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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.12.2007
Aktenzeichen: 10 UF 177/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 c Nr. 1
Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann gerechtfertigt sein, wenn die Ausgleichsberechtigte dem Ausgleichspflichtigen drei während der Ehe geborene Kinder "untergeschoben" hat.
Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dorsten vom 18.06.2007 - 12 F 352/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien schlossen am 25.10.1991 miteinander die Ehe. Seit Oktober 2003 leben sie getrennt. Die Ehe ist durch Urteil vom 24.03.2005, rechtskräftig seit dem 07.05.2005, geschieden worden. Während der Ehezeit hat die Antragsgegnerin folgende Kinder geboren:

01.04.1992 T

18.02.1996 K

23.12.1999 M

Der Antragsteller hat während der Ehezeit Versorgungsanwartschaften in Höhe von 647,78 € erworben. Die Ansprüche der Antragsgegnerin sind zunächst ungeklärt geblieben. Daraufhin hat das AG das Versorgungsausgleichverfahren mit Zustimmung beider Eheleute durch Beschluss vom 24.03.2005 abgetrennt und über die Scheidung vorab entschieden. Die spätere Rentenauskunft ergab eine Anwartschaft in Höhe von 251,43 € für die Antragsgegnerin.

Durch Urteil vom 17.01.2006 in dem Verfahren 12 F 56/05 hat das AG Dorsten rechtskräftig festgestellt, dass der Antragsteller nicht der leibliche Vater der drei o.g. Kinder ist. Im Versorgungsausgleichverfahren streiten die Parteien darum, ob die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Kinder "untergeschoben" hat.

Unstreitig ist, dass sich der Antragsteller nach vergeblichem, vorehelichem Bemühen der Parteien um die Zeugung eines Kindes hat urologisch untersuchen lassen. Das Ergebnis war, dass die Zeugungsfähigkeit des Antragstellers stark eingeschränkt ist. Insoweit hat die Antragsgegnerin unwidersprochen vorgetragen, es sei von "5 % Zeugungsfähigkeit" die Rede gewesen. Als die Antragsgegnerin mit dem ersten Kind schwanger war, suchten die Parteien erneut den Urologen auf. Dieser erklärte angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen Schwangerschaft, er habe die Zeugungsfähigkeit des Antragstellers nie ausgeschlossen. Daraufhin, so der Vortrag des Antragstellers, sei er von seiner Vaterschaft ausgegangen. Unstreitig heirateten die Parteien im Hinblick auf die bevorstehende Geburt des Kindes. Auch hinsichtlich der weiteren beiden Kinder, die während der Ehezeit geboren sind, ging der Antragsteller nach seinem Vortrag von seiner Vaterschaft aus. Unstreitig hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass sie während der Empfängniszeiten der drei Kinder jeweils außer mit dem Antragsteller auch mit anderen Männern Geschlechtsverkehr hatte.

Der Antragsteller ist der Auffassung gewesen, die Antragsgegnerin habe ihm die drei Kinder untergeschoben.

Er hat beantragt,

den Versorgungsausgleich auszuschließen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen und den Versorgungsausgleich durchzuführen.

Sie hat behauptet, der Antragsteller habe selbst Zweifel an seiner Vaterschaft gehabt. Sie habe die Vaterschaft des Antragstellers nicht bewusst vorgetäuscht oder bestehende Zweifel wissentlich zerstreut.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht hat darauf erkannt, dass der Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Durchführung des Versorgungsausgleichs wäre unbillig im Sinne des § 1587 c Nr. 1 BGB. Die Antragsgegnerin habe nicht nur die eheliche Treue verletzt, sondern dem Antragsteller die Kinder bedingt vorsätzlich als eigene untergeschoben. Der Antragsteller sei über 12 Jahre lang für den Unterhalt der Kinder aufgekommen. Die Möglichkeit des Antragstellers, die tatsächlichen Väter in Anspruch zu nehmen, sei gering. In dem Verfahren 21 C 399/06 habe die Antragsgegnerin angegeben, sich an die leiblichen Väter nicht erinnern zu können. Dass die Antragsgegnerin durch ihre Haushaltstätigkeit während der Ehe einen gleichwertigen Beitrag zum Familienunterhalt geleistet habe, falle nicht ins Gewicht. Sie habe bislang eine eigene Rentenanwartschaft erworben und könne diese, da das jüngste Kind bereits 8 Jahre alt sei, noch erheblich aufstocken

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend: Das AG habe außer acht gelassen, dass der Antragsteller nur sehr eingeschränkt zeugungsfähig sei und dies auch gewusst habe. Er hätte dementsprechend erhebliche Zweifel an seiner Vaterschaft haben müssen. Soweit dem Antragsteller zugestanden worden sei, er habe an seine Vaterschaft glauben dürfen, müsse dies auch für die Antragsgegnerin gelten. - Das Alter der beiden Söhne (8 und 11) lasse allenfalls eine geringfügige Erwerbstätigkeit zu, die ein Aufstocken der eigenen Rentenanwartschaften nicht ermögliche. Zudem habe sie, die Antragsgegnerin, gleichwertige Haushaltstätigkeiten erbracht. - Zu berücksichtigen sei schließlich, dass sie inzwischen Herrn F als Vater des Kindes M benannt habe.

