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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.03.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 176/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB §§ 56 f
Eine stationäre Therapie ist in der Regel als günstige Möglichkeit der Wiedereingliederung Abhängiger in die Gesellschaft anzusehen und deshalb bei der Entscheidung nach § 56 f StGB zu berücksichtigen.
1 Ws 176/07 1 Ws 178/07

Beschluss

Strafsache

gegen K.W.

wegen Diebstahls.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 05.02.2007 gegen den Beschluss der 4. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund vom 25.01.2007 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 03. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an die 4. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Durch Beschluss vom 03.07.2003 hat das Landgericht Dortmund die Reststrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Recklinghausen vom 16.12.1996 (StA Bochum, Az. 10 Js 65/95) zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungszeit auf 3 Jahre festgesetzt.

Durch Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 17.05.2004 (StA Bochum, Az. 10 Js 110/04) wurde der Verurteilte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit wurde wiederum auf 3 Jahre festgesetzt.

Schließlich wurde der Verurteilte durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 17.08.2004 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23.12.2004 (StA Dortmund, Az. 117 Js 559/04) zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Aufgrund einer Tat vom 18.01.2006 verurteilte das Landgericht Bochum (Az. 21 KLs 11 Js 101/06 I 28/06) den Verurteilten am 26.10.2006 wegen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten und ordnete die Unterbringung in einer Erziehungsanstalt an. Der Verurteilte befindet sich seit dem 08.12.2006 zur Durchführung der angeordneten Maßregel im Landeskrankenhaus Schloss Haldem. Nach erfolgter Anhörung des Verurteilten widerrief die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund mit Beschluss vom 25.01.2007 die oben aufgeführten Strafaussetzungen zur Bewährung.

Gegen den ihm am 30.01.2007 und seinem Verteidiger am 01.02.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 08.02.2007 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 05.02.2007. Mit seiner sofortigen Beschwerde macht der Verurteilte insbesondere geltend, dass das Landgericht Dortmund seine zwischenzeitliche Unterbringung in einer Maßregeleinrichtung im Sinne des § 64 StGB bei seiner Entscheidung nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt habe. Insbesondere hätten andere Maßnahmen als der Widerruf der Strafaussetzung im Sinne des § 56 f Abs. 2 StGB ausgereicht.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat beantragt, die sofortige Beschwerde zu verwerfen.

II.

Die gem. § 453 Abs. 2 S. 3 StPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat zumindest einen vorläufigen Erfolg.

Nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung zur Bewährung, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartungen, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht auch die ihm im Rahmen der Anhörung bekanntgewordenen Tatsachen zu berücksichtigen. Denn bei der Entscheidung der Frage, ob die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, ist nicht allein auf ein bloßes Legalverhalten, sondern auch auf die Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft und somit auf den voraussichtlichen Lebensweg des Verurteilten, d. h. auf die Sozialprognose im Zeitpunkt der Entscheidung, abzustellen. Deshalb müssen einschlägige Rückfallstraftaten Drogen- oder Alkoholabhängiger einer günstigen Sozialprognose nicht zwingend entgegenstehen, wenn neue tatsächliche Umstände vorliegen, die geeignet sind, die Möglichkeit der Wiedereingliederung im Einzelfall günstig zu beeinflussen (vgl. OLG Düsseldorf, StV 1998, 215, 216; Tröndl/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 56 Rdnr. 3 c m. w. N.). Mit solchen Umständen muss sich der Beschluss der Strafvollstreckungskammer in seinen Gründen in ausreichendem Maße auch auseinandersetzen.

Diesem Erfordernis wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht. Die Entscheidungsgründe beschränken sich auf die Wiedergabe des Gesetzestextes. Ein Hinweis darauf, dass sich die Strafvollstreckungskammer mit der Unterbringung des Verurteilten in einer Maßregeleinrichtung auseinandergesetzt hat, ist dem Beschluss nicht zu entnehmen. Der Umstand, dass sich der Verurteilte in einer solchen Einrichtung befindet, war der Kammer zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung auch aus der Stellungnahme des Verteidigers vom 18.01.2007 bekannt. Eine stationäre Therapie ist in der Regel als günstige Möglichkeit der Wiedereingliederung Abhängiger in die Gesellschaft anzusehen und deshalb bei der Entscheidung nach § 56 f StGB zu berücksichtigen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; Tröndl/Fischer a.a.O.).

III.

Unter Berücksichtigung der noch andauernden Therapie ist eine abschließende Entscheidung des Senats nicht angezeigt. Da in der angefochtenen Entscheidung ein wesentlicher, entscheidungserheblicher Umstand völlig unberücksichtigt geblieben ist und in Zukunft weitere tatsächliche Feststellungen unter Gewährung rechtlichen Gehörs zu treffen sind, hat der Senat davon abgesehen, in der Sache selbst zu entscheiden und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Die genannten Umstände machen es nämlich unerlässlich, von der Regel des § 309 StPO abzuweichen (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 49 Aufl., § 309 Rdnr. 9).

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