berücksichtigung von vollstreckungsrechtlichen Gesichtspunkten und der noch behandlungsbedürftigen Persönlichkeitsproblematik des Verurteilten eine Mindestvollstreckungsdauer von 23 Jahren geboten sei. Der Verurteilte habe lange Zeit gebraucht, um den von ihm verursachten Tatablauf nicht durch die Vorgabe von Erinnerungslücken zu verdrängen. Unter den Bedingungen des Strafvollzuges sei dem Verurteilten zwar eine deutliche Stabilisierung gelungen. Es sei aber weiterhin davon auszugehen, dass er in Stresssituationen auf Dauer missbrauchsgefährdet bleibe. Dies ergebe sich insbesondere auch aus seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Wuppertal vom 3. Juli 2001. In diesem Verfahren (26 Cs 931 Js 621/01) war der Verurteilte wegen Körperverletzung mit einem Strafbefehl über 30 Tagessätze zu je 20 DM belegt worden, weil es im Rahmen einer Urlaubsgewährung vor einer Nachtbar zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem anderen Gast gekommen war.

Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 15. Januar 2003 richtet sich die in zulässiger Weise erhobene sofortige Beschwerde des Verurteilten. Er hat beantragt, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld aufzuheben und die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren zur Bewährung auszusetzen, hilfsweise die Mindestverbüßungsdauer auf 17 Jahre festzusetzen. Er ist der Auffassung, dass der von ihm angefochtene Beschluss die positive Entwicklung im Vollzugsverlauf nicht hinreichend berücksichtige. Im Übrigen sei es der Strafvollstreckungskammer verwehrt, unter Missachtung der Feststellungen des Urteils die besondere Grausamkeit zur Begründung der Schuldschwere heranzuziehen. Der Verurteilte habe ein Mordmerkmal verwirklicht und darüber hinaus aber keine weiteren Straftatbestände begangen.

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Festsetzung einer aus Gründen der Schuldschwere gebotenen Mindestvollstreckungsdauer von 18 Jahren.

In den sogenannten Altfällen sind die Vollstreckungsgerichte dazu berufen, die aus Gründen der Schuldschwere gebotene Mindestvollstreckungsdauer festzusetzen. Dabei dürfen sie nur das dem Urteil zugrunde liegende Tatgeschehen und die dazu festgestellten Umstände der Auswirkung der Tat berücksichtigen. Demgegenüber sind Ausführungen zu den Beweggründen und den Zielen des Täters, zu der aus seiner Tat sprechenden Gesinnung und weiteren subjektiven, die Tatschuld prägenden Kriterien, soweit sie nicht der Annahme eines Mordmerkmals dienen, nicht notwendig in den Urteilsgründen enthalten, so dass das Vollstreckungsgericht bei der Schuldbewertung diese Umstände grundsätzlich nicht berücksichtigen darf (BVerfG NStZ 92, 484 ff.).

Die grausame Tötung des Tatopfers war deshalb schon Voraussetzung für die Annahme dieses vom Schwurgericht allein bejahten mordqualifizierten Merkmals. Die Bejahung einer besonderen Schwere der Schuld setzt dann aber schon begrifflich gegenüber dieser tatbestandsbegründenden Schuld eine qualitative oder quantitative Steigerung voraus. Deshalb dürfen als schuldsteigernd nicht schon solche Merkmale herangezogen werden, die überhaupt erst die Mordqualifikation ergeben und deshalb die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe begründen können. Dies folgt schon aus dem Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, das auch bei einer Entscheidung nach § 57 a Abs. 1 Nr. 2 StGB trotz der Besonderheiten der Schuldbemessung bei lebenslanger Freiheitsstrafe entsprechend zu berücksichtigen ist (vgl. BGHSt 40, 360), denn Schuld im Sinne der Schuldschwereklausel ist nicht Strafbgründungs-, sondern Strafzumessungsschuld.

Dennoch darf das vom Tatrichter festgestellte Mordmerkmal auch selbst einer Bewertung daraufhin unterzogen werden, ob sich die besondere Schwere der Schuld nicht schon aus den in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen ergibt. Das ist dann der Fall, wenn es sich um Umstände handelt, die die Grenze zu einem oder mehreren Mordmerkmalen erheblich überschreiten. So kann auch die grausame Tötung eines Menschen auf durchaus unterschiedliche Weise geschehen. Der Täter kann die Grenze zur Grausamkeit gerade überschritten haben, er kann aber auch dem Opfer körperliche oder seelische Leiden zugefügt haben, die bei weitem das Maß der bereits grausamen Tötung übertreffen. Wer in diesem besonderen Umfang übermäßig grausam mordet, den trifft eine besondere Schwere der Schuld, weil es sich dann um Umstände von Gewicht handelt, welche den Vollzug eines 15 Jahre überschreitenden Freiheitsentzuges gebieten können (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Schuldschwere 1 und Stree, NStZ 92, 465).