Der Antragsteller verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gem. §§ 629a Abs. 2 Satz 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 621e Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu Recht ausgeschlossen.

Der Ausschluss beruht auf § 1587 c Nr. 1 BGB. Danach findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Es ist eine Gesamtschau der relevanten Umstände vorzunehmen. Der Ausschluss dient nicht dazu, jegliches eheliche Fehlverhalten zu sanktionieren (BVerfG, FamRZ 2003, 1173, 1174). Vielmehr bedarf es mit Rücksicht auf die gesetzgeberische Zielsetzung, dem Ehegatten, der infolge der Aufteilung der Erwerbs- und Familienarbeit keine eigenen Versorgungsanwartschaften aufbauen konnte, eine eigene Versorgung zu verschaffen, der Würdigung aller Umstände, die die Verhältnisse der Ehegatten in Ansehung des Versorgungsausgleichs prägten (BVerfG, a. a. O.). Die Voraussetzungen für den Ausschluss gemäß § 1587c Nr. 1 BGB liegen vor, wenn seine Durchführung dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, der Ausdruck der aus der Ehe heraus geschuldeten Solidarität in Bezug auf die gemeinsam während der Ehe geschaffenen Altersversorgungswerte ist, in unerträglicher Weise widerspräche. Auch eheliches Fehlverhalten ohne wirtschaftliche Relevanz kann dabei nach gefestigter Rechtsprechung des BGH (siehe etwa BGH FamRZ 1990, 985, 986 m. w. N.; grundlegend BGH FamRZ 1983, 32, 33) den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 1587 c Nr. 1 BGB rechtfertigen, wenn es wegen seiner Auswirkungen auf den ausgleichspflichtigen Ehegatten ganz besonders ins Gewicht fällt.

Nach dem vorstehend dargelegten Maßstab sind die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs erfüllt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen:

Es mag zutreffen, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller nicht durch aktives Tun vorgetäuscht hat, er sei der leibliche Vater der drei Kinder. Dies ist hingegen auch nicht erforderlich. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Antragsgegnerin - selbstverständlich - jeweils den Mehrverkehr kannte und daher über einen entscheidenden Wissensvorsprung verfügte. Dies gilt umso mehr, als die Wahrscheinlichkeit der leiblichen Vaterschaft des Antragstellers gering war. Die Antragsgegnerin hat im Verfahren 21 C 399/06 AG Dorsten auf Seite 2 des Schriftsatzes ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2007 selbst eingeräumt, Kenntnis von der Nichtvaterschaft des Antragstellers gehabt zu haben. - Der Antragsteller hingegen durfte aufgrund der Auskunft des Urologen und mangels Kenntnis vom Mehrverkehr der Antragsgegnerin davon ausgehen, dass er der Vater war.

Auch hinsichtlich der Rechtsfolge hat das Amtsgericht zu Recht nicht auf eine Herabsetzung, sondern auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs erkannt. Eine Kürzung des Versorgungsausgleichs reicht nicht aus, um das Fehlverhalten der Antragsgegnerin zu sanktionieren und die bei Durchführung des Ausgleichs entstehende Unbilligkeit auszugleichen. Hierbei hat der Senat neben dem erheblichen Gewicht der sich über viele Jahre hinziehenden Eheverfehlung berücksichtigt, dass das Unterschieben der Kinder weitreichende finanzielle Folgen für den Antragsteller hatte. Denn er hat die Kinder über einen Zeitraum zwischen 8 und 12 Jahren unterhalten. Seine Aussichten, die leiblichen Väter auf Regress in Anspruch zu nehmen, sind gering. Der einzige von der Antragsgegnerin namentlich als Vater des Kindes M benannte Herr F, erzielt nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragstellers im Senatstermin zwar Einkommen, ist aber durch Unterhaltszahlungen für ein anderes Kind so belastet, dass ein Regress aussichtslos ist.

Der Senat hat bei seiner Abwägung mitberücksichtigt, dass sich die Antragsgegnerin während der Dauer der Ehe um den Haushalt gekümmert und in diesem Rahmen auch Leistungen für den Antragsteller erbracht hat. Dieser Gesichtspunkt tritt jedoch bei einer Gewichtung der relevanten Umstände so stark in den Hintergrund, dass er den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht hindert. Dabei hat der Senat auch bedacht, dass die Antragsgegnerin, die 1965 geboren ist, in späteren Jahren noch Gelegenheit haben wird, ihre eigenen Rentenansprüche durch eine Erwerbstätigkeit aufzustocken. Das jüngste Kind, M, ist fast 8 Jahre alt, so dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im sozialversicherungspflichtigen Bereich in überschaubarer Zeit möglich sein wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 und 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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