So liegt der Fall hier. Der Verurteilte hat bei der Tat zwar nur ein Mordmerkmal verwirklicht und mit der Geschädigten B., die das gesamte Tatgeschehen überwiegend bewusst miterlebt hat, ein auf grausame Weise getötetes Tatopfer hinterlassen. Er hat aber durch die der Geschädigten innerhalb von etwa 15 Minuten von vornherein in Tötungsabsicht zugefügten Verletzungen, zunächst durch eigene körperliche Gewalt und sodann, nachdem der Geschädigten kurzfristig die Flucht ins Schlafzimmer gelungen war, unter Zuhilfenahme eines Werkzeugs (hier: Schraubendreher) wesentlich mehr getan, als zur bloßen Erfüllung des Mordtatbestandes erforderlich gewesen wäre. Es handelt sich deshalb um ein Tatverhalten, das die Grenze zu dem Mordmerkmal der grausamen Tötung eines Menschen erheblich überschreitet und damit geeignet ist, die besondere Schwere der Schuld zu begründen.

Auch unter Berücksichtigung des bisherigen Vollzugsverhaltens des Verurteilten, wie es dem Bericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt Remscheid vom 1. August 2002 zu entnehmen ist, ergibt sich keine abweichende Beurteilung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Tat, des Täterverhaltens und des insgesamt als durchschnittlich zu beurteilenden Vollzugsverhaltens. Der Verurteilte ist danach zwar, nachdem er sich viele Jahre wahrheitswidrig im Hinblick auf den Tathergang auf eine Erinnerungslücke berufen hat und sich deshalb nicht mit der Tat auseinandersetzen konnte, trotz der Nachverurteilung durch das AG Wuppertal vom 3. Juli 2001 nach Einschätzung des Leiters der Vollzugsanstalt nunmehr "auf dem richtigen Weg". Er habe Reue und Schuldbewusstsein entwickelt, was zu einer deutlichen Stabilisierung seiner Persönlichkeit geführt habe. Es bedürfe jedoch noch einer angemessenen Erprobung im offenen Vollzug, in der er unter den Bedingungen der größeren Selbstverantwortung seine bisherige positive Persönlichkeitsentwicklung fortsetzen könne. Wenn dies gelinge, sei zu erwarten, dass er ein straffreies Leben nach einer bedingten Entlassung gemäß § 57 a StGB führen könne. Letztlich ergibt sich dies auch aus der Stellungnahme des Anstaltspfarrers Erhard Ufermann vom 18. Februar 2003, der den Verurteilten seit vielen Jahren seelsorgerisch betreut. Auch er ist - unter Berücksichtigung der Schwere des Tötungsdelikts - der Auffassung, dass die weitere Inhaftierung des Verurteilten nur noch den Strafzweck der Resozialisierung verfolgen sollte.

Die Strafvollstreckungskammer hat auf eine Mindestverbüßungsdauer von 23 Jahren erkannt. Trotz der vorgenannten schuldsteigernden Umstände kann diese Entschei- dung keinen Bestand haben, weil sie auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechungspraxis in anderen Landgerichtsbezirken erheblich übersetzt ist. Angesichts des Umstandes, dass der Senat für die Prüfung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen nach § 57 a StGB in Nordrhein-Westfalen insgesamt zuständig ist, verfügt er über eine Vielzahl von Vergleichsfällen. Dabei ist der Senat auch gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass erhebliche Abweichungen bei der Beurteilung der Schuldschwere von vergleichbaren Fällen nicht zutage treten und eine in etwa einheitliche Linie gewahrt bleibt. Dementsprechend führt die im vorliegenden Fall vorzunehmende Gesamtwürdigung zu einer vom Senat als angemessen erachteten Mindestverbüßungsdauer von 18 Jahren.

Aus dieser Entscheidung folgt zwingend, dass eine bedingte Entlassung des Verurteilten zur Zeit noch nicht in Betracht kommen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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